Endstation Selbstfindung – Wer rettet die Komödie?

03.04.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Der unglaubliche Burt Wonderstone
Warner Bros. Pictures
Der unglaubliche Burt Wonderstone
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Beim Blick auf gegenwärtige US-Komödien gleicht das Kino einem Humorbrachland. Angebliche Ehrenretter wie Judd Apatow manövrierten das Genre nur noch weiter in eine Sackgasse aus Selbstfindung, Verklemmtheit und Altherrenwitz. Wo sind die Erneuerer?

Es gibt eine Szene in Der unglaubliche Burt Wonderstone, da müsste der Film vor Komik implodieren. Sie versammelt eine nicht unbeträchtliche Riege (einstiger) Komödienstars, namentlich Steve Carell, Jim Carrey und Jay Mohr, durchaus komödiantischer Talente wie Steve Buscemi und Alan Arkin sowie, kaum zu glauben, Michael Herbig. Alle in einem Raum, aber ganz ohne Witz. Dabei ist dies kein reflektierendes Genre-Kleinod in der Art von Wie das Leben so spielt, sondern eine durchaus auf vordergründigen Ulk abzielende Comedy, eine auf spielerische Infantilität und freimütig-hemmungslosen Quatsch geeichte Faschingskomödie. Dass ihr wirklicher Humor fehlt, liegt nicht an Steve Carell oder Steve Buscemi, denn die gehen in ihren Rollen als Show-Magier sichtlich auf, delektieren sich spürbar freudig am Verkleidungszirkus der großen Bühnengesten und tuckigen Perücken, bei denen für wahren Zauber längst kein Platz mehr ist. Auch Jim Carrey, der offensichtlich längst auf ein Comeback aus der zweiten Reihe hofft, schält drei, vielleicht sogar vier ehrwürdige Lacher aus der planlosen Show-Verballhornung. Nein, das Problem liegt nicht bei ihnen, es liegt ganz allgemein bei der gegenwärtigen US-Komödie.

Das große Comedy-Nichts
Dieses Problem lässt sich, in gewisser Hinsicht, aus einer anderen, noch deutlicher die neuerlichen Gepflogenheiten des Genres umschreibenden Szene in Der unglaubliche Burt Wonderstone herauslesen. Steve Carell bekommt von seinem Guru Alan Arkin (der einen Zauberer im Ruhestand spielt) den Kopf gewaschen, weil er nicht mehr an wahre Magie glauben und nur noch schalen Budenzauber vorführen würde. Deshalb müsse er zu sich sowie der Kraft der Illusionen zurückfinden, um wieder die eigentlichen Möglichkeiten seiner Berufung nutzen zu können. Auf den Zustand der US-Komödie übertragen, in der sich ja seit Jahrzehnten (nicht nur auf einer Metaebene) alles um die Selbstfindung des Komikers dreht, käme dieser Rat einer Aufforderung nach den Qualitäten der alten Schule gleich. Doch bis auf Jason Reitman (Up in the Air, Juno), dessen Kino sich traditionsbewusst an den Zauberkünsten eines Billy Wilder und Frank Capra geschult zeigt, scheinen die meisten Komödienregisseure der Gegenwart recht prinzipientreu das große Comedy-Nichts der Antihandwerksschule zu beschwören. Das Nichts, aus dem seit Jahren ein Groß der US-Mainstream-Komödien geboren wird.

Die Sentimentalität des Mannes
Dabei ist fehlende Rückorientierung auf die Studiosystem-Meisterschaft vergangener Genrevisionäre aber natürlich kein wesentliches Problem, Komödienklasse auf diesem Niveau ist aus ganz unterschiedlichen Gründen schließlich nicht mehr möglich. Doch der Vergleich gibt Aufschluss über strukturelle Änderungen des Genres, die sich vor allem an den kommerziell erfolgreichsten US-Komödien der vergangenen Jahre offenbarten, etwa Hangover und Hangover 2, die weltweit allein im Kino zusammen deutlich über eine Milliarde US-Dollar einspielten, oder auch Ted, Die Qual der Wahl, Kill the Boss, Vorbilder?!, Kindsköpfe, Die etwas anderen Cops und Stichtag. Ihre Stars heißen Zach Galifianakis, Jason Bateman oder Will Ferrell, die gefeierten Köpfe hinter diesen Produktionen Adam McKay, Todd Phillips oder Judd Apatow. Letzterem gelang es mit komödiantisch-versöhnlich die große Sentimentalität des Mannes feiernden Filmen auch hartnäckige Kritikermuffel in amüsierte Begeisterung zu versetzen, sodass die Cinephilie ihn rasch zum Hoffnungsträger, Ehrenretter oder gar Erneuerer der Komödie ernannte und selbst einen spießigen Altherrenwitz wie Immer Ärger mit 40 wohlwollend durchzuwinken bereit ist – obgleich er die tränendüsigen Antilachtendenzen des Genres ja genauso bieder fortsetzt wie seine Kollegen.

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