Seit fünf Jahren hat es keinen neuen Star Wars-Film im Kino gegeben. Serientechnisch hat sich umso mehr getan, angefangen beim Start von The Mandalorian am 12. November 2019. Mit einer bahnbrechenden Technologie brachte Serienschöpfer Jon Favreau die erste Realserie aus der weit entfernten Galaxis zu Disney+ und verwirklichte damit einen Traum, an dem selbst Star Wars-Schöpfer George Lucas gescheitert ist.
Schon in den 2000er Jahren arbeitete Lucas an einem vergleichbaren Live-Action-Projekt fürs Fernsehen, namentlich Star Wars: Underworld. Schlussendlich wurde die Serie nie realisiert – zu teuer, zu aufwendig, zu komplex. Über eine Dekade später kam Favreau mit einem neuen Ansatz. Trotz vielversprechendem Start ist dabei das in Vergessenheit geraten, was bei Lucas immer an erster Stelle stand: das filmische Erzählen.
Star Wars hat vergessen, was George Lucas' Filme so revolutionär und unsterblich gemacht hat
Das Star Wars von George Lucas ist geprägt von einer Mythologie, in der faszinierende Welten aus vielen verschiedenen Einflüssen entstehen. Stundenlang könnte man durch diese Welten wandern und über den Kampf von Gut und Böse nachdenken. Worüber Lucas aber noch mehr nachgedacht hat, war die Frage, wie diesen Sternenkrieg in Form bewegter Bilder erzählen kann – und das geht gerade komplett verloren.
Anhand der Star Wars-Filme lässt sich ein beachtlicher Teil der vergangenen 50 Jahre Filmgeschichte nachvollziehen. Angefangen bei der Entwicklung des Blockbuster-Kinos, das maßgeblich von Krieg der Sterne beeinflusst wurde, bis zur digitalen Revolution, die Hand in Hand mit der umstrittenen Prequel-Trilogie ging. Jedes Mal, wenn Lucas einen neuen Star Wars-Film drehte, veränderte er das Kino ein Stück.
Entscheidend für den Erfolg der Original-Trilogie war zum Beispiel die von Lucas ins Leben gerufene Effektschmiede Industrial Light & Magic (ILM), die das Aussehen von Hollywood-Filmen weit über Star Wars hinaus bestimmte. Dazu kommen Schnitt-Programme für Bild (EditDroid) und Ton (SoundDroid) sowie das Herantasten an digitale Kameras, mit denen später Episode II und Episode III in Gänze gedreht wurden.
Das klingt sehr technisch. Wenn wir einen Schritt zurücktreten, sind diese Werkzeuge aber unmittelbar mit Lucas' Geschichtenerzählen verbunden. Von Raumschlachten über außerirdische Kreaturen bis zu furiosen Lichtschwertkämpfen: Star Wars schöpft neugierig und voller Tatendrang die Möglichkeiten des Kinos aus und erfindet sich neue dazu. Dieser Erfindungsgeist steckte anfangs auch in The Mandalorian.
- Zum Weiterlesen: Alle 16 Star Wars-Serien im Ranking
Das Volume hat Star Wars-Realserien möglich gemacht und ihnen dann die Magie genommen
The Mandalorian wurde größtenteils in einer Studioumgebung gedreht, die sich das Volume nennt und aus riesigen LED-Videowänden besteht. Ganze Planeten können hier dank der sogenannten StageCraft-Technologie direkt beim Dreh abgebildet und nicht erst später in der Postproduktion am Computer eingefügt werden. Noch mehr Immersion: Vor allem Schauspielende begrüßen das Volume, da sie nicht mehr vor kahlen Green- oder Bluescreens stehen und mit Tennisbällen reden müssen.
Nach fünf Jahren an Star Wars-Serien, die im Volume gedreht wurden, stellt sich jedoch Ernüchterung ein. Von Lucas' visionärem Filmemachen ist wenig übriggeblieben. Mit Ausnahme von Andor – neben The Acolyte die einzige Realserie, die überwiegend auf das Volume verzichtet – wirken die einst so großen Star Wars-Welten plötzlich klein, leer und trostlos. Die Bilder, die hier entstehen, sind flach und uninteressant.
Alle Star Wars-Realserien im Überblick:
-
The Mandalorian (2019)
-
Das Buch von Boba Fett (2021)
-
Obi-Wan Kenobi (2022)
- Andor (2022)
-
Ahsoka (2023)
-
The Acolyte (2024)
- Skeleton Crew (2024)
Es fehlt das Gespür für Landschaften und Orte. Nicht einmal Lichtschwerter, die hell leuchtend durch die Dunkelheit brechen, können Akzente setzen, da räumliche Tiefe selten vorhanden ist. Der Reichtum an Details, der Star Wars bei Lucas so riesig gemacht hat, verschwindet in verschwommenen Hintergründen, während sich die Kamera nur noch für nostalgisch aufgeladene Figuren interessiert. Und die stehen im Nichts.
