DerDude_ - Kommentare
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Alle Kommentare von DerDude_
"You've come a long way, baby"
*beste
*Spoiler*
„Instinct? I got it!“
Christopher Nolans TENET ist deswegen ein so faszinierendes Unikat, weil es der britische Autorenfilmer mit dem Studiobudget hinter sich und dem Hang zum hemmungslosen Kopfkino hier scheinbar so wenigen wie noch nie in seiner Karriere recht machen konnte. Während die eingefleischten Nolanites unbefriedigt nach einem zufriedenstellenden Mindfuck im Stil von INCEPTION oder MEMENTO schreien, fühlen sich die Skeptiker und Oppositionellen von Nolans sehr dick aufdrückenden, potenziell auch gewaltig selbstzufriedenen, Kino bei seinem neusten Film, der sowohl die Komplexität des Plots wie auch die visuellen Schauwerte auf ein nie dagewesenes Maximum dreht, in ihrem Missmut bestätigt. Dabei fühlt sich die Kritik, die TENET von beiden Seiten erntet, sehr paradox an: zum einen ist es verständlich, das ein Film, der das gegenwärtige Kino so radikal umdenkt, auf Ablehnung und Konfusion stößt, zum anderen aber steht man fragend dar, wenn nach Jahren des Wartens, des Bettelns, des Flehens im Tumult der von Studios und Konzernen regierten Filmlandschaft nach der wahren, unverfälschten Vision eines Filmemachers diese schließlich als zu selbstbesoffen, als zu sperrig und als zu pompös abgetan wird. Dabei liefert TENET selbst alle Gründe, sich seinem betörenden Größenwahn bedingungslos hinzugeben.
Doch erst zu den geäußerten Kritikpunkten: Paradox fühlt sich zunächst die Kritik an, Nolan liefere hier keine ausreichende Charakterzeichnung oder nachvollziehbare Motivation für die Charaktere. Man fragt sich, wo diese Kritiker sich bei Nolans vergangenen kreativen Outputs versteckt haben. War es nicht immer der bemühte und halbherzige Versuch einer Charakterisierung in Nolans früheren Filmen, welche die meiste Kritik auf sich zog? Wer erinnert sich an das riesige Ensemble aus Nebenfiguren, bestehend aus Gorden-Levitt, Hardy, Watanabe, Page etc. in INCEPTION, von denen man mindestens die Hälfte in einen einzigen Charakter hätte morphen können, zusammengehalten durch eine bemühte emotionale Wandlung von DiCaprios Dom Cobb, dessen emotionaler Konflikt mit seiner toten Frau nur eine sehr unsubtile Wiederholung des zentralen Konfliktes aus MEMENTO darstellte? Und waren es nicht die sehr anstrengenden, im Angesicht des gigantischen Kosmos, sehr leer bleibenden, raumfahrenden Wissenschaftler aus INTERSTELLAR, welche den schwächsten Aspekt dieses Filmes darstellten? Mit TENET umgeht Nolan dieses Problem endgültig. Bereits mit DUNKIRK setzte er ein klares Statement, das er dem Versuch einer runden Figurenzeichnung längst überfällig geworden ist. Waren hier die Charaktere nur bloße Repräsentanten eines Zustandes und der Situation des unerbittlichen Kriegschaos, geht er nun einen Schritt weiter: In TENET sind die Figuren bis zu sehr weiten Teilen bloße Oberfläche, nur eine Komponente im Rhythmus ihrer Umgebung. Ihre Interaktion mit der Welt um sie herum folgt einer simplen Bestimmung. Nicht mal ein Name wird unserer Hauptfigur spendiert: Der Protagonist. Mehr müssen wir nicht über ich wissen. Nicht wo er herkommt, nicht sein persönliches Ziel. Die Mission ist sein Ziel, der Auftrag seine Charakterisierung, der Film selbst seine eigene Welt.
Generell fehlegleitet scheint auch der endlose Vergleich zu INCEPTION daher zu kommen, welche schon lange vor Release TENET anhaftet und sogar zur Spekulation eines möglichen Sequels führte. Zwar kann man TENET von der konzeptionellen Weise, wie sich der Plot entfaltet, mit dem Traumjäger Streifen von 2010 vergleichen, aber dieser hinkt an den entscheidendsten Aspekten. INCEPTION ist ein Film, der gnadenlos an den eigenen Ambitionen scheitert: So beeindruckend Nolan die Träume von zusammenklappenden Straßen, sich rotierende Hotelgänge und von Eispalästen auch filmte, so hatte das in seiner strengen Professionalität und seiner sterilen Förmlichkeit mehr mit den Leveln eines Videospiels, statt mit wirklichen Träumen von menschlichen Individuen zu tun. Nolan hatte hier die Mittel, aber nicht die Spielfreudigkeit, die diesem Thema gerecht werden könnte. Umso erfreulicher ist es nun, dass er diese mit TENET nun erreicht hat, und das auf mehreren Ebenen. Orientierte sich INCEPTION in Form einer Exposition-Aktion-Kette noch an Nolans selbstauferlegter PRESTIGE-Formel (etwas zeigen, verschwinden lassen, wiedererscheinen lassen, you know the drill), beginnt er nun mit dieser zu experimentieren.
Nur oberflächlich hält er an ihr fest: Persönlich muss ich gestehen, dass ich den Vorwurf, auch TENET leide an zu ausufernden Erklärmonologen, für sehr übertrieben halte. Ich behaupte mal ganz frech, dass der Film ungefähr so viel Exposition enthält, wie ein klassischer James Bond-Film, an welchen sich Nolan hier auch sehr beständig orientiert. Zugegeben, die erste Hälfte seines Filmes ist gefüllt mit Exposition durch die Charaktere, ähnlich wie bei INCEPTION, doch diese verfolgt hier nun einen völlig anderen Zweck. Nach der verständlichen Zeitinversions-Einführung durch Clémence Poésy im charmanten Stil eines Q-Briefings (um mit den Bond-Referenzen mal anzufangen), werden wir geworfen in einen Fluss bestehend aus dem kryptischen Austausch von Informationen. Dieser Fluss aus sprachlicher Weiter- und Wiedergabe ist unerbittlich und ignoriert Befindlichkeiten des Publikums irgendwann gnadenlos, bis er innerhalb der hereinbrechenden Welle aus Ereignissen irgendwann auch akustisch völlig untergeht. An seinem Spionageplot, wie auch bis zu weiten Teilen an der Story um die Inversion der Zeit und das Ende der Welt, hält TENET nur insofern fest, wie sie diesem Strom aus Input und Output entsprechen. Keine Exposition, die direkt dem Verständnis des Plots dient, sondern die sich eher dem beständigen Rhythmus des Filmes konsequent unterordnet.
