mattxl - Kommentare
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Alle Kommentare von mattxl
Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Und die Leitkulturdebatte. Ebenso nutzlos wie unerfreulich wabert sie für vier Wochen durchs Feuilleton, um dann ergebnislos zu verebben. Bis sie dann wieder - nach ein paar Jahren der Ruhe - wieder aufploppt. Für die Jüngeren, die ihr Wissen nur aus Wikipedia beziehen: Ja, Bassam Tibi hat den Begriff 1996 eingeführt. Die Diskussion gibt es seit ich denken kann. Sie heißt nur immer anders. Ich nenne sie mal allgemein: Diskussion darüber, wie wir zusammenleben wollen.
Die unselige Leitkultur-Debatte besteht darin, dass irgendjemand etwas in den Topf wirft und dann behauptet, das sei nun aber wichtig. Mal sind es Goethe und Schiller (Büchner und Kafka aber nicht), mal ist es Wurstessen und Biertrinken (Salami und Wein aber nicht), mal ist es Händeschütteln und Nicht-Burka (Ärzte ausgenommen und natürlich Omas mit Kopftuch). Ertrag der Debatte: Null.
Was mich jedoch am meisten an dieser Debatte stört: Noch niemand hat die zwei Begriffe in den Topf geworfen, die nun m.E. ganz unbedingt dahinein gehören, nämlich Fassbinder und Loriot. Ich könnte auch sagen: Irm Hermann und Heinz Meier, die beiden Schauspieler, die es geschafft haben, Schnittmenge beider Regisseure zu sein.
„Irmgard Erlkönig“ heißt Irm Hermann hier in „Acht Stunden sind kein Tag“. Also mehr „Leitkultur“ geht ja wohl wirklich nicht! Und wer ein bisschen über das Verhältnis von Fassbinder und Hermann weiß, gerät ins Grübeln: Muss man Freud bemühen, um diese Namensgebung zu interpretieren? Oder war das just for fun? Hat sie ihm ein „Leid“ angetan? Das war doch er! Fragen über Fragen … Sie spielt hier übrigens eine Spießer-Zicke, für die doch noch ein Funken Hoffnung besteht. Und das macht sie – wie immer – großartig.
„Acht Stunden sind kein Tag“ war ein Publikumserfolg. Bei den Kritikern fiel die Serie aber durch. Um es kurz zu machen: Das Publikum hatte Recht und die Kritiker Unrecht. Es gab noch Drehbücher für weitere Folgen, doch eine Gaga-Talkshow („Glashaus“) mit dem Regisseur sowie linke Grabenkämpfe – u.a. fanden Gewerkschaften, dass Mitbestimmungsprozesse nicht richtig abgebildet waren - sorgten dafür, dass nach fünf Folgen Schluss war.
Worum es geht: Liebe, Scheidung, Wohnungsnot, Arbeitskämpfe, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, Kapitalismus, Kinderläden, Altern, (hier nur am Rande) Homosexualität – das alles verpackt in eine fünfteilige „Familienserie“. Schon dies stieß manchen Kritiker damals auf: „Familienserie“? (was nicht unbedingt ein Indiz dafür ist, dass die Debatte auf allerhöchstem Niveau geführt wurde.)
Was „Acht Stunden“ so einzigartig macht: Der Sound. Das sind Dialoge irgendwo zwischen Brecht, Dario Fo und Loriot. Nicht selten fühlt man sich an „Ein Herz und eine Seele“ (Ekel Alfred) erinnert – aber: Fassbinder war eher (1972)! Zwar nähert er das Genre Serie dem Alltag an, seine Sprache ist aber alles andere als naturalistisch. Sehr deutlich spürt man, wie er bemüht ist, linke Theorien über Produktionsmechanismen, Arbeit, Liebe etc. auf einfache Sätze herunter zu brechen. Das ist mal mehr, mal weniger gelungen. Aber in jedem Fall vergnüglich.
Was „Acht Stunden“ innerhalb des Fassbinder-Oeuvre so einzigartig macht: Er ist hier richtig optimistisch, macht Mut. Ich kenne nicht alles von Fassbinder: Aber so gut gelaunt wie hier habe ich ihn in keinem seiner anderen Werke wahrgenommen.
