Haus des Geldes schießt sich in Staffel 4 mit unnötigen Klischees selbst ins Knie

02.05.2020 - 09:55 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Haus des Geldes: Ist Staffel zu 4 "zu spanisch"?Netflix
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Haus des Geldes tappt in Staffel 4 bei Netflix in eine ärgerliche Falle: Statt die eigene Nationalität neu zu definieren, liefert die neue Season unnötige spanische Klischees ab.

Haus des Geldes ist vor Kurzem mit Staffel 4 in eine schockierende und packende neue Runde gestartet. Die Rückkehr der Bankräuber rund um den Professor konnte überraschen, dürfte an einigen Stellen aber so manchem Zuschauer auch unnötig spanisch vorgekommen sein. Mir zum Beispiel.

In der kommenden 5. Staffel wird Haus des Geldes sechs drängende Fragen beantworten müssen. Doch bis es so weit ist, frage ich mich, ab welchem Punkt eine spanische Serie zu viel des Guten an "spanischen Inhalten" mitbringt.

Haus des Geldes: Spanien trifft bei Netflix auf den Rest der Welt

Dass Haus des Geldes als spanisches Serie als solche in ihrer Nationalität auch erkennbar ist, sollte zunächst erst einmal als Gewinn gesehen werden. Netflix ermöglicht vielen internationalen Produktionen (abseits des US-amerikanischen Heimatlandes des Streaming-Dienstes) ein Sprungbrett: Zuschauer weltweit können nun Filme und Serien aus anderen Ländern entdecken.

Haus des Geldes: spanische Dalí-Masken

Der Drehort Spanien präsentierte sich mit Haus des Geldes weltweit in einem neuen Licht. Wer hat nicht Lust, nach der Heist-Serie mal nach Madrid zu fahren und sich die berühmten Schauplätze anzusehen?

Auch die seit Staffel 1 präsenten ikonischen Casa-de-Papel-Masken, die fast ganz anders ausgesehen hätten, sind klar dem spanischen Künstler Salvador Dalí nachempfunden. Hier verschmilzt Popkultur und spanische Kunstgeschichte. Andere ikonische Momente sind wiederum durch Zufall entstanden und das ist auch in Ordnung.

Die Hymne der Serie, Bella Ciao, ist sogar ein italienisches Widerstandslied. Darüber hinaus spielt Haus des Geldes immer wieder mit Zitaten auf international berühmte Filme jenseits der eigenen Grenzen an (zum Beispiel bei Stirb Langsam-Nacheiferer Gandía, der als John McClane betitelt wird). Spanien zeigt sich hier weltoffen und seiner internationalen Zuschauerschaft bewusst.

Haus des Geldes: Stiere, Paella und Bier in Netflix' 4. Staffel

Doch genau dieses Wissen um den Blick der Welt auf Spanien führt in der 4. Staffel von Haus des Geldes bei Netflix zu einigen Momenten, die auf den ersten Blick lustig erscheinen, auf den zweiten aber eher ärgerlich sind. Achtung, es folgen Spoiler!
Haus des Geldes: Stier mit Professor & Marseille in Staffel 4

Gleich zu Beginn versteckt sich der Professor (Álvaro Morte) auf seiner Flucht vor einem großen schwarzen Stier. Von selbigem wilden Tier werden er und der endlich gewürdigte Neuzugang Marseille (Luka Peros) wie zwei Toreros angegriffen. Mit dem Wappentier der Spanier, das jeder Tourist in ikonischer Pose als Postkartenmotiv erkennen kann, sowie dem über die iberischen Grenzen hinaus bekannten Stierkampf ist das alles sehr ... ähm, spanisch.

Später fordern die Geiselnehmer in Haus des Geldes Staffel 4 Essen, was ihnen in die Bank geliefert wird, in der sie sich verschanzt haben. Und welches spanische Nationalgericht wird ihnen gebracht? Richtig: große Pfannen mit Paella. Ach ja, und Cerveza, also spanisches Bier, gibt es auch noch.

