Jahresrückblick - Die schlechtesten Filme 2018

23.12.2018 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Avengers 3: Infinity War
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Avengers 3: Infinity War
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Das vor Superhelden und verkappten Franchisen überquirlende Hollywoodkino lässt wenig Raum für andere Erzählungen, durchsetzungsfähig ist höchstens noch dümmlicher Kitsch. Mr. Vincent Vega kürt die 10 schlechtesten Filme des Jahres.

Laut Filmförderungsanstalt gingen die deutschen Kinobesucherzahlen in der ersten Hälfte 2018 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 15 Prozent zurück. Das könnte an der Fußball-Weltmeisterschaft oder dem schönen Wetter gelegen haben. Möglicherweise aber hatte es auch mit Filmen zu tun, die eher gewohnt denn gewollt waren, die kein umfassend überzeugendes Alternativangebot zur sonstigen Verfügbarkeit von "Inhalten" machten und sich außerdem kaum noch voreinander unterscheiden ließen. Nach der Bestandsaufnahme zum Kinojahr 2018 folgt hier die Liste der 10 schlechtesten Filme.

Platz 10: The 15:17 to Paris

Geschichten über Menschen, die Terroristen in den Arsch treten, kann es eigentlich nicht genug geben, was auch einmal für die Regiearbeiten von Clint Eastwood galt, bevor er mit Stühlen sprach und Filme von bemerkenswerter politischer Schlichtheit drehte. In The 15:17 to Paris bekommen wir es erneut mit Figuren zu tun, die sich für Football, Gott und Feuerwaffen interessieren, wobei die Fähigkeiten im Umgang mit solchen Waffen bereits frühkindlich angelegt und Voraussetzung des heldenhaften Handelns sind, auf das der Film gemächlich zusteuert.

Da die Figuren also kaum deutlicher als Eastwood-Prototypen identifizierbar sein könnten, hat der 88-jährige seinen Film über einen vereitelten Terroranschlag in Frankreich mit jenen US-Amerikanern besetzt, die tatsächlich 2015 im Thalys-Zug das Schlimmste verhinderten. Was dadurch an mutmaßlich beabsichtigter Authentizität gewonnen wird (keiner der Darsteller kann vor der Kamera einen Satz geradeaus sprechen), summiert sich zum sonderbaren Reenactment, das jede Irrelevanz im Leben der Helden auf Amateurfilmniveau ausbreitet. Eventuelles Durchhaltevermögen wird dann mit einem fassungslos machenden Abschnitt belohnt, der in Deutschland spielt.

The 15:17 to Paris

Platz 9: Black Panther

Ungefähr ein halbes Jahr nach Kinostart von Black Panther diskutierten deutsche Filterblasen aufgeregt über ideologische Irritationen des Films und die Versuche seiner Vereinnahmung durch Teile der Identitären Bewegung. In den USA waren zu diesem Zeitpunkt bereits zahlreiche Kritiken, Essays und Videos erschienen, die sowohl die Anschlussfähigkeit der gefeierten Disney-Diversity an den Protektionismus der Alt-Right thematisierten, als auch sich vorsichtig zu fragen trauten, was noch progressiv sei an einer schwarzen, aus marginalisierter Perspektive erzählten Selbstermächtigung, die vor Nationalismus und Blutreinheitslehren strotzt.

Black Panther ist nicht der erste Film, an dem linke und rechte Argumentationslinien verschwimmen. Beobachten lässt sich die Ethnisierung von Kinostoffen, bei der angebliche kulturelle Eigenschaften entweder sakralisiert oder verdammt werden, vor allem in der seit Jahren andauernden Diskussion um sogenanntes Whitewashing. Durch ein künstliches Alleinstellungsmerkmal gelang es Marvel jedoch auf bemerkenswerte Weise, dass auch die Filmkritik sich mit nichts anderem als Identitätsfragen beschäftigte. Vielleicht ist Black Panther der erste unfreiwillige Querfront-Blockbuster.