Was „Acht Stunden“ in der TV-Geschichte so einzigartig macht: Der Cast. Da ist natürlich wieder der „Fassbinder-Clan“ – aber dann: Luise Ulrich (die erst mit einem großen Blumenstrauß überzeugt werden musste; Fassbinder kannte alle ihre Filme und wusste um ihre Blumen-Vorlieben) und Werner Finck. UFA meets Gegenwart. Und UFA meets Zukunft: Denn, so möchte ich mal behaupten: Ohne „Acht Stunden“ gäbe weder Lindenstraße noch Weißensee. Unbedingt sehenswert!
Jede Wette: Das gibt ein Hollywood-Remake. Ein Fest für alle Krimi-Freunde.
Ich kann mich nicht entscheiden, wer mein Herz mehr gebrochen hat: Kate Winslet? Emma Thompson? Alan Rickman (ganz groß!)? Oder dann doch Hugh Grant mit seinem vergleichsweise kurzen, aber wendungsreichem Auftritt? Alle sind irgendwie verliebt – aber alle anders. Die eine kann über Gefühle sprechen, die andere nicht. Der eine ist ein gutaussehender Hallodri, aber extrem emphatisch. Der andere spröde, aber ein Ausbund an Anstand. - Die Heiratspolitik des 18./19. Jahrhunderts kommt uns komisch, altbacken vor. Auch deshalb habe ich den Film lange vor mich hergeschoben. Sag uns das noch was? Ich kann ich nur dringend raten, das nachzuholen - . „Frauenfilm“? Solange es diese blöde Kategorie gibt, sind wohl „Frauenfilme“ nötig. Vielleicht/sicher ist das, was Jane Austen beschrieb und Ang Lee großartig in Bilder fasste, heute ganz anders. Und trotzdem habe ich das Gefühl, diese hunderte Jahre alte Geschichte sei aktuell. Wen man liebt: Das sieht oftmals so ganz anders aus, als das, was man sich mal ausgedacht hat. Aber es ist real (in Klammern: Petry/Höcke hätten Jane Austen gehasst oder sie müssten sie hassen, wenn sie sie denn verstanden hätten)
Da die Tatort-Fans nicht notwendigerweise auch Fassbinder-Fans sind, wie in meinem Fall. Hier der Hinweis an die den Tatort-verschmähenden Fassbinder-Fans: Mattes! Schygulla! Carstensen! Hermann! Muss man mehr sagen?
Richard Linklater? Wirklich? Der mit den bezaubernden Sunrise-Sunset-Dialogen? Namensverwechslung? Der macht nun "Himbeereis am Stiel Teil 27"? Soll das biographisch sein? Eine Satire? Irgendwas mit "Meta"?
Jaja, die späte Pubertät ist die schlimmste. Und das war schon in den frühen achtzigern so. Aber brauch ich für diese Erkenntnis einen so dermaßen öden Film?
Die Punkte gibt es ausschließlich für den Soundtrack.
Mal vorgemerkt, denn:
http://pitchfork.com/news/68589-watch-chromatics-video-for-new-song-magazine-from-johnny-jewels-home-soundtrack/
Ich ahne: Das ist kontrovers. Freunde von Black Mirror werden es mögen.
Wow. AFD zur Primtime auf ARTE. Es verändert sich was in Deutschland. Etwas, was mir gar nicht gefällt. Und ich bin ein bisschen entgeistert, dass sich tolle Darsteller für so einen Schrott zur Verfügung stellen. Jaja, Presse ist scheiße, geht eh nur ums Ficken und Karriere. Ne sorry - das war unter aller Kanone....(und wahnsinnig langweilig). Jeder AFD-Twitter-Kommentar ist da tiefgründiger.. wenn man denn da von "Tiefe" sprechen will.
