Wir - Selten war ein Horrorfilm so lustig wie der neue Hit des Get Out-Machers

25.03.2019 - 11:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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Mit Wir ist Jordan Peele nach Get Out erneut ein außergewöhnlicher Horrorfilm gelungen, der zwischen den Genres wandert. Sein neuester Streich überzeugt dabei insbesondere mit vielen Lachern.

Horror und Humor sind zwei Elemente, die eigentlich überhaupt nicht zueinander passen und doch - oder gerade deshalb - gibt es zahlreiche Filme, die die beiden Genres zu vereinen versuchen. Ein Gag-Feuerwerk zu zünden ohne dabei die Beklemmung abzuschwächen, ist allerdings ein Kunststück, das nur wenige beherrschen. Jordan Peele zählt zu eben jener Gruppe talentierter Regisseure: Sein neuester Schelmenstreich Wir strapaziert im einen Moment unsere Lachmuskeln, um sie im nächsten gefrieren zu lassen. Achtung, es folgen Spoiler zu Wir!

Wir: Ein Film zwischen allen Stühlen

Wollen wir uns über den vielschichtigen Wir unterhalten, ist es schwierig, überhaupt einen Einstieg zu finden. Genau wie Peeles Regiedebüt Get Out legt der Film zielsicher den Finger in die Wunde der zeitgenössischen USA, was der Zuschauer durch die Augen einer vierköpfigen Familie miterlebt. Schauerliche und sogar verstörende Momente lassen nicht lange auf sich warten, wobei erst ganz am Ende das komplette Ausmaß der erschütternden Doppelgänger-Dystopie von Wir offensichtlich wird.

Lupita Nyong’o in Wir

Behaupten wir also, dass die Welt am Ende von Jordan Peeles Film am Abgrund steht, ist das vielleicht sogar noch eine Untertreibung. Dies können wir bereits erahnen, wenn die Protagonistin zu Beginn ihren unbekannten Zwilling in einem Spiegelkabinett trifft und so mit vermeintlich Unerklärlichem konfrontiert wird. Humor kann bei all dem Psycho-Terror eigentlich nur vollkommen deplatziert sein und doch beweist uns Wir das glatte Gegenteil.

Wie Wir das humoristische Potenzial seiner Darsteller nutzt

An den wohl lustigsten Szenen des Films sind Tim Heidecker und Elisabeth Moss beteiligt, was kein Zufall ist. Heidecker hat sich in den 2000er Jahren als Comedian in den USA einen Namen gemacht, unter anderem die Horrorkomödie Tim & Eric's Bedtime Stories kreierte er im Serienbereich mit.

Elisabeth Moss hingegen ist vor allem durch die vielfach prämierten Dramaserien Mad Men und The Handmaid's Tale bekannt, bewies in Ruben Östlunds Satire The Square mit einer erfrischend frechen Darbietung aber auch, dass schwarzer Humor genau ihr Ding ist.

Damit ist der Grundstein für Wir als Horrorkomödie praktisch schon gelegt, zumal Regisseur Jordan Peele (Key & Peele, The Last O.G.) ebenfalls Erfahrung im Comedy-Sektor vorweisen kann. Diese trägt er nun ins Horror-Genre hinein. Die humoristische Bandbreite in Wir reicht dabei von unerwartetem Slapstick über Dialogwitz bis hin zu cleverer Situationskomik.

Wir mit Elisabeth Moss

Über den gesamten Film hinweg wahrt Peele einen leicht ironischen Blick auf seine Figuren, ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben. So zeichnet Wir etwa Kitty (Moss) und Josh Tyler (Heidecker) frühzeitig als resigniertes und voneinander entfremdetes Paar, das vermutlich allein durch Wohlstand sowie die gemeinsamen Kinder zusammengehalten wird. Schon früh bringt die Situation eine Strandszene zum Ausdruck, in deren Verlauf Kitty sich zunächst Rosé nachschenken lässt und schließlich noch mitten am Nachmittag sichergeht: "Es ist viertel vor Wodka, oder?"

Ebenso bezeichnend ist ein Moment zwischen Adelaide (Lupita Nyong'o) und Gabe (Winston Duke), in der letztgenannter breitbeinig auf dem Bett Platz nimmt und so eine ganz bestimmte Erwartungshaltung an seine Frau ausdrückt, während dieser zunehmend ein altes Kindheitstrauma zu schaffen macht.

Die Art, wie Duke das spielt, regt zum Schmunzeln an, im Kern verhandelt Jordan Peele an dieser Stelle aber das unausgeglichene Geschlechterverhältnis innerhalb der Ehe: Gabe denkt nur an seine persönlichen Bedürfnisse und scheint demgegenüber keine Antennen für die Befindlichkeiten seiner Partnerin zu besitzen.

Wir

Der Humor in Wir wandelt zwischen unbeschwert und rabenschwarz

Vergleichbar heitere Sequenzen stehen in Kontrast zu späteren Begebenheiten in Wir, wenn der Gewaltpegel rapide ansteigt und der Doppelgänger-Terror unaufhaltsam losbricht. Selbst dann behält der Film seinen Humor bei, allerdings kann dem Publikum das Lachen mitunter durchaus auch im Halse stecken bleiben.

In der wohl glorreichsten Sequenz des Films werden Josh und Kitty in ihrem eigenen Ferienhaus von den Tethered überwältigt. Mit teils spektakulärer Akrobatik der Doppelgänger ist es an dieser Stelle noch nicht getan, vielmehr steht wieder Elisabeth Moss im Mittelpunkt, die blutüberströmt die Sprachsteuerung ihres Alexa-Systems zu bemühen versucht. Anstatt - wie befohlen - die Nummer der Polizei anzuwählen, spielt die Vorrichtung jedoch den Rap-Song Fuck tha Police von N.W.A. ab. Kittys Schicksal ist damit besiegelt.

Bei Wir darf ohne schlechtes Gewissen gelacht werden

Spätestens jetzt sollten wir uns eigentlich fragen, ob spontanes Losprusten überhaupt noch moralisch vertretbar ist, unterdrücken lässt es sich in jedem Fall aber nur äußerst schwer. Dass Wir sein etabliertes Horrorszenario auch nach dieser Szene ernst nimmt (und konsequent zu Ende führt), spricht zumindest für dieses Grusel-Highlight, mit dem sich Jordan Peele als zeitgenössische Genregröße und Autorenfilmer etabliert.

Wir

Es ist nicht weniger als ein kleines Wunder, wie gut sich Wir trotz seiner vielen verschiedenen Schlagrichtungen behauptet. Genau wie Get Out funktioniert das Werk am eindringlichsten als sozialer Kommentar auf gewisse Ängste, die die US-Politik unter Donald Trump forciert.

Verstehen wir den Film dagegen wörtlich, weiß die zentrale Pointe zu begeistern, wonach wir in Zeiten angestrebter Selbstoptimierung in Wahrheit unser größter Feind sind. Bei dieser Masse an unangenehmen Wahrheiten muss auch mal gelacht werden dürfen.

Wenn ihr von Wir einfach nicht genug bekommt, findet ihr hier noch weitere Artikel rund um den Film:

Hat euch Wir als Horrorkomödie überzeugt?

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