TENET dreht die Elemente, die Nolan seine Karriere über ausgemacht haben, auf einen schwebenden Höhepunkt. Bereits erwähnte Bond-Anspielungen, endloses Verdrehen der Zeit, megalomanische, praktische Setbauten und vor allem, Männer in Anzügen, die einen komplexen Plan schmieden, um diesen dann höchstpräzise auszuführen. Die logistische Kalkulation, der Nolan immer so hemmungslos frönte, findet hier seine eigene Entropie, mit einem befremdlich, genialen Ergebnis: Trotz eben jener logistischen Raffinesse und dem Bestehen der Charaktere auf einen festen Plan ist es der wohl mit Abstand desorientierendste Film, den Nolan je gedreht hat. Sämtliche essentielle Aspekte der Handlung huschen am Publikum nur so vorbei, der Overkill an Informationen entlädt sich in chaotischer Manier und es wird wohl lange dauern bis man einer Sequenz im gegenwärtigen Blockbusterkino begegnet, die in inhaltlicher, wie visueller Überforderung sich mit dem das Temporal Pincer Movement-Finale messen kann. Nolan verzichtet endgültig darauf, hier dem Publikum etwas beweisen zu wollen. TENET ist kein Zaubertrick mehr, sondern nur noch die Vision einer unaufhaltsamen Gegenwart. Die Essenz des Filmes ist die Konstruktion eines Momentes, der von einer verlorenen Vergangenheit und einer feindlich gewordenen Zukunft erdrückt wird. Das Resultat ist die Bewegung, die nur im Augenblick stattfinden kann. Ein Konzept, dass sich in fast jeder Szene des Filmes verwirklicht findet: Von der Schießerei in der Oper bis zum fulminanten Ende bewegt sich jede Szene beständig nach vorne. Jeder Moment wird nur noch gejagt von einer gnadenlosen Dringlichkeit. Vielleicht ist deswegen auch hier DUNKIRK die entscheidende Referenz, wo Nolan ebenfalls seinen Film eigentlich nur einem einzigen Gefühl der Desorientierung unterordnete. Mit TENET führt er dies aber auf ein ganz neues Level, das nicht mehr an ein historisches Ausnahmeszenario gebunden ist und sich stattdessen völlig frei bewegt. Der Fokus liegt hier auf dem Moment, auf dem was greifbar vor unseren Augen geschieht, in der beständigen Hitze des Augenblickes.
Der faszinierendste Aspekt des Filmes ist vielleicht sein Mut zu offen gelassenen Leerstellen. Die elliptische Erzählweise von TENET widersetzt sich dem Aufklärdrang der Figuren in der Hinsicht, das er, vergleichbar wohl am besten mit Alain Resnais meisterhaften LETZTES JAHR IN MARIENBAD permanent auf einen blinden Punkt innerhalb der diegetischen Handlung verweist. Nur statt der Begegnung zwischen A und X vor einem Jahr, die vielleicht, vielleicht auch nicht, stattfand, ergibt sich die Konstruktion von TENET aus der entfernten Zukunft, welche beginnt, die Gegenwart anzugreifen. Der Plot ist in der retrospektiven Betrachtung (die der Film einem durch die permanenten Verweise auf vergangene Szenen aufzwingt) ein einziger, durchkalkulierter Plan den wir erst im Nachhinein (ansatzweise) begreifen können, erzeugt durch Ereignisse in weiter Ferne, auf die wir uns erst hin bewegen müssen.
Die Welt als ein Netz aus Interaktionen, aus Figuren, die sich gezielt positionieren, um mit dem Lauf der Ereignisse eins zu werden. Ein wortwörtlicher Tanz aus Ursache und Effekt, aus Plan und Durchführung. Als John David Washington sich schließlich zurück zum Flughafen in Oslo invertieren lässt, stellt er fest, dass er sein eigener Antagonist während eines Kampfes war. Im Moment ihrer Begegnung wird der Kampf zu einem sprichwörtlichen Tanz aus Vergangenheit und Zukunft, sich im gegenwärtigen Moment manifestieren. Es ist eine paradoxe Konstruktion, wie es eigentlich jeder Film über zeitliche Manipulation darstellt: Die Ereignisse, die sowieso passiert wären, müssen durch erst durch zeitliche Inversion ausgelöst werden. Sie müssen passieren, damit sie passieren. In der Simplizität dieser Divise versteckt sich genau das, von dem Robert Pattinson als Neil spricht, wenn er erkenntnisvoll „What‘s happened, happened“ proklamiert und von einem Vertrauen an die Fügungen des Universums spricht. Selbst die Bestätigung unseres eigenen Untergangs ist kein Grund, diesem entgegen zu fiebern. Wir müssen trotzdem beständig sein und an unseren eigenen Instinkt vertrauen, wie auch an den Kosmos um uns, der diesen in einer komplizierten Schleife aus Ursache und Effekt erst erzeugt hat. In seinem klangheimlichen Humanismus rennen und streben seine Figuren noch mehr dem strebenden Licht entgegen, als sie es bereits in INTERSTELLAR taten.
