Jake Gittes - Kommentare

Alle Kommentare von Jake Gittes

  • 10
    Jake Gittes 04.08.2015, 22:23 Geändert 06.08.2015, 11:26

    L'ECLISSE stellt ohne Zweifel eines der ganz großen Meisterwerke Michelangelo Antonionis dar. Der letzte Teil seiner grandiosen Trilogie greift nach L'AVVENTURA und LA NOTTE wiederum das Thema der, wie Antonioni selbst es einmal nannte, „Krankheit der Gefühle“ auf.

    Wir lernen zunächst die junge Vittoria (gespielt von der umwerfenden Monica Vitti) kennen, die sich in der ersten Szene von ihrem Verlobten Riccardo trennt. Auf seine Frage hin, ob sie ihn nicht mehr liebe, kann Vittoria bloß ein „Ich weiß es nicht“ entgegnen. Ihre Gefühle scheinen verschwunden zu sein, doch kann sie die Gründe dafür nicht begreifen. Für die Liebe im traditionellen Sinne, scheint also in der modernen Welt kein Platz mehr zu sein. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn wir im weiteren Verlauf erleben, wie Vittoria sich zur Börse begibt und den jungen Piero (Alain Delon) kennenlernt, der dort als Makler arbeitet.

    Die Börse könnte als Sinnbild für eine moderne Welt verstanden werden, in der jegliche Moral verloren gegangen ist. Sie bildet somit den größtmöglichen Kontrast zu einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem die Liebe existieren könnte. Piero hingegen hat sich an die Schnelllebigkeit dieser Geschäftswelt angepasst und hat diese Einstellung auch auf sein Privatleben übernommen. Eine Beständigkeit von sozialen Kontakten scheint ihm deutlich fremd zu sein.

    Und so geschieht es, dass diese beiden vollkommen verschiedenen Menschen einander näher kommen und Zeit miteinander verbringen. Doch in eben dieser Zeit wird dem Zuschauer erst deutlich, wie weit die beiden doch davon entfernt sind, eine funktionierende Beziehung miteinander führen zu können. Immerzu ist da etwas, das sie im wahrsten Sinne des Wortes zu trennen scheint.

    Antonioni schafft es hier mit einmaligen Bildern eine Stimmung zu erzeugen, die einem bloß in ähnlicher Form in seinen übrigen Filmen begegnen kann. Zusammen mit den grandiosen Hauptdarstellern verwirklicht er hier ein Liebesdrama, welches sich mit einer unglaublichen Konsequenz einem Thema annimmt, das wohl auch heute noch kaum aktueller sein könnte.

    5
    • 5 .5
      Jake Gittes 23.06.2015, 20:02 Geändert 23.06.2015, 20:10

      Ausgehend von einer hochspannenden Idee und einer damit verbundenen Thematik rund um das Verhältnis von Mensch und Maschine, die aktueller nicht sein könnte, bleibt dieser 70er Jahre SciFi-Western leider viel zu sehr an der Oberfläche verhaften.

      Der Film verschenkt sein großes Potenzial vor allem dadurch, dass er sich in der zweiten Hälfte einzig und allein auf den Reiz und die Spannung der Verfolgungssequenzen fokussiert. Zwar sind diese zugegebenermaßen makellos inszeniert und der gesamte Film wunderbar gefilmt, jedoch versäumt er es sich wirklich kritisch mit der geschaffenen Ausgangssituation auseinanderzusetzen.

      Wie verhält sich der Mensch, wenn er in einem gesetzesfreien Umfeld agiert? Welchen Einfluss hat dies auf die menschlichen Moralvorstellungen? Was unterscheidet ihn von den künstlichen Wesen? Oder anders ausgedrückt: Was macht das Menschsein aus? All dies sind Aspekte die der Film bloß anschneidet oder komplett mit Ignoranz straft.

