Community

1x Wettbewerb und 3x Forum - In einem Tag um die Welt

07.02.2015 - 02:10 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Meine Lieblingssektion der Berlinale: Das Internationale Forum des Jungen Films.
Berlinale
Meine Lieblingssektion der Berlinale: Das Internationale Forum des Jungen Films.
5
14
Nach dem Wettbewerbseröffnungsfilm "Nobody Wants the Night" widmete ich mich heute meiner eigentlichen Liebe: Dem Forum. Es standen eine deutsche Doku, ein koreanisches Filmchen und The Mud Woman auf meinem Plan. Ein durchaus guter Einstieg in die diesjährige Berlinale. Und ein paar Promis habe ich auch gesehen...

Der Wettbewerbseröffnungsfilm

Heute durfte ich also Nobody Wants the Night von Isabel Coixet sehen. Nach dem allmorgentlichen Anstehen für Tickets machte ich mich auf den Weg zum Friedrichstadtpalast, um den Wettbewerbseröffnungsfilm zu schauen. In den Hauptrollen sind Rinko Kikuchi, Juliette Binoche und Gabriel Byrne zu sehen. Da ich die Wettbewerbsfilme immer erst einen Tag nach der Premiere schauen werde, gibt es hier bei Moviepilot bereits Reszensionen zu diesen Filmen. Ich werde mich deshalb etwas kürzer fassen, was diese Filme betrifft. Aber im Gegensatz zu the gaffer hat mir Nobody Wants the Night gar nicht mal so schlecht gefallen. Ja, er ist schon etwas merkwürdig und wirkt vielleicht konstruiert, aber die Szenen zwischen Binoche und Kikuchi, die beide ihre Rolle sehr gut spielen, fand ich einfach nur gut. Mich stört an dem Film eher das Künstliche. Man merkt einfach, dass sehr viele Szenen im Studio gedreht wurden. Trotzdem umgibt den Film eine Aura von Kälte. Ich glaube auch zu verstehen, worum es Coixet in ihrem Film ging, zu ihren besten gehört er allerdings ganz sicher nicht.

Auf dem Weg vom Friedrichstadtpalast zum CineStar am Potsdamer Platz machte ich unterwegs Zwischenstop, um eine Kleinigkeit zu essen. Schließlich lagen noch drei Filme vor mir. Ich musste anschließend am Grand Hyatt vorbei, dem Hotel in dem die Stars nächtigen. Und just in diesem Augenblick spazieren Werner Herzog und kurz darauf dann auch noch James Franco aus der Nobelhütte. Der Andrang war groß, die Stars gaben Autogramme. Witzig ist noch zu erwähnen, wie cool Franco mit Hobbyfotographen umgeht. Er zeigt den unerfahrenen Promijägern, wie man das Handy am besten halten sollte, um ein schönes Foto zu bekommen.

Das Forum

Das Forum (oder eigentlich das Internationale Forum des Jungen Films) ist die für mich wohl interessanteste Sektion der Berlinale. Ursprünglich verstand es sich tatsächlich als Gegenveranstaltung oder Gegenentwurf zu den Filmfestspielen von Berlin, wurde relativ schnell jedoch in die Berlinale eingegliedert. Das Forum ist allerdings bis heute selbstorganisiert und unabhängig geblieben.

Der Schwerpunkt des Forums liegt für mich in anspruchsvollen, engagierten oder künstlerischen Filmen. Es bietet jungen, noch unbekannten internationalen Regisseuren einen Ort sich zu präsentieren. Es werden jedoch auch Filme mit außergewöhnlichen Konzepten oder Überlänge gezeit. So wurde beispielsweise 1994 Satanstango von Béla Tarr mit seinen 450 Minuten im Forum aufgeführt. Außerdem widmet sich das Forum der Aufarbeitung bisher in Deutschland relativ unbekannter Filmographien. In den letzten Jahren wurden hier in erster Linie japanische Regisseure wie Keisuke Kinoshita, Noboru Nakamura, Yasujirô Shimazu oder Minoru Shibuya präsentiert. Eine solche Retrospektive wird es auch dieses Jahr geben, doch dazu werde ich erst in den nächsten Tagen kommen. Heute standen erstmal drei grundverschiedene Filme aus Deutschland, Südkorea und Chile auf dem Programm.

