Anna Kendrick - Ein Star, der irgendwie doch keiner ist

27.08.2017 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Anna Kendrick in Pitch Perfect 2Universal Pictures
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Oscar-Nominierung mit 24 Jahren und eine tragende Rolle in einem erfolgreichen Franchise. Warum Anna Kendricks Karriere dennoch nicht so richtig befriedigend ist, erläutern wir in folgendem Artikel.

Vor einer Woche erschien hierzulande mit Table 19 - Liebe ist fehl am Platz der neueste Film, in dem Anna Kendrick eine Hauptrolle spielt. Er ist einer von vielen gut gemeinten aber letztlich gescheiterten in Kendricks Karriere. In Amerika nahm die Dramedy 5 Millionen Dollar ein, Kritiker zeigten sich unbeeindruckt. 2010 erhielt Anna Kendrick im jungen Alter von 24 Jahren eine Oscar-Nominierung für ihre Darbietung im Kritiker-Liebling Up in the Air. Vielerorts wurde sie als der neue Shootingstar schlechthin gepriesen. Es folgten jedoch primär (Neben-)Rollen in unscheinbaren Indie-Filmen oder dummbatzigen Zac Efron-Komödien. 2012 erschien Kendrick in Pitch Perfect, einem Überraschungserfolg und Grundbaustein eines millionenschweren Franchise. Die Filme, in denen sie abseits des A capella-Phänomens erscheint, gehen nach wie vor an Kinokassen und bei Kritikern unter. Wir analysieren daher heute die Karriere der überaus talentierten und sympathischen Schauspielerin und gehen ihrer Filmauswahl auf den Grund.

Anna Kendrick und der Tony

Anna Kendrick startete ihre Karriere als junges Mädchen auf den Theaterbühnen des Broadways. Im Alter von 12 Jahren spielte sie in einer Nebenrolle des Musicals High Society mit. Für ihre Leistung wurde sie für den Tony Award (den Oscar des Theaters) nominiert. Sie ist die bisher drittjüngste Künstlerin , der dies gelang. In ihrer Autobiografie, Scrappy Little Nobody (via Vulture ), blickt sie auf diese Zeit ambivalent zurück. Es bereitete ihr Freude auf der Bühne zu stehen, ihre Freunde und Familie vermisste sie dennoch. Der Lohn fiel mit insgesamt 250 Dollar mickrig aus. Die finanzielle Situation ihrer Familie sah zu dieser Zeit nicht gut aus und eine junge Anna Kendrick fühlte sich dazu berufen, zu einer zusätzlichen Brotverdienerin zu avancieren und auf gar keinen Fall arbeitslos zu sein.

Ich werde nach wie vor von der Angst verfolgt, vergessen zu werden. Diese bewahrt mich davor, mich meiner Karriere zu sicher zu fühlen, und hat mich zu einem Arbeitstier gemacht.
Anna Kendrick in Rocket Science

2003 feierte sie ihr Filmdebüt in einer kleinen Rolle in der Musical-Dramedy Camp. Vier Jahre später erschien sie 2007 in einer tragenden Rolle in der Indie-Komödie Rocket Science. Beide Darbietungen machten die Independent Spirit Awards auf sie aufmerksam, und so erhielt sie jeweils eine Nominierung für den Besten Debüt-Auftritt und als Beste weibliche Nebendarstellerin. Ihre Anfänge sagten bereits eine ungefähre Richtung voraus, in die sich die Schauspielerin im Verlauf ihrer Karriere weiter fortbewegen würde: Musicals, Dramödien und Indie-Filme.

Die erste Paycheck-Rolle

2008 wurde Anna Kendrick in ihrer ersten Franchise-Rolle gecastet. In insgesamt vier Filmen mimte sie im Twilight-Franchise die beste Freundin von Bella Swan (Kristen Stewart), Jessica. Dieser Job gewährte ein beständiges Einkommen und erlaubte ihr, Rollen in Indie-Filmen anzunehmen, bei denen die Bezahlung geringer ausfiel bzw. nicht vorhanden war.

