Auf eine Schawarma mit Geburtstagskind Robert Downey Jr.

04.04.2015 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Robert Downey Jr, in Iron Man 2
Concorde Filmverleih GmbH
Robert Downey Jr, in Iron Man 2
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Wie aus einem stinknormalen Interview-Termin mit Geburtstagskind Robert Downey Jr. kurzerhand ein Schawarma-Mittagessen samt Signierstunde wird, erfahrt ihr in diesem Bericht über einen Tag im Leben eines schlecht vorbereiteten moviepiloten...

Mit zittrigen Händen warte ich in der protzigen Luxus-Lounge des Hotel de Rome auf Robert Downey Jr., der gerade eine Pressekonferenz zum nächsten Superhelden-Opus-Magnum Marvel's The Avengers 2: Age of Ultron aus dem Hause Marvel eine Pressekonferenz gegeben hat, in der er zum circa 23. Mal die Möglichkeit eines Iron Man 4 nicht ausschließen wollte. Der Mann weiß eben, wie man Erwartungen schürt und Fanboys sich in die Buxen machen. Plötzlich steht er vor mir, im piekfeinen Mantel von Hugo Boss, eine dunkle Ray Ban auf der Nase und ein Cappy von den Lakers auf dem Haupt. "Ich wusste gar nicht, dass du auf Basketball stehst", posaune ich als vorbereiteter Interviewführer heraus. Robert will aber gerade nicht über seine Affinitäten zum Ballsport palavern und sagt nur: "Komm, wir gehen ein Happen essen. Ich habe Kohldampf." Gesagt, getan. Vor den Toren des de Rome sackt uns eine nicht enden wollende weiße Limousine ein, dich mich unangenehm an die von Rpatzz in Cosmopolis erinnert. Wenige Minuten später halten wir vor einem Burger King und ich weiß genau, wo dieser kulinarische Ausflug enden wird. "Robert, nicht wirklich jetzt, oder? Komm, ich kenne hier einen tadellosen Schawarma-Laden nur zwei Blöcke entfernt. Da haben wir wenigstens beide was davon." Robert bekundet zwar ein wenig enttäuscht, dass er sich auf ein paar labbrige Chili-Cheeseburger gefreut hätte, aber er willigt dennoch ein und wendet dem Fast-Food-Restaurant den Rücken zu.

Den Weg zum Schawarma-Laden um die Ecke bestreiten wir zu Fuß, was sich als glückliche Fügung herausstellt, weil Robert sich dank der alternativen Kreuzberger Szene dazu ermuntert fühlt, über die nicht minder alternative Szene des New Yorks seiner Kindheit zu sprechen. Dort wurde Robert Junior nämlich von seinem Vater, dem Underground-Regisseur Robert Senior, mit wenig liebevoller Hand großgezogen. Zwei kleine Rollen in dessen so absurden wie surrealistischen Streifen Greaser's Palace und Pound, in dem alle Schauspieler in Hundekostümen vor die Kamera hüpften, erhielt der kleine Robert noch im Kindesalter, aber Liebe von Seiten des Vaters wurde ihm nur während des gemeinsamen Konsumierens von Drogen zuteil. Wer im Alter von nur sechs Jahren unter der Aufsicht des Vaters schon Marihuana geraucht hat, muss eine Menge durchgemacht haben. Ich will gerade auf seine Jugendzeit als Balletschüler in England eingehen, da fällt mir auf, dass wir schon am Schawarma-Laden vorbeigetappst sind.

Die Schawarma

Der Schawarma-Laden ist trotz des freundlich verschneiten Aprilwetters tüchtig beheizt, weshalb Robert auf seine clevere Tarnung verzichten muss und Mantel samt Sonnenbrille und Cappy an den Kleiderhaken hängt. Natürlich stellt sich heraus, dass der gute Mann überhaupt nicht bewandert ist, wenn es um eine gute Schawarma geht. Während er noch mit Händen und Füßen dem Koch zu verstehen gibt, dass er doch bitte Ketchup auf seiner Schwarma hätte, weise ich ihm einen Platz zu und bestelle für ihn einen Leckerbissen mit ordentlich Halloumi und Kartoffeln. Ein Bissen und seine Augen blitzen auf: "Wow, DAS nenne ich mal eine Schawarma!" Ich kann mir ein besserwisserisches Nicken nicht verkneifen. Als ich ihn gerade auf seine WG-Zeit mit Kiefer Sutherland und seine ersten Erfolge bei Saturday Night Live und Filmen wie Mach's nochmal, Dad und Ein himmlischer Liebhaber ansprechen will, kommt mir der Schawarma-Koch zuvor. "Ich wusste doch, dass ich sie irgendwo schon mal gesehen habe." In seiner Hand hält er ein gerahmtes Foto von Charlie Chaplin, das eben noch an der Wand neben uns hing. Robert nimmt es ihm selig schmatzend aus der Hand, entfernt das Foto aus dem Rahmen und signiert dem etwas verdutzt dreinschauenden Koch das Bild.