- Zum Weiterlesen: So läuft der Volume-Dreh von The Mandalorian ab
Aus dem einst blühenden Star Wars-Universum ist eine graue Wüste der Einfallslosigkeit geworden
Die Ahsoka-Serie handelt etwa von der Entdeckung einer Galaxis, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Der neu eingeführte Planet Peridea offenbart sich jedoch als graue Wüste der Einfallslosigkeit. Wo Lucas von den Werkzeugen des Filmemachens beflügelt wurde, seine auf dem Papier kryptisch klingenden Ideen in ikonischen Bildern auf die Leinwand zu bannen, fühlt sich das Volume inzwischen wie ein Gefängnis an.
Sogar der Kampf zwischen Darth Vader und Obi-Wan Kenobi findet vor austauschbarer Kulisse statt, obwohl Lucas die letzte Begegnung der Figuren auf einem Vulkan-Planeten orchestrierte, der dank Lavaströmen und Feuerfontänen zur Verlängerung der Emotionen wurde. Seit Episode III sind über 19 Jahre vergangenen. Eine solche Bilderwucht konnte bisher keine der Star Wars-Serien im Volume entfesseln.
Auch abseits des LED-Kerkers sind die Hoffnungsschimmer überschaubar: The Acolyte ist das erste Live-Action-Projekt, das in der Zeit der Hohen Republik angesiedelt ist – einer völlig neuen Star Wars-Ära, die genauso wie die Prequels mit einer neuen Bildsprache erforscht werden könnte. Über weite Strecken passiert das allerdings nicht, sodass The Acolyte am Ende eher einer Volume-Serie voller Limitationen gleicht.
Der Rogue One-Ableger Andor ist die bis dato einzige Star Wars-Realserie, die eine klare, ausgefeilte visuelle Identität besitzt und geschickt mit ihren Ressourcen umgeht. Dazu gehört auch der überlegte Einsatz des Volume, das u.a. beim Blick aus dem Fenster die Skyline von Coruscant abbildet, aber niemals eine ganze Welt stemmen muss, die dann so erschreckend nichtssagend wie in The Mandalorian und Co. wirkt.
George Lucas hat im Kino Grenzen überwunden, die Star Wars-Serien schränken sich nur noch ein
Natürlich war Lucas' digitales Star Wars nicht von Anfang an perfekt, aber er hat sich im Zuge der Prequels beständig dafür eingesetzt, die Technologie weiterzuentwickeln, anstelle sich von dieser einschränken zu lassen. Das ist der große Unterschied zum jetzigen Status quo des Franchise. Nur so kommen wir von den Windows-Hintergründen in Episode I zur unglaublichen Raumschlacht am Anfang von Episode III.
Als Lucas in den 2000ern an Star Wars: Underworld gearbeitet hat, wäre es vermutlich vermessen gewesen, eine Serie mit einem Kinofilm zu vergleichen. Seit dem durch Game of Thrones befeuerten Aufstieg des Serien-Blockbusters verschwimmen die Erzählformen jedoch mehr und mehr. Gerade das Volume hätte ein wertvolles Werkzeug sein können, um den Graben endgültig zu überbrücken. Das Gegenteil ist eingetroffen.
Vier der sechs neuen Star Wars-Serien leiden massiv unter dem Volume-Look, wenn beliebte Figuren unbeholfen im kreisrunden StageCraft-Studio stehen und immer nur aus den gleichen Perspektiven gefilmt werden. Selbst die Ankunft eines heiß erwarteten Bösewichts wie Großadmiral Thrawn zieht als blasser Moment vorbei – ohne ästhetisches Bewusstsein, ohne gestalterische Ideen.
Wie konnte das passieren?
So verlockend die neuen Star Wars-Serien klingen: Die Krux ist, dass das Volume die gesamte Produktion diktiert. Lucas erschuf digitale Gemälde, die durch sorgfältige Kompostionen von Formen und Farben die Konflikte der Figuren auf filmischer Ebene weitertrugen. The Mandalorian wird in erster Linie durch einen Effizienzgedanken befeuert, der sich gegenüber einem grenzenlosen Träumen in Bildern verschließt.
- Zum Weiterlesen: Wie Lucas mit den Prequels das Kino für immer veränderte
Bei keinem Star Wars-Kinofilm existiert dieses Problem. Selbst der oft übersehene Solo besitzt einen unverkennbaren Stil. Die Mandoverse-Serien lassen hingegen jegliche Dynamik und Tiefe in ihren Bildern vermissen, obwohl sie zu Beginn im Einklang mit Lucas' Pioniergeist standen. Das Volume ist für Star Wars nicht zur Speerspitze des modernen Filmemachens geworden, sondern zum unsichtbaren Käfig.