Das Internet lässt sich in zwei Gruppen einordnen. Diejenigen, die von Die Simpsons seit Jahren gelangweilt sind und diejenigen, die noch nicht wissen, dass sie es bald sein werden. Die gelbhäutige Familie ist ein Phänomen. Nicht weil sie irgendwann einmal Fernsehgeschichte schrieben oder mit ihrem anarchistischen, gesellschaftskritischen Tönen einst einen empfindlichen Nerv trafen. Nicht, weil sie eine neue Ära der Prime Time Animation einläutete, von der viele Serienmacher profitierten (South Park, Family Guy, American Dad, Invader Zim u.v.v.m.). Auch nicht, weil sie maßgeblichen Einfluss auf nachkommende Film- und Seriengenerationen hatte (Malcolm mittendrin, Arrested Development, Spaced, The Office, Community), sondern weil Matt Groening und Fox es schaffen, seit über 15 Jahren sämtliche Kritiker- und Zuschauerstimmen sowie ganze Fangenerationen zu ignorieren und stattdessen stets neue Argumente finden, um die Chaosfamilie am Leben zu erhalten. Ein Aufreger der Woche in gelb.
Erfolgreich mit Quotentief
Warum hält Fox an den angestaubten Ex-Kultfiguren fest? Aus demselben Grund, der uns auch Cars 2 und 3 beschert. Die Einkünfte über die Merchandisingsparten sind für den Sender auch heute noch eine Goldgrube. Wer von uns hatte in den letzten 20 Jahren kein Videospiel, keine Bettwäsche oder kein T-Shirt von der gelbsüchtigen Sippe? Ein Quentchen Loyalität dürfte ebenfalls mit im Spiel sein, schließlich waren Matt Groenings Geschöpfe vor 23 Jahren maßgeblich daran beteiligt, aus Rupert Murdochs kleinem “Underdogsender” die vierte Säule des US-amerikanischen Fernsehens zu machen. Die Republikaner freut’s.
Dass Die Simpsons auch nach 25 Staffeln noch von Fox gehegt und gepflegt werden trotz massiven Quotenverlusten – die erste Staffel verfolgten im Schnitt 13.4 Millionen Haushalte pro Folge, während es bei der 21. noch 7.2 Millionen Zuschauer waren. Die zwei dazwischen liegenden Dekaden verdienen Respekt – die Quotenentwicklung weniger. In der laufenden 25. Staffel erreichte die Serie nun einen neue Negativmarke. 3.4 Millionen Zuschauer verfolgten die jüngste Folge “What To Expect When Bart’s Expecting”. Trotz der ernüchternden Zahlen kann Fox mehr als zufrieden sein, fuhr die Folge trotz allem das zweitbeste Tagesergebnis für den Sender ein, direkt nach Family Guy. Mehr noch, stachen Homer und Co. Konkurrenz wie Good Wife oder Revenge aus. Der Sonntagabend-Slot gehört seit jeher den Simpsons, aber dass eine Serie mit solchen Zuschauerverlusten auch nach all den Jahren und trotz des kreativen Schwunds Paroli bieten kann, sollte ABC, CBS und Co. zu denken geben.
Let it go
Fox überschlägt sich nicht unbedingt mit kreativen und experimentellen Höhenflügen. Zu den wenigen Highlights, mit denen die Simpsons heutzutage noch auf sich aufmerksam machen, gehören der allseits bekannte Couchgag, der mittlerweile im gefühlten Zwei-Wochen-Turnus von mal mehr und mal weniger prominenten Gästen überzelebriert wird. Nicht zu vergessen die zahlreichen Specials und Stunt-Folgen, die sich mit verrückten Ideen, Showeinlagen und Gastauftritten überschlagen, aber unlängst die Tugenden vermissen lassen, mit denen Springfield groß wurde. Seinen messerscharfen Witz, seine Raffinesse, seine Doppelbödigkeit, stets mit dem Daumen auf zeitaktuellen Themen, auf eine Art, die ebenso schmerzte wie frohlockte. Doch längst befindet sich das Format inhaltlich im kreativen Standby Modus. Im kryogenen Tiefschlaf. Formal passieren noch kleine Abstecher. Hier ein Kinokurzfilm, dort eine komplett in (CG-) Lego produzierte Folge, öfters illustre Gastauftritte. Aber sonst? Gelbe Tristesse…
Wann lernt Fox endlich loszulassen? Die Simpsons sind längst nicht mehr das knallgelbe Kultaushängeschild des Senders, sondern weiß-modrige Zombiegestalten, ein fahler Abklatsch ihrer selbst. Sie wurden zum Opfer des eigenen Formats. 25 Jahre konservativer Stillstand. Zum Klischee für nicht alternde, niemals dazu lernende, niemals Reife erlangenden Sitcomfiguren. Wo bleibt die Treehoue of Horror-Folge, die sich nicht als Traum, nicht als Halloween Spaß entpuppt, sondern die Simsponsfamilie wirklich über die Klinge springen lässt? Sie ihrem wohl verdientem Ende zuführt? Natürlich lassen sich auf diese Weise keine Bettlaken und keine Unterhosen mehr verscherbeln, aber Versöhnung mit Millionen von vergrätzten Fans erlangen, die der gelben Familie zwar längst die kalte Schulter zeigten, aber irgendwo noch ein Funken Liebe hegen. Gerade genug, um bei der finalen Folge wieder einzuschalten, um mit einer melancholisch-nostalgischen Träne in Erinnerungen an die vielen gemeinsamen Stunden zu schwelgen. Irgendwo zwischen Staffel 1 und 1000.