Ridley Scott - Porträt des britischen Altmeister

20.11.2008 - 06:50 Uhr
Ridley Scott
ridleyscot.com
Ridley Scott
2
0
THEMA» Mit Der Mann, der niemals lebte will Ridley Scott dem Politthriller neue Facetten abringen.

Seit 30 Jahren führt Ridley Scott Regie. Dabei hat er spät angefangen: Erst mit 40 Jahren dreht er seinen ersten Spielfilm Die Duellisten (1977) mit Harvey Keitel und Keith Carradine in den Hauptrollen. Aber schon lange ist er im Filmgeschäft. Nach einem Grafikdesign-Studim arbeitet er als Szenenbildner und Produktionsdesigner beim BBC, sammelt dort auch erste Erfahrungen als Regisseur von TV-Serien. Ab 1968 dreht er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Tony Scott Werbefilme, mehr als 2000 Clips entstehen, die auf den branchenüblichen Festivals in Cannes und Venedig ausgezeichnet werden.

Mit Die Duellisten (1977) wird Ridley Scott als englische Regie-Entdeckung gefeiert. Schon mit seinem zweiten Spielfilm macht sich der Filmemacher einen Namen als angesagter Kult-Regisseur. Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (1979) wird zum Klassiker des Science Fiction-Genre. Die Bedrohung der Besatzung eines Fabrik-Raumschiffes durch außerirdische Lebewesen ist brillant und spannend in Szene gesetzt. Besonders der Alien, der von H.R. Giger entworfen worden ist, ist ohne jede Skrupel und macht erstmals die ganze Gefahr, die in der Außenwelt steckt, deutlich. Auch diverse Interpretationsmöglichkeiten über die Geschichte und die weibliche Hauptdarstellerin Sigourney Weaver machen das Werk zum Studienobjekt an Universitäten. Die Nachfolger-Filme von James Cameron, David Fincher und Jean-Pierre Jeunet kommen nur partiell an das Original her.

Mit Blade Runner (1982) nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick kann Ridley Scott den Erfolg wiederholen; er steigt mit dem epochalen Science Fiction in den Regie-Olymp auf. Der Spezialdetektiv Deckard (gespielt von Harrison Ford) sucht im Jahre 2019 nach vier künstlichen Menschen, die ihr Recht auf ein eigenständiges Leben einklagen wollen. Der Klassiker schildert die Zukunft düster, die Inszenierung ist wie schon beim Vorgänger atmosphärisch dicht. Auch dieser Film gilt als einer der wichtigsten Filme des Genres. 20 Jahre später kommt eine Director’s Cut-Version in die Kinos, die das Ende der Geschichte offen lässt. Auf Druck der Produktionsfirma musste Ridley Scott damals eine optimistische Version schneiden.

Die zwei Filme sind prägend für das Science Fiction-Genre und auch für die Karriere des Ridley Scott. Nach den beiden Werken gibt es ein ständiges Hoch und Tief in der Karriere des Regisseur, ein Wechselbad der Gefühle auch für Kritiker und Zuschauer. Das Fantasy-Märchen Legende (1985) ist zwar gradlinig erzählt, aber wenig originell und voller Klischees. Im Kriminalfilm Der Mann im Hintergrund (1987) ist Untreue eine Bedrohung für die Familie. Black Rain (1989) begibt sich nach Osaka, wo ein amerikanischer Detektiv einem Yakuza-Bandenkrieg auf die Spur kommt. Alle Filme sind zwar gekonnt in Szene gesetzt, ihnen fehlt aber das besondere Etwas. Erst mit dem Frauendrama Thelma & Louise (1991) zeigt der Regisseur wieder, über welche Möglichkeiten er eigentlich verfügt. Für diese Arbeit wird Ridley Scott erstmals als Bester Regisseur für den Oscar nominiert.

Danach inszeniert er Filme in unterschiedlichen Genren, die wenigen Erfolg bei den Kritikern haben. Das Historiendrama 1492 – Die Eroberung des Paradieses (1992) bereitet die Geschichte von Christoph Columbus auf. White Squall – Reißende Strömung (1996) schildert den Segeltörn von 12 Schülern einer Eliteschule. Die Akte Jane (1997) thematisiert die Gleichberechtigung in der Armee. Der Film ruft harsche Kritik seitens der Feministinnen auf den Plan, denn seine Botschaft ist eindeutig: Wenn Frauen gleichbehandelt werden wollen, müssen sie sich auch an die männliche Welt angleichen. Außerdem gilt er vielen als zu pro-militärisch. Mit Gladiator (2000) feiert der Regisseur dann wieder einen großen Erfolg. Ridley Scott gelingt es, den alten Sandalenfilmen neue Facetten abzuringen. Die Geschichte ist mitfühlend und glaubhaft erzählt, wunderbare Bilder von Schlachtgetümmel und Arenakampf sind zu sehen und die Darsteller überzeugen. 12mal wird der Film für den Oscar nominiert, wobei Russell Crowe die Statue als Bester Hauptdarsteller mit nach Hause nehmen kann.

Nachfolgende Filme kranken wieder daran, dass sie ihre Geschichten zwar bildgewaltig, aber nicht besonders originell erzählen. Hannibal (2001) kommt nie an die Qualität der ersten Verfilmung heran. Black Hawk Down (2001) ist ein umstrittener Kriegsfilm, Tricks (2003) die Geschichte eines Trickbetrügers, der mit seinem Leben nicht klar kommt. Königreich der Himmel – Kingdom of Heaven (2005) inszeniert der Regisseur zu spannungsarm und Ein gutes Jahr (2006) wird leichter Romanzen-Mainstream. American Gangster (2007) ist wieder ein hochgelobtes Meisterwerk. Im Mafia-Drama überzeugen Denzel Washington und Russell Crowe in den Hauptrollen. Dem Regisseur gelingt es, der amerikanischen Mythologie eine neue Facette hinzuzufügen.

Mit seinem neuesten Film Der Mann, der niemals lebte hat der 70-jährige Regisseur einen weiteren Film vorgelegt und es bleibt abzuwarten, ob Ihr ihn eher den Hochs oder den Tiefs des Regisseur zuordnet. An den US-Kinokassen ist der Polit-Thriller mehr oder weniger durchgefallen: Er hat “nur” 36 Millionen Dollar bei 70 Millionen Dollar Kosten eingespielt. Das liegt weniger an dem Film als an dem politikmüden amerikanischen Publikum. Dabei ist Der Mann, der niemals lebte virtuos in Szene gesetzt und die Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio und Russell Crowe brillieren. Wie immer zieht Ridley Scott alle Register: In der Regel zeichnen sich seine Filme durch Detailgenauigkeit aus, er trifft die historische Zeit meistens genau. Bildgewaltig und effektvoll setzt er seine Geschichten um. Das ist auch hier der Fall. Nur mit der Geschichte in Der Mann, der niemals lebte hapert es wieder einmal etwas. Wir sind es schon gewöhnt.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News