1954 - Atommonster Godzilla zerstört Tokio

09.04.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Godzilla, das japanische Gruselmonster
Toho / moviepilot
Godzilla, das japanische Gruselmonster
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Godzilla ist noch heute der Inbegriff des Gruselmonsters und des dazugehörigen Monsterfilmgenres. Markante Momente schaut heute ins Entstehungsjahr der grausigen, radioaktiven Kreatur aus Japan.

Eine alte Schwarz-Weiß-Aufnahme, schreiende Menschen, gleißende Explosionen, verwüstete japanische Großstädte; die Versuchung ist groß, sofort an eine der schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte zu denken. Und dann werden die großen, weißen Buchstaben eingeblendet: Godzilla. 1954 erschien in Japan der erste Teil der Monsterfilmreihe, der nicht nur ein eigenes Genre begründen sollte, sondern auch eine brandaktuelle Allegorie auf die Atombombenabwürfe über Nagasaki und Hiroshima war. Und mal abgesehen von aller politischen Relevanz ist der Streifen bis heute auch einfach nett anzusehen.

Die Auferstehung des Monsters
In Japan heißt der Film und das gleichnamige Monster von Regisseur Ishirô Honda einfach Gojira. Einen Mitarbeiter der Toho-Studios wird das ganz besonders gefreut haben, und zwar den etwas vollschlanken Menschen, dessen Spitzname für das vormals schlicht „G“ betitelte Monstrum übernommen wurde. Ein Wortspiel aus den Begriffen für Gorilla und Wal – wie überaus schmeichelhaft.

In Godzilla soll ein von Atombombentests aufgeschrecktes Monster, das mit radioaktivem Feueratem und brutalem Körpereinsatz Tokio zerstört, von einem Sauerstoff zersetzenden Gerät zur Strecke gebracht werden. Für die Darstellung des hochspannungsresistenten Viechs stapften abwechselnd Haruo Nakajima und Katsumi Tetsuka im hundert Pfund schweren Monsterkostüm durch eine Kulisse aus winzigen Modellbauten. Was muss es unter dieser Maske gemüffelt haben. Für seine technischen Effekte und die spannungsgeladene Dramaturgie erntete Godzilla dann auch prompt viel Lob und gehörte zu den zehn erfolgreichsten Filmen des Jahres.

Allegorie auf die Katastrophe
Am 06. Und 09. August 1945 waren über den japanischen Großstädten Hiroshima und Nagasaki Atombomben abgeworfen worden und hatten etwa 92.000 Menschen augenblicklich getötet. Auch ein knappes Jahrzehnt später litt das Land noch unter den Auswirkungen der Katastrophe, und als schließlich ein japanischer Fischkutter durch US-amerikanische Kernwaffentest radioaktiv kontaminiert wurde, beschloss der Produzent Tomoyuki Tanaka, das Trauma filmisch aufzuarbeiten.

Kernwaffentests, radioaktive Verseuchung, der ewige moralische Konflikt der Wissenschaft und um sich greifende Zerstörung – die Allegorie auf die atomare Katastrophe ist kaum zu übersehen. Trotz aller berechtigten Kritik ließen sich es die Amerikaner jedoch trotzdem nicht nehmen, Godzilla zwei Jahre später auch bei sich zu zeigen. Für die eigene Fassung fügte Terry O. Morse selbstgedrehte Szenen hinzu, erfand die Reporterfigur, gespielt von Raymond Burr, und entfernte Sequenzen, die die japanische Kultur zeigten.

Godzilla Eins bis Achtundzwanzig
Und auch sonst verwursteten Amerikaner und Japaner den Monstersaurier für zahlreiche Fortsetzungen und Remakes. In Godzilla kehrt zurück, dem ersten Sequel nach dem durchschlagenden Erfolg des Originals, verteidigte Godzilla zum ersten Mal sein Revier gegen einen Rivalen namens Angiras, und in späteren Produktionen wurden zur Vermarktung sogar Monsterkollegen wie King Kong und Frankenstein mit eingespannt. Im Laufe der Serie wechselte der Mutant schließlich sogar auf die gute Seite: in Befehl aus dem Dunkel von 1965 gibt er den großen Beschützer Japans.

Schnell entstand im Land der aufgehenden Sonne ein eigenes Genre, das sogenannte Kaiju Eiga. Und in der Aufnahme effektgeladener Filme in ihre Serie, sind die Fans zimperlich. Roland Emmerich kann ein Lied davon singen. Er brachte 1998 Godzilla in die Kinos, verlegte die Handlung nach New York City, sparte nicht an Explosionen und wurde trotzdem nicht akzeptiert. Bis heute nennen eingefleischte Godzilla-Liebhaber das Werk des Deutschen nur GINO: Godzilla In Name Only.

Ein gezielter Schlag mit der Moralkeule
Wenn Godzilla bei aller famosen Tricktechnik aber außerdem noch etwas kann, dann ist es mit Elan nicht nur den gepanzerten Schwanz sondern auch die Moralkeule schwingen. Im neusten japanischen Streifen Godzilla: Final Wars kommt es zum finalen Kampf zwischen dem original asiatischen Monstrum und dem amerikanischen Zilla. Der Echte schleudert den Abklatsch des Klassenfeindes in das Opernhaus von Sydney und vernichtet ihn mit seinem radioaktiven Strahl während dazu die Band Sum41 We’re all to Blame spielt. Wäre das also auch geklärt.

Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1954 bewegte:

Drei Filmleute, die geboren sind
18. Februar 1954 – John Travolta, tanzender Killer aus Pulp Fiction
23. April 1954 – Michael Moore, Regisseur von Dokus wie Bowling for Columbine
15. Juni 1954 – James Belushi, Familienvater aus Immer wieder Jim und Bruder von John Belushi

Drei Filmleute, die gestorben sind
12. Februar 1954 – Dziga Vertov, russischer Avantgarde-Regisseur von Der Mann mit der Kamera
10. April 1954 – Auguste Lumière, französischer Filmpionier und Bruder von Louis Lumière
15. November 1954 – Lionel Barrymore, todkranker Gast in Menschen im Hotel

Die großen Festival- und Award-Sieger waren unter anderem
Oscars – Verdammt in alle Ewigkeit von Fred Zinnemann (Bester Film, Regisseur, Nebendarsteller/in)
Goldener Löwe – Romeo und Julia von Renato Castellani
New York Film Critics Circle Award – Die Faust im Nacken von Elia Kazan

Die drei kommerziell erfolgreichsten Filme
Weiße Weihnachten von Michael Curtiz
20.000 Meilen unter dem Meer von Richard Fleischer
Das Fenster zum Hof von Alfred Hitchcock

Drei wichtige Ereignisse der Filmwelt
24. August 1954 – Höhepunkt der McCarthy-Ära mit der Unterzeichnung des Communist Control Act
19. Oktober 1954 – Ägypten und Großbritannien schließen das Suez-Abkommen
01. November 1954 – der Algerienkrieg beginnt

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