Jahresrückblick – Die schlechtesten Filme 2014

26.12.2014 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Kuscheln im Anne-Frank-Haus: Das Schicksal ist ein mieser Verräter
20th Century Fox
Kuscheln im Anne-Frank-Haus: Das Schicksal ist ein mieser Verräter
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Young-Adult-Geschichten, Comicspektakel und Fortsetzungen bestimmten das Kinojahr 2014, in dem sich einmal mehr alles um Franchisepflege drehte. Aus Frankreich hingegen gab es rassistische Wohlfühlunterhaltung – auch das hat ja längst Tradition.

Was das Blockbustergeschäft der zurückliegenden zwölf Monate betrifft, kann ich mich tatsächlich an kein Jahr erinnern, das so dicht besiedelt war von zugleich immer kostspieligeren wie kaum mehr originellen, interessanten oder wagemutigen Hollywoodfilmen. Das hat nicht nur etwas zu tun mit dem vielleicht langweiligen Klagelied über eine Industrie der ständigen Neuauflage, der permanenten (Re-)Produktion franchisetauglicher Stoffe, der schlicht nur noch Konzern- statt Filmkunst fabrizierenden Maschine. Sondern auch mit gravierenden System- und nicht mehr nur temporären Stofffehlern: Tentpole-Filme, die über Jahresbilanz und Existenz eines Studios entscheiden. Blockbuster, die immer aggressiver auf neue Wirtschaftsmärkte abzielen. Filmstars, die es nicht mehr gibt. Marken und Brandings, zu denen sich Filme wie Erfüllungsgehilfen verhalten.

Mehr: Jahresrückblick – die schlechtesten Filme 2013

Jene markante Innovationsarmut, die sich aus der entsprechenden Marktradikalisierung Hollywoods ganz logisch ergibt, spiegelt sich dann besonders anschaulich in den irrationalen Hypes um bloße Ankündigungen ebensolcher Konzernfilme: Bestenfalls übten sich die vieldiskutierten Trailer zu reinen Fortsetzungen wie Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht, Jurassic Park IV: Jurassic World oder Terminator 5: Genisys in erwartbarem Fanservice. Schlimmstenfalls aber degradieren sie das Publikum zur hungrigen Meute – als müsse man schlussendlich auch noch dankbar sein, dieses Milliardengeschäft bald mit einem Ticketpreis unterstützen zu dürfen. Es soll in diesem persönlichen Jahresrückblick daher vor allem um Filme gehen, die bestimmte Trends des gegenwärtigen Kinos repräsentieren, und damit künstlerischen Stillstand, kommerzielle Selbstbefriedigung oder ideologische Mechanismen zum Ausdruck bringen.

Zum Beispiel Bibelfilme

Son of God. Exodus. Left Behind. Den Himmel gibt's echt. Und natürlich Noah. "Derangiertes Autorenkino", nannte es ein Freund von mir sehr treffend, in Anspielung freilich auf jene religiösen Obsessionen, die einigermaßen profilierte Filmemacher plötzlich zu Unterhaltung von Gottes Gnaden inspirieren. Tastsächlich ließe sich zwischen dem Arche-Noah-Blockbuster von Darren Aronofsky und seinen Vorläufern, den fundamentalistischen Filmpamphleten eines Mel Gibson etwa, einiges an spannender Vergleichsarbeit anstellen. Obwohl der seit jeher einer gewissen Männeresoterik verpflichtete Aronofsky an seiner Schnittstelle zwischen Arthaus-Mainstream und nun eben auch Multimillionendollar-Effektspektakeln nicht unter besonderem Ideologieverdacht stand, hat er doch einen Film gedreht, der wie kein anderer des vergangenen Kinojahres pure Ideologie ist.

Und wenngleich er dabei zwar allerhand illustren Fantasy-Schnickschnack auffährt (und das ohnehin triviale Material somit noch einmal zusätzlich verflacht), ist es im Kern ein Film, dessen reaktionäre Ideen vollständig intakt bleiben. Viel lässt sich also eigentlich nicht sagen über diese Bibel- und demzufolge wohl auch Literaturverfilmung, die die Absichten ihres alttestamentarischen Märchens so pflichtschuldig genau ins Bild setzt, dass sie ihren eigenen Wahnsinn aus debiler Schöpfungsgeschichte und patriarchalischem Manifest kaum noch selbst begreifen kann: Lebenserhaltende Inzucht, gewaltsame Domestizierung der Frau, aufopferungsvolle Männerhybris – das war nun wirklich der konkurrenzlos albernste Hollywood-Film 2014.