Nolans Film beginnt sehr selbstreferentiell: In einer Oper werden die Instrumente gestimmt, das Publikum nimmt Platz, die Show kann beginnen: Eine Spieglung des Kinosaals. Bei näherer Betrachtung offenbart sich auch TENET als metaphorische Verdeutlichung der Macht des Lichtspielhauses, wo schließlich bereits INCEPTION in der Anordnung der Figuren und der Konstruktion eines Traumes gerne als Allegorie auf die Entstehung eines Spielfilmes gelesen wird oder INTERSTELLAR unterschiedlich als Verdeutlichung über das Ende des analogen Kinoformates aufgefasst wurde. Mit TENET erreicht Nolan auch hier einen neuen persönlichen Meilenstein: Wie im Editingprozess eines Filmes wird hier mit Zeit operiert, sie wird versetzt, umgedreht und verschoben. Das Formen der zeitlichen Dimensionen führt zur Erschaffung eines Kunstwerkes, welches unsere Realität, so grausam sie auch sein mag, eines Tages retten kann. Es ist die Bombe die nicht hochging, für die sich niemand interessiert, der Konflikt der verhindert wurde, um den sich keiner kümmert, die fiktiven Kämpfe, ausgetragen durch Protagonisten auf der Leinwand, für die sich in der Realität vielleicht niemand schert. Und doch existieren diese Kämpfe. Das Kino, wie auch Kunst allgemein, kann uns eine Bühne bieten, für die Konflikte, die wir in echt nicht führen können, für die Erkenntnisse, die die Realität versagt uns zu geben, für die Momente, die wir verzweifelt suchen und sie nur fiktional uns erfüllen können.
Am Ende bleibt eine große Sehnsucht: Sie nimmt die Hand ihres Sohnes und darf in die Realität zurück gehen, und mit dem Einsetzten des Abspanns tun wir es ihr gleich, doch er bleibt im Auto sitzen und kann ihr, obwohl er ihr gerade und vielleicht für immer, das Leben gerettet hat, nur noch hinterherblicken. Das Kino und uns trennt ein kleiner, aber dennoch essenzieller Abstand, über welchen hinweg es uns trotzdem, jeden Tag, wenn wir wollen, die Welt retten kann.
„Mission Accomplished“
Mhm, weder MEIN BRUDER HEIßT ROBERT UND IST EIN IDIOT, noch THE HOUSE THAT JACK BUILT , noch A BEAUTIFUL DAY dabei. Wird dann wohl PHANTOM THREAD meinerseits.
Jau, sorry immer fürs späte posten. Ich vergess es echt jedes Mal.
Meine Mutter würde alles für mich tun, deswegen unterstütze ich sie auch beim Touristen ausbeuten, obwohl ich noch so jung bin. Egal wie viel Stress es mit dem Inhaber unseres Zuhauses auch gibt, ich mach trotzdem alles was ich eigentlich nicht darf. Außerdem wird unser Nachbar oft verhaftet.
Xavier Dolan hat sich aus Angst vor Jessica Chastain nicht aufs Bild getraut.
Ich mag Musik, schwimmen gehen und die Sonne genießen. Eigentlich bin ich verdammt schlau für mein Alter, aber wenn es wirklich drauf ankommt kommen die Worte nicht aus mir raus.
Kyle MacLachlan in TWIN PEAKS : THE RETURN
Streng genommen ist es aber Ed O`Neil in MARRIED WITH CHILDREN
Ich :
https://www.youtube.com/watch?v=U6RWiVRwoE8
Mein Sohn und der Rest der Welt hassen mich, dabei hab ich als Kind doch nur den Traum von jedem in meinem Alter gelebt.
Sowas habe ich vermisst : Den Mund nicht mehr zuzukriegen weil das Spektakel auf der Leinwand zu immens, einfach zu mitreißend ist. READY PLAYER ONE bietet in seinen 140 Minuten viele solcher Momente. Denn endlich ist Blockbuster-Urvater Steven Spielberg wieder die Gelegenheit gekommen, einen Steven Spielberg-Film zu drehen. Das er auch im gehobenen Alter noch so viel Freude und Begeisterung an den Tag legt und immer noch verträumten Kinogängern ins Herz spielen kann verdient wohl Beachtung.
Denn klar, READY PLAYER ONE ist eine verdammt naive Angelegenheit. Man könnte in Hinsicht auf die Story, rund um eine virtuelle Welt voll endloser Möglichkeiten sicherlich Verweise zum Internet, zu Groß-Konzernen, zu moderner medialer Unterhaltung finden und sie schnell als verklärt abtun, aber READY PLAYER ONE wirkt dann doch einfach zu unschuldig dafür. Denn im Endeffekt ist jene Oasis nur ein Sinnbild für die magische Welt Popkultur generell, in der wohl jeder, ob kurz oder lang, sich voller Faszination mal verloren hat. Ich wäre ein ganz schön verlogener Mensch, würde ich die Tage meiner Kindheit leugnen, in der jeder in meinem Alter raus ging, irgendeinem Sport-Verein beitrat oder sich eine Freundin suchte, während ich nur daheim saß, STAR WARS und Kevin Smith-Filme suchtete, mich mit Süßigkeiten vollstopfte und bis in die Nacht wach blieb. So traurig das jetzt auch klingt, ich kann ganz und ehrlich von mir behaupten, keinen dieser Tage zu bereuen, denn endlich hatte ich das Gefühl, ein Universum gefunden zu haben, das nur mir gehörte. READY PLAYER ONE ist vielleicht die rührende Erkenntnis, das in diesem auch Platz für einen weiteren Menschen sein kann und lehrt uns, wenn auch auf naive Weise, sich beim nächsten Mal etwas mehr nach vorne zu lehnen.
Dann wäre da die Nostalgie-Keule, die der Film nie müde wird zu schwingen. So nervig der 80er-Hype inzwischen auch geworden ist, im Endeffekt ist mir ein Film wie READY PLAYER ONE, ein Film der über seine Nostalgie-Begeisterung kein Geheimnis macht, immer noch tausend Mal lieber als zig Serien-Revivals und zahlreiche "versteckte" Eighties-Referenzen in sonst modern gehaltenen Filmen.
Ist READY PLAYER ONE der ultimative Blockbuster und Spielbergs Comeback ? Nicht wirklich, aber es ist endlich mal wieder ein Abenteuer, bei dem ich das Gefühl habe, in guten, kreativen Händen aufgehoben zu sein. Vielleicht ein Film, zu unschuldig für diese Welt und genau deswegen in unserer so gut aufgehoben.
Flieg, Vöglein. Flieg.