Black Panther

Platz 8: Deadpool 2

Zur kuriosen Rezeption des Vorgängers gehörte die Behauptung, er sei eine willkommene Abwechslung vom bunten Marvel-Mainstream, weil es einerseits sehr brutal und frech darin zugehe, sich der Film aber andererseits auch selbst auf die Schippe nehme. Großzügig übersehen wurde offenbar, dass Deadpool abzüglich seiner ausgestellten Blutspritzer genau da weitermachte, wo die kinderfreundliche Konkurrenz des Hauptmarkenverwalters anfing: Beim unaufhörlichen Runterrattern des eigenen Referenzkatalogs, der stolzen Verweigerung von Ernst und jedweder Bedeutung sowie einer sehr braven und komplexitätsreduzierten Idee des Superhelden.

Auch Deadpool 2 ist viel zu feige, mit diesem Konzept zu brechen. Noch einmal werden die nervigsten, längst überwunden geglaubten Elemente der Kinopostmoderne ausgebuddelt, um sich eingeweiht fühlende Zuschauer mit Witzen für vorgebliche Kenner zu bespaßen. Die Selbstreflexivität des Films beginnt und endet in der Feststellung seiner Hauptfigur, dass er zwar schlecht geschrieben und nur eine Wiederholung des Bekannten sei, allerdings trotzdem super gefunden werden müsse, weil er diese Mängel ja zum Thema mache. So geht cleveres Kino 2018.

Deadpool 2

Platz 7: Meg

Dass ein vielleicht mühsam mit dem Computer getrickster Megadolon im Vergleich zur Bruce getauften Attrappe aus Steven Spielbergs ewigem Haiklassiker weniger bis gar keine Wirkung erzielt, kann niemanden überraschen - die 25 monströsen Meter des neuen Films bleiben schlicht eine digitale Behauptung. Schon eher verwunderlich ist die ebenso unsichtbare Differenz von 150 Millionen Dollar, die Meg angeblich von Billigproduktionen wie Sharknado trennen soll, obwohl er kein bisschen teurer aussieht. Und überhaupt gibt hier manches Rätsel auf, etwa jene vollständig aus doofen Sprüchen und Punchlines zusammengesetzten Interaktionen, die einen nichtsdestotrotz auffällig unspaßigen, keinerlei Freude bereitenden Film dominieren.

Zudem hat es seit Matt Damons Propagandaflop The Great Wall keinen peinlicheren Versuch gegeben, US-amerikanische und mutmaßliche chinesische Zuschauerbedürfnisse gleichermaßen zu befrieden, durch eine Liebesbeziehung nämlich, die noch irrealer als der Computerhai ist, und ein Ensemble, hinter dessen vielfältiger Besetzung unangenehmes Kalkül steckt. Wenn das künftig die Alternative zum Superhelden-Blockbuster sein soll, kann der Laden auch gleich dicht gemacht werden.

Meg

Platz 6: Mute

Im Rennen um die lausigste Netflix-Produktion hängt Mute nicht nur zahlreiche diesjährige Mitläufer (Wolfsnächte, Apostle, The Cloverfield Paradox), sondern auch den bisherigen Spitzenreiter (Bright) mühelos ab. Wie lässt sich erklären, dass den meisten Science-Fiction-Filmen selbst 35 Jahre nach Blade Runner nichts weiter einfällt, als Cyberpunk und Retrofuturismus des ungebrochenen Vorbilds nachzubuchstabieren? Wo sind sie geblieben, die grenzenlosen Bilderwelten, die uns das digitale Kino in Aussicht stellte, die unmöglichen Designs und ästhetischen Herausforderungen?

