7 Fragen an jp@movies

21.04.2013 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Oh, intercourse the penguin!
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Barfuss in der Ecke stehen und heimlich mitgucken, wenn Mama und Papa fernsehen. Prägende Filme zuerst auf VHS entdecken. Von David Lynch geflasht sein. Das kommt euch bekannt vor? Dann sind die 7 Fragen diese Woche genau das Richtige für euch!

Guten Abend, herzlich willkommen bei “Das ist Ihr Leben in 7 Fragen”! Wie jede Woche, widmen wir uns auch diesmal den wirklich wichtigen Dingen des Lebens: Gibt es Userantworten, die so ganz ohne Nolan und Tarantino auskommen? Gibt es ein Kino vor dem Leben? Darf ein Cliffhanger einfach so rumhängen? Unser heutiger Gast jp@movies meint: Ja! Bevor wir uns nun ganz dem Werdegang und schockierenden Erkenntnissen unseres Studiogastes widmen, noch ein Aufruf an das Publikum vor den Bildschirmen zuhause: Wenn Ihnen diese Sendung gefallen hat, schreiben Sie eine kurze Nachricht an Wum oder Wendelin und wir schicken Ihnen gerne die Anleitung zum Nachmachen zu! Und nicht vergessen: Stichtag für die 7 Fragen ist Sonnabend in acht Tagen. Knoteninsohrmach

Was ist deine erste Erinnerung an Film, Kino oder Fernsehen? Womit fing alles an?

Im Schlafanzug hinter der Ecke im Wohnzimmer stehen und heimlich mit gucken bis man zittert, weil die Füße nackt sind, oder weil der Film Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All war. Als mein Versteck aufflog, durfte ich den Film trotzdem fertig schauen. Das mag nicht pädagogisch korrekt gewesen sein, aber das waren die 70er; wir durften auch draußen ohne Aufsicht mit spitzen Gegenständen spielen. Das andere große TV-Erlebnis aus der Zeit war Tanz der Vampire, den ich ebenfalls sehen durfte, und der neben den Filmen von Jack Arnold und diesem bis heute die beste Heranführung an das Horror-Genre sein dürfte, die man als schulpflichtiges Kind kriegen kann.
Das erste Kinoereignis war für mich Der Herr der Ringe. Nein, der von Bakshi, nicht Jackson. Ein Animationsfilm, wie ich noch keinen gesehen hatte. Hallo, ich war sieben und kannte gerade mal Die Biene Maja und Disney – aber das? Mit Schauspielern gedrehte Sequenzen, die teilweise nachkoloriert wurden, eine völlig andere Ästhetik, die einen nach anfänglicher Was’n’dat-Ablehnung nur um so mehr in den Bann zog. Das sah viel zu echt aus, die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit wurde wegradiert, und dann gingen viel zu früh die Lichter im Saal an. Nämlich nach der Schlacht bei Helm’s Deep. WTF?! Bücher habe ich in den 70er Jahren noch nicht freiwillig in die Hand genommen, daher dauerte es dann noch 25 Jahre bis ich bei Peter Jackson erfuhr wie die Geschichte ausging.
Was hier nicht fehlen darf sind die ersten beiden Filme, die ich mit 12 oder 13 bei einem Nachbarn auf VHS sehen durfte – und die erst ab 16(!) freigegeben waren. Wie muss man sich das heute vorstellen? VHS… oh Mann, frühe 80er Jahre, da hatte nicht jeder so was zuhause. Vielleicht war es sogar ein Video-2000 Rekorder, oder Betamax? Jedenfalls waren die Filme von Chuck Norris (in McQuade, der Wolf) und Sylvester Stallone (in Rambo). Dass Filme Regisseure haben, war mir da noch nicht im Entferntesten klar.

Welcher Film, welche Serie hat dein Leben verändert? Was war danach nie wieder so wie vorher?