Mensch Greta, ein süßes Debüt, dass du da abgelegt hast ! So sehr Greta Gerwig auch betont hier keine Autobiografie verfilmt zu haben sind die Parallelen zu ihrer eigenen Kindheit im Städtchen Sacramento doch relativ eindeutig und gleichzeitig kann man LADY BIRD wohl als inoffizielles Prequel zu FRANCES HA lesen. Es ist ein Coming of Age Film aus dem Buche : Stress in der Schule, Stress mit den Eltern, Albereien mit der besten Freundin, Schwärmereien nach Jungs und natürlich die ungewisse Zukunft, von der man nie dachte, dass sie je kommt und die dann mit einem mal vor der Tür stand. LADY BIRD fängt den Augenblick des Loslassens von der Heimat ein und ist dementsprechend ein einziger großer Liebesbrief an jene und natürlich auch an die Mutter, der Greta Gerwig den größten Moment ihres Filmes widmet.
Saoirse Ronan beweist erneut, dass sie zur absoluten Königsklasse an Jungdarstellern gehört. Ihre Christine ist verzogen, naiv, abgebrüht und vor allem völlig orientierungslos. Oftmals stieß mich ihr Verhalten ab, aber wer ganz ehrlich zu sich ist, wer hat bitte in seiner Jugend nur Entscheidungen getroffen, auf die er restlos stolz ist ? Die größte Entdeckung des Filmes ist aber Laurie Metcalf als aufopfernde Mutter, die mit einzelnen Nuancen perfekt den Kern einer Filmmutter trifft und die Tiefe ihres Charakters offenbart. Denn leider bleiben alle Figuren, neben dem Mutter/Tochter-Gespann, etwas blass. Sei es die beste Freundin, die für einen Zeitraum radikal aus dem Film eliminiert wird nur um dann wieder aufzutauchen, oder die beiden Boyfriends, die zwar beide schön geschrieben und gespielt sind, die aber bestimmt ihre eigene Geschichte zu erzählen gehabt hätten, ohne das der Fokus von der Titelfigur abgewichen wäre. Denn das ist das Hauptproblem des Filmes : Er ist einfach zu kurz.
Gerwig will das Lebensgefühl des Erwachsenwerdens einfangen und wirft dafür einfach alle bekannten Komponenten in einen Topf. Dadurch streift der Film die Beziehungen zwischen Christine und den zahlreichen Menschen in ihrem Umfeld zwar, aber über einen charmanten oder witzigen Moment kommt es dann doch nie hinaus. Um all das mehr auszufleischen wäre eine längere Laufzeit oder ein anders gesetzter Fokus vielleicht besser gewesen, denn so verfügt der emotionale Schlag, der am Ende dann auf einen wartet, nur bedingt. Der Humor des Filmes rettet den Film dann aber in gewissen Szenen, da er die Realität gerne umgeht und oft ins hemmungslos absurde driftet. Aus ihm wird auch deutlich, wie viel Spaß Greta dieses Projekt gemacht hat und für einen ersten eigenen Film ist LADY BIRD ziemlich dufte wenn auch nicht der große Film über das Leben als Teenager, der er gerne wäre.
Am Anfang meines Versuches diesen Film irgendwie in Worte zu fassen sei die Frage, nach dessen Hintergrund, dessen Vermächtnis.
AN ELEPHANT SITTING STILL ist der erste und einzige Film des chinesischen Regisseurs Hu Bo, der sich mit 29 Jahren, kurz nach Fertigstellung des Filmes, das Leben nahm. In Rücksicht auf diesen Hintergrund erhält diese, fast vierstündige, Reise durch die chinesischen Provinz-Schluchten, den Charakter eines Lebenswerkes. Es ist ein Film, dessen Kälte immanent erscheint. Ein einziger Tag, an dem sich das Leben mehrerer Individuen kreuzt und sie schließlich auf einen gemeinsamen Pfad schickt, der durchtränkt ist von Melancholie. Es ist eine beklemmende Synopsis, voller existenzieller Leere, Ängsten und Gleichgültigkeit. Besonders die Todessehnsucht, die einige Schlüsselszenen ausstrahlen muss man irgendwie schlucken können. Und trotzdem fühlt sich AN ELEPHANT SITTING STILL in seiner massiven Laufzeit an, wie ein Fluss, ein Treiben durch einen Tag, an dem alles eine neue Bedeutung erhält oder sie verliert. Zu verdanken ist es wahrscheinlich der Kameraführung. Die Handkamera, deren Einstellungen oft mehrere Minuten einnehmen, umkreist die Charaktere und tastet sich an ihnen heran. Der Hintergrund, alles außerhalb der Reichweite der Figuren, verliert an Bedeutung, der Film blurrt ihn aus. Dadurch wirkt der Film wie durchtränkt von einer Nebelwand. Durch ihn stapfen die einzelnen Charaktere, die vorerst nur ihre Schuld miteinander verbindet. Die Kamera bewegt sich nur in deren Fokus und lässt nicht von ihnen ab. Das hat den Effekt, dass die Charaktere wie isoliert voneinander erscheinen. Nach und nach aber rücken sie zusammen und dann wirkt auch oft die Welt hinter ihnen plötzlich leuchtend klarer.
Am Anfang stehen zwei Tode : Ein Unfall und ein Selbstmord. Beide Ereignisse verändern den Weg zahlreicher Anderer, die alle in ihrer eigenen privaten Welt und ihrem eigenen Leid gefangen sind. Und am Ende steht die Frage nach einem Ausweg, einem Ziel. Und schließlich ist das Ziel ein Elefant, der halt irgendwo rumsitzt. Dieser, doch absurde Kern, der dem Film inne wohnt, verkörpert auch die Chance, mit der Welt abzuschließen, indem man weiter macht. Aber es ist nichts, was der Film einem aufbindet.
So ambitioniert die 4 Stunden auch sind, AN ELEPHANT SITTING STILL bleibt über die Laufzeit in seinem, ganz eigenen, Rahmen inszeniert. Am Ende verbleibt man in dem Bewusstsein, die Welt zum ersten und auch zum letzten Mal gesehen zu haben. Hu Bos´s Vermächtnis trägt der Film und vertraut sie dem Publikum schließlich an.
