Sofia Coppola gehört zu den erfolgreichsten Autorenfilmern in Hollywood und ist dazu noch eine der wenigen Frauen, die bei den Oscars in der Drehbuch-Kategorie nominiert wurden und ihn sogar gewannen. Ihr Debütfilm The Virgin Suicides - Verlorene Jugend von 1999 brachte ihr Aufmerksamkeit, ihr zweites Werk Lost in Translation den Durchbruch und den Oscar für das beste Originaldrehbuch.
Als Tochter von Der Pate-Regisseur Francis Ford Coppola und Mitglied einer großen Künstlerfamilie (mit z. B. Jason Schwartzman, Nicolas Cage, Roman Coppola) wurden ihr das Talent und die Möglichkeiten quasi mit in die Wiege gelegt. Das machte sie zwar immer wieder angreifbar für Vetternwirtschafts-Vorwürfen ("[...] ein glasklarer Fall von Nepotismus außer Rand und Band, auf Steroiden und zudem auf Crack." - Vice ) ihre Filme sprechen aber für einen eigenen Stil und eine eigene Vision. Ihren 45. Geburtstag habe ich mir daher zum Anlass genommen, ins Filmuniversum der Sofia Coppola einzutauchen. Dieses wird von Figuren bevölkert, die wahlweise an der oberflächlichen Welt scheitern oder sich ihr ergeben und sich dabei wundern, warum ihnen etwas fehlt.
Von der Einsamkeit nicht dazuzugehören
Für The Virgin Suicides, Sofia Coppolas erstem Spielfilm, adaptierte sie den Roman Die Selbstmord-Schwestern von Jeffrey Eugenides. Es ist eine Geschichte über eine religiöse und kleinbürgerliche Familie, deren Leben eine tragische Wendung nimmt, als die jüngste der fünf Töchter einen Selbstmordversuch unternimmt. Ähnlich wie der gefeierte Film Mustang aus dem letzten Jahr berührt der Film die Themen Freiheit und Freizügigkeit in einer Welt, die solche Werte schwer zulassen kann. In The Virgin Suicides zeigt sich schon Sofia Coppolas Talent, ohne viel Dialog das Innenleben ihrer Figuren darzustellen. In poetischen, fast schon sphärischen Bildern erzählt sie von fünf pubertierenden Schwestern, die nicht wissen, wie sie mit dem Druck ihrer religiösen Eltern umgehen sollen. Ein Motiv, das sich später in ihrem Film The Bling Ring wiederholen wird. Auch hier wird von Eltern erzählt, die Druck auf ihre Kinder ausüben - diesmal mit Hollywood-Glamour statt Gott als Vorbild.
Das Gefühl der Einsamkeit, die Welt um einen herum nicht mehr zu verstehen und mit dem eigenen Platz in der Welt zu hadern, greift Sofia Coppola auch bei ihrem nächsten Film auf: Lost in Translation.
Hier begegnen uns Scarlett Johansson und Bill Murray als zwei Ausländer im riesigen und anonymen Tokio, die zueinander finden, weil sie sonst niemanden haben, der sie versteht ("I just feel so alone, even when I'm surrounded by other people." ). Auch hier sind es die ruhigen Momente ohne Dialoge, die die Seele des Films am besten ausdrücken. Etwa wenn Johanssons Charlotte gedankenverloren aus dem Fenster auf das dunstige Tokio blickt oder mit Murrays Bob Harris schweigend in einer hippen Karaoke-Bar sitzt. In einem Interview sagte Sofia Coppola einmal, dass ihr als Filmemacherin besonders wichtig ist, die Geschichte über das Visuelle zu erzählen, anstatt über die Dialoge. So seien ihre Drehbücher immer recht simpel und dünn, da sie sowieso genau wüsste, wie sich der Film anfühlen und aussehen soll. Im Fall von Lost in Translation gelang ihr das wohl am besten, wie die zahlreichen Preise, positiven Kritiken und Plätze auf Lieblingsfilm-Listen beweisen.
Die Schattenseiten von Ruhm und Reichtum
Seit Lost in Translation standen bei Sofia Coppolas Filmen auch immer wieder Figuren im Vordergrund, die Teil von Gesellschaftskreisen sind, in denen Ruhm, Ansehen, Konsum und Reichtum zu den wichtigsten Werten und Zielen im Leben gehören. Sei es der gelangweilte Schauspieler Johnny Marco (Stephen Dorff) in Somewhere, der der oberflächlichen Glanzwelt nichts mehr abgewinnen kann. Oder die junge Königin Marie Antoinette (Kirsten Dunst) im gleichnamigen Film, die sich dem blinden Konsum hingibt, während außerhalb ihres Schlosses gerade ein Land zusammenbricht.
Oder die Gruppe von privilegierten Teenagern in The Bling Ring, die beginnen, die Villen von It-Girls und Starlets auszurauben, um sich selbst einen kleinen Teil des Lifestyles anzueignen. Ihnen allen ist gemein, dass sie versuchen, ihre innere Lehre mit Konsumgütern oder Ruhm zu schließen. Trotz oder gerade weil diese Figuren im Kern eigentlich nur geliebt werden wollen, können wir mit ihnen mitfühlen und ihre Egozentrik, ihren Snobismus oder ihre Selbstbemitleidung verzeihen. Der Gedanke liegt nahe, dass Sofia Coppola, selbst aufgewachsen in der Scheinwelt Hollywoods, hier viele eigene Gedanken und Erfahrungen verarbeitet.
Eine Besonderheit an Sofia Coppolas Filmen ist zudem, dass ihre Figuren am Ende selten etwas gelernt haben und damit im Grunde zum Inbegriff des First-World-Problems-Memes werden.
Marie Antoinette hat im Grunde keine Ahnung, warum sie vor dem wütenden Mob flüchten muss, Emma Watsons Bling Ring-Figur gefällt sich sogar in ihrer Rolle als berühmte Kriminelle und Charlotte aus Lost in Translation scheitert vor allem an ihrem snobistischen Blick auf die Welt:
Why do you have to point out how stupid everyone is all the time?
Nach fünf Filmen und einem typisch melancholischen Weihnachts-Special mit Bill Murray für Netflix ist Sofia Coppola sicher eine der unverwechselbarsten Regisseure geworden. Die Humor-Website Funny or Die widmete ihr 2014 sogar einen Sketch , der alle Klischees und Elemente ihrer Filme auf den Kopf trifft. Vielleicht sitzt sie ja heute an ihrem Geburtstag irgendwo allein in einer Bar, während im Hintergrund leise ein Lied von Phoenix spielt und die Kamera langsam auf eine abgebrannte Zigarette und eine halb gegessene Schachtel Geburtstagspralinen zoomt. Oder sie arbeitet an ihrem nächsten Film, einem Remake des Clint Eastwood-Films Betrogen mit Nicole Kidman, Elle Fanning und Kirsten Dunst. Darin landet ein verwundeter Soldat im amerikanischen Bürgerkrieg in einer Mädchenschule und beginnt die Schülerinnen und Lehrerinnen zu verführen. Klingt wie eine Mischung aus den Mädchenfiguren aus The Virgin Suicides, dem Historien-Flair von Marie Antoinette mit einem Hauch Somewhere. Ich sende derweil melancholisch-poetische Geburtstagsgrüße an die einzigartige Sofia Coppola.