      Darüberhinaus bleiben die Hauptcharaktere über weite Strecken stereotyp und austauschbar, wodurch er zusätzlich an Spannung einbüßt und was ihn dann aus meiner Sicht auch im Endeffekt nicht einmal zu einem herausragenden Unterhaltungsfilm werden lässt.
      Insgesamt betrachtet besticht er durch seine gute technische Umsetzung und einen grandiosen Yul Brynner.

      All das lässt mich jedoch nicht vergessen, dass dieser Streifen so viel mehr als bloß ein passabler Unterhaltungsfilm hätte sein können.

      4
      • 9
        Jake Gittes 14.01.2015, 17:51 Geändert 24.01.2015, 14:01

        Am Ende von Staffel 4 muss ich nun wirklich anerkennen, dass ich kaum eine Serie kenne, die eine derartig intensive und tiefgreifende Charakterzeichnung ihrer Protagonisten zu bieten hat. Die Chemie zwischen Linden und Holder ist einfach atemberaubend. Am Ende zeichnet sich ein Charakterbild ab, dass unglaublich authentisch und konsequent ist. All ihre Handlungen ergeben letztendlich einen Sinn.

        Auch wenn man der Serie an der ein oder anderen Stelle vorwerfen kann, dass sie den Zuschauer all zu oft und offensichtlich an der Nase herumzuführen versucht und Plotstränge das ein oder andere Mal einfach ins Leere laufen lässt, so ist es doch vor allem die Beziehung zwischen den beiden Detectives, die einfach nur herausragend funktioniert und die Serie trägt. Ich würde sogar fast die Empfehlung aussprechen, sich ab einem gewissen Zeitpunkt über die "Lösung" der Fälle zu informieren.

        Denn genau ab diesem Zeitpunkt kann man seinen Fokus weg von der üblichen "Who done it?" Dramaturgie und alt bekannten Cliffhangern, hin zu der wirklichen Stärke der Serie legen: Und das ist nun mal ihre unverwechselbare Charakterzeichnung!

        Linden selbst hätte es nicht präziser ausdrücken können als sie Holder entgegnet:

        "Aber ich denke vielleicht waren wir beide das "Zu Hause". Wir beide andauernd in diesem blöden Wagen. Fahren rum, rauchen eine nach der anderen. Das hatte doch was."

        3
        • 8 .5
          Jake Gittes 14.11.2014, 16:57 Geändert 14.12.2014, 15:08

          NIGHTCRAWLER stellt einer dieser Streifen dar, die es im heutigen Kino leider nur noch selten zu bestaunen gibt.
          Er ist eine kleine Filmperle, die so viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als ihr wohl im Endeffekt zuteil werden wird.

          Denn was diesen Film so besonders macht, ist die Art und Weise wie er mit dem Zuschauer kommuniziert, wie er ihn zu einem grundlegenden Bestandteil des Kinoerlebnisses werden lässt und ihn dazu verleitet sich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen, ja sich selbst und geltende Werte unserer Gesellschaft zu hinterfragen.

          Denn in dem Moment in dem der charismatische Soziopath (verkörpert durch den einzigartigen Jake Gyllenhaal), dem es bekanntermaßen an jeglicher Empathie mangelt, zum Paradebeispiel einer effektiven Verwirklichung des "American Dreams" wird, wirft der Film die Frage auf, ob unsere Gesellschaft eine Harmonie von moralischem Handeln und "Glück" (im Sinne des Amercian Dreams) überhaupt noch zulässt.

          NIGHTCRAWLER fungiert in seiner Message nicht bloß als Abrechnung mit der skrupellosen und profitgierigen Medienlandschaft, sondern vor allem als Faustschlag in die Magengegend des Zuschauers, von der er sich so schnell nicht erholen wird.

          Denn ist der Beruf des "Nightcrawlers" und sein mehr als zweifelhaftes moralisches Handeln nicht die Folge einer Nachfrage der Fernsehzuschauer nach immer drastischeren Bildern?! Ist es nicht unsere eigene Sensationlust und unser Voyeurismus der diese Nachfrage erst schafft?!