WONDERSTRUCK versucht die Magie im Blick eines Kindes greifbar zu machen. Todd Haynes verknüpft in seiner Verfilmung des Brian Selznick Romans die Lebensgeschichten zweier Kinder, die zwar Raum und Zeit voneinander trennt, deren Wege aber dennoch verbunden sind und unaufhörlich ineinander führen. Das Mädchen Rose kann seit ihrer Geburt nicht hören und ihr Weg durch das turbulente Leben auf der Suche nach einem Platz, wo sie hingehört, inszeniert Haynes ebenso geräuschlos. Nur Musik und Melodien, angeführt von David Bowies Space Oddity, machen die Ton-Kulisse bemerkbar. Im Sinne alter Stummfilme bedient ist das Ganze dann konsequenterweise in Schwarz/Weiß inszeniert. Die zweite Zeitebene, vom Jungen Ben, der ebenfalls sein Gehör verliert, ist dann wesentlich konventioneller in Farbe und mit Ton dargeboten, aber dennoch nicht ohne kreative Verfremdungen.
Visuelle Spielereien gibt es in WONDERSTRUCK zu Genüge, bei einem Leinwand-Zauberer wie Todd Haynes wäre alles andere auch verwunderlich. Man merkt dem Film sein Anliegen, die Träume derer ohne Stimme und ohne Gehör zu erwecken, deutlich an. Nur leider verlässt sich der Film zu sehr auf seine Naivität. Ein konkreter Fokus ist nie geboten, dafür springt Haynes zu sehr zwischen den Zeitebenen hin und her, ohne das ein kohärenter Fluss entsteht und, wenn man sich erst einmal an eine Ebene gewöhnt hat, sofort zur Anderen gewechselt wird. Das mag sinnlich sein, ist aber ebenso distanziert, sodass das Finale nicht den emotionalen Schlag besitzt, den der Film gerne gehabt hätte. Im Großen und Ganzen hat Haynes ein einziges, langes Musikvideo gedreht, dass zwar durchaus Potenzial für Faszination und Magie bietet, aber schlichtweg zu lange geraten ist.
Kann mir bitte einer verraten, wie ich das Warten auf den neuen Adam Sandler noch aushalten soll ?
Spoiler !
Es ist aus heutiger Sicht kaum verwunderlich, dass das, heute (zurecht) als Meisterwerk gefeierte Regiedebüt von Charles Laughton DIE NACHT DES JÄGERS zu seinem Erscheinungsjahr 1955 ein Kassenflop war, was Laughton davon hinderte, je wieder einen Film zu drehen. Das düstere, pessimistische Schauermärchen wollte so gar nicht in das Post-Zweiter Weltkriegs USA passen. Laughton verweigerte sich der optimistischen, sentimentalen Einstellung des amerikanischen Kinos der 50er, genauso verzichtet der Film auf Farbe und verbleibt stattdessen in einem einnehmenden und beklemmenden Schwarz/Weiß. Die umwerfenden, impressionistischen Bildkompositionen, die Laughton zusammen mit Kameramann Stanley Cortez entwarf, setzen Licht und Schatten in ständige Relation zueinander. In fast jedem Frame finden sich Flächen die entweder grell oder verdunkelt erscheinen, in ihnen spiegelt sich der Kampf zwischen Gut und Böse. Jenen Kampf erläutert der Film anhand der "Love" / "Hate"-Tatoos an den Händen des Antagonisten, der als Priester getarnte, Harry Powell, genau wie das Motiv vom Wolf im Schafspelz. Jene Redewendung hat einen explizit religösen Ursprung, findet sich aber auch im Märchen der Gebrüder Grimm "Der Wolf und die sieben jungen Geißlein" , was erneut den Fabel-Charakter des Filmes unterstreicht. Robert Mitchum´s Darbietung des skrupellosen, fast närrisch bösen Verbrechers, der sich die Methoden religöser Verführung und Manipulation angeeignet hat um an sein Ziel zu kommen, gehört zu den größten Meisterleistungen die dieser Film vollbringt und Mitchum selbst hat sich nach dieser Performance seinen Platz als Titan der Filmgeschichte mehr als verdient. Die Zeichnung dieses durchtriebenen Mannes, war zu seiner Zeit ein kleiner Skandal, weil seltenerweise eine der höchsten Vertrauens-Figuren des Kinos, ein Priester, hier nichts weiter verbreitet als Gier und Tod.
In DIE NACHT DES JÄGERS steckt aber noch mehr, als ein simpler Grusler der alten Schule. Die Parabel, die der Film seinem Publikum unterzieht, hat selbst nach so vielen Jahren nichts von seiner Aktualität verloren. Laughton entlarvt die Fehler einer Gesellschaft und die Verführbarkeit im Angesicht gesellschaftlichen Elends und Verarmung. Genauso entlarvt der Film religöse Instanzen als patriarchale Unterdrückung und kontert sogar mit einem feministischen Ansatz. Im Prinzip erzählt Laughton in DIE NACHT DES JÄGERS vom Übergang von einer rückständigen Gesellschaft in eine aufgeklärte. Seine Protagonisten sind die Kinder John und Pearl, die für die neue Generation stehen. In der großen Depression der 30er wird ihnen erst der Vater genommen, der wegen Raub und Mord zum Tode verurteilt wird. Der Verlust der Vaterfigur entwurzelt auch ihre Mutter Willa, die in dem regressiven Frauenbild ohne einen Mann jegliche Existenz abgesprochen wird. Als Harry Powell dann ankommt wird er mit offenen Armen empfangen und jedem Wort von ihm reinen Glauben geschenkt. Auch Willa wickelt er mit seinem Charme schnell um den Finger, sie steht für ein schwaches Frauenbild, das ohne Mann nicht existieren kann und sich generell nur an Anderen orientieren kann. Nachdem Powell Willa getötet hat, fliehen John und Pearl und überqueren einen Fluss. Als sie wieder das Ufer erreichen, sind sie in einem neuen, vorwärtsgerichteten Amerika angekommen. Dies wird verkörpert vom Haushalt der alternden Rachel Cooper (ironischerweise gespielt von Stummfilm-Ikone Lillian Gish). Nachdem die beiden Kinder bei ihr Obhut gefunden haben finden sie sich in einer Wohngemeinschaft wieder, die (von John mal abgesehen) nur aus Frauen besteht. Frauen, denen Unabhängigkeit und Selbstvertrauen weitergegeben wird, die in kein verlogenes Idealbild gedrängt werden. Selbst die Neugier eines der Mädchen gegenüber dem lauernden Powell, begegnet Rachel Cooper mit Verständnis ("We all need love"). Religion und Glaube wird in dieser aufgeklärten Gemeinschaft zwar auch praktiziert, aber auf eine individuelle Weise. Die Geschichten aus der Bibel sind für Rachel Cooper mehr Gute-Nacht-Geschichten statt Gebote an die man sich zwanghaft halten muss.