1992 bekam Robert seine erste und bisher einzige Oscar-Nominierung für seine wirklich eindringliche Darstellung des legendären Chaplin, für die er sogar das Geigen- und Tennisspiel mit der linken Hand erlernte. Das war sein erster großer Karrierehöhepunkt und der Fall, der danach kommen sollte, war umso tiefer. Zwischen 1996 und 2001 wurde er immer wieder wegen Besitzes und Konsums von Marihuana, Koks und Heroin in Gewahrsam genommen, gefolgt von zahllosen gescheiterten Besuchen in Entzugskliniken und nicht abgeleisteten Auflagen. Wenn wir uns heutzutage seinen unvergesslichen Part als manischen Fernsehmoderator Wayne Gale in Natural Born Killers ansehen, kommen wir nicht umhin, daran zu denken, dass diese Rolle fast so etwas wie eine unheilvolle Prophezeiung seiner nahen Zukunft ist. Einen kurzen Hoffnungsschimmer gab es erst im Jahr 2000 in Form seiner Golden Globe-prämierten Performance als Schnuckel der Star-Anwältin Ally McBeal. Doch für diese langfristige Verpflichtung war die Zeit offenbar noch nicht reif. Noch während der Dreharbeiten wurde Robert wegen wiederholten Drogenkonsums erneut zu einer Haftstrafe verurteilt, weswegen er von den Serienproduzenten kurzerhand entlassen wurde.

Ich werde aus meinen gedanklichen Entgleisungen gerissen, als ich bemerke, dass der Schawarma-Koch mit Faible für Charlie Chaplin durch einem Grüppchen von Fanboys und Fangirls ausgetauscht wurde, die nun artig auf ein tatsächlich gewünschtes Autogramm von Robert warten. Der ist noch immer guter Dinge, signiert fleißig T-Shirts, Handrücken und Schulhefter und hält das Ganze fotografisch fest, um es anschließend auf Facebook, Twitter und Instagram zu posten. Ja, der Mann versteht sein Handwerk wirklich gut. Das hat er auch hinsichtlich seiner Rollenwahl im letzten Jahrzehnt bewiesen. 2005 gelang ihm in der köstlichen Hollywood-Persiflage Kiss, Kiss, Bang, Bang ein kleines Comeback, das er in den folgenden zwei Jahren mit seinen einprägsamen Nebenrollen in A Scanner Darkly und Zodiac erfolgreich fortsetzte. Dann kam sein eigentliches Comeback mit Pauken und Trompeten im Marvel-Überraschungshit Iron Man, den zuvor die wenigsten kannten oder mochten. Dass er diese zweitklassige Comicfigur zu einem der beliebtesten, wenn nicht gar dem beliebtesten Marvel-Helden aller Zeiten machte und nebenbei dem baldigen Studiogiganten dazu verhalf, eine nicht enden wollende Erfolgssträhne in die Wege zu leiten, ist mehr als beachtlich. Dabei spielt er den Part des Multi-Millionärs Tony Stark eigentlich genauso wie viele seiner vorangegangenen Rollen: als moralisch ambivalenten, selbstverliebten, aber dennoch sympathischen Anti-Helden mit Herz und Sinn für Humor. Dieses Erfolgsrezept zahlte sich auch in den Folgejahre aus (siehe Sherlock Holmes), wenn auch nicht immer verlässlich (siehe Der Richter: Recht oder Ehre).

Der Abschied

Erschrocken fahre ich hoch und erinnere mich daran, dass ich Robert eigentlich noch zu Avengers 2, 3 und 4 und diesem nicht totzukriegenden Iron Man 4 ausfragen wollte, doch sein Platz vor mir ist leer. Ich sehe mich um und erblicke ihn am Tresen, wo er mit dem Koch seinen dritten zuckersüßen schwarzen Tee trinkt und zu den rhythmischen Klängen der orientalischen Musik aus der Konserve munter hin- und herwippt. "Zeit zu gehen", ruft er mir zu und drückt dem Koch einen Hunni in die Hand. "Typisch Hollywood-Stars," denke ich mir, "die wissen auch nicht wohin mit ihrem fleißig Ersparten." Als wir vor die Tür gehen, wartet auf Robert schon seine weiße Cosmopolis-Limo. "So, viel Zeit zum Schnacken hatten wir ja nicht gerade, aber für den Schawarma-Gaumensex bin ich dir ewig dankbar." Ich nicke reichlich verdutzt und nehme das einfach mal als Kompliment an, doch ich komme mir noch immer vor wie Kenneth Branagh in Woody Allens Celebrity, der einfach nicht zu seinem Interview mit Leo DiCaprio kommt. Bibbernd stehe ich neben Roberts Schiff von einem Auto. Er öffnet noch mal kurz das Fenster und sagt aufrichtig lächelnd: Hat Spaß gemacht, lass uns in Verbindung bleiben! Und nun tritt bitte zur Seite, damit mein Fahrer dich nicht umfährt." Die Limo biegt um die Ecke und weg ist er.

Ich mache mich auf den Weg zurück in die Redaktion, wo ich mir irgendeine Ausrede für meine nicht vorhandenen Interview-Notizen ausdenken muss. Da höre ich plötzlich ein Hupen so laut wie von einem Dampfer und sehe Roberts weiße Limo. Das Fenster am Rücksitz fährt runter und Robert steckt seinen Kopf aus seiner Luxuskarosse. "Hey, heute Abend feiern die Jungs, Scarlet und ich übrigens meinen Geburtstag. Komm gern vorbei, wenn du magst. Es gibt reichlich grünen Tee, Bud Light und Met. Und an AC/DC, Tanz und Dart soll es auch nicht mangeln. Allerdings muss ich dich vorwarnen: Beim Dart gewinnt Jerry wirklich immer." Abgesehen vom Met turnt mich Roberts Angebot spontan eher mäßig an, aber dann kommen mir Scarlet und ihr Tanzbein in den Sinn. "Robert, we got a date!"

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