Es ist immer wieder eine traurige Erfahrung, aber gerade weil sie so unerwartet kommt, wiederholt sie sich unausweichlich. Der Tod einer Serie. Bekannteste Todesart ist dabei sicherlich: das Staffelfinale. Die können einen gelegentlich mit dem sehr flauen Gefühl zurücklassen, man hätte etwas sehr Geschätztes unwiderruflich verloren...weil das Ende irgendwie alles ins Nichts hat laufen lassen, seinem Anspruch nicht gerecht wurde, die dümmlichste aller möglichen Lösungsvarianten gewählt hat.
Das kann z.B so aussehen, dass sich die How I Met Your Mother- Macher traurigerweise nicht entscheiden können, zwischen denen, die Ted Mosby (Josh Radnor) mit oder ohne Robin Scherbatzky (Cobie Smulders) bzw. Robin mit Ted oder Barney Stinson (Neil Patrick Harris ) enden sehen wollen...und einfach versuchen, alle Möglichkeiten wahr werden zu lassen. Und das in einer einzigen Folge, in der Robin und Barney erst heiraten, sich dann trennen, Robin Karriere macht, während Ted eine Familie gründet, kurz, all den unmöglich sinnvoll zu vereinbarenden Andeutungen der letzten zehn Jahre Genüge getan werden soll. Natürlich gerät Robin ohne Ted in Einsamkeit und Isolation, während Barney, der in so viel Kleinstarbeit vom Bad Guy zum Sonnyboy gemacht wurde, einfach mal exakt in alte Muster verfällt und letztlich nur einer sein Herz schenken kann, nämlich der eigenen Tochter. Ähhh...sorry....braincrash!
Erstens: Spätestens seit wir in Staffel zwei zum ersten Mal Barneys Bruder (Wayne Brady) getroffen haben WISSEN wir, dass Barneys Softspot seine Familie ist (siehe z.B Folge 32 "Single Stamina"). Dazu hätte es nicht im Vorfeld einer ganzen Folge bedurft, in der alles, was Barney je gesagt oder getan hat ins Positive umgedeutet wird (siehe Folge 199, "Unpause") und dazu hätten wir ihn nicht über drei bis vier Staffeln leiden und kämpfen sehen brauchen, bis er quasi ein neuer Mensch wurde. Nicht dafür, dass er am Ende wieder genau der ist, der er schon in Staffel zwei war. Ein egomanischer Frauenheld, dessen guter Kern sich am ehesten erweist, wenn er etwas für die wenigen Menschen tun kann, die er in seinem inneren Kreis aufgenommen hat. Sympathisch war er allein schon durch diese Ambivalenz, die man eigentlich schon seit "Sweet Taste of Liberty" (Folge 3) kennt, wenn sie Ted erstmals bewusst wird. Dazu hätte man ihn nicht erst zum tragisch-gebrochenen Charakter, hinter dem natürlich nur ein Gutmensch, der sich für angetanes Unrecht rächen will, steckt, machen müssen. Dazu hätte man ihn nicht derart in den Fokus rücken zu brauchen, nicht um ihn dann wieder zum Nebencharakter (hinter Ted und Robin) herabzustufen. Erstes fettes NO!
Zweitens: Es kann mir NIEMAND erzählen, dass es geplant war, dass Robin und Ted zusammenkommen. Es wirkt zu sehr, als wäre es hastig hingebastelt, um ja niemanden zu ärgern. Bei Friends war immer klar, wo der Hase hinläuft, bei Scrubs - Die Anfänger gab es keinen Zweifel. Bei How I Met Your Mother schienen anfänglich beide Richtungen offen, das fand ich zunächst ganz gut, weil neu. Ab a "Symphony of Illumination" (Folge 148) schien es dann sogar ausgeschlossen, dass Robin die Mutter ist, und das hätte ich konsequent gefunden...würde nicht ab hier die ganze Geschichte kippen. Nur wenige Folgen später nämlich, nachdem Kevin Robin dann doch nicht genug liebt, um auf Kinder zu verzichten (Folge 152 "The Drunk Train"), fällt Ted plötzlich ein, dass er immer noch Gefühle für die Gute hegt. Da aber schon längst eine andere Bewegung begonnen hat, nämlich Barney und Robin als dramatisches Liebespaar (spätestens ab Folge 146, "Tick, Tick, Tick, gute 6 Episoden eher!), wirkt Teds Bemühen im besten Fall traurig, im schlimmsten Fall ist es irgendwie nervig. "Robin, again?"
Nervig aus der Position heraus, dass sie doch nicht die Mutter, folglich auch nicht die große Liebe sein KANN, oder???
