Der Abspann von Deadpool & Wolverine ist unangenehmer als jeder Ryan Reynolds-Witz

03.08.2024 - 10:03 UhrVor 7 Monaten aktualisiert
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Deadpool & Wolverine schießt sich mit seiner unpassenden Abspann-Nostalgie selbst ins Knie. Das Rückblick-Video hätte Ryan Reynolds Kino-Hit lieber stecken lassen.

Achtung, es folgen Spoiler. Gleich in der ersten Szene von Deadpool & Wolverine macht Ryan Reynolds' roter Rächer dem Publikum klar, dass er nicht respektvoll mit dem MCU- und X-Men-Erbe umgehen wird. Anschließend sehen wir den gewaltbereiten Erzähler Logans Leiche schänden, indem er Wolverines Adamantium-Knochen als Waffen gegen eine Armee von Agenten einsetzt.

Wie auch immer man zu dem blutigen Kampf steht: Er gibt die Marschrichtung des dritten Deadpool-Films für die nächsten zwei Stunden vor – eine Lachparade auf Kosten voriger Marvel-Helden, die entweder Bauchschmerzen vom vielen Cringen oder Zwerchfell-Schmerzen vom vielen Lachen provoziert. Bei seinem Abspann liefert der selbsterklärte Marvel-Jesus dann allerdings etwas ab, was überhaupt nicht zum Rest des Films passt.

Das Abspann-Video in Deadpool & Wolverine fällt komplett aus dem Rahmen

Am Ende von Deadpool & Wolverine hat das Helden-Duo gemeinsam Wades Welt gerettet und so darf Ryan Reynolds' Figur nicht nur Schlabber-Schoßhündchen Dogpool, sondern auch seinen persönlichen Grummel-Bär Wolverine mit nach Hause nehmen. Ende lustig, alles lustig. Aber stopp, da kommt noch was! Und zwar nicht nur die Post-Credit-Szene ganz am Schluss. Zum Abspann präsentiert der Film plötzlich ein rückblickendes Outtake-Video vergangener Marvel-Held:innen.

Als Zusammenschnitt alter Set-Aufnahmen flimmern Aufnahmen eines jungen Hugh Jackman bei seinem ersten Wolverine-Auftritt sowie der erste Deadpool-Fehlversuch in X-Men Origins: Wolverine vorbei. Nur ist das nicht alles. Neben den Marvel-Stars, die gerade in Gastauftritten für Überraschungen gesorgt haben, sprenkeln das Best-of-Video zusätzlich Video-Clips von Stars, die gar nicht dabei waren – wie beispielsweise die X-Men rund um James McAvoys Professor Xavier und Nicholas Hoults Beast.

Was soll das sein, eine Entschuldigung? Der Zusammenschnitt fühlt sich tonal wie ein Rückzieher an. Nachdem Deadpool mitleidlos grinsend 120 Minuten lang mit Meta-Witzen zur Disney-Fox-Verschmelzung auf Marvel eingeprügelt hat, wirkt die Behind-the-Scenes-Collage wie ein zahmer Versöhnungsversuch. Ein nachgeschobenes 'Wir haben uns doch alle lieb' ist aber völlig unpassend für den sonst so kompromisslos über die Stränge schlagenden Deadpool.

Deadpools Outtake-Video trifft den falschen Ton

Dass ein Film in seinem Abspann noch einmal gefühlvoll auf die eigene (Vor-)Geschichte zurückschaut, ist nichts Neues. Wer könnte die Credits von Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs vergessen, in der die Stars der gesamten Trilogie in gezeichneten Porträts auflebten? Auch ein Gag-Reel, das als Collage fehlgegangener Szenen am Ende nochmal zum Lächeln anregte, ist mit unzähligen Vertretern von Anchorman bis Selbst ist die Braut eine erprobte Praxis. Deadpool & Wolverine aber will beides und scheitert am Mix von Humor und Nostalgie – den seine zwei ungleichen Helden eigentlich leben.

Das Video schaut auf die Marvel-Kinogeschichte der letzten drei Jahrzehnte und schwelgt damit unweigerlich in schönen Erinnerungen. Ganz unironisch. Dieses Gefühl kann selbst der blödelnde Behind-the-Scenes-Charakter der Aufnahmen nicht brechen. Eine ehrliche Würdigung des Vergangenen steht allerdings komplett konträr zu dem, was Deadpool uns im Film davor gezeigt hat. Dieser Stimmungswechsel ist ungefähr so, als würde Spider-Man: No Way Home nach dem emotionalen Ende noch Spideys nicht jugendfreie Gewalt-Szenen zeigen oder Avengers 4: Endgame in den Credits rückblickend die Marvel-Zeichentrick-Geschichte aufrollen.

Mit der Montage streichelt Ryan Reynolds das eigene Ego als Marvel-Retter. Aber die Schere zwischen Realität und Wunschtraum klafft hier weit auf. Schließlich war Deadpool immer bewusst ein Außenseiter, der bei den anderen Superhelden-Abenteuern außen vor blieb und damit erfolgreich einen Großteil seiner Witze befeuerte. Sich jetzt als Höhepunkt aufzuspielen, passt hier nicht. Schlimmer noch: Die nachgereichten Abspann-Auftritte schmälern die Stärke der restlichen Besetzung.

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Deadpool & Wolverine zeigt im Abspann unangenehm, wer im Film fehlt

Denn bereits die unzähligen vorangegangenen Cameos in Deadpool & Wolverine zelebrieren augenzwinkernd 26 Jahre Marvel-Geschichte. Wir haben also bereits ein Best-of, bevor dieses absonderliche Abspann-Filmchen um die Ecke kommt. Doch vorher waren alle Stars mit Gastauftritten "Ausschuss-Ware" – und passten dadurch perfekt zum Sonderling Deadpool: eine gefloppte Elektra (Jennifer Garner), ein fast vergessener Blade (Wesley Snipes), ein bald zum dritten Mal neu aufgelegter Fantastic Four-Held (Chris Evans) und sogar ein Channing Tatum, der seinen Gambit-Traum nie erfüllt bekam.

Indem Deadpool & Wolverine am Ende den roten Abspann-Teppich für alle Held:innen der Vergangenheit ausrollt, werden die bizarren Figuren wieder aus dem Rampenlicht gedrängt. Im besten Fall sorgt das nur für ein irritiertes Stirnrunzeln oder Schulterzucken. Im schlimmsten Fall weckt es Begehrlichkeiten nach all den Held:innen, die wir nicht wiedergesehen haben. Also nach den Professor Xaviers und Tony Starks dieser Welt, für die Deadpool dann eben doch nur der räudige kleine Bruder ist.

Mit dem bildlichen Namedropping berühmter(er) Stars schießt Deadpool sich selbst ins Knie, weil in den alten Aufnahmen unweigerlich die Frage mitschwingt, ob der Film diese großen Namen nicht zu einem "echten" Auftritt überreden konnte.

Der enorme Erfolg von Deadpool & Wolverine ist dem Blockbuster natürlich selbst mit seiner Abspann-Wunde sicher. Schließlich hat Ryan Reynolds "Merc with a Mouth" Selbstheilungskräfte, mit denen der Fehltritt nicht weiter auffällt. Bedauerlich ist es trotzdem, dass Deadpool auf der Ziellinie seine 'Alles ist ein Witz'-Prinzipien aufgibt, um auf einer so unausgewogenen Note missglückter Nostalgie zu enden.

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