Im Kinojahr 2011 gab es natürlich nicht nur Blockbuster und Fortführungen großer Franchises, sondern wie jedes Jahr auch die traditionellen Filmfestivals, bei denen eine ganz andere Sorte Film zur Aufführung kam. Da diese im Rummel zwischen Comicverfilmungen, RomComs und Teenager-Kitsch gerne in Vergessenheit geraten, soll dieser kleine Rückblick an die Perlen der Filmfestspiele erinnern.
Ein Film über das Sterben und die Wut der Kirche in Sundance
Im Januar fand das Sundance Film Festival statt und verlieh dem Liebesfilm Like Crazy von Drake Doremus den großen Preis der Jury. Ebenfalls ausgezeichnet wurde der Dokumentarfilm How to Die in Oregon von Peter Richardson, in dem es um die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in den USA geht. Die große Entdeckung des Festivals war jedoch der Film Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte. Sowohl die Schauspielerin Olivia Colman, als auch Schauspieler Peter Mullan bekamen Preise für ihre Darstellung eines ungleichen Paares, das sich trotz eigener Baustellen gegenseitig Kraft zu spenden sucht. Und auch Regisseur Paddy Considine bekam mit dem World Cinema Directing Award einen Preis verliehen. Abseits der Leinwand sorgte Kevin Smith mit seinem Film Red State für Aufsehen, denn eine Gruppierung fundamentalistischer Christen fühlte sich durch den religiös angehauchten Horrorfilm ins falsche Licht gerückt.
Scheidungskrisen im Iran und eine Ehrung für Sean Penn in Berlin
Die Preisvergabe bei der Berlinale im Februar war insofern nicht besonders abwechslungsreich, als dass der iranische Wettbewerbsbeitrag Nader und Simin – Eine Trennung sowohl den Goldenen Bären für den besten Film als auch zwei Silberne Bären für das weibliche und männliche Schauspielerensemble verliehen bekam. In dem Familiendrama von Asghar Farhadi geht es nicht nur um die Schwierigkeiten einer Scheidung im muslimisch geprägten Iran, sondern auch um problematische Familiendynamiken zwischen den Generationen, die in jeder Kultur zu finden sind. Der Große Preis der Jury ging dieses Jahr an Das Turiner Pferd von Béla Tarr, in dem für ein paar Bauern die Endzeit heraufbeschworen wird. Während Ulrich Köhler mit seinem Film Schlafkrankheit den Silbernen Bären für die beste Regie erhielt, wurde auch Sean Penn während des Festivals geehrt. Für seine Hilfsarbeit in Haiti bekam er den Cinema for Peace Award überreicht.
Bäume des Lebens, der Weltuntergang und ein medienwirksamer Abgang in Cannes
Auch in Cannes ging es im Mai hoch her. Terrence Malick präsentierte seinen Film The Tree of Life mit Brad Pitt und Sean Penn und bekam dafür die Goldene Palme verliehen. Wenig später begeisterte dieser ungewöhnliche Film auch hier in Deutschland die Kritiker und Kinozuschauer. Ein anderer prämierter Film, der später auch seinen Weg ins deutsche Kino fand, war Melancholia. Hauptdarstellerin Kirsten Dunst wurde für ihre Performance als beste Schauspielerin geehrt. Regisseur Lars von Trier jedoch sorgte auf ganze andere Weise für Aufsehen. Auf Grund antisemitischer Äußerungen wurde dieser nämlich vom Festival ausgeschlossen, sein Film Melancholia durfte jedoch bleiben. Weitere prämierte Filme waren Drive (Beste Regie Nicolas Winding Refn), The Artist (bester Schauspieler Jean Dujardin) und der deutsche Beitrag Halt auf freier Strecke von Andreas Dresen, der den Sonderpreis Un Certain Regard erhielt.
Blockbuster und schweizer Argentinier in Locarno
Das Filmfestival in Locarno ist im Vergleich zu seinen Geschwistern relativ klein, dennoch konnte es diesen August mit Cowboys & Aliens von Jon Favreau mit einem echten Blockbuster aufwarten, der in der schweizer Stadt seine Europapremiere feierte. Der Hauptpreis ging dann aber an einen Independentfilm, nämlich an Back to Stay von Milagros Mumenthaler, die zwar in Argentinien lebt und arbeitet, jedoch in der Schweiz geboren wurde. Bei diesem Familienfilm um drei Schwestern, die mit dem Tod der Großmutter zurecht kommen müssen, handelt es sich um das Erstlingswerk der Regisseurin. Maria Canale, Darstellerin in eben diesem Gewinnerfilm, bekam darüber hinaus die Auszeichung als beste Darstellerin. Ein weiterer Gewinner war Policeman, ein Beitrag des israelischen Regisseurs Nadav Lapid, der für diesen Film über einen jungen Soldaten einer Anti-Terror-Einheit den Großen Preis der Jury bekam.
Ein Preis für die Sexsucht und Goethe im Kino in Venedig
Der Hauptreis des Festivals in der Lagunenstadt wurde an den Film Faust und den russischen Regisseur Alexander Sukorov verliehen, der das klassische deutsche Drama auf vollkommen neue Weise inszenierte. Den Volpi Cup für seine schauspielerische Leistung erhielt Michael Fassbender für seine Darstellung eines Sexsüchtigen in Shame. Die weibliche Entsprechung war in diesem Jahr die Chinesin Deanie Ip, die für ihren Part in Tao Jie – Ein einfaches Leben von Ann Hui ausgezeichnet wurde. Außerdem gingen Preise an Shangjun Cai (Beste Regie für Ren shan ren haii) und Emanuele Crialese (Spezialpreis der Jury für Terraferma – Feindesland).
Großes Staraufgebot und unbekannte Gewinner in Toronto
Dieses Jahr tummelten sich beim Film Festival in Toronto die ganze großen US-amerikanischen Stars. Brad Pitt und George Clooney waren ebenso anwesend wie Madonna, die ihren Film W.E. präsentierte. Auch europäische Regielegenden wie Pedro Almodóvar mit seinem Film Die Haut, in der ich wohne und der diesmal etwas zurückhaltendere Lars von Trier waren zugegen. Die großen Kritikerpreise (FIPRESCI Prize) gingen jedoch an weniger bekannte Filmemacher. Axel Petersén wurde für seinen Film Avalon ausgezeichnet, da dieses Werk in den Augen der Jury dem schwedischen Kino eine neue Stimme verlieh. Auch Gianni Amelio und sein Film The First Man würden prämiert: „Gianni Amelios Umsetzung eines unvollendeten Romans von Albert Camus untersucht das Erbe des Kolonialismus durch die zärtliche Erinnerung und den unerschrockenen Blick eines Kriegsreporters“, begründete die Jury ihre Entscheidung.