Rom als Intrigantenstadl der Extraklasse

10.11.2010 - 08:50 Uhr
Markus Antonius & Julius Cäsar wollen ganz nach oben
HBO/BBC
Markus Antonius & Julius Cäsar wollen ganz nach oben
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Für eine neue Adaption der Geschichte um den Sturz der römischen Republik legten HBO und die BBC ihre monetären und kreativen Kräfte zusammen. Gemeinsam schufen sie mit Rom die aufwändigste und beste Bildschirm-Version der Antike, die jemals zu sehen war.

Wir schreiben das Jahr 50 v. Christus. Nachdem Gaius Julius Cäsar Gallien unterworfen hat, ist er der mächtigste und reichste Mann des Römischen Imperiums. Das Volk liebt ihn, das Militär vergöttert ihn, die Elite Roms hasst ihn. Längst haben die Senatoren erkannt, welche Gefahr von Cäsar ausgeht: Sie fürchten einen Umsturz der Republik und Cäsars Aufstieg zum Alleinherrscher und König. Seine alten Verbündeten wenden sich gegen ihn, doch Cäsar setzt alles auf eine Karte und zieht mit seiner treuesten Legion nach Rom.

Der Sturz der römischen Republik und sein Wandel zum Kaisertum ist einer der spannendsten Momente in der antiken Geschichte und seine Folgen sind von unschätzbarer Bedeutung für die Geschichte der Menschheit. Unzählige Male wurde der Stoff für Buch, Theater und Film verwendet. Von Shakespeare bis zu Asterix, die Welt ist voll von der Geschichte um Julius Cäsar, seinem loyalen Helfer Markus Antonius, dem Verräter Brutus und der ägyptischen Königin Kleopatra. Nicht gerade Neuland also, das HBO und die BBC betraten, als sie sich vornahmen, den Stoff noch einmal anzupacken.

Nicht kleckern, sondern klotzen.
Mit 100 Millionen Dollar Budget überstieg die erste Staffel von Rom alle Superlative und war die bis dahin teuerste Serien-Produktion aller Zeiten. In den römischen Cinecittà-Studios wurden gewaltige Sets errichtet und Tausende von Komparsen, Kostüme und Requisiten eingesetzt, um das antike Rom auferstehen zu lassen.

Rom ist ein Fest für alle, die schon immer einen Blick auf die antike Stadt werfen wollten, wie sie wirklich ausgesehen haben könnte. Anders als in Hochglanzblockbustern ist Rom hier keine kalte, statuenübersähte Museumslandschaft mit blankgeputzten Marmorböden. Hier ist Rom bunt, laut, überfüllt, dreckig und gefährlich. Man kann es auch so ausdrücken: Was Showrunner Bruno Heller in Rom kreierte, ist das realistischste Bild der antiken Metropole und ein fast akkurates Bild der damaligen Gesellschaft, welches es so niemals zuvor zu sehen gab. Denn die Römer waren nicht einfach nur Menschen wie heute mit Bettlaken als Kleidung. Ihre Gesellschaft hatte völlig andere Werte und Gesetze und die Macher von Rom waren mutig genug, das Leben der Römer nicht zu modernisieren. Es mag uns heute grausam, brutal oder wollüstig erscheinen, aber damals war es eben völlig normal, seine Sklaven zu schlagen, Leute abzustechen, ohne mit der Wimper zu zucken, oder seine Kinder an Fremde zu verheiraten.

Und HBO sei Dank: Hier wird nichts geschönt. Wenn Männer mit Schwertern aufeinander losgehen, ist das nun einmal eine äußerst blutige Angelegenheit. Und wenn Julius Cäsar durch Hunderte von Dolchstößen sein Ende findet, muss danach auch erstmal der Boden gewischt werden. Nicht nur in Sachen Gewalt ist Rom nichts für Zartbesaitete, auch in puncto Sex waren die alten Römer wenig prüde. Die Besetzung der Serie leistet vollen Körpereinsatz und selbst für HBO-Verhältnisse ist sehr viel nackte Haut zu sehen, ohne dass die Serie jemals in Schlüpfrigkeit abrutscht.

