Der Western - Tot, lebendig oder nur ein Zombie

22.08.2011 - 08:50 Uhr
Cowboys & Aliens
Paramount
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Der Western ist tot. Daran gab es bis vor ein paar Jahren keinen Zweifel. Doch wie der diese Woche startende Cowboys & Aliens zeigt, ist das amerikanischste aller Genres längst nicht aus dem Kino verschwunden. Erleben wir die Renaissance des Western?

Heimlich still und leise schleicht sich der Western zurück in die Kinos. Das jüngste Beispiel ist der diese Woche anlaufende Cowboys & Aliens mit Daniel Craig und Harrison Ford. Erst vor ein paar Monaten verhalf der Western True Grit den Coen-Brüdern zu ihrem größten Kassenerfolg und zur Zeit plant Quentin Tarantino mit Django Unchained seinen Beitrag zum Genre. Vor ein paar Jahren galt der Western als tot und nun scheint er quicklebendig. Stecken wir mitten in der Wiedergeburt des amerikanischsten aller Genres oder sind das die letzten Zuckungen eines überholten Mythos?

Good Morning, Vietnam
Der Western ist eines der Genres, das auf ewig mit dem Goldenen Zeitalter Hollywoods assoziiert wird. Denken wir an das Hollywood-Kino der 40er und 50er, springen Bilder von John Wayne vor das innere Auge, der einsam durch das von John Ford verewigte Monument Valley reitet. Es war eine Zeit, in der die Verklärung des Ursprungs der amerikanischen Gesellschaft immer und immer wieder auf der Leinwand ausgebreitet wurde und irgendwie störte das niemanden, außer vielleicht die Minderheiten, Frauen und so weiter. Die Mehrzahl der Western zeichnete das Bild eines vornehmlich weißen Amerika, wie es zu Zeiten der Rassendiskriminierung noch akzeptabel war.

Doch Bürgerrechtsbewegung, counter culture und Vietnamkrieg beschmutzten dieses Idealbild der amerikanischen Nation. Schlimmer noch: Die sozialen Veränderungen der 60er und 70er Jahre ließen den Western mit seiner rassistischen Darstellung der Indianer und seinem patriarchalischen Gesellschaftsbild untragbar erscheinen. Es war also kein Wunder, dass die entscheidenden Neuerungen im Genre in den 60ern von Italien und Regisseuren wie Sergio Leone und Sergio Corbucci ausgingen. Abgesänge wie The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz bestätigten nur, dass der Western in seinem Heimatland nicht mehr zeitgemäß war und dies sollte ungeachtet von Ausnahmen wie Der mit dem Wolf tanzt und Erbarmungslos bis zur Jahrtausendwende so bleiben.

Der Western verdient die Wiederbelebung
Allerhand negative Dinge lassen sich also über den Western sagen und trotzdem ist es neben dem Gangsterfilm mein Lieblingsgenre. Das, was mich am meisten reizt, ist seine ungeheure Flexibilität bei gleichbleibenden Zutaten. So kommt es, dass ein Epos wie Red River neben dem Kammerspiel Ritt zum Ox-Bow stehen kann, dass eine hintergründige Reflexion wie Der Mann, der Liberty Valance erschoß dem Hirn desselben Regisseurs entspringen konnte wie das Abenteuer-Stück Höllenfahrt nach Santa Fé.

Setting, Figuren und Motive sind stärker eingeschränkt als bei anderen Genres, doch das macht die Stories aus dem amerikanischen Grenzland aus. Western bieten so die wunderbare Möglichkeit, gesellschaftliche Dynamiken unter der Lupe zu beobachten oder aber zeitlose Geschichten zu erzählen. Vor allem bietet der Western ein Sprungbrett zur Auseinandersetzung mit Amerika selbst, ein Thema, das das Hollywood-Kino gerade in der heutigen Zeit nicht ermüden kann und sollte.

The Good, The Bad, The Weird
Der Western ist zwar nie ganz aus den Kinos verschwunden, sondern versteckte sich gern in Subgenres wie dem Horror-Western (John Carpenters Vampire) oder dem Modernen Western (Desperado). Wenn es um Erfolg bei Zuschauern und Kritikern ging, führte das Genre in den 90ern weitgehend ein Schattendasein. Seit ein paar Jahren scheint sich hier jedoch eine Trendwende anzukündigen. Ein Ursprung ist nur schwer auszumachen, aber seit 2004 lässt sich kräftigerer Puls des Genres ausmachen. So zeigte die gefeierte Westernserie Deadwood (2004) sowie ein Jahr später Brokeback Mountain, Three Burials – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada, Serenity – Flucht in neue Welten und The Proposition – Tödliches Angebot auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen, wie sich im neuen Jahrtausend mit dem Genre spielen lässt.

Der erste Höhepunkt dieser Entwicklung wurde 2007 erreicht, im Jahr als Todeszug nach Yuma, Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford, Seraphim Falls, There Will Be Blood und No Country for Old Men erschienen. Letzterer, ein moderner Western, nahm gar den Oscar als Bester Film entgegen. Die Western waren vielleicht noch keine Kassenschlager, aber sie zogen eine neue Generation von Filmemachern an, die nicht auf die Namen Clint Eastwood oder Kevin Costner hörten. Während asiatische Regisseure wie Jee-woon Kim (The Good, the Bad, the Weird) und Takashi Miike (Sukiyaki Western: Django) ganz unbekümmert mit den Cowboy-Mythen jonglierten, schien sich das amerikanische Kino so langsam wieder auf sein Vorzeige-Genre zu besinnen.

Ein Chamäleon, Aliens und der Dude
Mit den Kassenerfolgen von True Grit und Rango allein sähe die Zukunft des Westerns ziemlich rosig aus, schließlich untermauern die beiden Filme die potenzielle Bandbreite der Zielgruppe des Genres. Im November startet bei uns außerdem Meek’s Cutoff mit Michelle Williams und Paul Dano, ein ganz hervorragender Independent-Beitrag, der die mühsame Eroberung des amerikanischen Westens geradezu spürbar macht.

Weniger Begeisterung dürfte dagegen das Einspielergebnis von Cowboys & Aliens hervorrufen, das weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Fraglich bleibt hierbei, ob die Schuld dem Western-Setting, dem Leading Man Daniel Craig oder Jon Favreau selbst zuzuschreiben ist. Dass fast zeitgleich auch noch Lone Ranger ungeachtet des Erfolgsteams um Johnny Depp, Jerry Bruckheimer und Gore Verbinski von Disney auf Eis gelegt wurde, sorgt jedenfalls für Ernüchterung.

Der Western weilt trotzdem wieder unter den Lebenden und konnte im neuen Jahrtausend sein Image in vielerlei Hinsicht von Vorwürfen, altmodisch und überholt zu sein, befreien. Zwar ist ein Western-Hype noch immer nicht in Sicht, aber zumindest dürfen sich die Fans des Genres in nächster Zeit auf Django Unchained freuen sowie auf mögliche Verfilmungen von Blood Meridian und The Dark Tower hoffen. Bis dahin bleibt uns wenigstens die Möglichkeit, mit John Marston durch die Welt von Red Dead Redemption zu reiten. Und ja, das Rockstar-Game ist ein weiteres modernes Beispiel für die andauernde Attraktivität des Wilden Westens.

Western gewinnen wieder an Beliebtheit, doch wollt ihr überhaupt Cowboy-Geschichten im Kino sehen?

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