Only God Forgives 3D-Pfuscherei in Deutschland

24.08.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Only God Forgives 3D
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Der Verkauf von zweifelhaften Filmbootlegs auf dem Schwarzmarkt war einst ein lukratives Geschäftsmodell der Chinesen. Findige deutsche Vertriebe haben das Konzept nun auf das Konvertieren von 2D-Kinofilmen in 3D-Blu-rays angewandt. Eine miese Tour ganz legal.

2009 läutete James Cameron mit Avatar – Aufbruch nach Pandora die Renaissance des 3D-Kinos ein. Hollywood geriet in einen Goldrausch und eine Flut von mehr schlechten als rechten 3D-Postkonvertierungen durchspülte die Lichtspielhäuser. Es dauerte nicht lange und “3D” wurde zum Synonym für Abzocke und Frustration. Billige und im Schnellverfahren durchgeführte 3D-Konvertierungen wie Kampf der Titanen oder Conan (3D) brachten die Stereoskopie immer weiter in Verruf. Die Gewinnmarge von 3D-Kinofilmen schrumpft seitdem kontinuierlich, aber sorgen nach wie vor für genügend Zusatzeinnahmen, um Konvertierungen lohnenswert zu machen.

Das dachten sich auch die gewieften Geschäftsleute von Sunfilm Entertainment und konvertieren darum seit längerer Zeit die unmöglichsten 2D-Filme. Wobei “konvertieren” lediglich als hübscher Euphemismus zu verstehen ist, denn was der Vertrieb einem als 3D-Blu-ray andrehen will, unterbietet selbst eine in Echtzeit konvertierte Tagesschau auf einem drittklassigen 3D-Fernseher. Ein Aufreger der Woche mit Kopfschmerzgarantie.

Only God Forgives 3D-Pfuscherei
Neben Horrorfilmen und B-Movies ist der Arthousefilmer Nicolas Winding Refn ein besonders beliebtes Verkonvertierungsopfer, dessen Walhalla Rising und selbst produziertes Pusher Remake bereits vor geraumer Zeit in die dritte Pseudodimension geholt worden sind. Im November trifft es nun auch Only God Forgives, der ebenfalls die zweifelhafte Ehre zu Teil wird, ins 3D-Blu-ray-Sortiment des Grauens aufgenommen zu werden. Andere Mitglieder des 3D-Spukkabinetts sind Hellraiser – Die Offenbarung, Daybreakers, The Innkeepers – Hotel des Schreckens, Das Gesetz in meiner Hand oder Hatchet III. Gerade bei letzterem erscheint es traurige Ironie, dass ausgerechnet der dritte Teil einer beliebten Horrorfilmreihe, der ausnahmsweise mal nicht das ach-so-kreative “3-D” im Filmtitel trägt, am Ende doch noch den Stempel aufgedrückt bekam.

Sunfilm betreibt diese Marotte bereits seit einigen Jahren und bislang fuhren sie sehr gut damit obwohl auf den gängigen Onlineshops und Verbrauchsportalen einige ihrer berüchtigen Konvertierungen mieseste Bewertungen kassieren. Den arglosen Kunden in den Fachgeschäften schützt das aber nicht davor, blindlings auf den Etikettenschwindel hereinzufallen. Schließlich glaubt dieser, für einen geringen Aufpreis von 3-5 Euro die 2D und die vermeintliche 3D-Version auf einen Blu-ray Streich geboten zu bekommen. Dass es bei der 3D-Version um einen Pfusch der dreistesten Sorte handelt, stellt sich dann natürlich erst Zuhause heraus. Da der Wechsel auf die ursprüngliche Version aber nur ein Knopfdruck entfernt ist, wird die Frustration des Kunden in den meisten Fällen abgefedert. Ein Geschäftsmodell, dass sich für Sunfilm bezahlt macht, zumal für die Konvertierung sehr wahrscheinlich nicht mal Geld ausgegeben werden musste.

Quadratisch, plastisch, flach
Anhand der dürftigen oder komplett fehlenden Tiefeneffekte der bislang bekannten Konvertierungen liegt die Annahme nahe, dass sich Sunfilm Entertainment die Kosten für eine fachmännische Konvertierung durch ein spezialisiertes Unternehmen sparte, in dem sie auf (Freeware?)-Software zurückgriff, deren Algorithmus das Bild analysiert und automatisch in Vorder- und Hintergrund aufteilt. Dabei werden große und schnelle Bewegungen als Vordergrund, kleinere und langsamere Bewegungen als Hintergrund erkannt. Mit derselben Technik arbeiten heutige 3D-Fernseher um 2D-Fernsehprogramme in Echtzeit in neuem 3D-Glanz erstrahlen zu lassen. Die Fernsehhersteller werben damit, dass die Zuschauer mit diesem Verfahren ihre wöchentlichen Serienlieblinge, Filmklassiker oder auch Sportereignisse wie Fußball-Meisterschaften in tiefenreichen Bildern neu erleben können. Eine mutige Behauptung, ich persönlich nenne die magische 3D-Echtzeitfunktion viel mehr einen faulen Zauber mit erheblichem Frust- und Kopfschmerzfaktor. Aber wer weiß, ich lasse mich gerne eines bessere belehren, sollten tatsächlich 3D-Fachkräfte für die fragwürdigen Sunfilm-Ergebnisse zuständig sein. Aber dann sei mir eine Frage erlaubt: Leiden eure Praktikanten an einer räumlichen Fehlsichtigkeit oder sind sie einfach nur zu faul, Masken zu ziehen?

3D – 2.8D – Null
Wie wir heute wissen, sagt eine Postkonvertierung noch nichts über die Qualität der 3D-Effekte aus. Mit genügend Zeit und Geld lassen sich auch aus älteren Filmen ansprechende 3D-Filme machen. Der König der Löwen oder Titanic sind nur zwei gelungene Beispiele. Auch Pacific Rim hat jüngst bewiesen, dass es eine Konvertierung mit nativen Filmen aufnehmen kann. Zumindest partiell. Dass auch die besten Postkonvertierungen gegenüber echten 3D-Kamerabildern das Nachsehen haben, liegt in der Natur der Technik. James Cameron, zusammen mit Vince Pace der Godfather der modernen 3D-Technik, sagte einst: “Konvertierungen werden niemals so gut sein wie echtes 3D, aber 2.8D liegen auf alle Fälle drin.”

US-amerikanische Filmmagazine munkeln bereits, ob dieser Trend nach deutschem 3D-Unreinheitsgebot in Zukunft auch von amerikanischen oder britischen Vertrieben übernommen werden könnte. Deutschland befindet sich zur Zeit noch in zweifelhafter Gesellschaft, denn mit Ausnahme von Taiwan sind mir aktuell noch keine anderen Länder bekannt, die ebenfalls 2D-Filme eigens für 3D-Blu-ray Veröffentlichungen konvertieren. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass selbst den Chinesen in diesem Punkt ihre Kunden weniger egal sind und sie mehr Wert auf Qualität legen als gewisse deutsche Unternehmen…

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