Obwohl der Film Powell mehrfach als das unaufhaltsame Böse stilisiert, ist sein Ende ihm und seiner pathetischen Art fast unwürdig. Genau wie der Vater zu Beginn des Filmes wird er von der Polizei zu Boden geschlagen und schließlich verhaftet. Diese Szene reißt die Wunde vom Verlust seines Vaters wieder auf und John fleht um Gnade für Powell. Hier offenbart DIE NACHT DES JÄGERS seine vielleicht finsterste Seite, wenn er uns mit dieser Szene schließlich verdeutlicht, das John´s gesamter Versuch, das erbeutete Geld vor Powell zu verstecken, ein Versuch war, seinen Vater irgendwie am Leben zu erhalten. Laughton demonstriert hier auf meisterliche Weise den Schmerz der Entwurzelung einer Generation von ihren geistigen Vorbildern, vom Ende falscher Idealbilder. Dennoch erinnert er uns in seiner optimistischen Endszene daran, wie notwendig dieser Exorzismus von den Geistern der Vergangenheit war. In einer harmonischen Szene feiert Rachel Cooper mit ihren Ziehkindern das religöseste Fest von allen, nämlich Weihnachten, doch sie tut es völlig ungezwungen. Die Tradition hat Platz für die Aufklärung und den Zusammenhalt gemacht. Dennoch aber bleibt klar, dass es Menschen wie Harry Powell immer wieder geben wird, die uns alles nehmen werden und wahrscheinlich uns sogar dazu bringen werden, uns bei ihnen zu bedanken.
DIE NACHT DES JÄGERS ist, mal von seinem Subtext losgelöst betrachtet, ein typischer "Seiner-Zeit-Voraus"-Film, das wohl noch in kommenden Jahren so viel Potenzial für Faszination und Schrecken bieten wird.
Der Titel verweist nicht nur auf die Lieblosigkeit, mit der das Setting in Andrei Zvyaginstev´s neuem Film LOVELESS erstrahlt, mit all seinen Gassen und Wohnsiedlungen, die wie eingefroren und erstarrt wirken, sondern auch von der Abwesenheit von Liebe. Die zerbrochene, sich bald trennende Familie liebt sich nicht mehr, hat sich aber auch scheinbar nie geliebt. Ihre Existenz ist nichts weiter als ein Unfall. Das wird deutlich, wenn später Mutter Zhenya nebenbei mal erwähnt, ihren Sohn nie gewollt zu haben. Als dieser von Zuhause ausreist und schließlich unauffindbar wird, erkennen Vater und Mutter, dass sie ihr altes Leben nicht einfach hinter sich lassen können.
Zvyaginstev ist Meister darin zu verdeutlichen, wie sich sozial/politische Probleme wie eine völlig erkrankte Gesellschaft auf ein Individuum auswirken können. In seinem vorangegangenem Werk LEVIATHAN führte er dies zur Perfektion, wenn schließlich der innere und äußere Zusammenfall einer Familie an der Korruption des Systems, in dem sie existieren, ergründet wird. Darüberhinaus war diese Geschichte eine eindringliche Umdeutung der Hiobs-Parabel. In seinem neuen Film LOVELESS aber weicht dieser Unterbau einer einzigen Leere. Es sei zwar erwähnt das auch dieser Film schlicht und ergreifend zu gut inszeniert ist, um ihn noch schlechter zu bewerten, aber besonders in der Zeichnung seiner Charaktere krankt er massiv. Da wäre zum Beispiel erwähnte Mutter Zhenya. Eine hysterisches, frustriertes Wrack von einer Frau, die nichts als Verachtung für ihre alte Familie übrig hat. Jeden Hauch von Empathie ihrer Situation gegenüber verweigert Zvyaginstev. Noch fataler erweist sich jedoch die Entscheidung, Alyosha, der Sohn der Familie, in eine völlig passive Rolle zu drängen. Als Figur ist es seine einzige Aufgabe, zu verschwinden und gesucht zu werden, mehr weiß der Film nicht mit ihm anzufangen. Wie wichtig seine Perspektive für das Thema des Filmes gewesen wäre, wird genauso ignoriert. In ihm kulminiert die gesamte Herzlosigkeit seines Umfeldes, doch alles was damit gemacht wird ist ein weiters Opferbild zu kreieren.
Zvyaginstev kettet Elend and Leid and Trauer an Gleichgültigkeit, bis sein Film zu einem einzigen Reigen des Selbstmitleids verkommt. Die Ansätze, die Zvyaginstev bereit hält, bieten genug Potenzial, doch ihre Ausführung ist (tut mir Leid) "lieblos".
Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot <- Bester Film ;)
So wie ich das mitbekommen habe war der Voting-Prozess um die Nominierungen zu dem Zeitpunkt, als der ganze Franco-Skandal losbrach, bereits zu 90% abgeschlossen. Es ist demnach fraglich inwiefern diese Debatte seine Nicht-Nominierung beeinflusst hat. Ein Sieg bei den Golden Globes war noch nie ein Garant für eine Nominierung, erst recht nicht in der Kategorie Komödie / Musical. Es ist nun mal so das die Voter für die Academy mit Komödien meist sehr wenig anfangen können und dann noch bei einem so speziellem Thema wie THE ROOM, sodass THE DISASTER ARTIST froh sein, zumindest für das beste adaptierte Drehbuch nominiert zu sein.
So sehr ich einige dieser Filme auch mag, es ist doch wieder sehr viel typisches Oscar-Futter dabei, Filme bei denen ich nicht das Gefühl habe, dass sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen werden. Für meinen Teil haben es nur PHANTOM THREAD und CALL ME BY YOUR NAME wirklich verdient in einer Liste der wahrlich besten Filme des Jahres aufzutauchen.
Bei der Frage, welcher Film gewinnen wird, sehe ich glasklar THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI vorne, einfach durch simples Ausschlussverfahren. THE SHAPE OF WATER ist zu seicht und würde wieder nur in eine Kerbe der Nostalgie schlagen, von der sich die Academy in den letzten Jahren befreit hat, GET OUT ist als Horrorfilm zu extravagant, DUNKIRK könnte den Votern zu wenig Substanz haben. LADY BIRD ist der einzige dieser Filme, den ich noch nicht kenne, aber auch hier wirkt die Thematik nicht dramatisch genug um bei den Oscar-Votern anzukommen.