Hier nun offenbart sich die ganze gegenwärtige Agonie eines Genres, zu dem vielleicht wirklich schon alles gesagt und gezeigt wurde. Duncan Jones, den manche aus unerfindlichen Gründen seit 10 Jahren für ein großes Regietalent halten, besitzt keinerlei Gespür für Science-Fiction. Er hat zweifellos die richtigen Filme gesehen, aber konsequent falsche Schlüsse aus ihnen gezogen. Stellenweise wirkt Mute so kolossal gegen die Wand gefahren, dass sich die Frage aufdrängt, ob ihn die Welt möglicherweise kollektiv missverstanden hat. Sollte er irgendwann tatsächlich neu entdeckt und gefeiert werden, muss ich das hoffentlich nicht mehr erleben.

Mute

Platz 5: Werk ohne Autor

Über die geschmacklose Parallelmontage von Frauen in Gaskammern und Luftangriffen auf Dresden diskutierten Kritiker schon bei den Filmfestspielen von Venedig, in deren Wettbewerb sich Werk ohne Autor verirrt hatte, bevor er auch noch als deutscher Beitrag für die Oscarverleihung 2019 ausgewählt wurde. Zu den denkwürdigsten Momenten des Filmjahres zählte die Nachfrage einer Journalistin auf der Pressekonferenz in Venedig zum Sinn ebendieser Szene, was Florian Henckel von Donnersmarck erst in Verlegenheit und dann sichtlich durcheinander brachte.

Der Grund ist simpel, es gibt keine oder jedenfalls keine unpeinliche Erklärung dafür, den Vernichtungswahn der Nazis und die Versuche seiner Bekämpfung durch die Westalliierten in ein gemeinsames Bild zu setzen. Und wer es schließlich doch tut, wider besseres Wissen oder weil er die Implikationen nicht scheut, muss sich mindestens den Vorwurf gefallen lassen, einen sehr dummen Film gemacht zu haben. In seiner Vulgarität ist der Moment allerdings auch ein treffliches Symbol. Die Unfähigkeit des deutschen Kinos, deutsche Täterschaft relativierungsfrei abzubilden, kam selten großkotziger zur Geltung.

Werk ohne Autor

Platz 4: The Nun

Eigentlich ist schon die Idee eines Conjuring-Franchise recht irre: Gegenstände und Figuren, die als Überbleibsel von paranormalen Hilfseinsätzen im Haus eines Dämonenjägerehepaars verschimmeln, sollen das Zeug zur großen Kinoerzählung haben. Neben den regulären, wenigstens noch mit Vera Farmiga und Patrick Wilson besetzten Sequels werden deshalb auch Filme über die hässliche Puppe Annabelle oder jene dämonische Nonne gedreht, die in Conjuring 2 für einige schlechte Jump-Scares verantwortlich war. Natürlich hätten die Macher genauso gut Spin-offs zu alten Bettlaken oder knarzenden Standuhren in Produktion geben können - entscheidend ist allein, dass sich jeder filmische Furz zum niemals endenden Cinematic Universe ausbauen lässt.

Dass The Nun zu Beginn ungefähr zwei Sekunden an europäische Exploitation-Filme der 1970er Jahre erinnert, sollte nicht irritieren. Dies ist ein aktueller Horrorfilm wie jeder andere, mit Kinoeinahmen von 365 Millionen Dollar lediglich ein besonders erfolgreicher. Bieten möchte er außer lauten Soundeffekten und willkürlich aufblitzenden Fratzen nichts. Wer keine Ideen hat, lässt es einfach ständig knallen. Und Ideen hatten die Conjuring-Produzenten ja wirklich noch nie.

The Nun

Platz 3: Avengers 3: Infinity War

Dass Superhelden-Filme aus Kino schlechtes Fernsehen gemacht haben, zählt wohl zu den besonderen Reizen von Marvel-Produktionen, deren Anhänger alle paar Monate 15 Euro für die neueste Doppelfolge ihrer ewig laufenden Lieblingsserie zu zahlen bereit sind. Avengers 3: Infinity War trägt das Versprechen auf Endlosigkeit sogar im Titel, wobei eine jede Sekunde spürbare Lauflänge von 150 Minuten die Richtung vorgibt (den Russo-Brüdern  zufolge hat sich das Format des zweistündigen Films sowieso überholt).