          So beschleicht den Kinogänger während des Streifens langsam aber stetig das makabere Gefühl der Faszination für Lou Bloom (Jake Gyllenhaal) und seine abscheulichen Taten, welches noch im selben Moment von seinem eigenen Gewissen torpediert wird.
          Doch dieser innere Konflikt scheint beabsichtigt und zeigt zum einen, wie gut der Streifen inszeniert wurde und zum anderen, wie grandios Jake Gyllenhaal dieser Rolle Leben einhaucht.

          Er ist es, der dem Film die absolut notwendige Authentizität verleiht und im Endeffekt dafür sorgt, dass der Schlag, der den Zuschauer trifft, auch seine volle Wirkung entfaltet!

          10
          • 5
            Jake Gittes 16.09.2014, 20:44 Geändert 01.01.2015, 16:10

            So gerne hätte ich mir nach der Sichtung des Streifens gewünscht, ihn für "gut" befinden zu können. Ja ich hätte mir gewünscht diesen Film herauszuheben als ein Stück, das in Erinnerung bleiben wird, als ein Zeichen guter deutscher Filmkunst.

            Was bleibt nun also zu sagen: Baran bo Odar macht für mich auf den ersten Blick vieles richtig. Die Besetzung, unter besonderer Erwähnung von Tom Schilling, ist erfrischend frei von üblichen talentfreien Gesichtern der deutschen Filmlandschaft und macht es dem Zuschauer somit möglich, einen guten Zugang zum Film zu erlangen.

            Auch technisch gesehen, wirkt er makellos und hat ein paar gute Kamerafahrten zu bieten, die im deutschen Film der letzten Jahre meist rar gesät waren. Eine mir besonders in Erinnerung gebliebene frische Idee bringt bo Odar zudem in Form der visuellen Umsetzung des "Darknets" auf die Leinwand.

            Man könnte nun anfangen und über den Film schreiben, dass er mit seinem dreckigen, rauen Stil, seinem anarchischen Unterton, der ausgearbeiteten Charakterentwicklung, seinem Plot und allgemein seiner Inszenierung einen cineastischen Meilenstein setzt.
            Doch diesen Gefallen kann und will ich ihm nicht tun.

            Bereits während der Einführung der Rolle des Max (Elyas M´Barek) und seiner ersten Begegnung mit Benjamin (Tom Schilling) beschleicht mich das ungute Gefühl, dass der Film eine Richtung einschlagen wird, an deren Verfolgung schließlich auch sein Scheitern begründet liegt.

            An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass die folgenden Zeilen unter Umständen Aspekte enthalten, die bloß für diejenigen geeignet sein könnten, die den Streifen bereits gesichtet haben oder aber, für die etwaige Spoiler irrelevant sind.

            In diesem Sinne: ACHTUNG SPOILER!

            Meine ungute Vorahnung enttäuschte mich nicht und so blieb mir nach Verlassen des Kinosaals die Frage in meinem Kopf, ob man es einem Film vorwerfen darf, sich so schamlos an einer anderen filmischen Quelle zu bedienen.

            Ich denke in diesem Fall darf man es, nein muss man es sogar tun!

            Was auf den ersten Moment wie eine Hommage an David Finchers "Fight Club" aussehen mag, [visueller Stil, Charaktereigenschaften, Off-Erzählung, Musikauswahl, Plotelemente, Atmosphäre, anarchische Grundgedanken] entpuppt sich doch im Endeffekt als eine mehr oder weniger prätentiöse Immitation, die nicht nur den Tonus des "Originals" verkennt und ebensowenig eine wünschenswerte Läuterung der Charaktere, oder aber eine Relativierung der gezeigten anarchischen Ansichten erkennen lässt, sondern sogar in ihrer Hybris dem Irrglauben unterliegt, sie könne in ihrem Wahn nach immer mehr dieser "unerwarteten" Wendungen gegen Ende eine wirkliche kreative Eigenleistung erbringen, ja gar an filmischer Bedeutung gewinnen.

