Oscarsaison 2013 - Zu viele Filme, zu wenig Mumm

09.11.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Wer hat Angst vor dem goldenen Oscar?
AMPAS/moviepilot
Wer hat Angst vor dem goldenen Oscar?
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Zugeben will es keiner, aber Insider glauben zu wissen, warum immer mehr Filmperlen nach 2014 verlegt werden: die übermächtige Oscar-Konkurrenz. Da fragen wir uns doch ernsthaft: Wen interessieren die Oscars? Zeigt uns einfach die Filme!

Dem seit dem Münchner Kunstfund sehr aktuell gewordenen Monuments Men – Ungewöhnliche Helden von und mit George Clooney ist es passiert. Auch Foxcatcher mit Steve Carell, The Immigrant mit Joaquin Phoenix und Grace of Monaco mit Nicole Kidman. Die Rede ist von der Verschiebung des offiziellen US-Kinostarts von der Herbst/Winter Saison 2013 ins Frühjahr 2014. Als offizielle Begründung werden meist produktionstechnische Argumente angeführt. Das jeweilige Studio wolle den Filmen mehr Zeit für die Fertigstellung zur Verfügung stellen, damit sie ihr maximales Potential ausschöpfen können. Nur hohle Phrasen? Dachten zumindest diverse Hollywood Insider der LA Times, des Hollywood Reporters und andere. Denn seit wann zeigt sich Hollywoods Produzentengarde so verständnisvoll und einsichtig? In der Regel werden in Hollywood Filme an Deadlines angepasst, nicht umgekehrt. Umso auffälliger erscheint es, dass ein halbes Dutzend US-Filme – allesamt mit Oscarbuzz – innerhalb weniger Wochen auf das Frühjahr 2014 verlegt wurden.

Als wäre es nicht ärgerlich genug, dass wir als Filmfan uns während des ganzen Jahres damit herumschlagen müssen, wenn ständig welche die Oscar Keule auspacken (“Schauspieler XY spielt in YZ voll oscar verdächtig”), so spielen die Produzenten und Studios nun noch ein feiges Oscarbingo. Ein Aufreger der Woche über Produzenten, die zunehmend den Wettbewerb scheuen, im Glauben, im nächsten Jahr einen besseren Schnitt machen zu können. Vorbei die Zeiten, als das Aspekt des Filmemachens und nicht das Marketing und Vertrieb im Mittelpunkt standen…

For Your Consideration
Jeden Herbst beginnt das Pokern um die besten Platzierungen im Oscar-Rennen. Es ist eine Wissenschaft für sich. Ein Buhlen um Aufmerksamkeit, ein Verschicken von Früchtekörben, ein Zerpflücken von Zielgruppen- und Einspielprognosen, ein Jonglieren mit Startterminen. Es ist kein neues Phänomen. In jedem Jahr gibt es den einen oder anderen Oscarkandidaten, der kurzfristig sein Glück in der nächsten Saison sucht. So wurde Shutter Island von Martin Scorsese ebenso von 2010 ins Frühjahr 2011 verlegt wie Der große Gatsby von Herbst 2012 auf 2013. Solche Verschiebungen gelten aber generell als wenig förderlich für die eigenen Oscarchancen, da der Academy kein besonders ausgeprägtes Langzeitgedächtnis zugesprochen wird, Früchtekörbe hin oder her. Aber es winken dafür höhere Einspielsummen, da Anfang des Jahres weniger Gedränge in den Startlisten herrscht.

Weitaus häufiger war in den letzten Jahren zu beobachten, wie Filme Startlücken ausnutzten, um noch in die laufende Oscar Saison zu schlüpfen. So zum Beispiel Million Dollar Baby 2004, Letters from Iwo Jima 2006, Crazy Heart 2009 oder Hitchcock im letzten Jahr. (via) Doch dieser Luxus scheint endgültig vorbei zu sein. Nach dem Rekordsommer 2013 – in dem sich so viele Animationsfilme wie noch nie gegenseitig die Zuschauer streitig machten und mehrere Tentpole-Blockbuster sich als epochale Flops herausstellten – folgt nun eine der härtesten Oscarjahrgänge aller Zeiten. Von Lücken keine Spur mehr. Stattdessen wird die Academy mit einer Rekordmenge vermeintlicher “Oscarfilmen” überschwemmt. Die Oscar Saison 2013 gilt längst als eine der wettbewerbsstärksten aller Zeiten.

