Schon bei den Nominierungen zum Europäischen Filmpreis war Melancholia von Lars von Trier ein großer Favorit. Am Samstag holte der dänische Skandalregisseur den Preis für den Besten Europäischen Film und setzte sich damit gegen eine starke Konkurrenz durch. Unter anderem Le Havre (Aki Kaurismäki), das in Übersee die Verleihungen erobernde The Artist (Michel Hazanavicius) und The King’s Speech – Die Rede des Königs (Tom Hooper) waren ebenfalls für die Kategorie nominiert. Letzterer ging aber nicht ohne Auszeichnung nach Hause, denn er erhielt den Europäischen Publikumspreis. Trotz der achtfachen Nominierung von Melancholia schaffte es nur die Kameraarbeit von Manuel Alberto Claro zu einem weiteren Preis. Nach seinem braunen Faux-Pas in Cannes wagte sich Lars von Trier aber nicht selbst zur Preisverleihung, sondern schickte seine Frau.
Kirsten Dunst verlor gegen Tilda Swinton (We Need to Talk About Kevin) als Beste Darstellerin und erschien wie ihr Regisseur, ihre Filmkollegin Charlotte Gainsbourg und die Gewinnerin selbst nicht zur Preisverleihung. Für die Beste Darstellerin erschien nur eine einzige Nominierte, nämlich Nadeshda Markina für Elena von Andrej Swjaginzew. Auch Colin Firth nahm seinen Preis als Bester Darsteller für The King’s Speech nicht persönlich entgegen. Susanne Bier (In einer besseren Welt) war allerdings anwesend und wurde für die Beste Regie ausgezeichnet. Luc Dardenne und Jean-Pierre Dardenne erhielten die Auszeichnung für das Beste Drehbuch (Der Junge mit dem Fahrrad).
Wie Negativ-Film berichtet, ging die wirkliche Action bei den Sonderpreisen ab. Mads Mikkelsen (Adams Äpfel) gab sich ein herzliches und stichelndes Stelldichein mit seinem Laudator und Landsmann Stellan Skarsgård, der ihm den Preis zur Besten europäischen Leistung im Weltkino überreichte. Stephen Frears (Die Queen) erhielt einen Preis für sein Lebenswerk, spielte die eigene Größe bei seiner Rede aber herunter. EFA-Präsident und Gastgeber Wim Wenders (Buena Vista Social Club) erhielt den Dokumentarfilmpreis Prix Arte für seine 3D-Tanzdoku Pina, hatte aber nach eigenen Angaben keine Vorahnung. Im Bereich Animation setzte sich Chico & Rita von Tono Errando, Javier Mariscal und Fernando Trueba gegen Die Katze des Rabbiners (Antoine Delesvaux, Joann Sfar) und die Une Vie De Chat (Jean-Loup Felicioli, Alain Gagnol) durch.
Durch die Veranstaltung in Berlin führte eine Melancholia parodierende Anke Engelke, die aber auch nicht zu mehr Erfolg verhelfen konnte. Die “wichtigen” Leute fehlten und auch die Organisation der Veranstaltung schien zu umständlich. Das Hamburger Abendblatt berichtet von einer Synopsenhölle, denn jeder Film wurde für jede Kategorie neu vorgestellt. Melancholia war bekanntermaßen achtfach nominiert. Auch die Abwesenheit der Stars ist symptomatisch für das mangelnde Prestige des Europäischen Filmpreises, das auf die Geldknappheit der Europäischen Filmakademie und die Ausstrahlung als bloße Zusammenfassung auf Arte zurückzuführen sein mag. Zurecht bezeichnete Volker Schlöndorff (Ulzhan – Das vergessene Licht), Vize-Präsident der EFA, die Auszeichnung als “Sisyphus-Preis”, der noch viel Arbeit vor sich hat.