Keiner der Regisseure, mit denen ich zu dieser Zeit arbeitete, hatte Twilight gesehen. Die Filmreihe bezahlte mir ein Dach überm Kopf, während ich die Indie-Filme für umsonst drehen konnte. Es war der albernste Job der Welt.

2009 sollte ihr mit Up in the Air der Durchbruch gelingen.

Anna Kendrick in Twilight

Der Oscar und die Nebenrolle

2009 erschien Anna Kendrick im dritten Spielfilm von Jason Reitman, dem Kritiker-Liebling Up in the Air. In diesem spielt sie George Clooneys neue, junge Kollegin, die in der Kunst des schmerzlosen Feuerns geschult werden soll. Reitman wurde durch Rocket Science auf Kendrick aufmerksam und schrieb die Rolle in Up in the Air extra für sie . Durch diese Darbietung wurden auch Kritiker endlich auf das Talent der Anna Kendrick aufmerksam und überschlugen sich regelrecht in ihren Lobeshymnen, und das zu Recht. Anna Kendrick gelang es in jeder Szene zu brillieren und selbst neben einem etablierten Hollywood-Schwergewicht wie George Clooney zu bestehen. Sie spielt die überaus ehrgeizige, aber recht unerfahrene Natalie mit einem Charme und Gespür für Humor, die sie - trotz ihrer leichten Verbissenheit - sofort sympathisch machen. Ein Nervenzusammenbruch zum Ende des Filmes ist eine absolute Glanzleistung und zeigt, dass Kendrick auch emotionale Tiefe zeigen kann, wenngleich mit einer Prise Witz.

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Bei der Oscarverleihung 2010 wurde Anna Kendrick in der Kategorie Beste Nebendarstellerin nominiert. Sie gewann nicht, reihte sich aber in eine Gruppe von jungen oscarnominierten Frauen ein, die sich auf den Weg zur Eroberung Hollywoods machten. Oder so ähnlich. Trotz diverser Artikel, die Kendrick nach ihrem Erfolg in Up in the Air als "Next Big Thing" bezeichneten, spielte die Schauspielerin in den Jahren nach 2010 weiterhin primär in Nebenrollen mit. Filme wie Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt, 50/50 - Freunde fürs (Über)Leben oder End of Watch kamen bei Kritikern zwar gut an, Anna Kendrick selbst ging jedoch meist in der Masse unter, und auch an den Kinokassen bewegten diese Filme eher wenig.

"It's Perfect, Pitch!"

2012 gelang Anna Kendrick ein weiterer Durchbruch, diesmal in einer tragenden Rolle im Überraschungs-Hit Pitch Perfect. Die Musical-Komödie folgt einer Gruppe A capella-Sängerinnen, die in Wettbewerben gegeneinander antreten. Kendrick spielt hier das leicht rebellische Mädchen von nebenan, das aus der Dusche weggecastet wird. Ihre authentische Art, gepaart mit einem großartigen Gespür für Comedy, einer tollen Stimme und einer mühelosen Coolness, machten sie über Nacht zum Idol einer ganzen Generation. Anna Kendrick entspricht gängigen Schönheitsidealen in Hollywood, ohne ihr Sex-Appeal so zu instrumentalisieren wie eine Megan Fox oder Margot Robbie. Sie ist die Klassensprecherin, die wir aus der Schule kennen, die zwar Teil der coolen Clique war, aber dennoch im Theater-Club mitwirkte und dort mit allen abhing. Frauen und Männer wollen mit ihr befreundet sein - oder sie daten. Auch in Interviews, in denen sie Pitch Perfect promotete, gab sie sich stets sehr nahbar und für Späße aufgelegt. Dennoch ist sie nicht die Schauspielerin, die durch Pitch Perfect zu einem Megastar avancierte. Rebel Wilson ist eindeutig die Person, die am meisten vom Erfolg dieses Filmes profitierte. Anna Kendrick promotete den Film als bekannteste des Pitch Perfect-Casts, Rebel Wilson wurde jedoch zum Publikumsliebling. Liegt es daran, dass Kendrick nicht wie Wilson den Moment nutzte und in größeren Produktionen erschien?