Im Kino war das Dune – Der Wüstenplanet von David Lynch. Als großer Science Fiction-Fan war ich gespannt wie ein Flitzebogen, als ich von der Verfilmung eines Buch-Klassikers (den ich selbstverständlich nicht gelesen hatte – obwohl inzwischen die 80er langsam ihre Mitte erreichten) erfuhr, und wurde selten so vor den Kopf gestoßen. Science Fiction kannte ich bis dahin nur als klinisch sauber, überall mit zu drückenden Knöpfen, gigantischen Bildschirmen und irgendwo blinkte immer irgendwas – Krieg der Sterne und Raumschiff Enterprise liessen grüßen. Aber das hier war düster, antiquiert, und wie aus dem Kostümfundus eines Piratenfilms und den Kulissen eines Ritterfilms zusammen geschustert! Das… das war doch bestimmt verboten, oder? Drogen, Spucke, Hautausschlag, Gift, Herzstöpsel, Sandwürmer… und wieder habe ich zugelassen, dass mich eine andere Sicht auf ein “bekanntes” Genre nach anfänglicher Ablehnung komplett in seinen Bann zog. Ein Abspannsitzenbleiber war geboren.
Als Serie war es wieder David Lynch mit Twin Peaks, und so hatte ich meinen unangefochtenen Leib-und-Seele-Regisseur für die nächsten 20 Jahre gefunden. Ich erinnere mich gerne an den Abend in der Zivildienstschule, als ein paar Fans sich im Fernsehraum durchsetzen konnten, und dann die erste Folge der zweiten Staffel kam, in der die ersten 10 Minuten kaum etwas passiert – was allen, die noch nie Kontakt mit der Serie hatten komplett vor den Kopf stieß, während wir uns vor Vergnügen kugelten. Großartigste Wiederaufnahme einer Serie nach einem Cliffhanger ever. Schauen wir mal ob Breaking Bad diesen Sommer einen drauf setzt.

Was ist das schönste Erlebnis, das du jemals in einem Kino hattest?

Das Schönste war spontaner Szenenapplaus in einem Münchner Kino, als Michael Jeter in König der Fischer im Großraumbüro auf den Tisch sprang und diese Nummer brachte. Zum mitschreiben: in M-ü-n-c-h-e-n, Sendlinger Tor, 1991! Kenne ich sonst höchstens von Festivalpublikum – das war das einzige Mal, dass ich dem in einem “normalen” Kino begegnet bin. Am Tag drauf und dem danach wiederholte es sich nicht mehr – ja, ich war dreimal hintereinander in dem Film, jedes mal in anderer Damenbegleitung. Was der Grund dafür sein dürfte, dass mich die Kassiererin am dritten Tag mit einem Blick gestraft hat, der einen Berlusconi hätte erröten lassen. Ein wundervoller Film, immer wieder, und Jeff Bridges hätte für seine Darstellung hier einen Oscar verdient. Stattdessen wurde er nicht mal nominiert… seufz

Herr Verteidiger, Sie haben das Wort: Welcher Film, welche Serie hat, deiner Meinung nach, eine viel zu schlechte Bewertung auf moviepilot?

Was Deutsches: Die zweite Heimat – Chronik einer Jugend von Edgar Reitz. Ein unerreichter Meilenstein, der viel zu wenig gewürdigt wurde, mit 8,4 noch zu niedrig bewertet – von gerade mal 10 Usern! Es ist so schade, dass das kaum jemand kennt. Wahrscheinlich hat das was mit dem Wort “Heimat” im Titel zu tun. Wobei, der erste Zyklus war Anfang der 80er Jahre ein TV-Ereignis und Straßenfeger. Da stand aber auch eine deutsche Mutter im Mittelpunkt, und die Provinz als Spiegel des 20. Jahrhunderts. Beim zweiten Zyklus waren es nur die 60er Jahre (Hallo Mad Men – Fans!) und im Zentrum der Erzählung standen die sich vom Muff der Elterngeneration ablösenden, jungen Erwachsenen: allesamt Musiker, Filmemacher, Dichter und Revoluzzer. Nur wegen dieser Serie bin ich überhaupt an die Uni, das wollte ich auch, oder wenigstens so ähnlich, erleben! Was man den ÖR Sendern heute zu Recht an Mutlosigkeit unterstellt, war damals seiner Zeit noch um gut 20 Jahre voraus, und das letzte Aufbäumen vor der Quotenhörigkeit. Deswegen empfehle ich jedem dieses Meisterwerk neu oder überhaupt zu entdecken – so frisch und wegweisend war unser Fernsehen danach nie wieder. Ach, und ehe ich es vergesse – keine Veronica Ferres oder Christine Neubauer weit und breit. Bei uns leider immer noch Geheimtipp, das Ausland ist schon seit jeher davon begeisterter. Wie war das noch mal mit den Propheten im eigenen Land?

