Zugegeben, Vampire symbolisieren in unserer Popkultur viel mehr als nur die Gefahr des Erotischen. Besonders ihre Konzeption als Gegenpol des stumpfen Gammelmonsters machen sie zur Anklage gegen die Dekadenz der politisch-gesellschaftlichen Oberschicht: Schließlich sind Vampire seit der Kurzgeschichte Der Vampyr, die John Polidori 1816 unter dem Namen Lord Byrons veröffentlichte, vorrangig Aristokraten. Außerdem ließen die Monster mit Sinn für die schönen Dinge des Lebens selten etwas anbrennen: Auf dem Speiseplan stehen attraktive Frauen. Männer werden nur gebissen, wenn sie gefährlich werden. Diese Verbindung aus Luxus und schönen Frauen macht Vampire seit der Stummfilmzeit zum festen Bestandteil der Kinogeschichte. Hier zeigen wir euch eine kleine Auswahl der klassischen Vampirgestalten und ihrer Darsteller.
Draculas hässlicher Bruder – Graf Orlock
Wenn wir die ersten Erotikstreifen der Filmgeschichte betrachten, wundern wir uns, was für banale Dinge damals als “erotisch” galten. Doch selbst in dieser leicht erregbaren Epoche dürfte es Graf Orlock (Max Schreck) schwergefallen sein, die holde Weiblichkeit für sich zu begeistern. Die Frauen scheuten den blassen Glatzkopf mit den langen Fingernägeln und der Star aus Nosferatu, eine Symphonie des Grauens musste selbst in die Schlafzimmer unschuldiger Damen schleichen. Obwohl es sich um einen Stummfilm handelt, glaubt der Zuschauer, das lüsterne Röcheln des nachtaktiven Schwerenöters hören zu können, wenn er sich langsam die Treppe zu Ellen Hutters Schlafzimmer emporschleicht. Doch statt Küsschen oder Ohrfeigen gibt es Sonnenlicht und ein Aschehäufchen. Daran konnte auch die Neuinszenierung Nosferatu – Phantom der Nacht von Werner Herzog mit Klaus Kinski in der Rolle des Graf Orlock nichts ändern. Der berliner Film- und Theaterschauspieler Max Schreck spielte den Vampir-Fürsten übrigens derart überzeugend, dass der Film Shadow of the Vampire sogar behauptet, es habe sich bei Max Schreck um einen echten Vampir gehandelt, der einen Schauspieler spielt.
Der lüsterne Onkel mit dem Flachmann – Bela Lugosi
Vampire und Sex gehören zusammen. Das wurde den Mädels spätestens klar, seit Bela Lugosi 1931 den Grafen Dracula spielte. Perfekte Frisur, maßgeschneiderter Frack, ein samtschwarzes Cape und ein charmantes Lächeln, um das ihn selbst James Bond beneiden würde: Für so einen Mann gaben Frauen auch gern mehr als nur Blut her. Die Rolle des Grafen Dracula stand dem gebürtigen Ungarn derart gut, dass er zeitlebens mit ihr verbunden blieb. Leider verlief die Karriere durch dieses Rollenklischee eher schleppend, zumal Bela Lugosi sein theatralisches Schauspiel aus der Stummfilmzeit nicht ablegen konnte oder wollte. Alkohol- und Drogensucht waren die Folge. Zumindest der Trash-Regisseur Edward D. Wood Jr. hatte ein Faible für den untoten Schönling und ließ ihn in Plan 9 aus dem Weltall auch schon einmal ohne jeden Zusammenhang auf einem Provinzfriedhof fernab von Transylvanien herumspuken. Leider verstarb er während der Dreharbeiten und wird die meiste Zeit in dem “schlechtesten Film aller Zeiten” von einem Double gespielt. Auch im Privatleben konnte Bela Lugosi seine Filmrolle nicht abschütteln. Er trug es allerdings mit Fassung, wenn er noch Jahre später Fanpost von Frauen bekam, die ihm ohne Umschweife denn Maßanzug vom Körper reißen wollten…
Christopher Lee, ein Hammer-Typ
Keiner schlüpfte so oft in die Rolle des Grafen Dracula, wie der Workaholic Christopher Lee. Der Star des britischen Horror-Labels “Hammer Productions” legte sich mindestens in 16 Filmen das Cape um. Den Dresscode und den Sinn für Luxus hatte er offensichtlich von Bela Lugosi geerbt. Bei Christopher Lee handelt es sich jedoch keineswegs um eine blasse Kopie. Erstmals präsentiert er 1958 als Dracula die charakteristischen Eckzähne, die entgegen der landläufigen Meinung nicht zum ursprünglichen Genpool des Vampirs gehören. Stärker noch als Bela Lugosi wusste er sich durch Hypnose und mondänen Lifestyle das weibliche Wohlwollen zu erschleichen: In jedem neuen Film hatten die weiblichen Protagonisten weniger am Leib. Leider tauchte früher oder später sein Erzfeind Van Helsing (Peter Cushing) auf und machte den schlüpfrigen Partys ein Ende.
Who’s the dead sexmachine? Blacula!
In den frühen siebziger Jahren feierte das Blaxploitation-Genre seine Hochkultur. Natürlich wollten die Frauen in Harlem und der Bronx nicht extra nach Transsilvanien fahren, um auch etwas von der blutigen Vampirerotik ab zu bekommen. Also schlüpfte William Marshall in die Rolle des Blacula, dem schwarzen Vampirhelden, gegen den nicht einmal Shaft etwas ausrichten könnte. Die Story: Ein afrikanischer Prinz will im 18. Jahrhundert Graf Dracula persönlich davon überzeugen, gegen die Sklaverei vorzugehen. Dieser ist nicht so begeistert, beißt den störenden Hausierer und schließt den nunmehr Unsterblichen mit ewigem Hunger im Sarg ein. 200 Jahre später dürfen die Bewohner New Yorks mit der blutsaugenden Konsequenz der schiefgelaufenen Charity-Aktion fertig werden. Die Blaxploitation-Fans liebten den Film, und obwohl Blacula den ersten Teil nicht überlebte, wurde er von einem Voodoomagier für das Sequel Der Schrei des Todes zurück ins Leben eines Untoten gerufen.
Lesben sind besessen von Carmilla
Carmilla ist eine 1872 erschienene Novelle des irischen Autors Sheridan Le Fanu. Der Vampir ist hier eine österreichische Vampirin. Das hält sie jedoch nicht ab, mit Vorliebe Frauen zu beißen. Für die Horror-Trash-Welle der 70er und ihre Vorliebe für Schlüpfrigkeiten und (halb-)nackte Frauen war dies ein gefundenes Fressen. Bereits kurz nach Bela Lugosis erster Dracula-Darstellung war sie 1932 die Hauptfigur in Vampyr – Der Traum des Allan Grey. 1964 lernte sie dann Dracula persönlich kennen und spielte an der Seite von Christopher Lee in Crypt of the Vampire. Anders als Dracula wurde Carmilla häufig umbenannt und mit wechselnden Schauspielerinnen besetzt. Auch Hammer Productions zeigte drei Filme mit Carmilla, auch wenn sie in Nur Vampire küssen blutig der Zensur zuliebe ausnahmsweise mit Männern anbändelt. Seitdem taucht sie mehr oder weniger explizit in verschieden Vampir-Filmen auf. Auch für 2010 ist ein Carmilla-Film geplant, mit Jennifer Ellison in der Rolle des lesbischen Vamps.