Einer der größten Filmemacher der Kinogeschichte ist von uns gegangen: David Lynch ist tot, wie unter anderem der Hollywood Reporter berichtet. Der US-amerikanische Künstler war vor allem als Regisseur und Drehbuchautor bekannt. Darüber hinaus stand er als Schauspieler vor der Kamera und produzierte Filme und Serien.
Seine Passion galt jedoch nicht nur dem bewegten Bild. Abseits der großen Leinwand probierte er sich in seiner Karriere als Maler, Fotograf, Lithograf, Bildhauer, Schriftsteller und Designer aus, ganz zu schweigen von seinem musikalischen Talent, das er auf unterschiedlichste Weise in seine oft exzentrischen Projekten einfließen ließ.
Auf David Lynchs offizieller Facebook -Seite wurde die Todesnachricht von seiner Familie mit folgenden Worten bekannt gegeben:
Mit tiefem Bedauern geben wir, seine Familie, den Tod des Menschen und Künstlers David Lynch bekannt. Wir würden es begrüßen, wenn wir in dieser Zeit etwas Privatsphäre hätten. Er hinterlässt ein großes Loch in der Welt, da er nun nicht mehr unter uns weilt. Aber, wie er sagen würde: 'Behalte den Donut im Auge und nicht das Loch'. Es ist ein wunderschöner Tag mit goldenem Sonnenschein und blauem Himmel, so weit das Auge reicht.
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Eine Todesursache wurde nicht genannt. Letztes Jahr im August enthüllte Lynch, dass Ärzte bei ihm Lungenemphysem diagnostiziert haben, weswegen er körperlich nicht mehr in der Lage sei, neue Filme zu drehen. Lynch war ein Großteil seines Lebens starker Raucher und hatte sich zuletzt in sein Zuhause in Los Angeles zurückgezogen.
Surreale Albträume in den Zwischenräumen des Kinos: Niemand hat Filme wie David Lynch gedreht
Jetzt ist er von uns gegangen und hinterlässt ein unvergleichliches Schaffen voller Rätsel und Geheimnisse. Jedes Werk von Lynch war ein Tauchgang in menschliche Abgründe, in düstere Obsessionen und surrealistische Räume. Labyrinthische Erfahrungen, die in den Bann zogen und die Welt mit ungeheuerlichen Bildern auf den Kopf stellten.
Jeder neue Film von David Lynch war eine Einladung in einen Fiebertraum, bei dem es niemals darum ging, das Gezeigte zu verstehen. Bei Lynchs Kino stand das Fühlen, das Erleben und das Verschwinden im Vordergrund. Verschwinden in mysteriösen Welten, die sich stets aus unserer Realität mit unheimlichen Verzerrungen speisten.
Verstörend, provokant und sinnlich zugleich: Lynchs Œuvre sprudelt geradezu über vor finsterer Reizüberflutungen, die einen nachts nicht schlafen lassen und tagsüber um den Verstand bringen, weil einen das Gesehene in Gedanken verfolgt. Nicht zuletzt war Lynch ein Meister darin, das Gewöhnliche um seine Ordnung zu bringen.
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Zehn Spielfilme hat Lynch von 1977 bis 2006 gedreht. Dazu kommen diverse Kurzfilme, Serien, Musikvideos, Konzertfilme und Werbeclips. Bereits sein Debüt auf der großen Leinwand ist an albtraumhafter Qualität kaum zu überbieten: In Eraserhead zerbricht ein überforderter Vater zwischen Körperhorror und schwarzem Humor.
David Lynchs Kino kannte keine Grenzen und verfolgte uns sogar bis ins gemütliche Wohnzimmer
Egal, ob Lynch die Geschichte eines Außenseiters (Der Elefantenmensch) oder eines Auserwählten (Dune – Der Wüstenplanet) erzählte: Überall fand er beunruhigende Facetten in den Menschen, die sich aus mal erklärlichen, oft aber unerklärlichen Gründen seltsam, geradezu feindselig verhalten. Und es gab nie ein Entkommen.
Kein Wunder, dass er im Blockbuster-Kino nie Fuß fassen konnte und schlussendlich auch nicht wollte. Die Reise zum Wüstenplaneten Arrakis war sein einziger großer Hollywood-Film. Das Angebot, den Abschluss der ersten Star Wars-Trilogie zu drehen, lehnte er direkt ab. Lynch passte in keine vorgefertigte Kategorie der Traumfabrik.
Stattdessen verlor er sich in den undefinierbaren Zwischenräumen des Kinos, in die sich sonst kaum jemand vorwagte. Blue Velvet verdrehte das US-amerikanische Vorstadtidyll und Twin Peaks brachte als Serienmeilenstein den Schrecken bis in die heimischen vier Wände. Kein gemütliches Abschalten, sondern ein wöchentlicher Albtraum!
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In die Kleinstadt im äußersten Norden der USA, die er mit Mark Frost für den Sender ABC entworfen hatte, zog es Lynch mehrmals zurück, etwa in Twin Peaks: Fire Walk With Me. Hier schlummerte ein ganz besonderes Gefühl von Einsamkeit und Sehnsucht, die sich mit dunkler Erotik und verborgener Zärtlichkeit in den Figuren entfaltete.
Mit Twin Peaks: The Return hat uns David Lynch ein letztes großes Meisterwerk hinterlassen
Lost Highway, Mulholland Drive und Inland Empire: Mitunter wirkte es, als spricht Lynch in seinen Filmen aus einer anderen Dimension zu uns. Umso verblüffender war es, wenn er sich abseits des Surrealistischen in ein geerdetes Genre wie das Road-Movie wagte und einen Film wie Wild at Heart oder The Straight Story entfesselte.
Zwischen all den Rätseln und Geheimnissen, die man zuerst mit Lynch assoziiert, lagern nachdenkliche, melancholische und zutiefst romantische Grenzgänge. Sie erweitern die unheilvolle Aura seiner Filme um eine transzendentale Sogkraft, der man sich nur schwer entziehen kann, wenn man sich erstmal auf sie eingelassen hat.
Sein erstaunlichstes Werk hat er 2017 mit der Serienfortsetzung Twin Peaks: The Return geschaffen, die aus dem nostalgisch angehauchten Revival-Trend des Peak-TV-Zeitalters geboren wurde. Lynch kehrte jedoch nicht in die Black Lodge zurück, um in Erinnerung zu schwelgen, sondern eine neue Form des filmischen Erzählens zu suchen.
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Nach genau fünf Dekaden hinter der Kamera stellte sich Lynch bewegte Bilder vor, die genauso wie er jenseits jeglicher Definition von Begriffen wie Kino, Film, Serie und Fernsehen existierten. Ein 18-teiliger Gedankenstrom apokalyptischer Dimension, bereit, alles hinter sich zu lassen und eine neue Sprache (rückwärts) zu sprechen.
Dieser David Lynch wird fehlen. Unglaublich sogar.