            Doch trotz seiner zuweilen konstruierten Ereignisse und Handlungstreiber [beispielsweise die gefundene Besucherkarte für EUROPOL], der teilweise an Authentizität mangelnden Charaktere und inszenierten Hackerszenarien, bleibt der Film im Endeffekt dennoch überraschend unterhaltsam und wirkt für einen deutschen Film mehr als durchschnittlich.

            Ich denke mein Urteil hätte wirklich positiv ausfallen können, wenn er nicht so krampfhaft und schamlos versucht hätte eben besagte Richtung einzuschlagen und sich selbst nicht gegen Ende für so verdammt "schlau" und dem Zuschauer überlegen gehalten hätte.

            Da die eben angesprochenen negativen Aspekte für mich jedoch ein solch enormes Gewicht besitzen, bleibt er insgesamt [mit viel gutem Willen meinerseits] bloß Mittelmaß. Schade eigentlich.

            3
            • 3

              Nach dem erfrischenden und überraschend unkonventionellen "Garden State", der es verstand sich von dem üblichen Einheitsbrei im Genre der "Dramödie" loszulösen, hat mich "Wish I was here" doch herbe enttäuscht. Die eindrucksvollen Bilder und der tolle Soundtrack können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film krampfhaft versucht ein Gefühl des "Gefallens" beim Zuschauer hervorzurufen. Dabei ist der Film sich nicht einmal zu schade, sich allseits bekannter Klischees zu bedienen, um die er seinen Handlungsbogen spannt. Die dramatischen Facetten des Films wirken abgedroschen und gestellt und geben dem Zuschauer zu keiner Zeit die Möglichkeit eine wirkliche Charaktertiefe, geschweige denn eine Charakterentwicklung mitzuerleben. Zach Braff versteht es nicht die Balance zwischen Komödie und Drama zu wahren und setzt alles daran eine Message in die Köpfe des Publikums zu hämmern die jegliche Subtilität vermissen lässt!

              4
              • Ein weiterer Kandidat wäre für mich in jedem Fall:
                Will Smith - Gründe: SIEBEN LEBEN (unerträglicher Kitsch, Gutmenschen-Pathos, mit fragwürdiger Message); DAS STREBEN NACH GLÜCK; AFTER EARTH; JADEN SMITH. Das alles sollte schon für sich selbst sprechen.
                Recycling-Möglichkeit: Als Willhelm Schmitt (Handelsvertreter für Knochendichtemessgeräte)

                1
                • 5

                  “extraordinary, prolonged popping-candy explosion of pleasure, sadness, anger, lust and hope” so betitelte der Daily Telegraph "La vie d’Adèle – chapitres 1&2".

                  Doch auf große Erwartungen folgen oftmals große Enttäuschungen. So gerne ich auch bei diesem Streifen mit den Beifallsäußerungen der allgemeinen Zuschauerschaft d'accord gegangen wäre, so leicht fällt es mir nun im Nachhinein die Frage in den Raum zu werfen, wie die Jury der Filmfestspiele von Cannes um Steven Spielberg, Ang Lee und Nicole Kidman diesem Film bloß die Goldenen Palme verleihen konnte.

                  Zugegebenermaßen ist die schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarstellerinnen mehr als ordentlich und soll hier auch in keinster Weise geschmälert werden. Vor allem Adèle Exarchopoulos als Adèle weiß in vielen Szenen zu überzeugen und lässt den Zuschauer an vielerlei Stellen spüren, mit welcher inneren Unsicherheit bezüglich ihrer sexuellen Identität die Protagonistin hier zu kämpfen hat. Auch das in meinen Augen konsequente Ende konnte Pluspunkte bei mir sammeln. Allerdings kann dieser Umstand nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film über weite Strecken doch inhaltlich und technisch ziemlich belanglos und konventionell bleibt.

