SKURRIL - Kommentare

Alle Kommentare von SKURRIL

  • 7 .5

    Mich haben in ZONE OF INTEREST vor allem einzelne Einstellungen erreicht, die äußerst subtile Bilder erzeugen und etwas Bedeutendes "richtig" machen: Sich im Sinne der Handlung ausschließlich auf die Nazi-Perspektive zu beschränken. Es wird nicht versucht, das unfassbare Leid der Juden explizit darzustellen; dies wird eher mit wortloser Bildgewalt oder dem subversiven Soundtrack kontrastiert.

    Das filmische Gesamtpaket überzeugt, ohne aber wirklich herauszuragen. Großartig ist, wie klar die Bilder sind; sie suggerieren sogar anfänglich, man befände sich in der Gegenwart bis plötzlich die Nazis zu sehen sind. Gleichzeitig wird dadurch eine Zeitlosigkeit der Ermahnung bewirkt. Auch Höß's Tod durch Strangulieren wird wirklich sehr gut als Foreshadowing inszeniert - da muss man erstmal draufkommen, so subtil ist das umgesetzt.

    Mir fehlt letztendlich trotzdem eine gewisse Kompromisslosigkeit, die Filme von Haneke oder Seidl beispielsweise erreichen und deren Impulse für mich maßgeblich sind, ein derartiges Schrecken widerzuspiegeln. Der Cut in die Gegenwart zu den putzenden Frauen war zwar heftig, aber mir persönlich viel zu wenig. Auch die Dissonanz des Soundtracks finde ich zwar gut, aber einen Ticken zu gewollt. Die visuellen Einschübe des Äpfel-pflückenden Mädchens waren für mich wohl das Beste am Film, sie ist und bleibt der einzige Charakter, der Menschlichkeit zeigt. Ähnlich haben mich die Szenen beeindruckt, in denen die Skrupellosigkeit der Planung von Konzentrationslagern sowie die Entmenschlichung und Objektifizierung der Juden gezeigt werden - gepaart mit jenem widerlichen Enthusiasmus gegenüber der deutschen Effizienz, Millionen von Menschen gezielt zu verbrennen.

    Beim Vorgänger UNDER THE SKIN (2013) hatte ich damals - trotz visueller Perfektion - ähnliche Gefühle, ZONE OF INTEREST fand ich aber deutlich besser. Vielleicht bin ich wohl einfach nicht sonderlich Glazer-affin.

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    • 9

      Hammer! Lanthimos ist zurück mit einem seiner stärksten Filme überhaupt. Hier steckt soviel auf einmal drinnen, dass es kaum möglich ist, alles in einem Kommentar anzusprechen oder anzudeuten - man könnte über POOR THINGS eher eine Abhandlung oder eine Masterarbeit schreiben. Selbst, wenn man nur auf einzelne Dinge famoser Art eingeht, kommt man vom Schwärmen nicht mehr los; das ist das, was Kino kann und Kino soll: begeistern und anregen. Die Bildgestaltung und das Szenenbild sind sagenhaft, die Besetzung und das Schauspiel eine Augenweide; aber der Kern vieler, sehr guter Filme ist eine sehr gute Vorlage: Das Drehbuch von Tony McNamara basiert auf Alasdair Gray’s Roman „Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D. Scottish Public Health Officer“, der wiederum als postmoderne Interpretation von Shelley’s Frankenstein empfunden werden darf. Ein Wind von Science Fiction, ein Hauch von Magischem Realismus, sozialkritisch und ab-/ bzw. einfordernd. Das alles bietet Lanthimos in Form eines sehr kurzweiligen, perfekt getimten und bebilderten Films an, ohne ein einziges Mal den Spannungsbogen abschwellen zu lassen oder gar der Redundanz zu verfallen. Im Gegenteil: wie bereits erwähnt reihen sich hier bedeutende Oberbegriffe oder Topoi philosophischer, pädagogischer, psychologischer, psychopathischer, soziologischer, medizinischer, wissenschaftlicher, ethischer und moralischer Natur aneinander, verschmolzen in enthusiastischer Empirie und Naivität. Die großen Fragen und die großen Hindernisse des Lebens werden allesamt angesprochen, ausgehend von Lanthimos’ Fähigkeit, das gefangene Ich zu befreien. Wenn Tarantino für Rache-Filme steht, dann steht der Grieche für den eklatanten Ausbruch aus dem Gefangensein. Manchmal zynisch, manchmal ernst werden grundlegende, Menschen charakterisierende Emotionen sowie Ideale sowie deren Konsequenzen in den Ring gebeten: Trieb vs. Vernunft oder indirekt und etwas anschaulicher: Dekadenz vs. Armut. Was mir besonders gefällt, ist, wie Lanthimos Axiome des menschlichen Denkens und Tuns zerteilt und sie als beinahe willkürlich verstehen lässt. Seine Alternativen, wie auch schon im Meisterwerk DOGTOOTH (2009), ersetzen bzw. dekonstruieren die Wirklichkeit mit Ideen, die in dieser Art eigentlich garnicht existieren. Empowerment bzw. Emanzipation in Zeiten der Viktorianischen Ära sind davon nicht ausgenommen, da werden die Grundprinzipien des narzisstischen Patriarchats gnadenlos über den Haufen geworfen. Dadurch gewinnt der Film natürlich an Aktualität und schafft es mühe- und zeitlos, ein modernes Gesicht abzugeben. Dass dann auch noch eine Legende wie Hanna Schygulla Bella Baxter (Emma Stone) zur Seite steht, als sie ihrer Affäre überdrüssig wird, dem Haffenloher-Verschnitt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), hat ein eigenes Lob verdient.