Die Meinungen gehen hier ja wieder mal ziemlich Durcheinander. Ich gehöre zu den positiv-Überraschten: Sehr düster, sehr böse , toller Tom Hardy, tolle Noomi Rapace, toller Vincent Cassel (und Tywin Lannister ist auch noch dabei!) . Ich habe mich kein bisschen gelangweilt. Krimi-technisch fand ich das so mittel (daher "nur" 7 Punkte): Da gibt es deutlich raffinierteres. Was mich beeindruckt hat: Wie hier auf unterschiedlchen Ebenen das Thema Zwang/Freiheit (Liebe, Politik, Verbrechen) durchdekliniert wird. Wie ideologische Verblendung sich letztlich selbst ad absurdum führt - Mörder schützt, weil "Mord gibt es ja nicht im Paradies" - , wie die für Ideologie notwendige Angst alles - wirklich alles - zersetzt ... das hat mir im Film schon gut gefallen (in der Realität natürlich nicht).
Ich bin Tatort-Fan (wußten einige schon vorher). Schon allein deshalb vorweg die Bemerkung: Ich halte es für eine Wahnsinnsleistung, weit über 40 Jahre medial zu existieren und die Gemüter zu bewegen. Manche finden das nicht so interessant. Ich schon. Ich guck mir- weil Fan - auch den alten Mist an - weil er etwas über uns erzählt. Und keine andere Serie erzählt über so einen langen Zeitraum etwas über uns wie der Tatort.
Diese Folge hier ist furchtbar. Wie wir es manchmal sind. Er ist peinlich, konfus, hanebüchen.Allein die bleischwere, überdimensionierte Halskette von der Rudnik: Die ist so Gaga, das man sekundenschnell in den Trash-Betrachter-Modus umswichted. Die Frau des Psychotherapeuten: Mehr verunglücktes Klischee ging nie. Und er selbst: Unerträglich von der ersten Minute an - Sound, Optik. Verhalten, alles. Und das bleibt auch so. Die Story und die darstellerischen Darbietungen sind, man muss das so hart sagen - "jenseitig" - das schließt die von mir ansonsten verehrte Hannelore Elsner ein. Murnau in Ehren - aber geht das wirklich noch? 80-90 Jahre später? Schließlich: Ganz schlimm, dieses 9 1/2 Wochen Nachgeäffe. Nahrungsmittelaufnahme als Pseudo-Koitus - wenn ich mich richtig erinnere war das Mitte der Neunziger schon out.
Trotzdem: All dies Scheitern, alle diese Grimasssen, sagen immer noch mehr aus über "uns", wer immer das auch ein mag, als manche Doku-Story. (Und: Auch in den alten Tatorten lassen sich Perlen finden, wenn man denn gewisse Scheukkappen ablegt.)
Empfehlung fürs Sommerloch: Alte Tatorte gucken - sind alle bei youtube. So schmerzhaft das zuweilen auch ist - das macht klüger. Man versteht viel über Moden, Avantgarde und common sense...
Hm. Hm. Hm. Ich weiß: Es gab sehr viel Applaus. Aber ich kann mir nicht helfen. Kann mir mal jemand erklären, was der Vater von seiner Tochter will? Was die Tochter von ihrem Vater will? Ich hatte mir so sehr gewünscht, nach den völlig euphorischen Cannes-Kritiken, mal wieder einenn "Abheber" zu sehen. Hat bei mir leider nicht funktioniert. Ich war gleichwohl - was die Erwartung angeht - offen: Den "Wald vor lauter Bäumen" fand ich toll - mit "Alle Anderen" konnte ich gar nix anfangen.
Die Länge des Films schreit nach "Quo Vadis" oder "Doctor Schiwago" - aber das hier ist eher eine Art Minimal-Monumental Film, der sich in zwei Sätzen erzählen lässt und das Redundante liebt. Es geschieht wenig, allerlei skuriles, gelegentlich erheiternd. Am Ende ist alles wie am Anfang. Wer eine Art Entwicklungsroman erwartet, mit Spanungsbögen, Reifungsprozessen und all dem Zeugs, der sollte erst gar nicht erst in den Film gehen. Am Ende siegt immer - und poientenlos - die Unternehmensberatung/ Karrieregeilheit.