Intrigantenstadl der Extraklasse
Zu Verdanken ist das auch der exzellenten Darstellerriege, die sich mit vollem Enthusiasmus in ihre Rollen wirft. Polly Walker geht als Cäsars Nichte Atia in der Rolle der Chefintregantin Roms voll auf. Sie liefert sich einen furiosen Zickenkrieg mit Servilia (Lindsay Duncan), Cäsars Geliebten und Mutter von Brutus (Tobias Menzies), der zwischen seiner Loyalität zu Cäsar und den Verpflichtungen seiner adeligen Familie hin- und hergerissen ist. Auch die anderen alten Bekannten aus dem Lateinunterricht sind vertreten: Pompeius Magnus, Cato, Cicero und natürlich auch ein Junge namens Oktavian. Mit seinem Aufstieg zu Augustus, dem ersten Kaiser des römischen Reiches, beschäftigt sich die zweite Staffel der Monumentalserie.

Besonderes Lob in der Reihe der adligen Römerschaft verdient Ciarán Hinds. Er verkörpert Julius Cäsar in einer Darstellung, die in ihrer Vielschichtigkeit alle bisherigen Fernseh- und Kinocäsaren auf die Ersatzbank verweist. Sein Cäsar ist ein undurchschaubarer Machtmensch, ein genialer Führer und politischer Lenker, der seine Motive nie ans Licht kommen lässt. Ob machthungriger Diktator oder visionärer Staatsmann – über seinen wahren Charakter kann man sich nie sicher sein.

Als Cäsar schließlich sein blutiges Ende findet, bleibt vor allem sein treuester Gefolgsmann ratlos zurück: Markus Antonius, Vollblut-Soldat und als Politiker ziemlich ungeeignet. Trotzdem versucht er nach Cäsars Tod, die Macht an sich zu reißen. Hier steckt das zweite Schauspiel-Highlight der Serie: Der Brite James Purefoy gibt in der Rolle des cleveren, aber ungehobelten Generals mit Hang zu Tobsuchtsanfällen alles. Ist er in der ersten Staffel noch loyales Handlanger Cäsars, spielt er sich später in die vorderste Reihe und sein Kampf mit Oktavian um die Nachfolge Cäsars treiben sowohl Figur, als auch Schauspieler in immer neue Höhen.

Der Auftritt der einfachen Leute macht den Unterschied
Dass Rom aber nicht zur History-Soap im Stil von Die Tudors verkommt, liegt an den zwei anderen zentralen Charakteren der Serie. Die einfachen Soldaten Lucius Vorenus (Kevin McKidd) und Titus Pullo (Ray Stevenson) kehren in Cäsars Armee zurück nach Rom. Als Männer des Krieges sind sie auf einmal mit einem friedlichen Leben konfrontiert, das sie nicht mehr gewöhnt sind. Vorenus kehrt heim zu einer Familie, die ihn nicht mehr kennt, während Pullo außerhalb des Schlachtfelds mit seinem Leben nichts anzufangen weiß. Diese beiden Figuren sind der wahre Geniestreich von Rom. Sie erlauben es, den Blick aus den Villen der Nobilitas herauszutragen und in das Leben der einfachen Leute der Antike einzutauchen. Als Zuschauer fühlt man schnell mit dem privaten Schicksal dieser beiden Männer ebenso mit, wie mit dem Fall des römischen Staates. Oft überkreuzen sich diese Wege auch, was eine wichtige Erkenntnis bringt: Geschichte, das ist oft nicht anderes als eine Ansammlung von Zufällen.

Leider war es mit Rom schneller zu Ende, als ursprünglich geplant. Nach der zweiten Staffel war Schluss, vor allem weil die Rechnung am Ende nicht aufging. Die Quoten waren exzellent, die Kosten leider trotzdem zu hoch. Eine historische Serie auf diesem Niveau zu produzieren, war schlicht und ergreifend zu teuer. Schade ist das vor allem, weil dadurch in der zweiten Staffel von Rom einige Elemente zu kurz kamen und Handlungsstränge nicht auserzählt werden konnten.

Aber für Fans besteht noch Hoffnung: Seit dem Ende der Serie gibt es Pläne für einen Kinofilm, basierend auf der Serie. Dies wurde seitdem auch von Kevin McKidd und Ray Stevenson immer wieder bestätigt. Also liebe Rom-Fans, vielleicht sehen wir uns bald wieder auf dem Forum Romanum und hören gemeinsam dem Marktschreier zu, wie er Neuigkeiten aus fernen Ländern und großen Kriegern verkündet.

Wie ist deine Meinung zu Rom? Spannendes Epos, das die Historie zum Leben erweckt oder langweiliger als eine Geschichtsstunde?

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