Das deutsche Dahmer bei Amazon Prime wiederholt nicht die Fehler der Netflix-Serie – aber ist German Crime Story auch gut?

13.01.2023 - 08:45 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
German Crime Story: GefesseltAmazon Prime Video
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Nach dem Netflix-Erfolg von Dahmer bringt Amazon Prime Video seine erste deutsche True Crime-Serie an den Start. Kann German Crime Story: Gefesselt überzeugen?

Mit Dahmer - Monster lieferte Netflix einen unglaublichen Serien-Erfolg ab, der einmal mehr bewies, dass noch lange kein Ende des True Crime-Hypes in Sicht ist. Und das trotz des moralischen Grundproblems des Genres! Daran will nun auch Amazon anknüpfen und bringt mit German Crime Story: Gefesselt die erste deutsche True Crime-Serie des Streamers an den Start.

Alle 6 Episoden stehen ab sofort zum Streamen bereit und beleuchten die Geschichte des Hamburger Säurefassmörders aus den späten 80er und frühen 90er Jahren. Die Serie ist ähnlich schockierend und unangenehm wie Dahmer, schafft es aber, dem größten Kritikpunkt an der Netflix-Konkurrenz aus dem Weg zu gehen. Ob sich German Crime Story für euch lohnt, erfahrt ihr hier.

Folter, Mord und Säurefässer: Darum geht's in German Crime Story

Falls ihr noch nie etwas vom Säurefassmörder gehört habt, gibt es hier die Kurzfassung: German Crime Story beginnt in den frühen 1990er Jahren und handelt vom Hamburger Kürschnermeister Raik Doormann (Oliver Masucci), der seit dem Einbruch der Pelzbranche ein unfreiwilliges Dasein als Hausmann fristet.

Weil seine Ehefrau nun Alleinverdienerin ist, fühlt er sich seiner Männlichkeit beraubt und träumt davon, nach Costa Rica auszuwandern. Wie er das Geld dafür auftreiben will? Er entführt die Freundin seines ehemaligen Lehrmeisters und fordert 300.000 Mark Lösegeld.

Oliver Masucci in German Crime Story

Während Raik den Schein des freundlichen und kumpelhaften Nachbarn wahrt, hält er im selbstgebauten Atombunker unter seinem Reihenhaus sein Opfer gefangen und quält es zunehmend mit seinen sadomasochistischen Gewaltfantasien. Als die Frau schließlich entkommt und ihre Erlebnisse vor Gericht schildert, will kaum jemand der Geschichte des sadistischen Foltermeisters Glauben schenken. Bis auf die Polizistin Nela Langbeck (Angelina Häntsch).

Als erste weibliche Beamtin des Hamburger Morddezernats sieht diese sich mit großen Widerständen ihrer männlichen Kollegen und Vorgesetzten konfrontiert, als sie den Fall Raik Doormann und seine mögliche Verbindung zum ungeklärten Verschwinden zweier Frauen genauer untersucht. Was sie schließlich aufdeckt, ist viel grausamer, als man sich hätte vorstellen können. Es hat seine Gründe, dass Doormann später als Säurefassmörder in die Geschichte eingeht.

Amazons erschütternder True-Crime-Schocker geht an die Nieren

Wenn ihr euch erstmal an den dick aufgetragenen Dialekt von Hauptdarsteller Oliver Masucci gewöhnt habt, erwartet euch ein schauderhaftes Sittengemälde zwischen Grillpartys und Folter-Horror, das auf mehreren Ebenen erschüttert. Masucci, der zuletzt in Filmen wie Schachnovelle und Enfant Terrible oder Serien wie Dark begeisterte, verkörpert den perfiden Killer von Nebenan eindrucksvoll. Als geborener Verkäufer versteht er es, sein Umfeld zu blenden und Menschen mit seinem Charme (und Bratwürsten) in seinen Bann zu ziehen.

Raik ist eine wandelnde Red Flag, wenn er zum Beispiel eine Bekannte unheimlich beim Pinkeln im Busch beobachtet. Aber der Geschichtenerzähler mit dem sympathischen Schnack scheint sich aus jeder Situation herausreden zu können. Nur seine Opfer kennen sein wahres abstoßendes Weltbild, in dem Frauen entweder hinter den Herd oder als Lustobjekt gefesselt in den Keller gehören. Der harte Kontrast dieser zwei Gesichter des Wolfs im Schafspelz (in diesem Fall eher ein Nerz) machen ihn zu einer ebenso spannenden wie angsteinflößenden Figur.

German Crime Story: Gefesselt

Jedes Mal, wenn Raik eine Person in seinen Keller einlädt, kommt ein beklemmendes Gefühl auf, das bereits Netflix' Dahmer mit seinen nervenaufreibenden Täter-Opfer-Begegnungen heraufbeschwor. Auf die Spannung folgt jedoch das pure Grauen. In German Crime Story werden die durchlittenen Qualen und Erniedrigungen von Raiks Opfern niemals verharmlost, sondern so aufwühlend wie möglich dargestellt.

Die Amazon-Serie tut dabei nie so grenzüberschreitend weh wie der Skandalfilm Der goldene Handschuh über den Hamburger Serienmörder Fritz Honka. Dennoch ist German Crime Story eine (Achtung, Wortspiel) "fesselnde" Serienerfahrung, die lediglich im späteren Verlauf, wenn die Ermittlungsmethoden der Polizei stärker in den Fokus rücken, etwas an Fahrt verliert.

German Crime Story umgeht das Dahmer-Problem, das bei Netflix für heftige Kritik sorgte

Dahmer: Monster Die Geschichte von Jeffrey Dahmer - Trailer (Deutsch) HD
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Im Zuge des Dahmer-Erfolgs entfachte eine hitzige Debatte über die moralischen Probleme des True Crime-Genres. Die Netflix-Serie verfilmte die grausamen Taten des Milwaukee-Kannibalen ohne Rücksicht auf das seit Jahrzehnten bestehende Trauma der Angehörigen seiner Opfer. German Crime Story wählt jedoch einen anderen Weg.

Die Amazon-Serie gibt sich unmissverständlich als fiktive Version der Geschichte des Hamburger Säurefassmörders und basiert frei auf den wahren Begebenheiten. Dabei wurden zum Beispiel alle Namen realer Personen verändert. Der eigentliche Killer Lutz Reinstrom wurde zu Raik Doormann.

German Crime Story distanziert sich somit von der Realität, ohne dabei jedoch die echten Ereignisse zu stark zu verfremden. Darüber hinaus entstand die Serie mit der Beteiligung zahlreicher Menschen, die direkt und indirekt mit dem wahren Fall in Verbindung standen, wie Ermittler und Angehörige von involvierten Personen. So geht es also auch. Für Aufregung wird Amazons True Crime-Projekt aber wohl trotzdem sorgen – dafür ist es einfach zu verstörend.

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