      Der Einsatz von Fish-Eye-Perspektiven verleiht der Geschichte eine immerwährende Distanz, die bildlichen Krümmungen passen nicht nur zu den Geschehnissen, sondern auch zu den Figuren. Im Kontrast dazu verdrehen einem Close-Ups die Augen, expressionistische Tendenzen offenbaren sich gerade im Farben- und Lichtspiel, aber auch in der Szenerie bzw. Architektur. Kubrick-affine Dissonanzen musikalischer und soundtechnischer Art lassen diese Ästhetik zu einem Erlebnis werden, das nur im Kino auch wirklich seine Entfaltung genießt. Gott und Monster persönlich, Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) vereint diese künstlerischen Einstellungen und verkörpert sie ungemein gut. Destruktiv und trotzdem schöpfend, das Leben bezwingend, beispielsweise mit Heroin, Amphetamin und Kokain, um die selbst erschaffene Brut zum Altar zu begleiten. Übrigens hat Lanthimos einige Filme als Hausaufgaben für die Head-Departments aufgegeben, deren Einfluss man nicht von der Hand weisen kann: Coppola’s BRAM STOKER’S DRACULA (1992), Powell’s & Pressburger’s DIE SCHWARZE NARZISSE (1947), Filme von Roy Andersson und Fellini’s SCHIFF DER TRÄUME (1983). Auch Hieronymus Bosch, Egon Schiele und Albert Robida werden als Einfluss genannt.

      Die Wiedergeburt einer Viktoria (Sieg) aus dem Viktorianischen Zeitalter als Bella (Die Schöne) wird noch lange haften bleiben und ist jetzt schon einer meiner Favoriten der letzten 25 Jahre.
      Goldener Löwe in Venedig, 11 Oscar-Nominierungen - mal sehen wieviele er bekommen wird - Gratulation an Giorgios Lanthimos!

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      • 8 .5
        über Sparta

        Verlogener SPIEGEL, kann's nicht fassen!
        Seidls Stellungnahme kaufe ich zu 100% ab:
        http://www.ulrichseidl.com/de/sparta-br-eine-nbsp-stellungnahme-br-von-nbsp-ulrich-nbsp-seidl

        Ein wahnsinnig guter Film, der wieder mal ein Thema aufgreift, das nicht wirklich umsetzbar erscheint. Und trotzdem schafft es Seidl mit Finesse und Können genau das zu tun, lässt uns durch einen Kontrast an Statik/Leere und energischen Impulsen immer wieder vermuten, was sich in Ewalds kranken Kopf abspielt. Der ewige Kampf eines nicht übergriffig werdenden Pädophilen, ein Tabuthema für den Einen und die Realität für einen Anderen. Georg Friedrich verkörpert das übrigens herausragend. Ebenso gut und typisch für Seidl ist der senile Vater von Ewald, Ekkehardt (Hans-Michael Rehberg), der im Seniorenheim über vergangene Tage im Krieg bzw. als Soldat singt und seine verschwundene Mutter beweint. Ein subtiler Film mit vielen Details, gewohnt wenig Scham vor den Abgründen unserer Gesellschaft und deren Individuen. Dazu auch aus Seidls Stellungnahme:

        "Immer schon versuche ich in meiner Arbeit, das Widersprüchliche in unserem Handeln und Denken als Essenz des Menschseins zu ergründen. Mir ist bewusst, dass meine künstlerische Weltsicht, und wie ich sie in meinen Filmen ausdrücke, nicht zuletzt in krassem Gegensatz steht zu einem gegenwärtigen Zeitgeist, der ein verkürztes, vielfach kontextloses „Entweder - Oder“ verlangt, wo ein „Sowohl - Als auch“ die menschliche Erfahrung deutlich besser beschreibt.

        In allen meinen Filmen, in meinem gesamten künstlerischen Werk verlange ich nach Empathie für die Angeschlagenen und Abgestürzten, für die Abgedrängten und Geächteten: Ich stelle sie nicht an den (moralischen) Pranger, sondern fordere dazu auf, sie als komplexe und auch widersprüchliche Menschen wahrzunehmen."

        Ich bin einfach sprachlos, wie Cancel-Culture Kultur verhindert und dann auch noch von einem derartigen Meister. Shame on you, Spiegel!

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        • 8

          Wenn in einem Film 'Hot Smoke & Sassafras' von der Band Bubble Puppy vorkommt, dann bin ich eh schon ganz Ohr - auch wenns nur Sekunden sind. Legendärer Track! The James Gang, David Bowie, Donovan, The Doors und so weiter... Jonny Greenwood (Radiohead) noch dazu als Filmkomponist und die Reihe der gewohnt sehr gut untermalten Paul Thomas Anderson-Filme setzt sich mühelos fort.

          "Licorice Pizza" ist voller Schwung & voller Zeitgeist-Details der frühen 70er. PTA lässt uns an einer relativ simpel gestrickten Handlung mit sehr stark gepickten Schauspielern teilnehmen. Ein chaotischer, lebensnaher Film mit viel Ego und der Suche nach dem passenden Coup, egal ob es dabei um Gary (Cooper Hoffman, Sohn von Philip Seymour Hoffman) geht, der sich als Geschäftsmann etablieren möchte, oder um Alana, die ein wenig planlos im Leben steht, das aber sehr gern ändern möchte. Die Suchenden finden sich (gut).