Hast du dich schon mal so richtig wegen eines Films gestritten? Worum ging’s?

Da Filmschnitt (noch) meine Haupteinnahmequelle ist, gehört es quasi sogar zu meinem Beruf. Wobei es darauf ankommt den Streit erst nie zu einem werden zu lassen. Neben dem handwerklichen Können und musikalischen Fähigkeiten (an erster Stelle Rhythmusgefühl) ist diplomatisches Geschick die dritte Säule unseres Jobs. Deswegen lernt man eben nicht zu streiten (wie bei den Pythons), sondern die besseren Argumente zu haben. Dabei kommt es meiner Meinung nach darauf an, stets die Position des Films einzunehmen, quasi als sein Anwalt bzw. Erziehungsberechtigter aufzutreten. Eigene Befindlichkeiten spielen keine Rolle, sondern die Fähigkeit das eigene Baugefühl artikulieren zu können. Daher kann ich jeden Schnitt, den ich setze, mit Worten begründen. Ein Film, selbst etwas so Kurzes wie ein Werbespot, hat etwas Organisches an sich. Fügt man ihm zu viele Schnitte zu, überlebt er es nicht. Andere Schnitte brauchen Zeit um zu “verheilen”, damit man wieder lernt auf die Story, und nicht die Klebestelle zu achten. Und wieder andere Male ist es wie ein Puzzlespiel, bei dem man das Bild, das heraus kommen soll, noch nicht kennt, und jedes Teil erst bearbeiten muss, damit es überhaupt zu einem anderen passt. Ich liebe diesen Job.

Guilty Pleasure – welchen ‘schrecklichen’ Film findest du insgeheim toll? Beichte, Sünder! Und vielleicht kannst du uns überzeugen…

Eine Roger Corman Produktion, Rock ‘n’ Roll High School über die ich nicht nur die Ramones kennen lernte, sondern auch, wie man sich als fanatischer Fan zu benehmen hat. Daher ist dies wohl auch gleichzeitig der Film, in dem ich gerne einen Tag leben wollen würde – allein um die Ramones noch einmal alle lebend und in der Originalbesetzung erleben zu können. Für die einen mag es nur Punkrock sein, für andere ist es Kunst aus geschätzten 5 Akkorden und einem Grundwortschatz von 50 Vokabeln über 300 Songs zu zimmern. Der Film ist deutlich schlechter gealtert als die Musik, hat aber eine handvoll skurriler Momente, die noch heute zünden. Die Vorwegnahme von E(ar)-Mail zum Beispiel. Oder die eigene Schule in die Luft zu sprengen. Wer braucht da noch Argumente?

Was ist die größte Sünde, die man beim Filmegucken begehen kann? Was bringt dich so richtig auf die Palme?

Die Annahme, dass alle Filme vor dem eigenen Geburtsdatum automatisch nichts taugen, weil “die hatten ja damals noch nicht die Möglichkeiten von heute”. Bis zu einem gewissen Alter (Mitte dreißig) gibt es nichts daran auszusetzen, nur die Filme mit seinen Freunden zu sehen, die gerade im Kino oder Fernsehen laufen. Aber irgendwann ist es genau wie bei Musik oder Büchern nicht mehr erlaubt sich so eine Arroganz zu gestatten, und der Blick zurück lohnt sich. Denn wenn eine Sache stimmt, dann die, dass Filme (und das Fernsehprogramm) mal deutlich besser waren als heute. Früher gab es auf den Dritten Perlen zu entdecken, Klassiker, B-Pictures, New Hollywood. Ein Film wie Kleine Morde kam mehrmals(!) im ZDF vor Mitternacht, geschätzt alle 10 Jahre. Und woher sollen die heranwachsenden Filmfreaks heute erfahren, dass sie Jacques Tati, die Marx Brothers oder Krzysztof Kieslowski entdecken müssen? Von alten Säcken wie mir (über dreißig), in diesem sozialen Netzwerk der öffentlichen, gebührenfreien Anstalt, für alle FREAKS und NERDS. die noch immer nicht genug gesehen haben und sich wünschen, dass das Staunen nie aufhören möge. räusper (zum Singen ansetzend:) "Then, tomorrow was another day, The morning found me miles away, With still a million things to say. Now, when twilight dims the sky above, Recalling thrills of our love. There’s one thing I’m certain of: Return I will to old Brazil .”

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