Hannibal - Ein wunderschöner Alptraum

28.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Hannibal
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Heute startet die zweite Staffel der Serie Hannibal in den USA und wir vergeben unser Herz für Serie an die wunderschön schaurige Serienkillerträumerei von Pushing Daisies-Macher Bryan Fuller.

Als die ersten Meldungen über eine weitere Thomas Harris-Adaption die Runde machten, dürften viele nur mit den Augen gerollt haben. Harris selbst hat seine Kreation Hannibal Lecter über jeden Sättigungsgrad hinaus Menschen verspeisen lassen und nun sollte der Kannibale wöchtentlich über die Mattscheibe flimmern. Auch das Casting von Mads Mikkelsen in Hannibal konnte die Zweifel nicht beseitigen, dass jeder Versuch, den Feinschmecker zu mimen, dank Anthony Hopkins überflüssig sei. Als Tüpfelchen auf dem Nachrichten-i sollte die Serie beim kriselnden Network NBC ausgestrahlt werden, das auf die durch The Walking Dead ausgelöste Horrorwelle im US-Fernsehen aufspringen wollte. Tatsächlich stellen sich all diese Warnsignale als Vorteile der Serie heraus.

In der Ruhe liegt der Horror
Im Kino wurde Hannibal Lecter nach dem Erfolg von Das Schweigen der Lämmer so lange verbraten, bis von ihm in Hannibal Rising – Wie alles begann nur noch ein verkokelter Überrest blieb. Insofern hatten Bryan Fuller (Pushing Daisies) und seine Hannibal-Autoren nichts zu verlieren. Vielleicht wirkt die Serie deswegen gleichermaßen befreit und vorlagengetreu. Hannibal erzählt in der ersten Staffel eine Art Vorgeschichte von Thomas Harris’ Roman Roter Drache, der zweimal verfilmt wurde (Blutmond – Roter Drache, Roter Drache), aber nicht ausschlaggebend für den Kult um den intellektuellen Kannibalen war. Anstatt also gleich in Episode 1 mit einer neuen Clarice Starling und einem neuen Lecter aufzutrumpfen, nimmt die Serie die weitaus weniger ikonische Figur Will Graham (Hugh Dancy) als Ausgangspunkt in der Annäherung an den mörderischen Psychiater.

Graham ist ein begabter Profiler, der seinen Job zu stark an sich heran lässt, was die Serie von Beginn an in die Nähe eines Albtraumes rückt, aus dem es immer schwerer wird, zu erwachen. Im charismatischen Hannibal Lecter scheint er einen Freund zu finden, dem er sich anvertrauen kann. Mehr als in der Vorlage von Thomas Harris oder deren filmischen Adaptionen lebt die Serie von der unbestreitbaren Zuneigung von Profiler und Psychiater, die womöglich beide im anderen etwas finden, das ihnen selbst fern liegt. In jeder anderen Serie wäre Hugh Dancys Nervenbündel Will Graham ein Klischee auf zwei Beinen, in Hannibal aber bildet der von Emotionen dauerüberwältigte Ermittler das nötige Gegengewicht zum teuflisch kalten Analytiker.

Ein würdiger Lecter
Mads Mikkelsen wiederum entgeht der Verlockung, Anthony Hopkins’ Interpretation zu imitieren. Sein Lecter besitzt die entscheidenden Wiedererkennungsmerkmale – der feine Gaumen, Eleganz, Intelligenz, Mitleidlosigkeit – bleibt aber Mysterium genug, um als unberechenbarer Manipulator im Hintergrund zu agieren. Nie können wir uns sicher sein, ob Lecter Graham über die Klinge springen lässt oder nicht. Dabei spielt die Serie, welche sowohl die Düsternis von Das Schweigen der Lämmer als auch die Sinnlichkeit von Hannibal in sich trägt, mit unseren Erwartungen. Wenn Lecter seinen Bekannten ein Festmahl zubereitet, werden dessen Zutaten mit derselben visuellen Opulenz eingefangen wie die als Kunstwerke stilisierten Tatorte, welche Graham so regelmäßig besuchen muss. Wird da wirklich gerade Lamm verspeist?

In ihrem inszenatorischen Einfallsreichtum löst sich die Serie dabei endgültig aus dem popkulturellen Schatten von Michael Mann, Jonathan Demme oder Ridley Scott und findet einen frischen Ansatz im filmischen Umgang mit Serienmorden. Für eine Network-Produktion sieht Hannibal einfach unglaublich gut aus. Anstatt wie The Following (FOX) die Brutalität einer Kabelserie stumpf zu importieren, versucht Hannibal, es narrativ und ästhetisch mit AMC, Showtime und HBO aufzunehmen, was der Serie auch gelingen könnte, wenn sie die Killer of the Week-Struktur in Staffel 2 fallen lässt (erste Kritiken deuten das an). Die an Gemälde erinnernden Motive des Todes (ein kunstvoller Körpertotem, ein fruchtbares Leichenbeet) verstärken den Eindruck, dass Morde hier nicht als Schockeffekt ausgeschlachtet werden. Sie verkörperlichen das seelische Grauen, welches Will Graham zu dem brillanten wie gequälten Profiler macht, der er ist. Hannibal Lecter ist ein Meister darin, es Realität werden zu lassen.

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