Das Universum ist ein fragiles Ding. Sowohl in seinem Schutz als auch in seiner Schönheit, die unsere Welt zusammenhält.
MEIN BRUDER HEIßT ROBERT UND IST EIN IDIOT ist vielleicht die schönste Demonstration dieses Prinzips. Im Rückblick wirkt der Philosophie-Exkurs zweier Geschwister, den Philip Gröning einem unterzieht, fast schon wie eine Allegorie, ohne das man ihn besonders deuten muss, man aber trotzdem die Not dazu verspürt. Es ist ein Film der begriffen hat, wie Kino als gegenwärtiges Element wirken kann. Nicht im Rückblick oder in seiner Besprechung, sondern in der Sekunde, in der die Bilder unsere Netzhaut treffen. Unter den vielen Thesen, die Bruder und Schwester untereinander austauschen, ist jene, dass die Gegenwart letztendlich unerreichbar für den Mensch ist, weil in dem Moment in der sie verstanden wird, sie nicht mehr präsent ist. Im Grunde trifft das auf unser ganzes Leben zu. Der Tod selbst kann nur ein Konstrukt für uns bleiben, weil in dem Moment in der wir in ihn übergehen, wir selbst vielleicht nicht mehr da sind.
Der einzige Weg, wie man wirklich Vergangenheit und Zukunft hinter sich lassen und die Gegenwart irgendwie erreichen könnte wäre, in permanenter Angst zu leben. Nach dem Film wären nur Tiere und Kinder dazu in der Lage, denn sie verstehen die Welt (noch) nicht.
Das Erreichen dieses Zustands ist nichts, was erstrebenswert wäre. Aber jeder Mensch ist ihm immer ganz nahe, wenn auch unbewusst. Das Setting des Filmes bietet scheinbar Sicherheit. Der Sommer in dem jenes Wochenende vor der Abitur-Prüfung spielt, ist behütet von der Sonne. Es sind die letzten Tage bevor etwas großes passieren wird, etwas was niemand versteht und das diese Welt, die sich jeder Mensch irgendwann einmal geschaffen hat, sich ändern wird. Robert und Elena wissen das, sprechen es aber nie an. Ihr Abtauchen in die Worte von Heidegger und anderer Theorien wird nur von geschwisterlichen Zankereien unterbrochen. Ansonsten aber haben diese Figuren keinen Hintergrund. Ihre Vergangenheit und ihr Verhältnis zueinander, ist nur das, was wir aus der Gegenwart, dem was der Film uns zeigt, schließen. Der Haupt-Spielraum des Filmes ist begrenzt auf jenes Feld und der angrenzenden Tankstelle. Dieser Ort, der sich wie der Mikrokosmos eines ganzen Universums anfühlt, wirkt, als befände er sich irgendwo außerhalb der Zeit. Robert und Elena kannten ihn ihr ganzes Leben und bald werden sie ihn nicht mehr kennen. Nach diesen letzten Tagen vor der Demonstration der Reife, wird alles eine andere Bedeutung bekommen. Wie jenes immer näher kommt ist nur einer der vielen Ansätze, die Grönings Film unglaublich machen.
MEIN BRUDER HEIßT ROBERT UND IST EIN IDIOT ist ein Film, der sich nicht leicht herunterbrechen lässt. Das Geschehen und wie sich der Film entwickelt, obwohl der Film in der letzten Stunde wirklich jeden Halt verlässt, wirkt es trotzdem im Nachhinein so, als wäre es völlig unausweichlich gewesen. Der Film ist ein Spiel, zwischen den Geschwistern, als auch mit uns und trotzdem in jeder Sekunde ernst. Der Film verdreht unser Verständnis der Beziehung zwischen den Geschwistern und zu ihrer eigenen, teilweise selbst kreierten, teilweise komplett zufälligen, Welt, bis es in einem Zustand kulminiert, der unsagbar kausal und dennoch nicht zu greifen wirkt.
Kino selbst kann so ein Erlebnis sein und dieser Film ist es in jeder seiner 174 Minuten.
Wer es am meisten verdient hat : Daniel Day-Lewis
Wem ich es am meisten gönnen würde : Timothée Chalamet
Wer leider gewinnen wird : Gary Oldman
Es ist schwer den Teufel zu bändigen.
Die Entscheidung, seinen neuesten Vierstünder als Musical zu inszenieren, wirkt im Endeffekt relativ passend : Lav Diaz erzählt in IN ZEITEN DES TEUFELS von der Verzweiflung eines Poeten. Er gilt als Hoffnung des Landes, als Stimme gegen ein willkürliches Regime, doch er badet stattdessen in seinem Elend. Im Film wird später dann an einer Stelle gesagt, man habe diesem Land bereits jede Melodie genommen. Daher ist es auch nur konsequent, völlig auf musikalische Untermalung zu verzichten.
Lav Diaz erzählt erneut von der Verzweiflung eines Landes. Vom scheiterndem Widerstand, von Ausbeutung und von Gewalt. Die Figuren wiederholen ihre Texte immer wieder, ihr Rhythmus ändert sich aber oft, je mehr der Film voran schreitet. Die vergehende Laufzeit fühlt sich immer mehr an, wie ein Hinabsteigen und ein Ertasten der Hölle auf Erden, bis zum Teufel selbst. IN ZEITEN DES TEUFELS ist ein besungener Exorzismus, voller Trist und mit mit grau-silbernen Aufnahmen versehen. Obwohl ich zugeben muss, von dieser gigantischen Beschallung stark mitgenommen zu sein, hatte ich nach keinem Lav Diaz Film bisher so Lust, ihn noch
mal zu sehen.
Das Ganze wirkt wie eine komponierte Allegorie, die endlos wirkt, aber immer wieder neue Blickfelder eröffnet.
Am Anfang wird es direkt in die Kamera, zu uns gesagt : "Du wirst es nie verstehen". Wir Zuschauer können noch so viele Filme über die erschütternde Bluttat auf der Insel Utoya in Norwegen am 22. Juli 2011 uns ansehen, die Tat wird immer abstrakt bleiben. So wahr diese Erkenntnis auch ist, sie befördern den Film UTOYA 22 JULI gleich zu Beginn auf ein höchst arrogantes Trapez, einfach weil der Film sich dadurch einbildet, mehr verstanden zu haben als wir.
