Am 30. Oktober 2014 läuft das neue Sozialdrama Zwei Tage, eine Nacht der Regisseure Luc und Jean-Pierre Dardenne sehr wahrscheinlich still und leise in den deutschen Kinos an. Erstmals haben die Arthouse-Lieblinge darin mit einem richtigen Weltstar zusammengearbeitet, der französischen Schauspielerin Marion Cotillard. Sie spielt die Hauptrolle und untermauert mit ihrem Engagement erneut, dass sie eine der wenigen Größen im Filmgeschäft ist, die den Spagat zwischen Arthouse-Bühne und Blockbuster-Millionenpublikum scheinbar mühelos vollzieht.
Man stelle sich vor, der große Tom Hanks tritt zum Beispiel in einem kleinen Independent-Film der Regisseurin Kelly Reichardt (Wendy & Lucy, Meek's Cutoff, Night Moves) auf und zwar ohne einen weiteren Star an seiner Seite. So in etwa könnten wir die Zusammenarbeit der belgischen Regie-Brüder und der französischen Schauspiel-Ikone auf europäischer Ebene vergleichen. Cotillard, die bereits mit Mega-Blockbustern wie Inception und The Dark Knight Rises riesige Erfolge feierte, zeigt sich seit einiger Zeit schon regelmäßig in Produktionen von angesehenen Autorenfilmern und Festivalstammgästen wie James Gray (The Immigrant), Jacques Audiard (Der Geschmack von Rost und Knochen) oder eben den Dardenne-Brüdern.
Seit Marion Cotillard 2007 für ihre Rolle als Edith Piaf in La Vie en rose den Oscar für die Beste weibliche Hauptrolle erhielt, hat sie international zwar keine größeren Darsteller-Preise mehr gewonnen, aber ihr Renommee durch ihre Rollenauswahl fortwährend ausgebaut. Es gibt nicht viele in ihrer Liga, die im Festivalzirkus ebenso zu Hause sind, wie in den Multiplex-Kinos dieser Welt und dabei von Blockbuster- und Arthouse-Publikum gleichermaßen verehrt werden. Wahrscheinlich könnten wir diesen Spagat als die eigentliche Meisterschaft im Berufsleben eines Filmschauspielers bezeichnen, weshalb es sich lohnt, zu schauen, welcher Star von heute sich ebenfalls, mal mehr und mal weniger erfolgreich, dieser Herausforderung zu stellen weiß.
Entweder-oder-Kandidaten
Neben einer ganzen Reihe von Schauspielern, die gelegentlich den Weg auf die Theaterbühne suchen, um sich ihren wohlverdienten Applaus zur Abwechslung mal direkt vom Publikum abzuholen, gibt es eine Vielzahl von sogenannten Entweder-Oder-Kandidaten. Bei dieser Spezies handelt es sich um Schauspieler, die zu Beginn ihrer Karriere vorwiegend in kleineren Produktionen aufgetreten sind, um schließlich doch groß im Blockbuster-Kino durchzustarten, oder andersherum: um Darsteller, die diese Zeit weit hinter sich gelassen haben und nun lieber Festival-Filme drehen. Stellvertretend für diese beiden Fraktionen haben wir Johnny Depp und Joaquin Phoenix herauspickt, deren Rollenauswahl deutlich werden lässt, wie selten sich die Sphären des Low- und Big-Budget-Films tatsächlich berühren.
Bei Johnny Depp fragen wir uns, ob seine ungeheure Beliebtheit auf seine Jack-Sparrow-Zeiten zurückzuführen ist oder nicht vielleicht doch damit zusammenhängt, dass er als wiederkehrender Sonderling in einigen der schönsten Filme der 1990er Jahre mitgespielt hat. Die Rede ist beispielsweise von Edward mit den Scherenhänden und Ed Wood sowie von Dead Man und Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa, mit dem niemand Geringeres als Leonardo DiCaprio seinen entgültigen Durchbruch schaffte. Seit Johnny Depp jedenfalls von Zeit zu Zeit im Piratengewand unterwegs ist, ist er mit Ausnahme von Rum Diary in keinem nennenswerten Arthouse-Film mehr zu sehen gewesen.
Joaquin Phoenix' Beteiligung an Filmen wie Gladiator, Signs - Zeichen und The Village - Das Dorf, die weltweit zusammengenommen über 1 Milliarde Dollar eingespielt haben, liegt hingegen schon über 10 Jahre zurück. Seither glänzt der Mime vorwiegend in Oscar-Anwärtern wie Walk the Line und Her, wobei seine regelmäßige Zusammenarbeit mit Filmemacher James Gray an dieser Stelle hervorzuheben ist. 2015 ist Phoenix nach The Master erneut in einem Film von Paul Thomas Anderson zu sehen, der Thomas-Pynchon-Adaption Inherent Vice.
Drei ausgewählte Spagatkünstler
Es ist schon viel über die "zweite" Karriere des Matthew McConaughey geschrieben worden. Nachdem er 2012 in dem Independent-Erfolgsfilm Mud - Kein Ausweg von Regisseur Jeff Nichols überzeugte und für seine Rolle in Dallas Buyers Club 2013 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, ist er dieses Jahr im neuen Science-Fiction-Blockbuster Interstellar von Christopher Nolan zu sehen. Seine jetzt schon legendären Auftritte als Finanzguru Mark Hanna in The Wolf of Wall Street und Detective Rust Cohle in der HBO-Serie True Detective haben mit dafür gesorgt, dass sich McConaughey gegenwärtig vor interessanten Rollenangeboten kaum retten kann.
James Franco bemüht sich aktuell wie kein Zweiter, als Künstler und Entertainer wahrgenommen zu werden. Franco schreibt, malt, stellt aus, führt Regie, ist in Indie-Perlen wie Palo Alto zu sehen und hat zudem nach seinen Spider-Man-Auftritten und seinen Oz- und Affenabenteuern ein Faible für Seth-Rogen-Produktionen entwickelt. Die spielen im Vergleich zu seinen eigenen Werken auch sehr viel Geld ein, weshalb James Franco unbestritten als ein waschechter Spagatkünstler zu gelten hat.
Jennifer Lawrence gehört mit ihren jungen 24 Jahren schon zu den größten Stars in Hollywood. Die Oscarpreisträgerin ist in zwei der aktuell teuersten und erfolgreichsten Franchises zu sehen (X-Men und Die Tribute von Panem). Ihren Durchbruch schaffte die junge Schauspielerin jedoch mit einer Independent-Produktion namens Winter's Bone, die gerade mal 2 Millionen Dollar kostete und für die sie ihre erste von drei Oscar-Nominierungen erhielt. Ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit Regisseur und Drehbuchautor David O. Russell wird 2015 mit dem Drama Joy fortgesetzt. Davor kündigt sich mit Serena und The Rules Of Inheritance bereits die zweite Verbindung dieser Art an. Beide Filme werden von der dänischen Regisseurin und Oscarpreisträgerin Susanne Bier inszeniert.
Was meint ihr: Welche Stars gehören auch zu den Spagatkünstlern unserer Zeit?