Kostprobe gefälligst? 2013 starteten oder stehen noch bevor: 12 Years a Slave, American Hustle, Gravity, Blue Jasmine, Der Butler, Captain Phillips, The Wolf of Wall Street, Her, Nebraska, Blau ist eine warme Farbe, Im August in Osage CountyAtem holPrisoners, Inside Llewyn Davis, Before Midnight, The Place Beyond the Pines, Rush, All Is Lost, Ganz weit hinten und noch ein Dutzend mehr. Die meisten davon brillieren in mehreren Kategorien, aber besonders in den Hauptkategorien “Bester Film”, “Beste Regie”, “Beste/r HauptdarstellerIn” und “Beste/r NebendarstellerIn” dürfte es zum Gemetzel kommen.

Den Kopf frei kriegen
Was die Studios, Produzenten, Verleiher und Schauspieler sich vom Oscar versprechen ist offensichtlich. Auch dass sie unter Umständen zu Gunsten eines besseren Einspielergebnisses im lichteren 2014 auf bessere Oscarchancen verzichten, leuchtet ein. Doch warum setzen sie so wenig Vertrauen in ihre ach-so-großartigen Oscarkandidaten? Und warum ist in ihren – aber auch unseren Köpfen – bis heute dieses längst überholte Relikt namens “Oscar” noch so gegenwärtig? An den langweiligen oder nicht nachvollziehbaren Preisträgern oder die krampfhaft verjüngte Preisverleihung kann es wohl kaum liegen. Die Verleihung selbst krankt seit Jahren (Jahrzehnten?) an zunehmender Demenz und grassierender Humorlosigkeit. Dass nach Jahren des qualitativen Abstiegs (Ausnahmen wie 2009 mit Oscarhost Hugh Jackman bestätigen die Regel) wieder auf Oscar-Urgesteine wie Billy Crystal und Ellen DeGeneres zurückgegriffen wir, ist bezeichnend. Der ganze Oscarapparat ist ein antiquiertes Relikt, das die GEMA oder die deutsche Filmförderung wie junge und dynamische Institutionen erscheinen lässt. Wie wir vor einiger Zeit bereits feststellten, besteht die Academy bis heute aus einem überalterten Altherrenverein. Zwar angeführt seit diesem Jahr von einer afroamerkanischen Frau (wir berichteten), die aber am verkalkten System so schnell nichts verändern können dürfte.

3 Month An Oscar Slave
Zumindest ein Film, der nach 2014 verschoben wurde, erblickt nun doch noch 2013 das Licht der Kinoleinwände. The Wolf of Wall Street von Martin Scorsese, bei dem sich vor einigen Wochen Paramount noch nicht sicher war, ob der Regisseur den Film auch wirklich auf die vom Studio gewünschte Länge umschneiden könne. Was sich aber nun geklärt hat. Wenn Produzenten anfangen, das Vertrauen in Martin Scorsese zu verlieren, wäre wirklich Hopfen und Malz verloren.

Dass der Oscar auch bei uns seine Wirkung nicht verfehlt, wurde erst kürzlich beim unangefochtenen Favoriten der laufenden Awardsaison 12 Years a Slave ersichtlich. Als nach der Premiere am Toronto International Film Festival der Buzz ungeahnte Höhen erklomm, rochen wohl auch hiesige Verleiher das große Oscargeschäft und verschoben wenige Wochen vor Kinostart das Startdatum vom 31. Oktober 2013 auf den 16. Januar 2014. Und jetzt ratet, an welchem Datum die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben werden und ab wann auch Hinz und Kunz klar werden dürfte, wer der diesjährige Favorit sein wird? Bingo!

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