Sandra Hüller und Peter Simonischek sind ohne jeden Zweifel toll. Simomischek hat bei mir das Manko, dass ich die Rolle nicht verstehe. Warum macht sich jemand so zum Kaper? Warum erkennt er nicht, dass seine Albereien zu nichts führen? Man mag mich humorlos schelten, aber ich hätte zu "Toni Erdmann" - wäre er denn in meinem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis (und in diesem Alter) - den Kontakt abbrechen müssen.
Vorweg: Bin in gewisser Weise Spielberg-Fan. In "gewisser Weise" "Fan" ist schon ein bisschen paradox, aber das ist so. Ich glaub: Der ist grundsympathisch - und hätte er in Deutschschalnd Wahlrecht - wir beiden würden auf Jahrzehnte hinaus die gleiche Partei wählen.
Aber das ist auch ein bisschen das Problem mit der "Bridge of Spies". Das ist alles sehr ehrenwert, aber leider auch alles sehr erwartbar. Tom Hanks als diplomatischer Wiedergänger von Atticus Finch bleibt dann doch im Vergleich zum Original blass. Die Wirren von Geheimdiplomatie, die es immer gibt und die Schlimmes und Gutes zu verantworten hat, fand ich wenig aufregend in Szene gesetzt. Was mich am meisten stört:: Das ist ganz bestimmt super gemacht, sehr routiniert. Aber Humanismus verträgt keine Routine.
„How to get away with Murder“ – da steckt die Amoralität schon im Titel. Die Serie spielt mit dem schwierig zu definierenden Verhältnis von Recht und Moral. Hat das eine überhaupt etwas mit dem anderen zu tun? Wird Recht ohne Moral nicht zu einer Show-Veranstaltung a la „am Ende siegt immer der mit den teuersten Anwälten“?
Ganz so ist es hier nicht. Aber wir sind Lichtjahre entfernt vom Idealismus der „12 Geschworenen“. Die (tolle) Viola Davis bzw. Annelise Keating ist alles andere als eine Sympathieträgerin. Die Anwältin mit Superhirn agiert phasenweise hoch unmoralisch. Die Frage ist – und das macht „How to get away“ interessant: Macht sie das, um auf Umwegen „Gerechtigkeit“ durchzusetzen – oder ist sie schlicht skrupellos?
Die erste Staffel lässt mich zwiegespalten zurück. Da ist flott und süffig erzählt, wendungsreich und unterhaltsam. Aber ein paar derbe Macken muss man dann schon verbuchen: Dieser Jura-Kindergarten um Viola Davis herum ist wirklich nur schwer auszuhalten. Blasse hysterische Bübchen und Mädchen, die man definitiv nur sehr ungern in seinem Bekannten- geschweige denn im Freundeskreis hätte. Betrüblich auch, dass den Autoren nur zwei Weisen der Informationsbeschaffung eingefallen sind, nämlich das Hacken (hat man nun inzwischen auch ein bisschen zu oft gesehen) und der Beischlaf. (Ohnehin gilt auch hier wieder: Der Beischlaf erhält – wie inzwischen in Serien üblich – überreichlich Aufmerksamkeit. Aber das nur am Rande.)
Noah und Alison haben eine Affäre. Beide sind verheiratet und ihre jeweiligen Ehepartner sind nicht die schlechtesten, wenn man das so sagen darf. Eine Affäre, die zunächst in 10 Folgen erzählt wird (und mehr, es folgen ja noch Staffel 2 und 3), ist, wenn man nicht selber Teil dieses komplizierten Beziehungsgeflechts ist, für den Außenstehenden nicht selten nervig. Dieses ständige Hin- und Her, das ewige Herz- und Vernunft-Befragen: Als Außenstehender neigt man dazu, gelegentlich rufen zu wollen: „Nun mal Schluss mit dem Rumgeier!“ (Keine Angst: Es geht nicht nur um diese Affäre, es gibt auch noch diverse andere Dramen und Drämchen am Rande.)
Was „The Affair“ interessant macht, ist die Erzählweise: In jeder Episode wird das Geschehen mal aus seiner, dann aus ihrer Perspektive erzählt. Schön, wie „das gleiche“ unterschiedlich akzentuiert wird, die Widersprüche, die sich ergeben, wer sich wie daran erinnert, wann wer zum Fortsetzen oder zum Abbruch der Affäre gedrängt hat. Umklammert wird das Ganze von einem Krimi: Jemand ist zu Tode gekommen. Noah und Alison sind in diese Geschichte irgendwie involviert. In Rückblenden erzählen sie dem ermittelnden Polizisten von ihrer Affäre. Nicht unspannend.
