Staffel 1 von Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht begann im lichtdurchfluteten Heimatland der Elben, Valinor. Staffel 2 startet, gespiegelt dazu, in absoluter Dunkelheit: unter der Erde, wo Sauron sich vor einer versammelten Ork-Armee zum neuen finsteren Herrscher über Mittelerde krönen lassen will. Schon die erste Szene gibt bei Amazon die Marschrichtung der neuen Staffel vor, die uns auf verlockende Weise auf die Seite des Bösen mitnimmt. Denn wenn Staffel 1 Galadriel gehörte, gibt uns Staffel 2 in die Obhut von Sauron. In diesem umgekrempelten Fantasy-Wiedersehen liegt die größte Stärke der neuen Folgen.
Die Ringe der Macht traut sich in Staffel 2 in die Abgründe des Bösen
Vor vielen Monaten kündigte die Herr der Ringe-Serie bereits an, dass Staffel 2 düsterer und härter daherkommen würde. Dieses Versprechen halten die ersten drei Folgen mit blutigen Kämpfen, schwarzen Blutlachen erdolchter Herrscher, zersetzten Ratten, von Spinnen zermatschten Ork-Köpfen, Hauptfiguren-Verlusten und jeder Menge ekligen Monstern. Der eigentliche Reiz der neuen Dunkelheit liegt allerdings darin, dass sie sich auch in die Figuren einschleicht.
Galadriels (Morfydd Clark) und Elronds (Robert Aramayo) Auftakt-Streit, ob eine Verwendung der mächtigen neuen Elbenringe wirklich eine gute Idee sei, werden wohl alle nachvollziehen können, die Peter Jacksons Herr der Ringe-Trilogie über Saurons verführerischen Einen Ring gesehen haben. Einen Keil in ihre Freundschaft zu treiben, macht ihre Serienbeziehung ungleich interessanter, obwohl sie auf derselben Seite stehen. Gleiches gilt für die Ambivalenz von Isildurs neuer Freundin Estrid oder Ork-Papa Adar, der zwar Sauron hasst, dadurch aber nicht automatisch auf der Seite des Guten steht. Die Figuren werden mit ihren Grauzonen konfrontiert, während wir selbst in Staffel 2 zu Mitwissern des Bösen reifen.
Denn nachdem Halbrands Identität nun offenliegt, steigt Sauron (Charlie Vickers) endgültig zur Hauptfigur auf, die sich die Serie genau wie Mittelerde erobert, zum titelgebenden "Herrn der Ringe". Und während einige Figuren noch im Dunkeln tappen, sind wir diesmal eingeweiht und wohnen Saurons diabolischen Manipulationen genüsslich bei. Als Mitverschwörer:innen sehen wir, wie der von der Leine gelassene Bösewicht Ringschmied Celebrimbor (Charles Edwards) "wie eine Harfe" spielt, indem er die Schwächen des Elben (also seinen Wunsch nach Anerkennung) findet und gnadenlos ausnutzt.
In diesen Szenen in Folge 2 verengt der Bombast von Amazons teuerster Serie aller Zeiten sich auf ein bitterböses Kammerspiel der Charaktere, in der das Unheil sich in Gesichtszuckungen statt dem bevorstehenen Schlachtgetümmel Bahn bricht. Das neue Hauptfiguren-Duo verspricht hier für zukünftige Episoden ein Schauspielduell, das die blonde Verwandlung zu Saurons neuer Identität Annatar gar nicht nötig hätte.
Trotzdem fehlen die auflockernden Momente in Die Ringe der Macht zum Glück nicht ganz. Wer bei den liebevollen Streits über Sturheit und Pilzpreise zwischen Zwergenprinz Durin (Owain Arthur) und seiner Ehefrau Disa (Sophia Nomvete) nicht dahinschmilzt, muss ein Ork sein. Außerdem sorgt die Freundschaft zwischen dem (noch) namenlosen Zauberer (Daniel Weyman) und Harfuß-Dame Nori (Markella Kavenagh) für etwas Leichtigkeit, wenn die zwei sich von Käfern ernähren (Hakuna Matata!) und der magische Fremde mit seiner vollen Sprachfähigkeit auch seinen Humor entdecken darf.
