In dreams, we enter a world that’s entirely our own
Eine gesamte magische Dekade lang verzauberte Harry Potter die Kinoleinwände rund um den Globus und hat nicht nur eine bemerkenswerte Fangemeinde sondern eine ganze Generation in seinen Bann gezogen. Mediale Präsenz war dem seit 2001 währendem Ereignis von Anfang an im Übermaß gegönnt und auch ich habe für meinen Teil jeglichen Schnipsel des, von J.K. Rowlings erdachten, Mikrokomos aufgesaugt – egal ob in literarischer Ausführung oder den filmischen Adaptionen des Gesamtwerks. Genau diesen Verfilmungen widmete ich vor kurzer Zeit eine kleine Retrospektive, die mich erneut gefesselt und emotional mitgenommen hat. An anderer Stelle versuchte ich bereits meine Gedanken zu diesem fantastischen Wiedersehen zu formulieren – allerdings nur um festzustellen, dass mir die nötigen Worte dazu fehlten. Nun erfolgt hier abermals der Versuch, das popkulturelle Phänomen Harry Potter zu beschreiben und das wird mit Sicherheit kein allumfassender oder gar endgültiger Text. Ein paar Beobachtungen der letzten Sichtung möchte ich trotzdem teilen.
Noch bevor die erste Einstellung den Blick in die nächtliche Umgebung des Ligusterwegs Nummer vier gewährt, leitet eines von John Williams prägenden musikalischen Motiven Harry Potter und der Stein der Weisen ein. Daraufhin flattert eine Eule, vom mysteriösen Glockenspiel begleitet, durch die verlassene Straße. Der Schein einer Lampe bahnt sich seinen Weg durch den ungewissen Nebel, um das Schauspiel zu beleuchten. Doch selbst diese Lichtquelle erlischt, als Albus Dumbledore (Richard Harris) mittels Deluminator das Areal im Schwarz der verheerenden Nacht versenkt. Eine ruhige sowie schlichte Exposition der Geschichte, die im späteren Verlauf überlebensgroßes Ausmaß annehmen wird. Vielleicht bedarf es aber gerade in Anbetracht der darauffolgenden Geschehnisse dieser einfachen Inszenierung mit der Chris Columbus in Harry’s wondrous world entführt.
Fantastische Abenteuer & bewegter Wandel zur Virtuosität
Große Kulissen, prächtigen Bauten und detailverliebte Sets (wie beispielsweise das muntere Treiben in der Winkelgasse) zeichnen die Aufnahmen aus, die dennoch von einer gewissen Inspirationslosigkeit geprägt sind. Es überkommt einen oftmals der Eindruck, dass Chris Columbus – während er sich beinahe sklavisch an der Literaturvorlage orientiert – nie das komplette Potential seiner überschwänglichen Szenarien ausreizt und dadurch letztendlich ein sehr statisches Spektakel in Szene setzt. Trotzdem beweist der gern als Familienregisseur umschriebene Filmemacher sein Gespür für die Materie und gestaltet das erste Schuljahr von Harry (Daniel Radcliffe), Hermine (Emma Watson) und Ron (Rupert Grint) als ein ereignisreiches (sowie kinderfreundliches) Abenteuer, das vor allem den nötigen Funken Magie versprüht. Auch in Harry Potter und die Kammer des Schreckens verändern sich wenige der bisher etablierten Konstanten – abgesehen von der Tatsache, dass der Film den klassischen Gesetzten eines Sequels folgt. Und das mit Bravour: Größer, lauter, schneller. Fliegende Autos, Riesenspinnen und ein rasantes Quidditch-Match werden am Ende nur noch von dem wuchtig vorgeführten Basilisken in den Schatten gestellt und nicht zuletzt ist die minimale Steigerung gegenüber dem Vorgänger zweifelsohne auf das aufgestockte Ensemble (Alan Rickman & Kenneth Branagh im verbalen sowie physischen Duell!) zurückzuführen.
Nach zwei gemächlichen Potter-Kapiteln erfolgte endlich der erste Regiewechsel, der einer (notwendigen) Revolution gleich kam. Alfonso Cuarón vergisst jegliche Konventionen des Franchises und überzeugt mit radikalem Ansatz: Eingerahmt im virtuosen Bilderreigen, erwacht der Mikrokosmos zum ersten Mal so richtig zum Leben und das düstere Gewand inklusive erwachsenerer Herangehensweise ermöglicht einen gelungenen Relaunch, der besonders in puncto Figurenkonstellation und Charakterbeziehungen stabile sowie wichtige Grundlagen für kommende Ereignisse schafft. Zudem eröffnet die mutige Entscheidung, nur die essentiellen Handlungsstränge von Harry Potter und der Gefangene von Askaban herauszuarbeiten, ungeahnte Freiheiten, die der Regisseur meisterhaft mit kreativen Details füllt. Zwischen Coming-of-Age-Geschichte und übernatürlichen Herausforderungen wird das Universum authentisch ausgebaut und avanciert dank überwältigender Bildsprache zur greifbaren Fantasy-Welt – untermauert mit passenden Effekten, die das Geschehen stets komplementär und nie überwuchernd in Beschlag nehmen. Außerdem gesellen sich fortan Gary Oldman, David Thewlis, Emma Thompson und Timothy Spall zum Cast der britischen Schauspielgarde (deren vollständige Auflistung jetzt noch seinesgleichen sucht) und Michael Gambon tritt in die Fußstapfen von Richard Harris.