          'Licorice Pizza' - eine schöne Paraphrase für Vinyl - ist ein Film, in den man hineingesaugt wird und der dadurch nicht spurlos an einem vorbeizieht. Gleichzeitig nimmt PTA's berauschender Regie-Stil viel Fahrt auf, getragen vom Ensemble, super Bildern und der angesprochenen Musikauswahl.

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          • 7 .5
            SKURRIL: CEREALITY 31.01.2022, 14:25 Geändert 31.01.2022, 15:39

            Immer wieder befinde ich mich inmitten dieser eigenartigen Situation, dass ich Sachen extremst spannend finde während andere anscheinend einschlafen oder etwas als Qual empfinden. Ich habe dazu schon zu häufig etwas gesagt, daher verzichte ich dieses Mal darauf, das mehr zu erläutern... Von wegen Höhen und Tiefen, von vorne bis hinten atmosphärisch, durchdacht und absolut sehenswert. Filmkennerherzen werden höher schlagen, doch nicht nur Homage und Referenzen lassen sich finden, sondern auch eine zur Abwechslung mal nicht abgedroschene Horror-Standard-Handlung, die das Okkulte weitaus "authentischer" einfängt als manch anderer Käse, der hochgejubelt wird. Dass die Serie abflacht, kann ich weder bestätigen noch irgendwie nachvollziehen - im Gegenteil, bis zum Ende steigert sie sich sogar noch einmal.

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              SKURRIL: CEREALITY 31.08.2021, 12:30 Geändert 31.08.2021, 14:38

              Mag schöne Bilder haben, ist trotzdem unbefriedigend inszeniert. Eine Verschwendung an Potential und kein filmischer Erguss. Teilweise so schwach, dass ich gern darauf verzichtet hätte und teilweise anscheinend interessant genug, um Möchtegerns das Gefühl zu geben, dass Lowery einen auf Lars von Trier macht. Ich las tatsächlich, dass er so die Artus-Sage verfilmt hätte... What? Ein weiterer Fall für mich, bei dem versucht wird, konstruiert weird zu sein, ohne einen Funken Weirdness in sich zu tragen.

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              • 7
                SKURRIL: CEREALITY 30.08.2021, 13:35 Geändert 31.08.2021, 12:21

                Fand ich teilweise sehr gut und teilweise fraglich. Eigentlich hab ich mich auf eine sehr genaue Umsetzung gefreut bis ich im Kino sitzend "frei nach Erich Kästner" las. Und das ist eigentlich mein einziges Problem hier, da ich es einfach nicht verstehen kann, wieso man Dinge ändert bzw. ändern (lassen) muss, um einer filmischen Dramaturgie oder vielleicht dem einen oder anderen Produzenten gerecht zu werden. Für mich hat der Roman innerhalb des ersten Kapitels den perfekten Einstieg, den ich kurz einmal hier reinkopiere:

                "Er zündete sich eilig eine Zigarette an und rief den Kellner.
                »Womit kann ich dienen?« fragte der.
                »Antworten Sie mir auf eine Frage.«
                »Bitteschön.«
                »Soll ich hingehen oder nicht?«
                »Wohin meinen der Herr?«
                »Sie sollen nicht fragen. Sie sollen antworten. Soll ich hingehen oder nicht?«

                Der Kellner kratzte sich unsichtbar hinter den Ohren. Dann trat er von einem Plattfuß auf den anderen und meinte verlegen: »Das beste wird sein, Sie gehen nicht hin. Sicher ist sicher, mein Herr.«

                Fabian nickte. »Gut. Ich werde hingehen. Zahlen.«
                »Aber ich habe Ihnen doch abgeraten?«
                »Deshalb geh ich ja hin! Bitte zahlen!«
                »Wenn ich zugeraten hätte, wären Sie nicht gegangen?«
                »Dann auch. Bitte zahlen!«
                »Das versteh ich nicht«, erklärte der Kellner ärgerlich. »Warum haben Sie mich dann überhaupt gefragt?«

                »Wenn ich das wüßte«, antwortete Fabian."

                Wenn diese erste Szene, die bewusst kontextlos daherkommt und dadurch erst Charme und Witz erzeugt, in einen Kontext gesetzt wird, der genau jenen Witz zerstört, frag ich mich kopfschüttelnd: Wieso? Wozu? Im Film wird nämlich ein Anlass gefunden, der Fabian dazu bewegt, den Kellner abzulenken/vorzuführen. Auch andere Szenen sind in einem komplett anderen Licht dargestellt, zum Beispiel auch die finale Szene des Gerichtsrats mit Dr. Weckherlin, der Rückendeckung von jungen Nazis erhält. Allgemein hat mich auch gestört, wie oft Nazi-Symbolik im Film auftaucht, obwohl diese bewusst im Buch (wenn dann) als Randnotiz fungiert oder subtil als Damoklesschwert über den Köpfen hängt, ehe diese es selber wussten. Klar, ist schwierig umzusetzen, aber dann hätt ich halt eben solche Szenen wie die Auseinandersetzung des Kommunisten mit dem Nazi verfilmt, anstatt alles durchzuwurschteln. Die anachronistische Erzählweise fand ich wiederum gelungen bzw. nicht störend, sie reflektiert die Eingliederung in Kapitel-Abschnitte ganz gut, ohne den Faden zu verlieren.