                  Immer wieder bekam ich das Gefühl vermittelt, dass Abdellatif Kechiche nicht wirklich etwas Neues zu erzählen hat. Denn sehen wir einmal von der Tatsache ab, dass hier die Liebesgeschichte zweier Frauen im Vordergrund steht, so sollte uns doch allen recht schnell klar werden, dass der Film sofort jegliche Aufmerksamkeit und Brisanz verlieren würde.

                  Mir scheint es fast so, als ob hier lediglich unter dem Deckmantel der angeblichen Toleranz für gleichgeschlechtliche Sexualität ein Film umjubelt wird, der doch viel weniger von dem ist, was er vorgibt.

                  Natürlich bergen die Bilder die der Streifen zu bieten hat eine gewisse Ästhetik, jedoch gleicht es schon fast einem Armutszeugnis des Regisseurs, wenn er uns unter dem Vorwand einer möglichst realistischen Darstellung der Ereignisse, immer und immer wieder die selben Kameraperspektiven vor Augen führt.
                  Das alles lässt mich bloß zu dem Entschluss kommen, dass der Film gehöriges Potenzial verschenkt und nicht mehr als Durchschnittskost ist.

                  Wie sehr hätte ich mir doch gewünscht der Film wäre genau das: "extraordinary".
                  Doch letzten Endes fehlte es ihm ironischerweise vor allem an Einem:
                  - Dem Mut zu etwas Neuem.

                  2
                  • 9 .5

                    Mit „The Place Beyond the Pines“ gelingt es Regisseur Derek Cianfrance nach seinem bereits atemberaubenden Liebesdrama „Blue Valentine“ endgültig sich als ein Meister des großen Schauspielkinos einen Namen zu machen – und das vollkommen Zurecht.

                    Meine Erwartungshaltung war groß, doch was ich dann zu sehen bekam, ebnete den Weg für eines der bis dato besten Kinoerlebnisse dieses Jahres.

                    Allein die brillante technische Umsetzung, die neben dem großartigen Score, vor allem bezüglich der Kameraarbeit hervorsticht. Cianfrance setzt hier die Ästhetisierung eines durch und durch tragischen Plots um - mit Bildern, die einen wirklich fesseln.

                    Dieser Effekt wird nicht zuletzt dadurch verstärkt, dass der gesamte Cast ausnahmslos Bestleistungen vollbringt. Da ist neben Ray Liotta, Ben Mendelsohn, der umwerfenden Eva Mendes und Dane DeHaan vor allen Dingen Bradley Cooper hervorzuheben.

                    Denn wer letzteren bisher bloß aus Streifen wie „Hangover“ oder „Das A-Team“ kannte und über „Silver Linings“ hinwegsah, in dem er schon ansatzweise sein schauspielerisches Talent aufblitzen ließ, der konnte niemals ahnen, das Mr. Cooper zu dem im Stande sein könnte, was er hier in „The Place beyond the Pines“ abliefert und tatsächlich als ernstzunehmender Schauspieler genannt werden kann.

                    Dass aber Ryan Gosling als Luke Glanton gewohnt darstellerisch auf allerhöchstem Niveau agiert, sollte dabei natürlich niemals vergessen werden. Aus seinem Spiel spricht die Verzweiflung, die Gewaltbereitschaft und doch auch seine Fürsorge und Zärtlichkeit gleichermaßen und jede Szene mit ihm ist einfach ein Genuss. Ganz großes Kino!

                    Dabei ist „The Place beyond the pines“ ein sich über einen Zeitraum von 15 Jahren erstreckender Kino-Epos über Väter und Söhne, die Konsequenzen menschlicher Verfehlungen und Entscheidungen. Vor allen Dingen aber über die Schuld.

                    Wenn Luke aus seiner Verzweiflung heraus die zahlreichen Banküberfälle begeht, dann tut er dies, weil er erkennt, dass ihm eine Verantwortung zukommt. Eine Verantwortung für seinen Sohn.

                    Doch verliert er schließlich die Bindung zu Romina und eben jenem Sohn, durch eine seiner persönlichen Schwächen – die teilweise unkontrollierte Gewalt, die er an den Tag legt.

