Kein Sci-Fi-Fan darf diesen genialen Zeitreise-Film verpassen: Escape from the 21st Century lässt Zeit und Raum durch ein Niesen (!) eskalieren

15.09.2024 - 16:40 UhrVor 4 Monaten aktualisiert
Escape from the 21st Century
Beijing Enlight Pictures
Escape from the 21st Century
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Science-Fiction auf Anschlag gedreht: Das macht Escape from the 21st Century jetzt erfahrbar. So abgedreht schön war das Genre seit Everything Everywhere All at Once nicht mehr.

Schon in den ersten fünf Minuten von Escape from the 21st Century stürzt ein Schornstein ein, drei Jungs fallen in einen See voll Chemikalien und die Halbwüchsigen entdecken nach einem Niesen, dass ebendieser Reflex sie 20 Jahre in die Zukunft katapultiert. Willkommen im größten Sci-Fi-Rausch des Jahres.

Escape from the 21st Century ist eine Freundschaftsgeschichte im knallbunten Sci-Fi-Gewand

Escape from the 21st Century ist bunt, laut und ein Fest für die Sinne. Wer mit schnellen Schnitten, verspielten Bild-Elementen und absurden Figuren nichts anfangen, ist hier fehl am Platz. Wer hingegen eine Sci-Fi-Ekstase in der Schnittstelle von Everything Everywhere All at Once, Big und Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt erleben will, darf sich mit diesem Film grenzenloser Freude hingeben.

Im Zentrum der chinesischen Sci-Fi-Actioners von Yang Li stehen drei Freunde: der coole Chengyong, der lustige Wang Zha und der etwas pummelige Pao Pao. Nach dem eingangs erwähnten Chemie-Unfall staunen sie nicht schlecht über die neue Gabe, ihr Bewusstsein mit einem Nieser aus dem Jahr 1999 ins Jahr 2019 in ihre erwachsenen Körper befördern zu können – und auf selbem Wege auch wieder zurück.

Ihre Zukunft ist allerdings nicht das, was sie als Kinder erwartet hätten: Chengyong arbeitet nun offenbar als Krimineller für einen Organhandels-Ring, Wang Zha ist Enthüllungsjournalist und der nun gut gebaute Pao Pao mit Chengyongs Flamme Yang Yi zusammen. Ohne Erinnerungen an die 20-jährige Lücke, müssen sie erst einmal lernen, sich zurechtzufinden.

Die Handlung von Escape from the 21st Century ist ohne Frage abgedreht. Aber sie passt dadurch umso besser zum Rest des Films, der Sci-Fi-Unterhaltung auf kreativste Weise zelebriert.

Escape from the 21st Century fordert eure Augen und Ohren als Sci-Fi-Actioner heraus

Eigentlich sollte all das, was Escape from the 21st Century auffährt, nicht in einen Film passen. Und doch tut es das. Mehr noch: Genau dieses schonungslose Übermaß an Figuren, Bildern und Story ist es, was das Sci-Fi-Werk so außergewöhnlich macht.

Das Bildformat wechselt beispielsweise zwischen der 90er-Jahre-Optik von 4:3 und einem extremen Breitbild in der Zukunft, das selbst 70-Millimeter-Western erblassen lässt. Die Actionszenen werden mal von klassischer Orchester-Musik und mal von Popsongs wie "Holding out for a Hero" untermalt. Immer wieder ergänzen animierte Comic-Elemente das Geschehen und mildern so mögliche Gewaltspitzen ab, die die rasante Coming-(oder wohl eher: Jumping)-of-Age-Geschichte ohnehin gar nicht nötig hat.

Dazu passt auch der Meta-Humor, der jeden Deadpool erblassen lässt: Etwa wenn jemand ein Wort aus den Untertiteln hochhebt und betrachtet. Oder wenn die Kampftrainerin der drei Freunde ihre vorige Rocky-Trainingssequenz als "komplett nutzlose Montage" bezeichnet, um dann ihre eigene hinterherzuschieben. Und von der trocken untertitelten Katze oder dem buchstäblich aus seinem Kopf dampfenden Wissenschaftler habe ich hier noch gar nicht angefangen zu erzählen.

Umso erstaunlicher ist es da, wenn Escape from the 21st Century am Ende aus dem Blitzlichtgewitter seiner Eindrücke einen roten Faden ziehen kann, mit dem plötzlich alles Sinn ergibt und der Endgegner sich doch noch besiegen lässt.

Dieser eskalierende Science-Fiction-Film weiß seine Mittel zu nutzen

Lachen und Staunen heißt hier die Sci-Fi-Devise: Manchmal lässt einen die Albernheit des Films infantil kichern, wenn etwa dem erwachsenen Pao Pao ein goldenes Licht aus der eigenen Hose entgegenleuchtet, als er erstmals seine neue Idealfigur betrachtet. Im nächsten Moment beeindruckt der Film dann schon wieder mit verblüffenden, zwischen den Zeiten wechselnden Kampfsequenzen. In einer davon gehen zwei Figuren in einem Restaurant in der Zukunft aufeinander los und kloppen sich nach etwas inhaliertem Pfeffer als Kinder im Klassenzimmer der Vergangenheit weiter.

Dass der Sci-Fi-Film strenggenommen nicht einmal auf der Erde, sondern auf dem (sehr erdähnlichen) Planeten K bei Kepler spielt, ist dabei nebensächlich. Denn unter dem visuellen und erzählerischen Abenteuer bewahrt die Geschichte sich zum Glück trotzdem einen menschlichen Kern. Wenn die drei Freunde verstehen, dass das Erwachsenwerden nicht alle Probleme löst und ihre Beziehung bei allen Nebenhandlungen von verlorenen Liebschaften und Weltrettungen ihre Freundschaft das Wichtigste bleibt, geht das zu Herzen.

So farbenfroh wie die Computerkabel, an denen Wang Zha aus einem Hochhaus springt oder die Batik-Malerpalette des Chemikaliensees, in den die drei Jungs am Anfang stürzen, so viel Spaß macht auch die Verschmelzung von Freundschaft und Science-Fiction, die uns mit einer Pusteblume unter der niesenden Nase auf ihren wilden Ritt mitnimmt. Escape from the 21st Century ist eine bunte Sci-Fi-Eskalation von Zeit und Raum, der man sich einfach hingeben muss – und dafür tausendfach belohnt wird. Denn so ein Science-Fiction-Film kommt nicht alle Tage daher.

Mehr vom Fantasy Filmfest:

Wie und wo ihr Escape from the 21st Century schauen könnt:

Escape from the 21st Century hatte seine Europa-Premiere am 11. September 2024 auf dem Fantasy Filmfest in Berlin, München, Nürnberg, Stuttgart und Hamburg. Am 24.9. wird er vom FFF noch in Frankfurt und Köln gezeigt.

Einen deutschen Start im Kino, Heimkino oder Stream hat Escape from the 21st Century darüber hinaus noch nicht.

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