                Positiv sind auch die Schauspieler herauszuheben. Tom Schilling als der herumstreunende Fabian ist wieder einmal genau die richtige Besetzung, aber auch jede kleine Nebenrolle harmoniert. Dadurch sind die drei Stunden auch keineswegs zu lang, habe mich in jeder Sekunde unterhalten gefühlt und war gespannt, wie einzelne Abschnitte umgesetzt werden. Klar ist, dass die eigene Imagination nicht selten enttäuscht wird, aber hier fand ich tatsächlich, dass einige Sequenzen trotz des hohen Tempos und gerade wegen des guten Schnitts sehr nahe an dem dran waren, was ich mir vorgestellt habe.

                Inhaltlich ist "Fabian oder der Gang vor die Hunde" eine intelligente Gesellschaftskritik/-analyse mit scharfsinnigem Blick auf den vermeintlichen Querschnitt, innere und äußere Zerwürfnisse von Großstadt-Charakteren innerhalb einer sich polarisierend verändernden politischen Situation, die an der Freiheit nagt und die Weimarer Republik (z)ersetzt.

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                  SKURRIL: CEREALITY 28.07.2021, 11:52 Geändert 28.07.2021, 16:05

                  Als ich das Glück hatte, auf der Berlinale 2016 mein bisher einziges Interview überhaupt mit Thomas Vinterberg zu führen, war ich sehr nervös - auch weil sein damaliger Film "Kollektivet" verhältnismäßig durchschnittlich war und ich ihn eigentlich lieber etwas zu einem besseren Film gefragt hätte. Eine Frage bezog sich aber auf Rituale und gerade diese sind in seinem neuen Film wie ein Mantel um die eigentliche Story wiederzufinden. Er hat auch damals schon von "Druk" erzählt und dass er diesen Film unbedingt machen wolle. Dass aber während den Dreharbeiten - am 4. Drehtag, um genau zu sein - seine Tochter Ida, die übrigens auch in "Kollektivet" zu sehen ist und eigentlich auch hier mitspielen sollte, bei einem Autounfall ums Leben kam, konnte keiner ahnen. Diese schreckliche Prämisse merkt man dem Film kontinuierlich an und auch in den Credits wird klar, dass Vinterberg sein neues Werk vor allem ihr gewidmet hat.

                  "Druk" ist ein reifer Film, eine weitere sehr gelungene Annäherung an das Leben per se. Eine sinusförmige Balance zwischen Komik und Drama, zwischen Befreiung und Tod. Bögen, die gespannt wurden werden von Vinterberg mühelos in eine andere Richtung getrieben, die Inszenierung ist makellos, das Schauspiel gewohnt realitätsnah und überzeugend. Mads Mikkelsen kann so etwas einfach, könnte man sagen - allerdings rückt er meines Erachtens teilweise sogar ein wenig in den Hintergrund, obwohl er der eindeutige Protagonist ist. Unaufdringlich und zugleich fordernd bewegt sich sein Charakter zusammen mit drei Arbeitskollegen in einem Art Selbstversuch, der scheinbar die Lust an der puren Freude legitimiert, dennoch das alte "Sprichwort" verdeutlicht: Betrunkene sagen die Wahrheit. Das heißt auch, dass durch Alkohol viel Wahrheit ans Licht rückt und genau darum geht es hier letztendlich. Nur durch die Teilnahme am Versuch und die damit einhergehende Lösung von altbackenen Grenzen und Gefügen, verändert sich auch das Leben der jeweiligen "Probanden". 0,5 Promille wollen die vier Lehrer während der Arbeitszeit intus haben, um ihre eigene Leistungsfähigkeit zu steigern - quasi die Überprüfung einer Fake-These des norwegischen Philosophen Finn Skårderuds. Schnell wird klar, dass diese zunächst geringen Mengen tatsächlich Positives bewirken und es ihnen trotzdem schwer fällt, dieses Trinkniveau diszipliniert zu halten. Natürlich spielt Vinterberg auch auf die allgemeine Trinkkultur in Dänemark an, die übrigens nicht zu unterschätzen ist und teilweise weitaus krasser ist als in Deutschland. Dabei sind die eingangs erwähnten Rituale von Bedeutung, denn zum Beispiel gibt es zahlreiche Trinkspiele und -wettbewerbe, die fest bei der Feier des Schulabschlusses verankert sind. Mit Matrosenmützen und -kleidung wird ausgiebig angestoßen und synchron gekotzt, währenddessen versagt die Leber eines Anderen. Ein vielleicht makaber anmutender Kontrast, der aber ein guter Ersatz für die Leben-entsteht-Leben-vergeht-Symbolik ist. Hierzu muss man fast schon hinzufügen, dass Vinterberg einen für ihn typischen Stil entwickelt hat, elliptisch zu inszenieren, dies aber so gekonnt, dass es einem teilweise garnicht auffällt. Großartig. Des Weiteren wird ein weiterer Bogen gespannt und zwar im musikalischen Sinne: Von Schubert und Tschaikovsky bis hin zur genialen Funk-Band The Meters mit "Cissy Strut". Dabei findet Vinterberg immer den richtigen Raum und den richtigen Ton, um die Bilder zu untermalen. Mit diesem Beitrag konnte der dänische Regisseur "übrigens" den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewinnen, ich gönne es ihm von Herzen.