FALSCH: Wie das furchtbarste Finale, das ich in den letzten zehn Jahren ertragen musste, beweist, ist es möglich, weiter unter dem Motto "beides ist möglich" zu arbeiten und auch beides umzusetzen: Den Bruch mit der Tradition des "Ross&Rachel"-Paares und die Verhaftung an diese Konvention....Nur dass ich das jetzt gar nicht mehr spannend finde, sondern anbiedernd-kompromisslerisch-entscheidungsunfroh. Wenn man es unbedingt jedem Recht machen muss, macht man es keinem mehr Recht, mit Sicherheit auch sich selbst nicht. Und das hat nichts damit zu tun, dass es immer schwer ist, einen guten Endpunkt zu finden. Etwa ab Mitte der Serie weiß How I Met Your Mother nicht mehr, was es ist, welche Art Humor es vertritt, ob es eher albern oder tragisch ist, ob es realistisch, satirisch oder komplett überzogen ist, wem es zu seinem Glück verhelfen soll und ob das überhaupt sein muss... und verliert darüber all die unverkrampfte Heiterkeit und scheinbar spielerische Leichtigkeit einer Gruppe junger Menschen, die das Leben nicht allzu ernst nehmen. Die Charaktere verlieren zunehmend Substanz, werden eindimensional und nur noch auf ein paar stereotype Merkmale beschränkt und wer wissen will wovon ich spreche möge sich bitte einfach die gesamte erste Hälfte der achten Staffel antun, allen voran die wirklich miesen Folgen "Nannies" und "Who wants to be a Godparent" (Folgen 163 und 164), die sich nur so überschlagen vor Überzeichnung und grottiger Typisierung. Man meint fast, die Serie konzentriert sich nur noch auf die Wandlung des Barney Stinson...was vielleicht verzeihlich sein würde, wäre genau dieser Strang nicht, wie oben dargelegt, komplett für die Katz weil redundant.
Auch Friends drohte dieser Umschwung, doch so massiv gekippt ist die 90er Kult-Sitcom nie, nichtmal in dem seltsamen Versuch Rachel (Jennifer Aniston) mit Joey (Matt LeBlanc) zu vereinen. Das war schon strange, aber ließ sich vergleichsweise leicht verdauen im Vergleich zu den furchtbaren dramaturgischen Fehlern, die How I Met Your Mother macht.
Wenn ein Ende wie dieses angedacht war, hätte man die Barney/Robin-Romanze NIE so ausbauen dürfen. Die Auflösung löst nebenbei einfach mal eineinhalb bis zwei Staffeln mit all ihren Entwicklungen und Entscheidungen in banales Tralala auf, weil sie einen Teil einfach zurücknimmt (z.B dass Barney und Robin match made in heaven sind) und einen anderen vollkommen ausnullt (beispielsweise den schmerzlichen Ablöseprozess Teds, siehe dazu Folge 201 "Sunrise").
Am schlimmsten aber finde ich, dass ich den Eindruck habe, die wirklich süße Figur der Mutter (Cristin Milioti) wurde nur eingeführt, damit Ted zu seinen Kindern kommt, Robin dennoch Karriere machen kann und somit am Ende jeder hat, was er will, sie also endlich Zeit und Muße füreinander haben. Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich empörend, weil irgendwie frauenverachtend.
How I Met Your Mother hält noch vergleichsweise lange durch. Einige Serien erleiden den Banalitäts-Tod bereits ab Staffel zwei.
Türkisch für Anfänger nannte sich eine nette kleine deutsche Multikultiserie von 2006, die für drei Staffeln in der ARD lief und Josefine Preuß (nach Schloss Einstein) ebenso zur festen Institution in der hiesigen Medienlandschaft machte, wie Elyas M'Barek, der seither mehreren kleinen Mädchen Spitzen in den Herzrhythmus jagt.
Es geht, grob gesagt, um die Zusammenführung einer deutsch-türkischen Familie mit alternativ-bunt-schriller Psychologen-Mama (Anna Stieblich) und etwas konservativerem Papa (Adnan Maral), der allerdings (ganz gegen das Klischee des türkischen Familienoberhauptes) von eher sanfterer Natur ist und eine gewisse innere Ruhe in die Chaostruppe bringt, in die er einheiratet. Die Familie mit Mama Doris, Tochter Lena und Sohn Nille wird also erweitert um Papa Metin mit Sohn Chem und Tochter Yağmur (Pegah Ferydoni). Anfangs gibt's Zoff, dann raufen sich alle zusammen und (wer hätte es gedacht) zwischen Chem und Lena wird es romantisch. Das Ganze ist aber nicht ganz unproblematisch, denn da gibt es noch Axel (Axel Schreiber), der sich weniger in Lena denn in ihre bunte, fröhliche Familie verliebt und zu gerne Chems Platz in jeder erdenklichen Weise einnehmen würde.
