1977 - Steven Spielberg legt Hand an den Schnitt

19.03.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Steven Spielberg versucht sich 1977 am ersten Directors Cut
Columbia Pictures
Steven Spielberg versucht sich 1977 am ersten Directors Cut
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Markante Momente ist wieder da und heute dreht sich in unserer Filmgeschichtsrubrik alles um den allerersten Directors Cut: Unheimliche Begegnung der dritten Art von Filmemacherlegende Steven Spielberg.

Steven Spielberg mal wieder, der Über-Regisseur. Wer weiß, was er kann, sollte vielleicht beherzt das ein oder andere Risiko eingehen, das könnte uns die Lebensgeschichte dieses Mannes sagen, der gleich mehrmals die Geschichte des Films revolutionierte. Nur mäßig bekannt, stockte er 1975 die Produktionsbedingungen und Werbemittel seines neusten Films in vorher nicht gekannte Dimensionen auf und schuf somit einen Kultstreifen, der die neue Ära der Blockbuster heraufbeschwor: Der weiße Hai. Nur zwei Jahre später ist es erneut ein Film des US-Amerikaners, der eine bedeutende Neuerung bringt.

Ein Erfolg der außergewöhnlicher Art
Unheimliche Begegnung der dritten Art führt uns die Kontaktaufnahme der Menschen mit friedlichen Außerirdischen vor Augen, zeigt den großen französischen Nouvelle Vague-Regisseur François Truffaut als findigen Forscher Lacombe und lässt Richard Dreyfuss als neurotischen Kleinstädter und Melinda Dillon als alleinerziehende Mutter zusammenfinden. Für seine aufwendigen Licht- und Spezialeffekte heimst der Film diverse Preise ein und schlägt sich letztlich mit einem Sonderoscar für seinen herausragenden Tonschnitt wacker gegen Krieg der Sterne von Kollege George Lucas.

Neben Preisen und Kritikerlob enttäuscht Unheimliche Begegnung der dritten Art aber auch an den Kinokassen nicht: über 9 Millionen US-Dollar nimmt der Film allein in den USA an seinem Startwochenende ein. Schnell wird unter den Produzenten der Ruf nach einer Fortsetzung laut und hier stellt sich Steven Spielberg einmal mehr quer: für ihn endet die von ihm erdachte Geschichte mit dem finalen Abheben des Raumschiffes in seinem Werk. Breit schlagen lässt er sich drei Jahre später allerdings zur sogenannten „Neuen Version“.

Aus Alt mach Neu
Für die neue Version fügt der Regisseur bis dahin nicht veröffentlichte Szenen hinzu und kürzt dafür an anderen Stellen. Mehrere Sequenzen, die die Entwicklung des immer manischer werdenden Roy Neary zeigen, fallen dem Schnitt unbarmherzig zum Opfer. Doch die nun drei Minuten kürzere Fassung wird vom Publikum mehrheitlich verschmäht. Unnötig seien die neuen Szenen, so heißt es, und sie würden das spektakuläre Ende des Films verderben.

Nun wäre Steven Spielberg nicht der, der er ist, würde er nicht auf die Meinung seiner wichtigsten Kritiker hören: auf sein Publikum. Noch einmal kehrt er also zurück in den Schnittraum und lässt sich dieses Mal von niemandem reinreden. Im Alleingang eliminiert er das missglückte erweiterte Finale und fügt die entfernten Szenen wieder ein. Seine Zuschauerschaft dankt es ihm mit in die Höhe schnellenden Verkaufszahlen.

Ein dreifaches Hoch auf die künstlerische Freiheit
Wer bis hierhin aufmerksam diese kleine Geschichte verfolgt hat, darf sich nun in Kenntnis der prototypischen Definition des sogenannten Director‘s Cut wähnen. Der während des Drehs so allgegenwärtige Regisseur gerät nämlich, was den Schnitt angeht, schnell ins Hintertreffen. Schnell passiert es da, dass die veröffentlichte Fassung am Ende seiner künstlerischen Intention nicht mehr im Ansatz entspricht.

Manchmal ist es schlicht die Länge, die im Director’s Cut auf den neusten Stand gebracht wird. Für seine persönliche Version von Apocalypse Now ließ es sich Francis Ford Coppola nicht nehmen, ganze 48 Minuten frischen Materials hinzuzufügen, Szenen nach eigenem Gutdünken umzusortieren und das Ganze unter dem Titel Apokalypse Now Redux zu veröffentlichen. Anders herum waren es Joel Coen und Ethan Coen, die ihren Neo-Noir Blood Simple um vier Minuten kürzten.

Oft sind es aber auch dramaturgische Fehler, die der Director’s Cut ausbügeln oder lahme Passagen, die er aufpeppen soll. Und schwupps, ändert sich so ganz nebenbei schon mal die Grundaussage eines Films. Blade Runner bekommt ein offenes Ende verpasst, in Amadeus macht uns Milos Forman Angst vor Bösewicht Salieri und im Director’s Cut von Léon – Der Profi können wir plötzlich mit dem Profikiller mitfühlen.

Seid ihr Hardcore-Fans und kennt alle drei Versionen von Unheimliche Begegnung der dritten Art? Welche hat euch am besten gefallen? Und habt ihr vielleicht einen Director’s Cut-Geheimtipp?

Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1977 bewegte:

Drei Filmleute, die geboren sind
02. April 1977 – Michael Fassbender, der sexsüchtige Brandon aus Shame
14. April 1977 – Sarah Michelle Gellar, Vampirjägerin buffy–im-bann-der-damonen
01. Juli 1977 – Liv Tyler, die Elbenprinzessin aus Der Herr der Ringe: Die Gefährten

Drei Filmleute, die gestorben sind
03. Juni 1977 – Roberto Rosselini, neorealistischer Regisseur von Rom, offene Stadt
19. August 1977 – Groucho Marx, der Regierungschef aus Die Marx Brothers im Krieg
25. Dezember 1977 – Charlie Chaplin, Stummfilmstar aus Der große Diktator

Die großen Festival- und Award-Sieger waren unter anderem
Oscars – Rocky von Irwin Winkler
British Academy Film Award – Einer flog über das Kuckucksnest von Milos Forman
New York Film Critics Circle Award – Der Stadtneurotiker von Woody Allen

Die drei kommerziell erfolgreichsten Filme
Krieg der Sterne von George Lucas
Unheimliche Begegnung der dritten Art von Steven Spielberg
Nur Samstag Nacht von John Badham

Drei wichtige Ereignisse der Nicht-Filmwelt
27. März 1977 – Beim schlimmsten Unglück der Luftfahrtgeschichte über Teneriffa sterben 583 Menschen
13. Oktober 1977 – Entführung des Flugzeuges Landshut durch die RAF
18. Oktober 1977 – Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer wird von der RAF entführt und ermordet

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