So richtig gepackt hat mich „The Affair“ allerdings nicht. Es gibt einige Episoden, wo die Handlung so gar nicht vorankommen will, andere sind dann wieder toll. Und, auf die Gefahr hin prüde zu wirken: Es wird wahnsinnig viel gepoppt. GOT ist im Vergleich dazu ein Enthaltsamkeitsmärchen. Nicht dass ich etwas gegen Poppen hätte, aber hier beginnt es tatsächlich ein wenig zu nerven. Es wirkt nicht selten so, als ob der Sex fehlende Handlung ersetzen muss, um auf die 50 Minuten zu kommen. Damit wird er aber öde bzw. ästhetisierter Porno für Bezahlfernseher.
Vom Segen der Ironie
Gerichte werden zur Zeit – m.E. ganz unnötig – belastet durch höchst überflüssige Prozesse, in denen es zu klären gilt, wie was im Rahmen einer Satire gemeint war, unter welchen Umständen es erlaubt sein könnte und unter welchen nicht. Ich finde die Diskussion toll, weil nun wirklich fast jeder irgendetwas dazu zum besten gibt. Ich finde sie schrecklich, weil nun ein Gericht sagen wird, wann ich lachen darf und wann nicht. Das ist Käse.
Ja, klar, es geht um B. – aber was hier diskutiert wird, hat auch Folgen für alle anderen Medien, für den Film, für die Musik, das Theater – deshalb poste ich das hier. Alle die meinen: “Da will nur ein Komiker Aufmerksamkeit!” – ja, gewiss, das will er. Aber das ist eigentlich uninteressant. Mir ist kein Künstler bekannt, der das nicht will. Und: Das kriegt jeder hin, der mal bei “Schwiegertochter gesucht” dabei war. Interessant ist: Schafft der Satiriker es, diese Aufmerksamkeit dauerhaft politisch herzustellen? Spricht er nur zu irgendeiner Klientel? Schafft er es, Diskurse anzustoßen? B. hat das m.E: geschafft. Wir diskutieren über den Türkei-Deal-,den viele, wie auch ich, zunächst unter dem Motto “so ist halt Realpolitik” abgebucht hatten, dann aber doch anders sahen.
Mir ist kein Promi – von A bis Z Promis - bekannt, der es nicht nicht für nötig befunden hätte, sich zu der “Staatsaffäre” zu äußern. Halt: Bohlen fehlt, glaub ich. Und Nadell. Aber die Thomalla war dabei. Aber mir kann etwas entgangen sein.
Ironie im Netz (und Fernsehen) ist ein sehr gefährliches Geschäft. Ja, es gibt emoticons. Die das ein oder andere Augenzwinkern deutlich machen. Aber Ironie wird anscheinend nur verstanden von denen, die auf einen Sound eingeschworen sind. Wenn der STERN jetzt poltert: “Jetzt vergleicht sich B. schon mit Ai Weiwei” dann heißt das: Ironie nicht verstanden. Auch zunächst wohlmeinende Magazine schwenken um auf FAZ-Kurs: “Alles furchtbar”, “Untergang des Abendlandes”. “Schlimm, dieser Pups-Humor”.
Mir ist diese B.-Ironie oder dieser Pups-Humor sehr wichtig. Es gibt nicht soviel zu lachen in dieser Welt. Hier aber, bei B.,muss ich lachen. (Nuhr, Barth, etc. – da verziehen sich meine Mundwinkel kein bisschen – aber ich gönne jedem diese Mundwinkel-Bewegung – wir müssen nicht alle über das gleiche lachen ).