                    Dass er sich durch seine Entscheidungen und sein Handeln schuldig macht, was für seinen Sohn unwiderrufliche Konsequenzen mit sich führen wird, rührt vor allem von seinen aussichtlosen und verzweifelten Lebensumständen, die es ihm nicht ohne weiteres zulassen, dass er seiner Rolle als Vater nachkommen kann.

                    Doch auch Avery macht sich schuldig, wenn er durch seine Lügen, seinem Verfall der Korruption und Machtgier einen persönlichen Vorteil aus den Geschehnissen für sich ziehen will.

                    Und so sehen wir im letzten Teil des Filmes, wie Schuld, Reue, Verzweiflung und alle Konsequenzen vorangegangener Taten und Begebenheiten schließlich aufeinandertreffen und dafür sorgen, dass dem Zuschauer klar werden sollte, dass die Verfehlungen vergangener Tage nicht einfach verschwinden können, sondern einen irgendwann unumgänglich wieder einholen werden.

                    Abschließend bleibt mir bloß noch zu sagen, dass The Place Beyond the Pines das Werk eines großen Regisseurs, mit großen Schauspielern und vor allem mit großen Themen ist. Schlussendlich ein herausragender Film!

                    12
                    • 8

                      Es ist schon erstaunlich, dass ich manche Filme schaue von denen ich sofort danach weiß, dass sie es nicht verdient haben, bei ihrem Abspann noch sitzen zu bleiben.

                      Manche Filme kommen einfach, du schaust hin und so schnell du im Vorhinein die Entscheidung getroffen hast ihnen deine Aufmerksamkeit zu schenken, so schnell verschwindet auf jedweder Gedanke daran wieder.

                      So kommen Filme, und so gehen sie.

                      Ganz anders dagegen war es bei mir mit „Der Geschmack von Rost und Knochen“ oder auch „De rouille et d'os“. Allein der Titel des Films gleicht einer Einladung ihn sich buchstäblich „auf der Zunge zergehen zu lassen“. Er lädt den Zuschauer zu einem Erlebnis ein, einem Erlebnis, dass uns wohl bloß „das Kino“ liefern kann. Ich hatte meine Erwartungen und so viel ist klar, sie wurden mehr als erfüllt.

                      So nimmt uns Jacques Audiard in seinem Drama für 2 Stunden mit in das Leben 2er Menschen, die man in unserer heutigen Gesellschaft ohne weiteres als „Verlierer“ titulieren würde.

                      Audiard verfällt nicht der Versuchung die Folgen ihrer Schicksalsschläge zu beschönigen. Viel mehr gelingt es ihm, dass der Zuschauer in jeder Szene eine Intensität und Glaubwürdigkeit zu spüren bekommt, die einen mehr als beeindruckt.

                      Natürlich ist es vor allem die überragende schauspielerische Darbietung von Marion Cotillard und Matthias Schoenaerts die dazu beiträgt, dass das Schicksal und die Begegnung der beiden Charaktere in ihrer Schönheit und Härte gleichermaßen so glaubwürdig vermittelt wird und dabei ganz ohne Kitsch auszukommen scheint.

                      Nicht umsonst lässt uns Audiard in einem Großteil der Handlung immer wieder atemberaubende Bilder der Cote d’Azur genießen, bloß um ironischerweise gerade an diesem Ort die Geschichte dieser beiden scheinbaren „Verlierer“ zu etablieren.
                      Der Regisseur versteht es darüber hinaus auf subtile Art und Weiße aktuelle gesellschaftliche Fragen aufzuwerfen, sich kritischen Themen zu nähern, ohne dabei jedoch die zwischenmenschliche Beziehung der Protogonisten, die eindeutig im Vordergrund der Handlung steht, aus den Augen zu verlieren.