Die Serie ist recht klassisch, was den Aufbau angeht und versprach vor allem diese Elemente: Frecher Humor, unschuldige Annäherung, überraschend offensiver Umgang mit Klischees und Fragen der Pubertät und des Erwachsenwerdens. Wäre man dabei mal geblieben, Türkisch für Anfänger hätte eine der wenigen richtig guten deutschen Serien werden können.
Was stattdessen geschah:
Mitte Staffel zwei wird die unpopuläre Entscheidung getroffen, das Liebespaar auf eine Weise zu trennen, die gründlicher nicht hätte sein können. Die Möglichkeit, dass beide sich zusammenraufen, ist ziemlich ausgeschlossen. Das kommt irgendwie nicht so hundertprozentig gut bei allen an und weil das Diktat des Konsumenten selbst im Öffentlich-Rechtlichen alles ist, brennt im Oberstübchen der Macher ein kleines Lämpchen durch, man springt einfach mal zwei Jahre in die Zukunft, lässt aufwändig eingeführte Charaktere einfach verschwinden und bastelt und konstruiert sich schnell noch einen Satz Folgen aus dem Ärmel, die alles so gut wie möglich ausgehen lassen. Hochzeit, Baby und geklärte Geschlechterrollen inklusive. Mit einem Wort: Türkisch für Anfänger Staffel Drei.
"Jetzt sind wir endlich eine richtige Familie", konstatiert Lena am Ende. Das hab ich gerade so noch gehört, ich war aber schon auf der Toilette um mich zu übergeben. Damals wusste ich allerdings auch noch nicht, dass mich noch Türkisch für Anfänger - Der Film erwartet, aka: Wir erzählen die gleiche Story mit den gleichen Witzen nochmal. ABER DIESMAL IN DER KARIBIK. Na denn.
How I Met Your Mother und Türkisch für Anfänger sind zwei extreme Beispiele für das tragische Versterben zweier vielversprechender Serien zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten und sollen erklären, warum ich mehr als nervös werde, wenn ich bedenke, dass ich mich an keine einzige der New Girl Folgen erinnere, die ich in der letzten Zeit gesehen habe. Vage meine ich zu memorieren, dass es auch um nicht sehr viel ging, eigentlich nur um ein paar schlechte Witze und Zooey Deschanels weit aufgerissene Augen. Das reicht schon mal allein so nicht wirklich für ein halbwegs unterhaltsames Programm und eine dereinst so coole und nerdige Serie muss schon ernsthaft erkrankt sein, wenn mir nichts mehr davon im Sinn bleibt.
Ein trauriger Prozess ist hier im Gange, der vielleicht am allgemeinen Überangebot, folglich Konkurrenzkampf, liegt. Konkurrenz, die auch mit der steigenden Qualität der HBO-Serien zu tun hat, die sich mit so tollen Serien wie Game of Thrones oder True Detective durchsetzen. Klar: HBO hat Freiheiten, die zB CBS nie haben wird, also muss letzterer ganz schön reinhauen, um da noch zahlentechnisch mitzuhalten. Diese Zahlen lassen sich dank Internet heute schnell ermitteln und so wird jeder Hype, in positiv wie negativ, blitzschnell erkannt und verwurstet. Social Media schön und gut, wenn das allerdings heißt, dass sich Autoren und Produzenten so sehr davon unter Druck setzen lassen, zu wissen, was das Publikum denkt, dass dabei Krautsalat wie das HIMYM-Finale rauskommt, möchte ich dazu gerne eines sagen: Marktbeobachtung in allen Ehren, aber - Lasst doch, ehe ihr Serien zu Tode verschlimmbessert, bitte das Publikum reden und entscheidet so aus dem Bauch heraus, wie es einmal geschehen ist, als diese Serien noch gut waren! Halten wir es mit Dirty Harry: Meinungen sind wie Hintern. Jeder hat einen. Und manche Hintern (das stammt jetzt von mir) muss man echt keines zweiten Blickes würdigen. Auch nicht um des lieben Kommerzes willen. Denn um nichts anderes geht es doch in diesen tragischen Banalisierungsprozessen, schätze ich mal.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer: The Big Bang Theory wenigstens scheint sich nach einer kleinen Flaute erholt zu haben und erreicht wieder neue Höhen. Eventuell müssen doch nicht alle Serien sterben.