Der Philosoph Sören Kierkegaard hat die Kunst der “indirekten Mitteilung” propagiert. Er war der Meinung: Erst die verhüllte, in Ironie oder andersartige Kunst verkleidete Mitteilung lässt dem Aufnehmenden die Chance, selber zu erkennen: Was könnte jetzt das richtige sein? Die direkte Mitteilung wäre nichts anderes als Indoktrination, dem eigenen Erleben fremd. Ich glaube: Das ist richtig. Denken = aneignen oder verwerfen = prüfen lohnt.
Die Verhältnisse sind wenig schön: Ja, Ironie ist eine Flucht, die Häßlichkeit der Welt auszuhalten. Diese Ironie kann zur Kälte, Empathielosigkeit werden. Das ist sie bei B. definitiv nicht. Und deshalb ist B. für mich einer der Strohhalme, an die ich mich klammere. Aber wir brauchen diese dürren Stengel : Anders ist der Schwachsinn – auch wenn jeder wo anders lacht - nicht auszuhalten.
Furchtbar. Erstarrt in Formeln. Einzig die Broich und der Lindenberg-Song zum Schluss rechtfertigen Punkte. Gut : Ausstattung ist auch ganz fein. Aber Hesse so auf Pilcher-Niveau runterzuzoomen.. NEEEEEEEE!
Woran erkennt man einen guten-tollen Film? Eine Methode: Man hat ganz viel Schrott im Kopf, der einen beschäftigt und um den Schlaf bringt. Man ist eigentlich gar nicht in der "Verfassung" für den Film. Und dann kommt dieser Film - noch dazu mit dem Aufkleber "Frauenfilm" (die schlimmste Erfindung, seit es Hustinetten gibt) - und er schafft es, vollkommen von diesen Schlaflos-Problemen abzulenken und dabei sehr klug und aufregend zu sein. Unglaublich wie facettenreich hier Männer- und Frauenrollen gegenübergestellt werden. Ein Riesen-Kompliment an Mia Wasikowska (Fasssbender und Dench können bei mir eh NIE was falsch machen). Die Wasikowska fand ich auch schon früher großartig - aber jetzt muss ich sie doch mal mit Fan-Sternchen anklicken....
Masterpiece heißt der Song. Und den mag ich. Sehr sogar. Leider kein Masterpiece ist W.E. Das ist sehr hübsch photographiert (ich wähle bewusst diesen Begriff). Ich mag es auch, wenn ein Regisseur sich mit seinem Stoff identifiziert - und dass ist hier offensichtlich der Fall. Aber die anspruchvolle Zeitverschachtelung (eine Frau entdeckt in der Vergangenheit ein romantisches Beziehungsmodell, dass irgendwie inspirierend und aufwühlend zugleich für sie ist) funktioniert leider gar nicht. Die Gegenwarts-Geschichte ist ziemlich lieblos erzählt. Die Wallis Simspon-Story hat ihre Momente. Aber möglichweise wäre Madonna besser bedient gewesen, die aufgesetzte Verschachtelung von Vergangenheit und Gegenwart einfach sein zu lassen und sich ganz auf die History zu beschränken. - Interessant ist der Film für Madonna-Fans, die hier einige Hinweise erhalten, wie Madame sich selbst versteht. Auch den Freunden hübscher Bilder sei W.E. warmherzigst empfohlen. Man braucht aber schon sehr viel Fan-Blut, um hier wirklich zu glühen.
Frage an die Juristen unter uns: Wenn Böhmermann nun behaupten würde, "E.s. Gelöt stinkt schlimm nach Döner" sei gar keine Schmähkritik, sondern in Wirklichkeit eine Tatsachenbehauptung - hätte Böhmermann dann nicht ein Recht darauf, dass das überprüft wird? Wer müsste dies denn ggf. überprüfen? Die Polizei?
Ich freue mich - trotz des schwachen Merkel-Statements - auf eine jahrelange Diskussion vor Gerichten (geht ja wohl durch alle Instanzen), wann der Ziegenficker (etc.) nun eine Beleidigung ist und wann er als ein Kompliment verstanden werden muss, wann er eine Tatsachenbehauptung ist und wann Satire oder Schmähkritik.