                      Immer wieder stehen die beiden im Laufe der Handlung vor der Entscheidung aufzugeben, ihr Leben aufzugeben, den Kampf um ihre Zukunft aufzugeben.
                      Doch allein aus ihrer Verbindung heraus, die treffenderweise nicht auf Mitleid aufgebaut ist, wie man es vielleicht hätte erwarten können, entsteht in ihnen ein Gedanke, der da unwiderruflich sagt, nicht loszulassen. Diese Verbindung zwischen Stéphanie und Alain wirkt auf den Zuschauer so erfrischend und für eine Liebesgeschichte äußerst unkonventionell, dass man immer wieder bloß zu staunen vermag.

                      Und so sitze ich beim Abspann gefesselt da und auch in mir scheint ein Gedanke aufzukommen. Der Gedanke an dieses atemberaubende Filmerlebnis, der Gedanke daran dass der Film mich tagelang nicht loslassen wird.

                      Und dann spüre ich wie der Film beginnt nachzuwirken, und wie er das in mir hinterlässt, wozu wahrlich nur großartige Filme in der Lage sind – Einen intensiven und absolut atemberaubenden Nachgeschmack!

                      7
                      • 8
                        über Oh Boy

                        Jan Ole Gerster schafft in seinem Regiedebut das, was ich kaum mehr für möglich hielt.
                        Er haucht dem Deutschen Film wieder neues Leben ein!

                        Welch eine Ironie, dass ihm dies gerade mit einem Schwarz-Weiß Film gelingt, der so unverhofft eindringlich wirkt und zum Staunen verführt.

                        Der Film versprüht Skurrilität, ohne dabei jedoch auch nur für eine Sekunde den Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass es sich hier um den alltäglichen Großstadtwahnsinn Berlins handeln könnte, den wir hier für einen Tag an der Seite des Protagonisten Niko erleben.

                        Zwischen all der Kreativität vor der seine Dialoge nur so strotzen und welche durch dezente aber passende Jazzsounds untermalt werden, vollzieht der Film eine Gradwanderung, indem er seine leicht melancholische Grundhaltung durch wunderbar inszenierte Situationskomik immer wieder aufzubrechen weiß.

                        Er hält sich nicht lange damit auf, begonnene Handlungsstränge und ihre Charaktere
                        weiter zu beleuchten, geschweige denn, sie befriedigend in eine Richtung hin aufzulösen, obgleich man als Zuschauer jederzeit den Reiz verspürt den Figuren des Filmes noch weiter zu folgen. Gerade weil sie einem alle das Gefühl vermitteln, dass hinter ihnen eine beeindruckende Geschichte stehen könnte.

                        Eben diese Tatsache, verstärkt jedoch den Eindruck eines hoffnungslosen, sinnentleerten Lebens, das Niko führen muss, in dem ironischerweise der unerfüllte Wunsch nach einer einfachen Tasse Kaffee an oberster Stelle zu stehen scheint.

                        Und während man in Gedanken noch das Fingerspitzengefühl bewundert, dass Jan Ole Gerster hier bei der Inszenierung jeder einzelnen Szene an den Tag legt, stolpern wir schon in die nächste Begegnung, in den nächsten manchmal poetischen Versuch eines jungen Mannes, einen Lebenssinn für sich zu entdecken.

                        Mich hinterließ der Film so nachdenklich, wie er den Protagonisten hinterließ.
                        "Oh boy" ist der Hoffnungsschimmer, die Tasse Kaffee für den Deutschen Film, auf die man so lange gewartet hat!

                        7
                        • 8

                          Das Kino ist tot - Es lebe das Kino!

                          1
                          • 10

                            „It’s a lot like music.
                            Music, they say, is an abstraction. It is far away from words.
                            People want to have an easy understanding of a film, whereas with music they don’t have that problem. There’s not an intellectual thing going on, it’s just an experience.
                            But film has those same elements of just experience. Plus, film can say abstractions that can be intuited. So you use your intuition. And then an understanding comes inside you.
                            I think people should trust the understanding that comes to them from the experience. It may be hard to take what’s inside of you and tell it to your friends in words, what that is. It’s like a dream. Imagine you tell your friend a dream and you can see in his face that he doesn’t understand…
                            The words fail you, but still you know inside.
                            It’s not that difficult to understand if you trust that inner feeling.”