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                  • 7 .5

                    Eine nachdenkliche, aber fesselnde Suche für den anspruchsvollen Suchenden. Wundervolle, kunstvolle Bilder, die so gut inszeniert sind, dass man sich beim Träumen erwischt, zeigen die recht simple Geschichte eines zerfallenen Mannes, der sich letztendlich seinem Leben stellt. Im teilweise gemächlichen, aber rhythmischen Tempo reißt die innere Spannung nicht ab und "Don't Come Knocking" bleibt deswegen interessant, weil man den erträumten Funken nicht so schnell wieder vergisst.

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                      SKURRIL: CEREALITY 27.01.2021, 12:08 Geändert 28.01.2021, 14:15

                      Alle, die es nicht mehr lustig finden, können nach Hause gehen. Genauso wie die, die es sowieso nie witzig fanden oder werden. Fäkalhumor in seiner besten Form und das Gegenteil von kindisch oder verblödet. Ich bin immer noch felsenfest davon überzeugt, dass dieses Werk ein Highlight des wirklich guten Geschmacks ist und zwar gerade weil auf Meta-Ebenen ein Humorlevel erreicht wurde, das mit solch einer assoziativen Intelligenz tatsächlich nur seltenst vorkommt. Ein Sprachrohr einer Generation, die es zu diesem Zeitpunkt noch garnicht wusste. Die Einschätzung "genial" ist untertrieben und doch ist dieser aufgeteilte Film deutlich missverstandener als man denkt bzw. auf seine Fäkalsprache reduziert worden, obwohl wir es hier mit Pionier-Arbeit zu tun haben, die ihrer Zeit meilenweit voraus war.

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                        SKURRIL: CEREALITY 13.01.2021, 12:03 Geändert 13.01.2021, 12:07

                        "Die Darstellung des unsinnlichen Paares, bestehend aus dem Outlaw – eine Art Rebell, der die Welt nicht mehr erträgt, jedoch ihr Schönstes beansprucht – und der rätselhaften, unwirklichen Frau, deren Gedanken so unergründlich erscheinen wie die Wege des Herrn, übersteigt die objektive Urteilsfähigkeit, was sich ebenso auf „Letztes Jahr in Marienbad“ übertragen lässt. Resnais und Robbe-Grillet reichen drei metonymische Figuren, um eine dynamische Polarisation zu erzeugen: die Begierde des Mannes, die reservierte Haltung der Frau, die stets gewinnende Instanz des Todes – beziehungsweise die bedrohliche Instanz des Gewinners in Gestalt von As Begleiter M (Sacha Pitoëff). Was sich hier in einer kaum nacherzählbaren Entwicklung abspielt, mag für viele Zuschauer unzugänglich bleiben. Manche werden sogar erwägen, dass sie zum Narren gehalten werden."

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                            SKURRIL: CEREALITY 21.09.2020, 14:46 Geändert 22.09.2020, 16:22
                            über Tenet

                            Eigentlich sprechen ja so viele Komponenten für Nolan: Eigene Produktion, eigenes Drehbuch, 70-mm-Film und naja, sagen wir eine leere Bühne ohne große Konkurrenz in Zeiten der am meisten erwarteten Kino-Blockbuster. Aber nein, Tenet hält nicht, was er verspricht...

                            Zum einen stört bzw. nervt die komplett fehlende Dynamik. Szenen werden lieblos aneinandergereiht, quasi uninszeniert und elliptisch in den Raum gestellt. Im Jumpcut-Massaker und Hochgeschwindigkeitsverfahren "erfahren" wir immer mehr von der eigentlichen Handlung, ohne aber jemals in einen Tiefgang-Modus zu kommen. Emotionen sind sehr nebensächlich, das Innere der Charaktere scheint im Hagel der Zeitinvasion und - inversion keine wirkliche Rolle zu spielen. Da es um die Rettung der Welt geht, muss aber eines her: Spannung. Das gelingt, ich wurde auch audiovisuell gut unterhalten, im sich bewegenden Kinosessel - Lautstärke 3000. Ich habe das Gefühl, Nolan interessiert sich mehr für seine bombastischen Bilder als für sein narratives Gespür, das er meiner Meinung nach ein wenig über die Jahre verloren hat.

                            Die Spannung hält er mit mit einer ver- bzw. umgedrehten Chronik samt Parallel-Erzählung (+ Action) aufrecht, gleichzeitig bekomm ich den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass es sich hierbei einmal mehr um style over substance handelt. Das finde ich wirklich schade und geradezu fahrlässig, wäre doch auf jeden Fall Potential da gewesen.

                            PS: Wie ich erfahre, gibt es jetzt Grundsatzdiskussionen darüber, wie genial dieser Film in Wahrheit ist. Lächerlich.

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                              SKURRIL: CEREALITY 28.08.2020, 12:13 Geändert 28.08.2020, 17:10

                              Das einzige, was diesen Film mit Buñuel verbindet, ist vielleicht der Titel. Eine Frechheit, seinen Namen zu benutzen, um Aufmerksamkeit zu generieren (Mir wurde gesagt, dass das nicht die Intention des Machers war). Ich kann niemanden ernst nehmen, der glaubt, das sei Surrealismus oder irgendwie verwandt mit der Genialität eines der herausragendsten Filmemacher ever. Aber eins nach dem anderen:

                              Ich bin auch nur deswegen ins Kino gegangen, weil "Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden" währen meiner U-Bahn-Fahrt auf dem Screen aufploppte und ich da tatsächlich im Augenwinkel Luis Buñuel las. Es stand sogar im Text, dass der Film an eine erneute Zusammenarbeit vom Meister per se und Salvador Dalí erinnern würde, also ähnlich wie "Un chien andalou" oder "L’Âge d’Or", denn es gibt keine weiteren gemeinsamen Filme. Wer die surrealistische Meisterwerke kennt, weiß vermutlich, dass hier unter anderem mit einer ganz bestimmten Technik gearbeitet wurde, der Écriture automatique, die Assoziationen oder Gedanken freien Lauf lässt. So, man kann sich vorstellen, mit was für einer Neugier ich ins Kino ging, auch noch das erste mal seit Corona.