Die Staatsaffäre Böhmermann hat viel Negatives, aber auch Positives zu Tage gefördert. Zum Negativen gehört zweifelsohne, dass nun wohlmöglich ein Gericht darüber entscheiden wird, worüber ich lachen darf und worüber nicht. Ich kenne sehr viele Juristen und muss leider sagen: Ihre Humor-Expertise ist so dolle nicht. Eigentlich wäre es mir lieber, ich dürfte ohne Gerichte lachen. Wahrscheinlich werden dann wieder hochintelligente Gutachten in Auftrag gegeben, die nachweisen, dass das Satire war (nein! – och? – doch!) und daher alles in Ordnung. Aber das ist dann wie der erklärte Witz: sehr unlustig und sehr langweilig.
Aber ich will mich nicht solange mit dem Negativen aufhalten. Das Positive: Erstmalig erfährt ein Großteil der Bevölkerung, was da so alles im STGB steht. Es gibt einen Paragraphen, der regelt, dass die Beleidigung von ausländischen Potentaten besonders schlimm ist. Wie bitte? Liebe Russen, liebe Nordkoreaner, liebe Katholen: Das ist Eure Chance! Flutet die deutschen Gerichte mit Anzeigen. Warum braucht es „Russia Today“, wenn man Anarchie in Deutschland auch auf legalem Wege herbeiführen kann. 37 Jahrgänge Titanic, ungezählte extra3 und Heute-Shows, die taz etc. sollten genug Stoff hergeben, um die deutsche Justiz für die nächsten 20 Jahre lahm zu legen.
Ein Wort noch zum Thema Beleidigung, zu dem ich eine sehr spezielle Meinung habe. Ich finde, das Thema gehört ganz raus aus dem STGB. Seit dem HipHop ist Beleidigung so inflationär geworden, dass sie überhaupt nicht mehr weh tut. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen: Hätte mich früher jemand „Schwuchtel“ genannt, hätte mich das furchtbar empört. Dann kam HipHop und praktisch jede zweite Silbe ist eine Beleidigung. Positiver Nebeneffekt: Es tut nicht mehr weh. Ich denke: Lass den sabbeln, wenn‘s ihm hilft.
Letzter Satz: Ich bin ein sehr gemütlicher Mensch. Stets um Ausgleich und Toleranz bemüht. Aber eins schon mal angedroht: Wenn man mir meinen Böhmermann wegnimmt, kann ich SEHR- ich betone Schweiger-artig - SEHR!!!!!!!!! - ungemütlich werden!
Quasi stündlich gibt es nun neue Böhmi-News. Und auch mich erfüllen die ein bisschen mit Sorge. Auch wenn man weiß, dass Rechtsgutachten sehr leicht bestellt sind, und mal so, dann wieder so ausfallen. Auch wenn man weiß, dass Ermittlungen oft sehr schnell wieder eingestellt sind.
Mich irritiert , dass selbst Leute, die es besser wissen könnten (ich nenne nur die Süddeutsche), mit der Praxis der Ent-Kontextualisierung operieren, probates Mittel all jener, die noch nie verstehen wollten. Das ist der Kontext: Böhmermann spricht zur Youtube/Facebook Generation, die offensichtlich oft nicht mehr weiß, was man sagen darf ("Satire") und was man nicht sagen darf ("Schmährede"). Diese bekommt von ihm quasi ein "Tutorial", wie es heute so schön heißt. Dazu erläutert er mit Bezug auf Extra 3 etc., was es mit (erlaubter) Satire auf sich hat - und stellt dem eine (verbotene) Schmährede gegenüber - mit mehrfachem Hinweis, dass diese In D verboten ist. Natürlich ist die Schmährede unsäglich. Sie muss aber auch unsäglich sein - eben damit sie nicht als "Satire" durchgehen kann. Böhmermann will ja gerade den Unterschied verdeutlichen. Für sich genommen ist genommen ist sie natürlich rassistisch (und jeder der Böhmermann kennt, weiß, ,dass er ein Anti-Rassist ist.). Als Teil des "Tutorials" ist sie Teil einer Satire-Sendung, die ironisch Grenzen auslotet. Ich verstehe ehrlich gestanden nicht, wie man das missverstehen kann.
Der Gutachter aus dem Auswärtigen Amt dürfte mit seinem Humor vermutlich besser bei "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" aufgehoben sein.