Die Intentionen, die Regisseur Erik Poppe mit diesem Film verfolgt sind löblich, aber keine davon geht auf. Sein Ziel war es, bei der Betrachtung die Aufmerksamkeit den Opfern zu schenken und nicht dem Täter Breivik, der sich selbst medial inszenierte. Nur leider schlägt sein Film ins komplette Gegenteil um : Alle Personen in dem Film bleiben für uns fast die gesamte Laufzeit anonym. Sie sind nichts weiter als Leichen, an denen vorbei gerannt wird und nichts weiter als Schreie, die nicht gehört werden. Die Hauptfigur Kaja, an der wir in der 72 minütigen (erstellten) Plansequenz kleben, übrigens die exakte Dauer von Breiviks Massaker, ist fiktiv und dient nur als Reflektor für uns, wer sie ist spielt nie eine Rolle. In Hinblick auf den Täter, der nur in zwei Szenen kurz aus der Ferne zu sehen ist, macht Popes Film aber noch mehr falsch. Denn seine physische Präsenz aus dem Film rauszuhalten lenkt nicht automatisch die Aufmerksamkeit von ihm, sondern mystifiziert ihn viel mehr. Mir persönlich wird schlecht bei der Vorstellung, Breivik könnte sich diesen Film in seiner Zelle immer und immer wieder ansehen, denn er selbst und seine Tat sind die Hauptattraktion, so grausam dieses Wort auch ist, dieses Filmes.
Vergleiche zu Lazlo Nemes Holocaustfilm SON OF SAUL werden in Hinblick auf diesen Film wach. Letzterer zeigte die Gaskammern von Auschwitz in eingeschränkter aber dennoch unmittelbarer Weise, aus der fast selben Perspektive schildert UTOYA 22 JULI die Tat Breiviks. Nur was erst genannter diesem Film voraus hat, ist das er sich auf die Suche begibt, auf die Suche nach Menschlichkeit in der Unmenschlichkeit. Das soll nicht heißen, UTOYA 22 JULI hätte dasselbe machen sollen, nur die herunter gebrochene Fläche des Filmes bleibt ohne Inhalt. Die Aussage des Filmes wird deutlich, als ein kleines Mädchen in den Armen von Kaja stirbt, worauf sie weinend hervor quält, das sie ja nicht mal ihren Namen erfahren hat. Ja, die Opfer von Utoya bleiben für uns, schmerzhafter Weise, anonym, nur diese Sequenz bleibt dennoch eine einzige Manipulation und dabei gehört sie noch zu den harmlosesten Momenten des Filmes. Zu Beginn redet Kaja mit ihrer Mutter über Telefon über das Attentat auf die Regierung und versichert ihr, ja am sichersten Ort der Welt zu sein. Schon hier entblößt der Film seine wahre Natur, die aus ekelerregender Zynik besteht.
UTOYA 22 JULI mag in seiner Machart beeindruckend sein, aber er bleibt nichts weiter als ein Film ohne Erkenntnisse, weil er nichts liefert, was wir nicht schon wissen.
Der Zyklus des Lebens ist ein grausamer. Er kann scheinbar nicht gebändigt werden und zudrückt uns Menschen wie Ameisen.
HUMAN SPACE TIME AND HUMAN.
Der Titel gliedert, wie bereits bei Kim Ki-Duks FRÜHLING, SOMMER, HERBST UND WINTER seinen Film in Kapitel ein. Anders jedoch bei seinem spirituellen Ausflug in die Stille teilt er den Film nicht in Ebenen der Zeit, sondern in thematische Rücknahmen ein. Jedes Kapitel stellt eine Rücknahme der Schöpfung dar, erst wird dem Mensch seine Moral, dann seine Ordnung und schließlich seine Gesellschaft genommen, nur um im letzten Kapitel den Kreislauf wieder beginnen zu lassen und
mit ihm die Grausamkeit.
Kim Ki-Duk inszeniert seine betörende Vision vom Ende und vom Anfang der Welt reduziert auf einem Kreuzschiff, dass als Mikrokosmos für das Universum steht. Darin sind Unterschiede zu sozialen Klassen klar definiert : Es gibt einfache Passagiere, skrupellose Arbeiter und mächtige Politiker, die hier vertreten sind. Obwohl noch eine Form sozialer Ordnung herrscht, macht Ki-Duk in all seinem Pessimismus keinen Hehl darum zu betonen, wie verdorben der Mensch ist. Eine betäubte Frau wird von allen Assistenten des Politikers vergewaltigt und trägt von nun an ein Kind in sich. Jenes Kind wird, entgegen jeglichen Vorstellungen, schließlich zum Symbol der Hoffnung für Menschheit werden. Solche Paradoxen ziehen sich durch diesen rücksichtlosen, blutgetränkten Abgrund eines Filmes. Ein alter Mann als stiller Beobachter pflanzt Hoffnung, sohl metaphorisch als auch buchstäblich. Er glaubt an die heilende Wirkung des Lebens oder scheint es zumindest. Doch auch er wirkt beschränkt in seinen Möglichkeiten. "War er nicht Gott ?" spricht der Film schließlich für uns aus. Keine Antwort an dieser Stelle.
HUMAN, SPACE, TIME AND HUMAN ist ein pessimistischer Ausblick auf die Menschheit. Er offenbart den Mensch als verdorben und in Extremsituationen, welche der Film schließlich kreiert, reagiert er in seinen wahren Mustern. Als, sich und seinen Nächsten, verschlingender Moloch. Und trotzdem muss gekämpft werden, wofür auch immer. Doch Ki-Duk weigert sich jenes Kämpfen irgendwie zu beantworten, denn letztendlich sieht er uns nur als Teil in einer Kette, in der der Mensch nur die Reste verputzen darf, was ihm Zeit und Raum hinwerfen. Ob wir überleben oder sterben, uns zerfleischen oder vergeben, es spielt keine Rolle. Die Welt wird ohne uns weiter gehen, sie wird den Weg gehen, für den wir selbst zu unfähig waren.
Der Mensch als Wunde, die nie geheilt werden kann.