Männer? Nur noch im Porno, bitte! Annette Bening und Julianne Moore haben in The Kids Are All Right als lesbisches Paar ihr Familienglück selbst übernommen. Per Samenspende wurden zwei hübsche Kinder gezeugt und alles läuft wunderbar, bis plötzlich der Samenspender vor der Tür steht. Auf einmal bröckelt das Familienglück, denn ein Mann drängt sich in die harmonische Einheit.
Die Kritiker überschlagen sich vor Begeisterung für The Kids Are All Right, auf rottentomatoes erntet der Film bei Kritikern eine sagenhafte Wertung von 97% positiver Reaktion. Vor allem die beiden Hauptdarstellerinnen Julianne Moore und Annette Bening ernten eine Menge Jubel und besonders Annette Bening wird für ihre fantastische Leistung schon als brandheiße Oscarkandidatin gehandelt. Als launische Ärztin mit Alkoholproblem, die glaubt, ihre Familie zu verlieren, liefert sie eine wirklich beeindruckende Leistung ab. Als Vaterfigur der unkonventionellen Art kämpft sie mit aller Kraft um ihre Familie, als sie sich durch den Auftritt eines vermeintlichen Konkurrenten beinahe ersetzt sieht.
Schützende Löwinnen gegen soziopathische Irre
Mittlerweile ist es also soweit, dass die Väter, denen das Familienglück über allem liegt, von Frauen verkörpert werden. Der moderne Mann und sein Platz in der Familie hat in Hollywood gerade ein schlechtes Image. Wir müssen uns nur einmal die Oscar-Gewinner der vergangenen Jahre auf beiden Seiten ansehen: Letztes Jahr gewann Sandra Bullock für ihre Rolle in Blind Side – Die große Chance den Oscar als Beste Hauptdarstellerin. Ihre Rolle: Eine energische Südstaatlerin, deren höchstes Glück das Leben ihre Familie ist. Was war die Rolle des männlichen Gewinners Jeff Bridges in Crazy Heart? Die eines alkoholkranken Countrymusikers, der seine Familie schon lange im Stich gelassen hat und sein Leben nicht auf die Reihe bekommt.
Ein Jahr vorher wurde Mickey Rourke in The Wrestler groß gefeiert, ebenfalls in der Rolle eines kaputten Draufgängers, der in puncto Familienplanung komplett versagt hat. Und auch die Liste anderer großer “Männer-Performances” der letzten Jahre liest sich eher wie die Einwohnerliste einer Irrenanstalt, als ein Beispiel für männliche Vorbilder: Da finden sich psychopatische Killer (Javier Bardem in No Country for Old Men, Heath Ledger in The Dark Knight) neben amoralischen Verbrechern (Christoph Waltz in Inglourious Basterds, Forest Whitaker in Der letzte König von Schottland – In den Fängen der Macht) und getriebenen Asozialen (Daniel Day-Lewis in There Will Be Blood, George Clooney in Up in the Air).
Auch in diesem Jahr wandeln die Jungstars in diesen festen Strukturen: Jesse Eisenberg spielt in The Social Network ein asoziales Junggenie, während Newcomerin Jennifer Lawrence sich in dem ebenfalls als Oscarkandidat geltenden Winter’s Bone mit großen Problemen herumschlagen muss, die, oh Überraschung, ihr nutzloser Vater verbockt hat.
Von integeren Familienvätern keine Spur
In den letzten Jahren scheint sich das Bild des versagenden Rabenvaters derart etabliert zu haben, das mittlerweile eine Frau in der Rolle des vorbildlichen Ernährers die bessere Figur macht. Vorbei die Zeiten, als James Stewart in Ist das Leben nicht schön? oder Gregory Peck in Wer die Nachtigall stört Vorbilds-Väter spielten, aber auch Dustin Hoffman als leidender Vater in Kramer gegen Kramer oder Steve Martin als leidgeprüftes Familienoberhaupt in Vater der Braut überzeugten.
Der moderne Film-Vater ist an seiner eigenen Lebenserfüllung mehr interessiert, als am Geschick seiner Liebsten und sobald es brenzlig wird, ist er über alle Berge. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, aber es scheint, als hätte Hollywood sich momentan in zwei Rollenkonzepte besonders verliebt: die Frau als Familienlöwin, die sich selbstlos aufopfert und der Mann als nutzloser Unruhestifter, der letztlich doch nur Ärger macht.
Steht Hollywood kurz vor dem Ausruf des Matriarchats?
Sicher lässt sich diese Debatte nicht einzig und allein auf dem Rücken von The Kids Are All Right austragen. Aber es ist schon bemerkenswert, wie sich der Film in diesem Szenario verhält. In der Konfrontation zwischen der aufopfernden Vatermutti und dem verantwortungslosen Alt-Hippie-Samenspender scheint es nur eine(n) geben zu können, eine Wandlung des Versager-Vaters wird kategorisch ausgeschlossen. So fragt auch Rainer Gansera in der Süddeutschen: “Warum kann der Film nicht einmal für den Wimpernschlag einer Traumsekunde das Bild einer Familie entwerfen, in die Paul integrierbar wäre?”
Auch wenn der von Mark Ruffalo gespielte Paul eigentlich gar kein so schlechter Kerl ist, ist die Reaktion auf seine Annäherungen beinahe rabiat. Nur weg mit dem Kerl, er kann nur Ärger bedeuten!
Neues Vorbild gesucht!
Es scheint, als hätten die Damen Hollywoods ebenso wie die zwei Frauen in The Kids Are All Right beschlossen, das Konzept des treusorgenden Patriarchen für veraltet zu erklären und die Sache schlichtweg selbst in die Hand zu nehmen. Der Mann als Held? Das gilt bestenfalls noch in dünnen Rom-Coms oder Superheldenfilmen und auch hier ist die Familienkompatibilität eher gering. Batman, Superman, Spiderman – alle unverheiratet und kinderlos. Und das Familienleben von Jack Bauer in 24 ist auch wenig harmonisch.
Was bleibt, ist der Mann als unbeherrschter Eindringling, als Gewaltpotential und Ruhestörer, der den Zankapfel in die ansonsten harmonischen Strukturen trägt und deshalb schon vor der Haustüre abgewiesen werden muss. Ist das die Rolle, in der Männer im Film künftig aufgehen sollen? Als Anarchisten, die entweder alles kaputtmachen, oder ihre Umgebung rücksichtslos ihrer eigenen Agenda unterwerfen? Es fehlt vermutlich tatsächlich eine neue Vorbildsfigur, die diesem Trend entgegenwirkt, ein moderner Atticus Finch. Der wird wirklich schnell gebraucht, denn wenn eine Beziehungskiste ohne uns so rührend, authentisch und unverkrampft funktioniert wie in The Kids Are All Right, dann müssen wir uns wirklich fragen, liebe Männer: Was wollen wir hier eigentlich noch?
Wie schätzt du die Lage ein? Hat das Männerbild in Hollywood einen schweren Stand? Oder ist an der Debatte nichts dran? Wirst du dir The Kids Are All Right ansehen?