                            -David Lynch

                            Ich denke jedem bleibt selbst überlassen, welche Ideen, welche Eindrücke und welche Erkenntnisse er diesem Film abgewinnt.
                            Für mich jedenfalls war es ein wahrhaft großes Filmerlebnis.

                            5
                            • 10
                              über Drive

                              " There's something inside you it's hard to explain, they're talking about you boy, but you're still the same"

                              Niemals zuvor schaffte es ein Film mich mit seiner Art der Inszenierung so gebannt vor dem Bildschirm zu fesseln, wie es Refn mit "Drive" gelingt.
                              Er gibt uns tiefe Einblicke in die menschlichen Abgründe des "Drivers", der uns hier in unnachahmlicher sowie beeindruckender Weise von Ryan Gosling verkörpert wird.

                              Das Gesehene lässt zu Beginn keinerlei Zweifel daran, dass wir es mit einem Protagonisten zu tun haben, der alle seine Handlungen jederzeit unter Kontrolle hat. In dem was er tut ist er brilliant.
                              Intensität und Spannung wird dadurch aufgebaut, dass wir jede einzelne Bewegung, des "Drivers", in ihrer Perfektion beobachten. Alles wirkt durchdacht. Seine Umgebung nimmt er stets aufmerksam wahr.
                              Der Blick auf die tickende Uhr, das Öffnen der Wagentür, das Verbergen im Schatten um seine Verfolger abzuschütteln, selbst die Dosierung des Gaspedals scheint einem klaren Muster zu folgen.

                              Gefangen in seiner eigenen emotionalen Isolation versucht er Kontakt zu Irene und ihrem Sohn Benicio aufzunehmen.
                              Es sind seine Blicke die entscheidend sind und die er als Mittel benutzt, um Distanz abzubauen. Als er mit Benicio das "Blinzelspiel" im Aufzug und später in der Autowerkstatt spielt, bricht er seine Isolation für einen Moment auf.
                              Die Beziehung zwischen dem Driver und Irene wird darüber hinaus auf eine Weise aufgebaut und umgesetzt, die einfach beeindruckt.
                              Nie wurde mir mit so einfachen natürlichen Mitteln eine Emotion zwischen zwei Menschen so intensiv vermittelt, wie in den Sekunden des Schweigens zwischen den beiden als sie gerade vom Fluss zurückgekommen sind und sich in Irenes Wohnung einfach nur anblicken. Ohne Worte.

                              Doch was diesen Film so einzigartig macht, ist die Art und Weise wie er den gespaltenen Charakter des Drivers herausstellt.
                              In Szenen des absoluten Ausbruchs der Gewalt, sei sie körperlicher oder verbaler Art, gelingt es Refn den Zuschauer in einem Schockzustand zurückzulassen.
                              Das Unbegreifliche das in dem "Driver" steckt kommt hier zum Vorschein.
                              Doch diese Seite gehört zu seiner Natur, wie uns allerspätestens mit folgendem Satz klar wird:
                              "Kennst du die Geschichte von dem Skorpion und dem Frosch? - Dein Freund Nino hat es nicht über den Fluss geschafft".

                              Als inszenatorisches Meisterstück, wird mir wohl vor allem noch sehr lange in Erinnerung bleiben, wie es Refn auf einmalige Art und Weise gelingt seinen Protagonisten in Kontakt mit dem Zuschauer treten zu lassen:
                              Als der "Driver" ein letztes mal das "Blinzelspiel" spielt, und für einen Moment fast die Zeit stehen bleibt, ist es der Zuschauer mit dem er hier spielt. Er ist es der versucht seine Augen offen zu halten in der Hoffnung die entscheidende Sekunde des Filmes nicht zu verpassen.



                              7