                              Eigentlich war die Geschichte nicht unbedingt uninteressant, sie wurde in drei Teile gegliedert, es gab zwei bis drei Protagonisten und naja, dann war es eben zu Ende. Unspektakulär, was die Kunst betrifft, nicht weiter erwähnenswert, was Dialoge oder Inhalt angeht - wieso? weil ich ständig darauf gewartet habe, dass irgendetwas passiert, das nur einen Funken Surrealismus in sich trägt. Für manche sind ein paar Szenen vielleicht ein wenig eklig und es werden Tabus gebrochen, aber ich habe vergeblich auf angesprochene Einfälle gewartet. Nur weil man bildliche Gedanken einwirft, die sich jemand vorstellt, tritt man noch lange nicht in Buñuels Fußstapfen - das hat ja sogar Superbad geschafft. Verwirrungen durch Verzweigungen und die ausgelutschte Thematik einer multiplen Persönlichkeit tun da nichts besseres, genauso wenig wie wenn man absurde Elemente nur der Absurdität wegen einbaut. Nach dem Motto: "Schau mal wie verrückt ich bin!"

                              Ausgetrickst vom Marketing-Text hab ich mir also einen recht gewöhnlichen Film angesehen, der so tut, als wäre er mehr, wie er ist. Abgesehen davon kann man dem Film, wenn man diese Erwartungen nicht hat, bestimmt mehr abgewinnen. Denn an sich ist er handwerklich gut gemacht, es ist eine halbwegs interessante Mischung aus Thriller und Drama, ohne jedoch wirklich warm zu werden.

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                                SKURRIL: CEREALITY 20.08.2020, 12:07 Geändert 20.08.2020, 12:09
                                über Dark

                                Seit ich denken kann, wird viel Deutsches gerade von den Deutschen zerfleischt. Teilweise zurecht, teilweise bin ich hier auf Moviepilot selbst ein Agitator, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Und teilweise weine ich innerlich, weil ich weiß, wie wenig generelles Interesse an Kultur von der Masse ausgeht und wie wenig Vorreiter, Genies und etablierte Könner (aus Deutschland) wirklich wertgeschätzt werden und zwar von jungen Menschen, im Speziellen von meiner Generation und den nachfolgenden.

                                Ich war sofort der Meinung, dass es sich bei "Dark" um einen Präzedenzfall der besonderen Art handelt, obwohl die Serie von vornherein als erster deutscher Netflix-Beitrag eigentlich eine andere Inspektion verdient gehabt hätte. Gewundert hat es mich sicher nicht, dass die Ablehnung zunächst überwog, gleichzeitig war ich positiv überrascht bzw. verwundert, dass "Dark" etwas bietet, das wir so in Deutschland eigentlich noch nicht wirklich gesehen haben - und zwar eine konkurrenzfähige Mystery-Thriller-Serie im Großformat. Das hat auch ironischerweise das Ausland eher begriffen als wir selbst.

                                Was nicht verstanden wurde, wurde verhext. Was so ähnlich aussah, war gleich eine Kopie. Viele Aufschreie über das Schauspiel und den typisch deutschen Mankos der Filme und Serien der gefühlt letzten 20 Jahre. Viel Gezeter, viel Gelaber und viel "Hä?" anstatt abzuwarten. Leute haben hier die Serie schon textlich bewertet, als die erste Staffel beendet war - ziemlich unlogisch. Viele haben die letzte Staffel in den Dreck gezogen, weil sie anscheinend nicht dieselbe Qualität hatte wie die vorherigen - ziemlicher Quatsch. Viele haben jetzt dann am Ende doch zugegeben, wie gut "Dark"sie eigentlich unterhalten habe - ziemlich richtig! Wir haben hier sicherlich eine der spannendsten Produktionen der deutschen Medienlandschaft, die nicht nur visuell Ansprüche besitzt, sondern eine Bandbreite an diskussionswerten Themen umsetzt. Die Verschachtelungen um die Grundstory intensivieren sich ohne sich zu verzetteln, so dass Nolans überbewerteter "Inception" wie ein Film für Dreijährige wirkt. Nein, hier wurde von Anfang an ein Ziel verfolgt und dieses wurde konsequent verfolgt, nicht wie bei vielen anderen Serien (auch Blockbuster), die ihr Ende einfach nicht zufriedenstellend hinbekommen haben. Hier ist es anders. Eine runde Story ohne Lücken, ein riesiges Mind-Fuck-Puzzle, das den Zuschauer erst lange nach der letzten Szene wieder in seine Welt entlässt. Dass dabei immer wieder ein paar nicht gelungene Szenen dabei sind bzw. man sich manchmal die Frage der Relevanz stellt, stellt sich im Nachhinein als unbegründet heraus. Genauso wie Jonas sind wir am Ende Teil einer Sache, die wir die ganze Zeit überhaupt nicht verstehen konnten.