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Vom A capella-Blockbuster zog Kendrick sich zunächst erneut in den Indie-Film zurück. 2013 erschien sie in Drinking Buddies, 2014 in Happy Christmas. Bei beiden Filmen führte Mumblecore -Regisseur Joe Swanberg Regie. Eric Kohn von Indiewire  lobte Kendricks Fähigkeit, in Drinking Buddies eine neue Facette zu zeigen.

Kendricks zerbrechliche Darbietung zeigt ihre Fähigkeit, gedämpfte und intime Rollen zu spielen, die sich sehr von ihren üblichen überschwänglichen, schnatternden Typ unterscheiden.

Auch von ihrer Leistung in Happy Christmas zeigte sich Kohn begeistert .

Kendricks Rolle als widerspenstige Streunerin markiert ihre authentischste Darbietung bisher.

Was der Anfang einer erfolgreichen polygamen Beziehung zwischen Blockbuster- und Indie-Kino hätte werden können, wurde durch Flops wie die absurde Komödie Rapture-Palooza oder das Jennifer Aniston-Drama Cake erneut unterbrochen. Das Musical Into the Woods ist zwar der dritterfolgreichste Film in Kendricks Karriere - Twilight-Filme ausgenommen -, er blieb aber hinter den Erwartungen zurück, und Kendrick ging in dem Ensemble unter. Meryl Streep, Chris Pine und auch Emily Blunt stachen mehr hervor als die Musical-erprobte Anna Kendrick. Into the Woods ist einer von fünf Filmen, in denen die Schauspielerin 2014 zu sehen war. An die wenigsten davon werden sich Zuschauer erinnern können.

Anna Kendrick in Into the Woods

Ist Quantität wichtiger als Qualität?

2015 sang Anna Kendrick sich in Pitch Perfect 2 erneut in die Herzen von Kinogängern weltweit. Das Sequel konnte die Einnahmen von Pitch Perfect mehr als verdoppeln und etablierte den A capella-Spaß als ernst zu nehmendes Franchise. Gegen Pitch Perfect 2 konnte das Musik-Drama The Last Five Years - ebenfalls mit Anna Kendrick - nichts ausrichten. Kritiker zeigten sich wenig beeindruckt. Sie erschien 2015 zudem in einer kleinen Rolle im Joe Swanberg-Film Tim und Lee.

2016 verzeichnete eine Flut an Anna Kendrick-Projekten, die sich ihren Weg auf die große Leinwand bahnten. Ganze sechs Mal erschien sie letztes Jahr im Kino. Beim Kritiken-Aggregator Rotten Tomatoes erhalten von diesen Filmen fünf eine zermatschte Tomate. In einem Interview mit Vulture  sprach sie über die Schwierigkeit, die ihr freie Zeit bereitet.

Ich weiß nicht, ob ich [mit zu viel Freizeit] komplett ins Schleudern gerate.

Wenn ich mir ihre Filmografie - insbesondere aus dem Jahr 2016 - anschaue, komme ich nicht umhin, ihr zu einem anderen Hobby zu raten, als wahllos Projekte anzunehmen. Sie begegnet ihrem anscheinenden "Je mehr, desto besser"-Motto mit einer ordentlichen Prise Humor.

Die Ferraris der Welt besitzen zweifellos einen hohen Wert. Der Sinn besteht bei diesen Autos darin, dass nur sehr wenige sie sich leisten können. Ich bin einfach sowas von kein verfickter Ferrari.

