Die Goonies im Weltraum: Skeleton Crew hat sein Versprechen eingelöst. Was als Hommage an die Amblin-Filme aus den 1980er Jahren angefangen hat, entwickelte sich in den vergangenen Wochen in ein packendes Sci-Fi-Abenteuer mit Piraten, Raumschiffen und einem Goldschatz. Liebenswürdige Figuren und ein spannendes Geheimnis im Mittelpunkt der Geschichte – hier kommen viele gute Dinge zusammen.
Eigentlich wäre Skeleton Crew der perfekte Star Wars-Film, den man immer wieder schauen kann. Kurzweilig, ohne große Mythologie-Anbindung und extrem charmant. Um in der nostalgischen Aufmachung des Projekts zu bleiben: Man sieht förmlich die VHS-Kassette mit ausgeleiertem Band vor sich. Skeleton Crew ist allerdings kein Film, sondern eine Serie. Und die kann man nicht so schnell zurückspulen.
Skeleton Crew hat ursprünglich als Star Wars-Film angefangen und wurde später in eine Serie umgewandelt
Wie so viele andere Star Wars-Projekte hat Skeleton Crew eine lange Geschichte hinter sich. Schon 2017 pitchten Regisseur Jon Watts und Drehbuchautor Christopher Ford die Space-Goonies bei Lucasfilm – damals als Kinofilm, der sich ähnlich wie der kurz zuvor erschienene Rogue One von der Skywalker-Saga entfernt und auf eigenen Beinen steht. Doch schon ein Jahr später wurden diese Projekte zur Unmöglichkeit.
Verantwortlich dafür war Solo: A Star Wars Story, der im Mai 2018 als erster finanzieller Flop in die Franchise-Historie einging. Ein folgenschweres Ereignis, das ein massives Umdenken bei Lucasfilm auslöste und sämtliche Filmprojekte, die nicht Teil der Skywalker-Saga waren, auf Eis legte. Selbst ein populärer Name wie Obi-Wan Kenobi hatte keine Chance auf der großen Leinwand, so tief saß der Solo-Schock.
Gleichzeitig offenbarte sich mit dem Start von Disney+ und die dadurch entstandene Nachfrage an Streaming-Inhalten eine willkommene Notlösung: Lucasfilm richtete seinen Fokus auf die Produktion von Live-Action-Serien. Der Erfolg von The Mandalorian gab der Entscheidung anfangs recht. Inzwischen ist jedoch klar, was wir verloren haben: das filmische Selbstverständnis, das Star Wars jahrzehntelang ausgezeichnet hat.
Star Wars-Geschichten, die zuerst fürs Kino entwickelt wurden, entfalteten sich nun in mehreren Episoden auf Disney+, von Obi-Wan Kenobi bis Das Buch von Boba Fett. Skeleton Crew ist das neueste Beispiel. Und nach dem Ende der 1. Staffel lässt sich die konzeptionelle Fehlentscheidung nicht mehr leugnen: Alles an diesem Weltraumabenteuer schreit danach, in maximal 121 Minuten erzählt zu werden.
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Alles in Skeleton Crew schreit nach einem Kinofilm, der in zwei Stunden hätte erzählt werden können
Wenn wir die essenziellen Handlungspunkte der acht Folgen herunterbrechen, kommen wir auf eine klassische Drei-Akt-Struktur. Skeleton Crew ist zu keiner Sekunde interessiert, so intensiv mit dem Medium Serie zu arbeiten, wie es etwa Andor in seinen ausgeklügelten Arcs inklusive zahlreicher Figuren und parallelen Erzählsträngen tut. Auch das Monster-of-the-Week-Konzept der ersten Mando-Staffeln greift hier nicht.
Die ersten drei Folgen von Skeleton Crew decken ziemlich genau den ersten Akt eines Films ab: Wim, Fern, Neel und KB folgen (unfreiwillig) dem Ruf des Abenteuers, wenn sie die Onyx Cinder von At Attin nach Port Borgo transportiert. Mit Jod Na Nawood geht es für die nächsten drei Folgen in den Mittelteil, der die zentralen Konflikte ausbreitet, ehe wir uns für zwei abschließende Folgen ins actiongeladene Finale begeben.
Auf die entscheidenden Stationen kondensiert, ließe sich diese Geschichte problemlos in Form eines abendfüllenden Spielfilms fassen. Folge 4 macht das am deutlichsten: Nicht nur fällt das Kapitel stilistisch aus dem Rahmen. Der Zwischenstopp auf At Achrann lässt sich leicht aus der Staffel streichen, wenn die Schlüsselinformationen, die wir dort erhalten, zum Beispiel im vorhergegangenen Kh'ymm-Kapitel transportiert werden.
Natürlich befeuert ein geheimer Schwesternplanet zu At Attin das Geheimnis im Zentrum der Serie. Abseits der eingesammelten Wegweiser kommt Skeleton Crew aber nie wieder auf den kriegerischen Schauplatz zurück. Und die Coming-of-Age-Aspekte, die zwischen Kindern und Erwachsenen verhandelt werden, stecken in Variation auch in vielen anderen Szenen. Hier geht es nur darum, eine Staffel weiter aufzufüllen.
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Mit Skeleton Crew hat Lucasfilm die Chance auf einen Star Wars-Film verpasst, den man im Loop schauen kann
Dass Skeleton Crew eine Serie geworden ist, bricht dem Projekt nicht das Genick. Dennoch lässt der Gedanke nicht los, was für ein unverbindliches Vergnügen diese Geschichte hätte sein können, wenn sie auch den letzten Schritt Richtung Die Goonies gegangen und als zweistündiger Abenteuerfilm ins Kino gekommen wäre. Womöglich wäre dieser Film sogar der Freiheitsschlag gewesen, nach dem Lucasfilm sucht.
Andere Studios haben diesen Schritt mit ihren Franchises erfolgreich gewagt. Warner probierte eigenständige Blockbuster wie The Batman und Joker aus. 20th Century Studios brachte den Predator durch eine ungewohnte Perspektive in dem mehrere Jahrhunderte in der Vergangenheit angesiedelten Prey zurück. Und Sony launchte mit dem Spider-Verse eine großartige Marvel-Reihe jenseits jeglicher MCU-Verpflichtung.
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Die Ironie ist: Mit den Filmen, die unter dem "A Star Wars Story"-Label ins Kino kamen, war Lucasfilm bereits an diesem Punkt. Rogue One übertraf die Erwartungen, Solo enttäuschte – und genießt jetzt trotzdem ein langes Leben im Heimkino, weil er sich perfekt als eines dieser Abenteuer eignet, die man einfach so an einem Sonntagabend schauen kann. Es wird höchste Zeit, dass Lucasfilm diese Star Wars-Filme zurückbringt.