                                Die Serie funktioniert für mich als Ganzes sogar besser als ihre Einzelteile, daher geb ich 8 Punkte für eine der besten deutschen Serien überhaupt, allein schon wegen eines überragenden Drehbuchs mit der richtigen Fülle und Tiefe, einer durchaus kreativen und imaginativen Umsetzung, die auf Details achtet und die 0815-Dynamik von Action und Drama zerplatzen lässt.

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                                  • 7 .5

                                    Mit ABSTAND der beste Star Wars-Film seit Episode 4-6! No joke! Hier wurde endlich mal quasi fast alles richtig gemacht - wirklich gute Unterhaltung mit Witz und Action. Ausbalanciert und spannend.

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                                    • 8
                                      über Joker

                                      In postmodernen Zeiten des Zerquetschens gelingt nicht immer der Versuch der ruhigen Revolution. Umso schöner ist es, wenn ein Film solch aussagekräftige Bilder abgeben kann, während Kausalzusammenhänge ansehnlich und ohne Hektik inszeniert werden. Wieso muss man sowas betonen? Tja, dieser Skill unterscheidet manches, tiefergehendes Werk von einem stumpfsinnigen Abklatsch - und wenn wir mal ehrlich sind, hätte man auch hier einiges falsch machen können... Aber da kommt neben der wirklich gelungenen Inszenierung die famose Schauspielkunst von Joaquin Phoenix ins Spiel, die von manchen hier als übermotiviert/unpassend beschrieben wurde, die sich jedoch außergewöhnlich unangenehm anpirscht und einen nicht mehr los lässt. Manche Funken sprühen erst im Spiegelbild, das späte Grinsen ist der vermeintliche Sieger. Referenzen zu TAXI DRIVER und KING OF COMEDY sind unbestreitbar zutreffend, der oft in diesem Zusammenhang als "gebrochen" dargestellte Joker bricht letztendlich aus seinem Elend auf und rechnet mit radikaler Härte ab. Die bittere Entstehung von Konfusion und Chaos, unverblümt, nüchtern und geradezu nachvollziehbar bebildert. Und der Film wirkt nach, habe ich das Gefühl: Szenen wie der Tanz von der Treppe oder der Fernsehauftritt sitzen. Und stehen. Und lachen.

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                                      • 6 .5
                                        SKURRIL: CEREALITY 18.09.2019, 13:44 Geändert 18.09.2019, 18:57

                                        SPOILER

                                        Wie ich sehe, gibt es hier deutliche Schwankungen in der Bewertung, was mich insofern nicht weiter verwundert, da Tarantino-Fans unterschiedlicher nicht sein könnten. Ich für meinen Teil bin weder traurig noch befriedigt. Ziemlicher Blödsinn mit wenig Inhalt ist offensichtlich Tarantinos großes Topos neben dem übersinnlichen Sinn nach Rache. Soweit so gut. Es gibt aber leider so viele Kritikpunkte, die mich dann letztendlich nach einem, ja, zeitweise doch immer spannender werdenden Film am Ende Ablehnung empfinden lassen: Der "Inglorious Basterds"-Effekt war komplett daneben, geschmacklos in meinen Augen, aber gleichzeitig auch null provokant oder raffiniert. Im Gegenteil: Das war ein großes Show-Off der Substanzlosigkeit, fast schon eine Farce. Enttäuschend, dass einem so bewunderten Regisseur keine bessere Idee einfällt. Dieser miese Move macht den Film schon irrelevant für mich, egal wie cool und hip der Rest sein mag - was ich by the way auch nicht finde: Der Soundtrack hat meine hohe Erwartungshaltung nicht erfüllt, fand das schon fast lieblos und zu populär für Tarantino-Verhältnisse - und da ich ein 60s-Nerd bin, fand ich das wirklich mau, gerade weil der Film zur Prime Time 1969 spielt. Allgemein hatte ich das Gefühl, dass "Once Upon a Time..." eher von den Persönlichkeiten der Schauspieler lebt und nicht von deren Figuren. Bekannte Slapstick-Einlagen wie in "Django" gefallen mir auch nicht, diverse Zeitsprünge zermalmen eine interessantere Kohärenz. Am Ende bleibt ein Film, der streckenweise Spaß macht und auch die inhaltliche Leere für einzelne Momente gut verkörpert (Brad Pitt vs Bruce Lee, Brad Pitt auf dem Dach) - mir aber so wurscht war, dass ich kaum lautloser seufzen könnte.

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                                        • 8

                                          Roman Polanski, ein Stimmungsregisseur der allerfeinsten Sorte, schafft mit Bitter Moon ein topbesetztes, ausgeklügeltes Erotikdrama, dessen exponentielle Wollust - je dichter an der Wahrheit angekommen - mit der infizierten, personifizierten Obsession (Hugh Grant) einhergeht.

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                                          • 3
                                            über Es

                                            Grausamer Film, der auf allen Ebenen versagt. Nichts anderes als enttäuschend.

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                                            • 9

                                              Fuck yeah, was für ein Hammerfilm! Ich liebe es, wenn Regisseure wie Korine ihren eigenen Stil so gekonnt ausleben können und dabei noch wirklich eine eigene Handschrift beibehalten. Meiner Meinung nach mit die beste Rolle, die Matthew McConaughey je gespielt hat.