Freizeit in Dokumentarform

Als erstes stand nun die Weltpremiere von Freie Zeiten an. Der deutsche Dokumentarfilm von Janina Herhoffer ist der erste Kinofilm der aus Heidelberg stammenden jungen Filmemacherin. Sie zeigt uns verschiedene Freizeitaktivitäten und legt ihren Fokus auf Gruppenaktivitäten. So sind beispielsweise eine Berliner Mädchenband, eine Männerselbsthilfegruppe, ein Diätkurs oder Jugendliche, die zu Tanzkursen oder auf Shoppingtour gehen, zu sehen. Herhoffer zeigt einfach Mitschnitte aus den Aktivitäten. Es gibt glücklicherweise keine Erklärungen oder Interviews. Die Szenen stehen für sich. Insgesamt erinnerte mich das Konzept schon stark an die Filme von Ulrich Seidl; wie beispielweise zuletzt in Im Keller. Im Gegensatz zu dessen Filmen wirkt das Ganze auch weniger inszeniert. Ich nehme der Regisseurin auch ab, dass sie ihre Protagonisten nicht bloss stellen will. Offensichtlich verfolgt sie Fragestellungen wie Gegenwartphänomen angeleiteter Selbsthilfegruppe, die Verschiebung der Arbeitswelt in die Freizeitaktivitäten hinein oder das Thema Selbstwahrnehmung. Aber stellenweise kommen mir die Szenen doch etwas voyeuristisch vor. Der Fremdschämfaktor kann bei Lachgruppen oder in (wirklich schrägen) Klangreisekursen schon relativ hoch steigen. Trotzdem handelt es sich hier um einen durchaus guten Film für Zwischendurch. Er ist ja auch nur 71 Minuten lang.

Das Ende des Winter als Hoffnung für eine bessere Zukunft?

Mein zweiter Forumsfilm heute brachte mich zurück in die Kälte. Schließlich beinhaltet der Titel End of Winter (Cheol won gi haeng) nicht nur das Wort Winter, in dem ersten Spielfilm von Dae-hwan Kim gibt es Schnee zur Genüge zu sehen. Und anders als bei Nobody Wants the Night sind die Schneemassen hier auch echt. End of Winter ist ein netter, kleiner Film; leider jedoch ohne Ecken und Kanten. Der Film handelt vom Auseinanderfallen einer Familie. Er benutzt dabei mehrere Symbole wie den Winter selbst oder das Familienhaus. Kims Ansatz für sein Regiedebüt war die steigende Scheidungsrate in Korea. Der 1985 geborene Kim schuf sympathische Figuren, die auch durchaus nachvollziehbar mit einander interagieren. Es gibt viele klassische Handlungspunkte wie Familienfeiern, Sojubesäufnisse oder das Umklappen von zurückgeschraubter Kommunikation auf plötzliche Streitgespräche. Trotzdem ist der Film angenehm zurückgenommen. Er ist einfach nett.

Ein starker Film aus Chile wird Highlight des Tages

Ein zentrales Thema im Forum 2015 wird Südamerika sein. Da bin ich natürlich unbedingt dabei und den Anfang machte die Weltpremiere von The Mud Woman (La mujer de barro) von Sergio Castro San Martín. Im Saal des Arsenals waren unter anderem der chilenische Botschafter und die chilenische Kultusministerin anwesend. Der Film wurde im Februar 2014 gedreht. Aber anders als Chile vom Wort her erahnen läßt ist es im Sonner dort tatsächlich warm. Nach zwei eiskalten Winterfilmen nun endlich etwas Wärme auf der Berlinale. Doch die warmen Bilder und die wirklich beeindruckenden nordchilenischen Landschaften, vor derem Hintergrund sich das Geschehen abspielt, stehen im krassen Kontrast zur Handlung. Sergia Castro wählt eine irgendwie typisch südamerikanische Herangehensweise, die mir persönlich einfach am besten gefällt. Er arbeitet sehr viel mit Auslassungen und Andeutungen. Der Film ist ausgesprochen ruhig, aber unter der Oberfläche spielt sich sehr viel ab. Dabei greift der ehemalige Dokumentarfilmer in seinem erst zweiten Spielfilm größtenteils auf Laiendarsteller zurück. Nach eigenen Aussagen, will Castro damit "die reale Welt in die Fiktion bringen". Aber die tragende Figur wurde mit einer professionellen Schauspielerin besetzt. Catalina Saavedras Gesicht ist perfekt für diesen Film geeignet. Es ist gezeichnet von einem harten Leben und genau dieses hatte ihre Figur María. [Saavedra ist übrigens auch in NATIVe Berlinale im Film The Quispe Girls zu sehen.] Sergio Castro erzählt von einfachen Leuten, schrecklichen Arbeitsbedingungen und tragischen Einzelschicksalen. Sein Film wurde von aktuellen Nachrichten und Erfahrungen aus dem eigenen familiären Umfeld beeinflusst.

Bezeichnend ist, dass ich eigentlich nicht lange der obligatorischen Frage-Antwort-Runde beiwohnen wollte. Ich musste ja schnell nach Hause und diesen Text verfassen. Aber das Gespräch mit dem durchaus sympathischen Regisseur war einfach zu spannend. Plötzlich war eine Dreiviertelstunde um. Nun ja, kam ich halt erst um 1 Uhr zu Hause an. Aber wer braucht schon Schlaf? Müssen halt mal 4 bis 5 Stunden genügen. Morgen geht's weiter...


Tageszusammenfassung



Meine bisherigen Blogeinträge zur Berlinale:

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News