Einzig und allein der farbenprächtige Animationsspaß Trolls erhält bei Rotten Tomatoes eine reife Tomate und mauserte sich zudem zu Anna Kendricks erfolgreichstem Film ihrer Karriere. Wie auch in den Pitch Perfect-Filmen gibt sie hier ihre Gesangsstimme zum Besten.

Anna Kendrick und Aubrey Plaza in Mike and Dave Need Wedding Dates

Einfach Spaß haben?

In einem Interview mit der New York Times  äußerte sich Anna Kendrick 2015 zu ihrer Karriere-Strategie. Oder, besser gesagt, dem Mangel einer solchen.

Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich habe nicht wirklich eine Karriere-Strategie. Meine Entscheidungen basieren auf 'Nun, ich bin da, und mein 15-jähriges Ich würde das Projekt gerne machen.'

Für das Regiedebüt von Schauspieler John Krasinski, Die Hollars - Eine Wahnsinnsfamilie, fuhr Kendrick 2015 an ihren freien Tagen vom Pitch Perfect 2-Set sechs Stunden mit dem Auto, um in einer kleinen Rolle für den ersten Film ihres Lipsync Battle-Partners vor der Kamera zu stehen. Prinzipiell scheint Anna Kendrick ihre Projekte anhand von Bauchgefühl oder der Voraussicht, am Set Spaß zu haben, auszusuchen. Mike and Dave Need Wedding Dates gab ihr zum Beispiel die Möglichkeit, mit ihrer besten Freundin Aubrey Plaza einen Film zu drehen. Zudem verriet sie Vulture, dass es Spaß gemacht hat, zur Abwechslung eine Idiotin zu spielen.

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Laut der IMDb hat Anna Kendrick bis 2020 vier Filme geplant. Für die sonst so eifrige Schauspielerin erscheint dies fast wenig, wobei sicherlich mit weiteren Projekten zu rechnen ist. Unter diesen vier befinden sich zwei Fortsetzungen zu ihren bisher erfolgreichsten Filmen, Pitch Perfect 3 und Trolls 2. Zudem ist eine Komödie geplant, in der sie die Tochter des Weihnachtsmannes spielen soll. Mit dem Mysterythriller A Simple Favor probiert sie sich in einem neuen Genre aus. Bisher ist der Actionthriller The Accountant der einzige Film, der in ihrer Filmografie hervorsticht.

Mach doch endlich mal bessere Filme!

Ist das eine faire Forderung an eine Schauspielerin, die anscheinend einfach gerne Spaß hat? Es ist durchaus frustrierend, eine dermaßen talentierte und charismatische Schauspielerin wie Anna Kendrick in durchschnittlichen Filmen gefangen zu sehen. Kritiker-Erfolge wie Up in the Air sowie Indie-Perlen wie Drinking Buddies und Happy Christmas oder auch Pitch Perfect beweisen Anna Kendricks Talent für natürliche, liebenswerte und interessante Charaktere. Sie ist das, was Jennifer Lawrence und Emma Stone einst waren, durch ihren Mainstream-Erfolg aber nicht mehr glaubhaft repräsentieren können. Sie ist die Schauspielerin, die in Ensemble-Filmen mitspielt, letzten Endes aber nicht diejenige ist, die bei Zuschauern einen bleibenden Eindruck hinterlässt. In Indie-Filmen brilliert sie aufgrund ihrer authentischen Art des Schauspiels, brennt sich dadurch aber ebenfalls nicht in das Gedächtnis des Publikums. Ich wünsche Anna Kendrick eine Karriere-Mischung aus der von Brie Larson, bevor sie in Kong: Skull Island zur lebendigen Attrappe wurde, und Emma Stone, prä-Superfame. Das Talent und die Fan-Herzen hat sie bereits. Aber vielleicht will sie auch einfach nur Spaß haben. Und das kann ich ihr auch gar nicht übel nehmen. Zumindest fast nicht.

Was haltet ihr von Anna Kendrick und ihrer Filmauswahl?

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