                                              Anachronistisch, elliptisch, die Inhalte in konfuser und bizarrer Ebenenverschachtelung miteinander fusioniert - die Inszenierung ist schlichtweg herausragend und verblüffend zugleich - habe glaube ich selten einen besser geschnittenen Film gesehen. Grandioses Schauspiel mit einer Geschichte, die ich persönlich wahnsinnig faszinierend finde. Auch die Anspielungen auf den "echten" Moondog finde ich interessant, denn das Werk & die Musik des "Viking of 6th Avenue" sind eine absurde Sache für sich.

                                              Dieses Starensemble hat mir nicht nur lachende Tränen geschenkt, nein, ein ganz tiefes Gefühl von Akzeptanz und Toleranz mit genau der richtigen Mischung aus Satire, Zynismus, Trash und Ernst - Harmony Korine eben.

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                                              • 7

                                                Sehr witzige, kurze Serie, die Bock auf mehr macht. Freunde des bedacht sinnlosen Humors werden großzügig bedient - begleitend kann ich eine angemessene Inspiration nur empfehlen. ;)

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                                                • 8 .5
                                                  SKURRIL: CEREALITY 17.06.2019, 13:40 Geändert 17.06.2019, 15:47
                                                  über Get Out

                                                  - SPOILER -

                                                  Wenn in den Suburbs teuflische Gedanken gedeihen,
                                                  Die gespreizten Augen vor Verzweiflung schreien,
                                                  Die Hände gebunden und das Hirn schon fast frei,
                                                  Dann winken die Krallen moderner Sklaverei

                                                  Die Augen ersetzen, den Sex erzwingen
                                                  Das Innerste zerfetzen, die Seele bezwingen
                                                  Eine nette Auktion mit eingerahmten Bild
                                                  Reduziert die Geisel auf ihr Preisschild

                                                  In meiner Welt zählt nicht der Verstand
                                                  Wir sind wie Götter in unserem Land
                                                  Mit Hypnose paralysiert, bleiben sie beseelt
                                                  Und ich hätt' Obama sogar ein drittes Mal gewählt

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                                                  • 8 .5
                                                    SKURRIL: CEREALITY 14.06.2019, 14:46 Geändert 27.06.2019, 14:53

                                                    It follows It Follows!
                                                    Endlich mal wieder ein spaltender Film mit Atmosphäre, Kreativität und Hirn. Insofern spaltend, als dass man ganz einfach feststellen kann, dass sehr viele wohl rein gar nichts damit anfangen können, ähnlich wie in einer Situation, in der ich jemanden erklären soll, um was es denn in "Mulholland Drive" geht. Ich habe keine Lust mehr, lebensverändernde Emotionswelten und das Wesen des Kinos durch nichtige Worte zu paraphrasieren - meine partielle Misanthropie findet ihren Ursprung im Stellen dieser ungemein nervigen Frage nach dem Sinn (ohne einen Kontext zu kennen) - wobei der Sinn komplett sekundär ist, sobald eine filmische Hypnose durch die Kraft der Bilder und Geschichte erreicht wird. "Under The Silver Lake" ist ein Homage-Trip, höchst künstlerisch in der Umsetzung und kann auf sämtlichen Ebenen überzeugen. Im Übrigen ist der Film 0% sexistisch - wer sowas allein schon denkt, hat nichts verstanden: Nur weil man zeigt, wie ein Mensch tickt, heißt das nicht, dass man es befürwortet. Punkt. Es lassen sich tausend Beispiele in der derzeitigen Popkultur finden, die diese Meinungsmache katalysieren - einfach nur schade um die Gehirnzellen.

                                                    So, zurück zu den Emotionswelten, die man wohl entweder mitbekommt oder nicht. Andrew Garfield hatte ich bisher nicht wirklich gemocht, doch hier hat er mich überzeugt: Dieser hängengebliebene Typ, wie ein Gestein aus einer vergangenen Zeit, der inmitten Hollywoods im Delirium umherirrt und im Grunde sich selbst sucht - super! Das ist übrigens nicht die einzige Verbundenheit zu Mulholland Drive, hier regnet es Lynchfeeling - das geht sogar so weit, dass Patrick Fischler eine nicht unwichtige Nebenrolle spielt und man mehrmals an Blue Velvet denken muss. Der Wahnsinn einer übergeschminkten Nonsens-Gesellschaft ist wunderbar dargestellt, die Details machen den Unterschied und Geld moderne Pharaonen. Obsession, Spiritualität, Fame - mit einer gelungenen Mixtur aus Verschwörung, verborgenen Schatzkarten und Selbstbefriedigung schenkt uns David Robert Mitchell einen Film, der nicht nur hängen bleiben wird, sondern vielleicht sogar einmal repräsentativ für eine neue Welle abstrakterer und skurrilerer Regisseure sein kann, die ihr Glück im Mainstream versuchen. Daher wundert es mich zu keiner Sekunde, dass der Film WEGEN massentauglicher PR und des Trailers, der einen doch bisschen anderen Film suggeriert, so wirkt, als wäre er eher durchschnittlich, was sich ja zB anhand einer mäßigen IMDB-Bewertung von 6,4 oder hier mit 6,5 darstellen lässt.

                                                    Mitchell ist wohl nicht nur Lynchfan, sondern greift auch zu bewährten Mitteln des Film Noirs. Das fängt mit der Kamera an und hört bei einem sensationellen Score (wieder Disasterpeace) auf - eindrucksvoll audiovisuell in Szene gesetzt und die Trance unterstreichend. Mir persönlich hat dieser Film noch besser gefallen als "It Follows" und irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass er weiter avanciert. Da kommt bestimmt noch mehr und ich freu mich drauf!

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