Das Erstaunlichste an dieser plotfrei aufgeblasenen und äußerst hässlichen Spielzeugwerbung ist, mit welcher Inbrunst, Leidenschaft und teils auch Geschocktheit über angebliche Figurentode debattiert wurde, als würde Marvel sich tatsächlich wichtiger Protagonisten entledigen - oder als sei in diesen Filmen jemals etwas konsequent, notwendig und relevant gewesen. Daran zeigt sich eine in der Tat respektable Wirkmächtigkeit, die augenscheinlich vergessen oder gar nicht erst beachtenswert macht, dass das vor grünen Wänden und weitgehend ohne zwischenmenschliche Verständigung gedrehte Digitalgetöse zwar Bilder in Bewegung zeigt, sonst aber eigentlich nicht mehr viel mit einer Definition von Film zu tun hat.

Avengers 3: Infinity War

Platz 2: Wunder

Schwer zu glauben, aber wahr: Es gibt eine noch schrecklichere Form von Kino als Marvel, nämlich inspirative Filme. Diese Form des Erbaulichkeitskitsches trotzt jeder Wahrscheinlichkeit (was erstmal super ist), hat also nicht das geringste Interesse an Plausibilität, und muss als überzeugende Kinopredigt außerdem unüberbrückbare Widerstände leugnen (was nicht mehr ganz so super ist) und die Erzählung mit ihren Konflikten versöhnen (was dann zum großen Ärgernis wird). Im Speziellen unerträglich sind inspirative Filme, die zu diesem Zweck Menschen mit Behinderung, Krankheiten oder anderen Dingen, die sie angeblich besonders und daher für ihre Umwelt anregend machen, instrumentalisieren.

Wunder erzählt von Auggie, einem 10-jährigen Jungen mit Gesichtsfehlbildungen, der kein normales Kind sein darf, sondern von Drehbuch und Regie dazu verdonnert wird, jeden um sich herum zu einem besseren Menschen zu machen - den zunächst nicht ganz so besten Freund toleranter, den von reichen Eltern abhängigen Schulleiter durchsetzungsfähiger, die ihn verleugnende ältere Schwester aufrichtiger. Am Ende versichert Mutti Julia Roberts, dass Auggie ein Wunder sei. Und wer sich da noch nicht übergeben hat, zückt gerührt die Taschentücher.

Wunder

Platz 1: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Ungeachtet aller ideologiekritischen Einwände, die sich am Plot und seiner Inszenierung, an den Figuren und ihrer Haltung, an der Sprache und deren Handhabung vielleicht unterschiedlich nachweisen lassen und deshalb schlicht Auslegungssache sind, kann eines ganz sicher gesagt werden: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist ein hervorstechend schlecht gemachter und auf idiotische Weise rührseliger Film. Schlecht gemacht nämlich, weil alles an ihm vor Funktionalität quietscht, seine Scharnierfiguren zum Beispiel, die weder reden noch handeln wie Menschen, sondern stets nur den nächsten Witz vorbereiten.

Auf idiotische Weise rührselig ist der Film wiederum, weil er einfältige Drehbuchmanöver nutzt, um Kompliziertes möglichst unkompliziert, vor allem jedoch emotional erscheinen zu lassen. Tatsächlich muss hier eine Figur allein deshalb sterben, damit sie einer anderen Figur mittels Voice-Over aus dem Jenseits zur Läuterung verhilft. Sogar ABBA werden dafür missbraucht. Und die sinnloseste Plansequenz des Jahres gibt es obendrauf. In den 1990er Jahren zählten vermeintliche Kultfilme wie dieser zum Schlimmsten, was das Kino zu bieten hatte. Vermutlich muss jede nachfolgende Generation das aufs Neue lernen.

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

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