Haus des Geldes: spanische Paella in Staffel 4

Das internationale Publikum, zu dem ich mich als deutsche Haus des Geldes-Guckerin zähle, kann ich dieses ach so spanische Verhalten zunächst belächeln ... zumindest so lange, bis mir der Geschmack von Bier, Stier und Paella nach dem ersten Bissen als peinliche Klischees im Halse stecken bleibt.

Haus des Geldes sollte Chancen nutzen, statt Stereotypen zu bedienen

Denn wenn eine spanische Serie derartig betont auf Bilder und Gerichte zurückgreift, die "typisch spanisch" sind, dann sind das eben langweilig festgefahrene Vorstellungen. Solange sie von Innen heraus kommen, lassen sich Klischees in Haus des Geldes sogar genießen. Doch die "Über-Spanifizierung" in Staffel 4 ist eben ein Blick von außen auf Spanien. Und das ist sehr schade.

Stiere und Paella in Haus des Geldes fühlen sich für mich so an, als wenn Dark jetzt alle Figuren in Lederhosen stecken und sie Bratwurst und Sauerkraut essen lassen würde. Dabei bin ich stolz, dass eine düster-intelligente deutsche Zeitreise-Serie bei Netflix der Welt einmal von Deutschland ein anderes Gesicht präsentiert als das altbekannte.

Haus des Geldes: der Professor plant

Der internationaler Erfolg einer Serie wie Haus des Geldes ist eine große Chance, sich neu zu definieren: Hier können Länder sich über ein Entertainment-Produkt ein anderes, aufregendes, neues Image aufbauen. Hier bietet sich die Gelegenheit, die Perspektive auf die Heimat nach außen hin zu verändern.

Netflix sollte Haus des Geldes einen neuen Blick auf Spanien schenken

Ich weiß nicht, ob Stiere in Haus des Geldes dem internationale Einfluss der Netflix-Produzenten zuzuschreiben sind, die die Serie seit Staffel 3 finanzieren. Immerhin folgen schon die Städtenamen einer internationalen Strategie. Trotzdem sollte sich das Heist-Format in Zukunft lieber nicht mit Klischees ins eigene Knie schießen, sondern die Laufschuhe neuer Ideen anschnüren.

Dann werden wir in Zukunft vielleicht an Bankräuber statt Paella denken, wenn das Wort "Spanien" fällt. Denn Netflix macht uns zu Touristen der anderen Art. Film- und Serien-Touristen, die sich ein Land auf neue Weise erschließen und dabei vielleicht zu einem anderen Ergebnis kommen.

Haus des Geldes: Staffel 4-Poster-Ausschnitt

Abschließend sollte klar sein: Diese Details sind natürlich nur Kleinigkeiten im Getriebe einer Großproduktion. Als Randerscheinungen lassen sie sich leicht ignorieren. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass Staffel 5 nicht weiter in das Fettnäpfchen tappt, über-spanisch sein zu wollen.

Denn wenn Netflix mit Haus des Geldes im Kugelhagel seiner Handlung frische Samen pflanzt statt alte Saat wiederzukäuen, könnten wir mit noch mehr Leidenschaft einen neuen spanischen Blick genießen, der für die ganze Welt nach innen gerichtet ist.

Podcast für Haus des Geldes-Fans: Lohnt sich Staffel 4?

In dieser Minifolge unseres Moviepilot-Podcasts Streamgestöber - auch bei Spotify  - prüfen wir nach unserem allgemeineren Podcast zu spanischen Netflix-Serien ganz konkret die 4. Staffel von Haus des Geldes auf Herz und Nieren:

Max fragt Esther zu Stärken und Schwächen der neuesten Season Haus des Geldes aus, die ganz bestimmt nicht langweilig ist, bevor über mögliche Wendungen in Staffel 5 der Netflix-Serie spekuliert wird.

Haben euch die überdeutlichen Spanien-Verweise in Haus des Geldes 4. Staffel gestört?

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