Zum Beispiel Comicfilme

Mag sein, dass sich in Guardians of the Galaxy, diesem betont unernsten Weltraumabenteuer, zwei sehr amüsante Kinostunden lang Popreferenzen raten und präpotente Witzchen abnicken ließen. Und dass sich der Film dabei vielleicht als einigermaßen wüste Alternative anbot zu jener fantasielos-starren Tentpole-Systematik, aus der heraus Marvel mittlerweile Produktionen vom Superheldenfließband fertigt (und die ich eingangs zu umschreiben versucht habe). Ich wusste allerdings trotzdem nicht, was dieser Film von mir will. Ich habe nichts, was er erzählt, zeigt oder macht, auch nur annähernd verstanden. Ich wunderte mich, woher dieser Chris Pratt kommt oder warum er neuerdings als Star gilt. Ich gähnte wieder und wieder, wenn der Baum seinen Running Gag brachte. Ich wartete, dass mir jemand ein Joypad in die Hand drücken würde, damit diese künstlichen Bilder wenigstens noch irgendeinen Sinn ergeben.

Ich saß also tatsächlich zwei gar nicht amüsante Kinostunden lang vor einem lautstarken, aufdringlichen Durcheinander, das allenfalls meinen ohnehin fragilen Glauben an vielleicht nicht postmodernes, zumindest aber postmodern-geistreiches Blockbuster-Kino Lügen strafte. Da gab es doch nicht eine einzige eigene Idee, kein irgendwie interessantes Bild zu entdecken? Aber was soll's: Da die Guardians of the Galaxy beinahe widerspruchsfrei auf Begeisterung stießen – mehr noch, der Film einer heiligen Kuh gleicht, einem großen Spaß, bei dem schlicht niemand außen vor gelassen werden möchte –, muss der Fehler ganz bestimmt bei mir gelegen haben: Ich bin zu doof für diesen Film. Und seiner Ästhetik einfach überdrüssig.

Zum Beispiel ungebetene Sequels

Fortsetzung als Verzweiflungstat. Wolf Creek 2. Ghost Movie 2. The Purge 2. Kill the Boss 2. Mein Freund, der Delfin 2!?! Oder eben, warum auch immer, Dumm und Dümmehr. Ich Trottel glaubte sogar, den 20 Jahre alten, in Teilen durchaus amüsanten Vorgänger kurz vor Kinobesuch noch einmal auffrischen zu müssen. Das hätte ich mir nämlich sparen können: Dumm und Dümmehr erwies sich ja tatsächlich als bis in kleinste einfallsfreie Details reichender Abzug eines Films, zu dem es aus gutem Grund zwei Jahrzehnte lang keine Fortsetzung gegeben hat. Das war eben ein Überraschungshit nicht nur dergestalt, dass er zwei vielversprechende Regietalente auf den Plan treten ließ, sondern Jim Carrey – mit gleich drei Riesenhits in einem einzigen Jahr – als eine Art neuen Jerry Lewis bestätigte.

Mehr: Fortsetzungswahn – die Nichtkunst des Sequels

So etwas kann man nicht wiederholen, so etwas sollte man auch gar nicht wiederholen wollen. Und wenn man es zwei Dekaden und eine zumindest kommerziell recht heruntergewirtschaftete Karriere später dennoch versucht (vgl. auch Arnold Schwarzenegger), berührt einen das doch erstaunlich unangenehm. Klar, manch cinephiler Fan der Farrelly-Brüder konnte auch dieser filmischen Verzweiflungstat aller Beteiligten (minus Jeff Daniels) ein akademisches "interessant" abgewinnen (weil die exakte Wiederholung irgendeine sinnfreie Konsequenz habe). Aber vermutlich auch nur soweit, wie Scheitern eben im Sinne eines Autounfalls interessant sein kann, bei dem sich einfach nicht wegschauen lässt. Hasskino ist Dumm und Dümmehr allein deshalb, weil er der großartigen Kathleen Turner ein Comeback im Mainstream nur zur Bedingung vollständiger Selbstvertrashung gönnen wollte. Das ließ sich nicht schmerzfrei mit ansehen.

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