Schluss mit Rätselraten: Staffel 2 der Herr der Ringe-Serie zeigt sich zielstrebiger
Mit Galadriels Suche nach einer vagen Bedrohung entfaltete die 1. Staffel Die Ringe der Macht viele Rätsel und Überraschungen. Ein roter Faden war nicht immer leicht zu erkennen, wenn die großen Ereignisse, wie die Entstehung Mordors, uns eher unvermutet trafen. Wirkliche Figurenziele waren beim Kennenlernen der Elben, Zwerge, Menschen, Harfüße und abgestürzten Zauberer selten ersichtlich. Doch das erste Date (aka Staffel 1) hat die Herr der Ringe-Serie vor zwei Jahren hinter sich gebracht und so legen die Charaktere in Staffel 2 jetzt eine neue Zielstrebigkeit an den Tag:
Der Fremde will seine Kräfte mit einem Zauberstab im Osten kontrollieren lernen, Galadriel will die Welt mit den Elben-Ringen vor Sauron retten und die Zwerge wollen ihren verdunkelten Berg retten. Adar möchte nach seinem ersten Fehlversuch Sauron noch mal richtig töten, Celebrimbor sehnt sich danach, Ruhm als Ringschmied zu erlangen, und Sauron will ebendiese Herstellung der Ringe der Macht für Zwerge und Menschen zu seinen Gunsten ankurbeln.
Sogar die Mystikerinnen, die in Staffel 1 den Fremden verfolgten, bekommen jetzt einen dunklen Zauberer im Osten zum Meister. Langsam fügen die Puzzleteile sich zu einem Gesamtbild zusammen, selbst wenn wir für die Langsamkeit der Erzählung etwas Geduld mitbringen müssen.
Die Ringe der Macht ist in Staffel 2 nicht perfekt, aber trotzdem eine Rückkehr wert
Wie in Staffel 1 hat die Herr der Ringe-Serie in Staffel 2 durch ihre vielen Figuren und Erzählstränge ein eher gemächliches Erzähltempo und überwindet alte Schwächen durch die Perspektivverschiebung der neuen Episoden nicht einfach so.
So erscheinen manche Lösungen für komplizierte Probleme immer noch etwas zu einfach, wenn beispielsweise drei Ringe irgendwie Lindons Elben-Baum heilen können und Celebrimbor nichts von Sauron weiß, weil ein Brief im Wald verloren gegangen ist. Kleinere Logiklücken gibt es weiterhin (warum wechselt Sauron im Rückblick kurz vor seinem Ziel die Richtung für eine Floßfahrt?). Und Gastauftritte, wie der von Riesenspinne Kankra und ein Adler-Besuch auf Númenor, wirken in den ersten drei Folgen wie überflüssiger Fan-Service, ohne wirklich etwas zur Story beizutragen.
Kurzum: Wer Staffel 1 nicht mochte, wird sich als Zweifler:in nicht von Staffel 2 überzeugen lassen. Doch wer sich von spannenden Neuzugängen wie Schiffsbauer Círdan und der anhaltenden Liebenswürdigkeit der Herr der Ringe-Figuren an die Hand nehmen lässt, wird in der verführerischen Dunkelheit der neuen Folgen viele Lichtblicke finden, die die Fantasy-Rückkehr zu einer Freude machen.
Dieser Serien-Check zu Staffel 2 entstand auf der Grundlage der ersten drei (von acht) Folgen der neuen Staffel von Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht.
Die Ringe der Macht im Podcast: Lohnt sich Staffel 2 der Herr der Ringe-Serie?
Nach zwei Jahren Pause meldet sich Amazons große Fantasy-Serie Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht zurück. Wir diskutieren, was Staffel 2 anders macht und ob die ersten drei Folgen überzeugen können.
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Nach der Offenbarung von Bösewicht Sauron werden die Karten in Mittelerde neu gemischt. Das Ergebnis der 2. Staffel betrachten Esther und Mario mit sehr unterschiedlichem Blick. Auf einen spoilerfreien ersten Podcast-Teil folgt eine Serien-Besprechung mit tiefergehender Herr der Ringe-Analyse.