Einmal weißwaschen bitte!

12.12.2011 - 08:50 Uhr
The Help
Disney
The Help
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Seit Donnerstag läuft einer der Überraschungshits des Jahres in den deutschen Kinos. The Help heißt der Film, doch von nicht wenigen wird er als weißgewaschenes Wohlfühlmärchen kritisiert.

Ob The Help von Tate Taylor hierzulande ähnlich viel Liebe beim Publikum findet wie in den USA, bleibt anzuwarten. Dort spielte die Bestsellerverfilmung um eine angehende (weiße) Schriftstellerin, die in den Südstaaten der 60er schwarzen Haushaltshilfen durch ein Buch eine Stimme gibt, bereits 169 Millionen Dollar ein. Für manche ist The Help ein Feelgood-Movie mit wichtiger Message, während andere den kleinen Film mit dem großen Erfolg als weißes Wohlfühlmärchen abtun. Doch vielleicht ist The Help auch nur Ausdruck einer weißen Restauration im Hollywood-Kino.

Bleibt alles anders
Was war das für ein Moment, als Halle Berry 2001 als erste Afroamerikanerin den Oscar als Beste Hauptdarstellerin entgegennahmen. Erst recht, weil am selben Abend Denzel Washington mit dem Goldmännchen nach Hause ging und Sidney Poitier mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet wurde. “Ab heute wird alles anders”, mögen sich viele gedacht haben, die Hollywoods Umgang mit den Minderheiten seit zig Jahren kritisieren. Doch hat sich etwas verändert?

Glauben wir der New York Times, stellt sich mittlerweile Ernüchterung ein. Ausgerechnet jetzt, mit einem Barack Obama als US-amerikanischen Präsidenten, zeigt sich die Traumfabrik so eintönig wie selten in den vergangenen Jahren. So finden wir dieses Jahr unter den gemunkelten Oscar-Favoriten neben The Help keinen Film mit Afroamerikanischen HauptdarstellerInnen. Mit The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten, J. Edgar, Die Kunst zu gewinnen – Moneyball, Young Adult, Die Eiserne Lady und Extrem laut und unglaublich nah wartet vielmehr eine recht homogen besetzte Oscar-Platte auf uns, präsentieren uns doch alle Caucasians in den Hauptrollen. Dafür können die Filme natürlich nichts, aber die fehlende diversity stimmt dennoch bedenklich.

Bereits bei den letzten Oscars konnten wir eine ähnliche Zusammensetzung beobachten. Obwohl es ganze zehn Werke zu einer Nominierung als Bester Film schafften, hatte keiner von ihnen Platz für Vertreter der Minderheiten in den Hauptrollen. Blicken wir in die Jahre unmittelbar davor, tauchen hier und da Leuchttürme wie Precious – Das Leben ist kostbar oder Invictus auf. Abgesehen vom hochgelobten Independentfilm Pariah, der das sexuelle Erwachen einer 17-jährigen zum Thema hat, sieht das potenzielle Programm bei den kommenden Oscars ziemlich mau aus. Und Pariah ist sowieso zu klein, um die Aufmerksamkeit der Academy auf sich zu ziehen.

Wo ist Blade, wenn man ihn braucht?
Die Oscars allein geben bekanntlich noch keinen Aufschluss über den Zustand der amerikanischen Filmindustrie. Deswegen hilft womöglich ein Blick auf die Box Office. Aber da gibt es eigentlich nichts zu sehen. Denn die bisher erfolgreichsten Filme des Jahres zeigen Minderheiten in der Mehrheit maximal in Nebenrollen. Ausnahmen wie The Help und Fast & Furious Five bestätigen leider die Regel. Beispielhaft sei hier das achso beliebte Superheldengenre genannt, das ab und zu mal mit einem Morgan Freeman oder Idris Elba in der Nebenrolle hausieren geht. Trotz seines Booms hat das Genre abgesehen von Blade und Hancock kaum Helden zu bieten, die von der weißen Norm abweichen.

Doch welcher afro-amerikanische Star könnte noch in ein Superheldenkostüm steigen? Genau. Die Zahl der Box Office-tauglichen Leading Men mit Minderheiten-Hintergrund ist erschreckend gering. Don Cheadle, Samuel L. Jackson und Terrence Howard haben sich dem Genre in Nebenrollen gewidmet. Doch ansonsten ähnelt die Box Office-Welt stark der von vor zehn Jahren. Denzel Washington und Will Smith dominieren den Markt und dahinter kommt erst einmal nichts.

My name is Perry, Tyler Perry
Fast nichts. Einer kämpft wacker gegen die Vorherrschaft und dreht gezielt Filme für ein afroamerikanisches Publikum der Mittelschicht. Sein Name ist Tyler Perry, seine Regiearbeiten tragen Titel wie For Colored Girls – Die Tränen des Regenbogens, Tyler Perry’s Madea’s Big Happy Family, Auch Liebe macht mal Ferien, Madea Goes to Jail und demnächst Good Deeds und auf deutschen DVDs werdet ihr sie höchstwahrscheinlich nicht finden. Der Erfolg des Regisseurs ist mit jedem neuen Film beinahe ebenso sicher garantiert wie die Schelte der Kritiker. Dabei verfährt Tyler Perry nach dem Motto: Wenn Hollywood uns keine Hauptrollen gibt, dann schreibe ich sie eben selber.

An den US-Kinokassen jedenfalls scheint es mittlerweile reservierte Plätze für zwei Typen von Filmen zu geben: Jene, die sich gezielt an Afroamerikaner richten und vom weißen Publikum kaum wahrgenommen werden sowie jene, welche die Rassenthematik leicht verdaulich für eben dieses Publikum aufbereiten. Zu letzerem gehören insbesondere Blind Side – Die große Chance und The Help, die jeweils althergebrachte Klischees aufkochen und sie mit dem viel kritisierten Motiv des weißen Retters (white saviour) würzen, der den armen Schwarzen aus ihrer misslichen Lage hilft. Hauptsache ist, besagte missliche Lage wird nicht zu drastisch geschildert. Wir wollen uns schließlich gut fühlen dabei.

Zwischen diesen beiden Formen der Fokussierung auf das afroamerikanische Leben drängeln sich Independentfilme wie eben Pariah. Doch auf großer Bühne, in Blockbustern, mittelteuren und Oscar-Filmen dominieren weiße Hauptdarsteller und, je nachdem, wem wir glauben wollen, auch weiße Stories. Dass es ganz anders geht, können wir dank Serien wie The Wire und Luther erahnen. Im Kino dagegen – und das bezieht sich nicht nur auf die oben ins Zentrum geschobene Minderheit – obsiegt der Einheitsbrei.

Was denkt ihr: Handelt es sich hier um ein handfestes Problem oder habe ich mich umsonst aufgeregt?

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