Sebastien ist ein Immobilienmakler in den Vierzigern, gelangweilt, angeekelt von sich und der Welt. Ein funktionierendes Etwas, das mehr oder weniger beziehungslos Tage aneinanderreiht. Sebastien verfügt jedoch über eine besondere Gabe - man könnte auch sagen: Zwangsstörung: Er vermag es, temporär in die Existenz einer anderen Person zu schlüpfen und in ihren Alltag einzudringen. Gabe ist dies, weil er perfekt Stimmen, Gestik und Mimik imitieren kann. Sein maskenbildnerisches Geschick ist schier grenzenlos. Von einer Zwangsstörung muss man wohl sprechen, weil es für ihn eine Art Sucht ist (mit schlechtem Gewissen und aggressiven Impulsen hinterher inklusive): Erst im Erleben der anderen Person scheint er etwas zu spüren, was ihn die eigene Existenz nicht fühlen lässt. Oft, nicht immer, geht dies gut und die Täuschung bleibt unbemerkt. Doch eines Tages wählt sich Sebastien ein Alter Ego, das die Dinge sehr kompliziert werden lässt ...
"Un illustre inconnu" ist ein Film für die letzten Existentialisten unter uns. (Der hat im deutschen übrigens einen Titel, der so banal ist, dass man ihn sich unmöglich merken kann). Zelig- und Ripley-Fans dürften hier auf ihre Kosten kommen, auch wenn der Film deutlich stiller angelegt ist. Ein klein bisschen amüsant ist er auch: Sebastien gerät in die Situation, eine Aussöhnung von Vater und Sohn imitieren zu müssen. Dafür hat er jedoch keine Vorbilder und einen eigenen Text zu improvisieren vermag er nicht. Er droht also zu scheitern. Doch da kommt er auf die Idee, in der Videothek nach Filmen zu fragen, in denen eine solche Aussöhnung vorkommt. Er findet seine Szene - in Superman!. Und der Blockbuster rettet die fremdangeeignete Existenz.
Mady Riehl würde sagen: "Für die 97 mal wiederholte Bikini-Szene müssen wir leider 6 Punkte abziehen."
Nein, eine gute Doku ist das nicht. Ein Kunterbunt an Themen, die ziemlich konzeptlos aneinandergereiht werden. Trotzdem: Die gut 90 Minuten sind sehr unterhaltsam und ich hätte noch weitere 90 Minuten gern zugesehen. Ja, klar der Oscar ist scheiße und ungerecht. Aber in seinen besten Momenten kann der auch was. Ein Roter Teppich ist eben nicht nur ein Exhibitionisten-Portal, sondern kann auch zur Bewusstseinschärfung genutzt werden. In dieser auf Oberflächkeit und Bla Bla trainierten Welt bricht da immer mal wieder was anderes hervor - in einer sehr weit durchregulierten Welt ist das nicht wenig. Das hat mir gefallen. Manchmal ist das "Danke" eben doch mehr als ein höflicher Knicks.
Oscar Isaac als Scarface/Pacino-Wiedergänger. Aber ehe hier falsche Erwartungen entstehen: Das sind zwar die frühen 80ziger. Es geht zwar um organisierte Kriminalität, um die Grenzbereiche von Legalität und Unterwelt. Aber ansonsten hat das mit Scarface nichts zu tun. Fast könnte man sagen: "A most violent year" ist eine Art Komplementärfilm (gibt es sowas?) zu Scarface. Dort, wo der eine kreischig bunt, poppig und laut ist, ist dieser hier still (SEHR still) und matt in der Farbgebung. Es geht um Heizöl-Klau. Heizöl? Organisierte Kriminalität hatte auch schon mal mehr Glamour. Auch in der Unterwelt kann es zuweilen recht spießig zugehen.
Ich befürchte: Sehr viel hängen bleiben wird von dem Film in meinem nicht mehr ganz jugendlichem Gedächtnis nicht (Isaac und sein Mantel am ehesten). Als Gegenentwurf zum klassischen Gangster-Thriller interessant, mir dann aber insgesamt doch zu akademisch.