Lara Croft ist eine der populärsten Figuren der Videospielgeschichte. Insofern liegen gewaltige Erwartungen auf den Schultern der 27-jährigen Schwedin Alicia Vikander. Gestern wurde bekannt, dass die Oscarpreisträgerin im geplanten Tomb Raider-Reboot die Hauptrolle spielen wird. Mit der Besetzung der Darstellerin aus Ex Machina distanzieren sich die produzierenden Studios klar von den beiden Verfilmungen mit Angelina Jolie.
Wer ist Alicia Vikander?
Seit sie 2012 in Die Königin und der Leibarzt - A Royal Affair eine verhängnisvolle Affäre mit dem Leibarzt Mads Mikkelsen einging, raunte es in Hollywood: Den Namen Alicia Vikander muss man sich merken. Im Rückblick erscheint der Aufstieg der in Göteborg geborenen Schauspielerin seitdem kometenhaft. Schon als Kind spielte Vikander in Bühnenmusicals mit, wurde später als Balletttänzerin ausgebildet und war in mehreren Serien und Kinofilmen in ihrer skandinavischen Heimat zu sehen, unter anderem der Serie En decemberdröm von Tomas Alfredson (So finster die Nacht).
Doch ab 2012 überschlug sich ihre Karriere. In einer Nebenrolle in Anna Karenina mit Keira Knightley im selben Jahr präsentierte sie sich einem englischsprachigen Publikum. Es folgte ihr Auftritt als Anke Domscheit im Wikileaks-Thriller Inside Wikileaks - Die fünfte Gewalt mit Benedict Cumberbatch. Alicia Vikander wechselte zwischen Arthouse-Filmen (Testament of Youth) und Blockbustern (Seventh Son), bis sie 2015 als humanoider Roboter Ava in Ex Machina ihren endgültigen Durchbruch feierte. Wenig später stahl sie in Tom Hoopers Drama The Danish Girl ihrem Ko-Star und Film-Ehemann Eddie Redmayne die Show. Für die beiden Filme wurde sie bei den Golden Globes 2016 mit gleich zwei Nominierungen als Neben- und als Hauptdarstellerin belohnt. Einen Monat später wurde Vikander der Oscar als Beste Nebendarstellerin in The Danish Girl überreicht.
Wie wird sich Lara Croft verändern?
Interessanterweise wurde auch Angelina Jolie nach ihrem Oscar als Beste Nebendarstellerin in Durchgeknallt als Lara Croft besetzt. Einmal mehr setzen die Verantwortlichen also auf eine Schauspielerin, die bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad vorweisen kann, anders als etwa bei der Besetzung von Daisy Ridley in Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht. Angelina Jolie gewann ihren Oscar für eine extrem expressive, wenn nicht gar exaltierte Figur, die die Leinwand bei jedem Auftritt an sich reißt. Dieser dominante Figurentypus gehört zum Markenzeichen Jolies, die sich über die Jahre als eine der wenigen Action-Heldinnen mit Blockbuster-Zugkraft etablieren konnte. Ihre beiden Tomb Raider-Filme Tomb Raider (2001) und Tomb Raider 2 - Die Wiege des Lebens (2003) spielten weltweit um die 430 Millionen Dollar ein, bei den Kritikern fielen sie hingegen durch. Den cartoon-artigen Pin-up-Maßen des klassischen Lara Croft-Designs konnte Jolie Rechnung tragen, allerdings blieben ihre Talente in den beiden eher unfreiwillig komischen Abenteuern größtenteils ungenutzt.
Es mag verwundern, dass 13 Jahre seit dem letzten Tomb Raider-Film vergehen mussten, um eine Nachfolgerin zu finden. Immerhin gehört Lara Croft zu den Games-Figuren, die auch für Nichtspieler einen Wiedererkennungswert besitzen. Seit die Serie 2013 im Games-Bereich eine Neugestaltung erfuhr, drängten sich die Argumente für einen Film-Reboot jedoch auf. Square Enix' Tomb Raider bestach durch sein realistischeres Figurendesign und seinen komplexeren Umgang mit dem nun verletzlicheren Charakter Lara Croft. Vor diesem Hintergrund können wir auch das Casting von Alicia Vikander einordnen. In ihren Rollen zeigte Vikander zwar bisher selten die Aggressivität einer klassischen Action-Heldin der Marke Jolie. Sofern der Film-Reboot den Entwicklungen im 2013er Tomb Raider-Game und dessen Nachfolger Rise of the Tomb Raider (2015) folgt, ist dies vielleicht auch nicht nötig. Zumindest nicht am Anfang der Geschichte.
Was Tomb Raider mit Assassin's Creed zu tun hat
In gewisser Weise können wir den Tomb Raider-Reboot mit Ubisofts kommendem Assassin's Creed-Film vergleichen. Dieser wartet mit Michael Fassbender in der Hauptrolle auf. Mit dem X-Men-Star wird ein Blockbuster-erprobter Schauspieler in die historischen Heuhaufen springen, aber eben auch ein Charakterdarsteller, dessen gesammeltes Kritikerlob seine bisherigen Versuche im Actiongenre deutlich überschattet. Justin Kurzel führt bei Assassin's Creed Regie, der zuvor ein Serienmörderdrama (Die Morde von Snowtown) und eine Shakespeare-Verfilmung (Macbeth) stemmte. Für den Tomb Raider-Reboot wurde indes Roar Uthaug auserkoren. Der Norweger verdingte sich bisher in großen und kleinen Genrefilmen. Seine Erfahrung beim gelungenen Slasher Cold Prey - Eiskalter Tod könnte ihn in einem düsteren, brutaleren Tomb Raider-Film gelegen kommen, zudem hat er sowohl mit dem tollen Final Girl Jannicke (Ingrid Bolsø Berdal) als auch im Historien-Thriller Escape - Vermächtnis der Wikinger Erfahrung mit starken Heldinnen gesammelt.
Was Tomb Raider von Assassin's Creed unterscheidet: Ubisoft ist direkt in die Produktion involviert, Square Enix hat die Filmrechte an Tomb Raider 2011 abgetreten. Weniger Vertrauen beim Tomb Raider-Reboot weckt zudem die Wahl der Drehbuchautoren. Evan Daugherty und Geneva Robertson-Dworet werden als Autoren gelistet. Die Filmografie des ersteren wartet mit Perlen wie Snow White and the Huntsman, Die Bestimmung - Divergent und Teenage Mutant Ninja Turtles auf, während Robertson-Dworet neben Tomb Raider auch Transformers 5 schreibt.
Alicia Vikander kann sich jedenfalls auf einen gehörigen Popularitätsschub gefasst machen. Ein Oscar auf dem Londoner Kaminsims dürfte zudem dabei behilflich sein, nicht für den Rest ihrer Karriere ausschließlich mit Lara Croft assoziiert zu werden. Angelina Jolie hat es vorgemacht.
Als nächstes sehen wir Alicia Vikander ab dem 11.08.2016 in Jason Bourne.