Wenn Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, Jean-Claude Van Damme, Bruce Willis und Chuck Norris gemeinsam in einem Actionfilm auftreten, dann kommen nicht nur beliebige Muskelberge, sondern auch Vertreter eines ganz besonderen Männertyps zusammen: die knallharten Actionhelden der 80er Jahre. Damals, in den „guten alten Zeiten“ durften Männer auf der Leinwand noch allen Klischees ihres Geschlechts entsprechen. Heute ist das schon schwieriger. Aber ist The Expendables 2 wirklich das Wiederaufleben eines verloren geglaubten Männergenres und –bildes? Und was ist überhaupt „männliches“ Kino?
Was ist maskulines Kino? – Versuch Nr.1: Internetrecherche
Ich machte mich also im Rahmen meiner Recherche auf die Suche danach, was einen männlichen Film ausmacht. Dabei stieß ich auf die in dieser Hinsicht immens aufschlussreiche Internetseite Masculinity Movies. Der Name ist hier Programm. „Du bist ein Mann. Du schaust Filme“, lautet der Erklärungstext auf der Hauptseite, „Doch vielleicht geht das wahre Filmerlebnis an Dir vorbei. Willst Du das Kino inspiriert verlassen, mit dem Willen, das Beste aus Deinem Leben herauszuholen?“ Wer würde dazu schon nein sagen?! Weil Männlichkeit ja doch ein recht schwammiger Begriff ist, bietet der Autor der Seite seinen Lesern netter Weise eine Definition in verständlichen Worten. Im Gegensatz zu den zahllosen Vertretern der akademischen Gender Studies gelingt ihm das mit nur einer Seite Text. Zusammengefasst heißt Männlichkeit demnach Folgendes: Abgeklärte statt emotionale Reaktionen, eine aufopfernde Lebenshaltung, die ständige Konfrontation mit dem Tod, das Bestreben, Dinge in Ordnung zu bringen, Verantwortung und Führungskompetenzen.
Jetzt wissen wir also schon mal darüber bescheid, was Männlichkeit bedeutet. In welchen Filmen also wird Männlichkeit am treffendsten dargestellt? Auch dazu hält das allwissende Internet eine Antwort parat. Auf wellcultured fand ich eine Liste der fünf männlichsten Filme: Man on Fire, 300, Ocean’s Eleven (und fortfolgende), Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, American Gangster. Die Begründung nachzulesen überlasse ich an dieser Stelle Euch. Ist das nun wirklich die Antwort auf die große Frage nach der Definition von Männlichkeit im Kino?
Was ist maskulines Kino? – Versuche Nr.2: Genre-Studium
Das Genre, das sich von seiner Entstehung an besonders intensiv mit den unterschiedlichen Definitionen von Männlichkeit beschäftigte, ist der US-amerikanische Western. Verfolgen wir die Entwicklung der Filme im Verlauf des 20. Jahrhunderts, lässt sich auch eine Modifizierung des Männerbildes herauslesen. In der Regel ist der Westernheld eine Figur, die außerhalb der Gesellschaft existiert. Er lebt nach seinen eigenen Regeln, die meist mit der Benutzung seiner Pistole in Verbindung stehen. Der klassische Western gibt ihm hierbei Recht. Mit Treffsicherheit, Mut und Gefühlskälte rettet er Reisende (Höllenfahrt nach Santa Fé), Dörfer (Zwölf Uhr mittags) und kleine Mädchen, die von Indianern gekidnappt werden (Der schwarze Falke). Doch er wird nie Teil der Gesellschaft, für die er einsteht. Im Laufe der Zeit, einhergehend mit den großen Kriegen der Amerikaner im 20. Jahrhundert, wird die Haltung des Westernhelden, Konflikte lieber mit der Pistole als mit verbaler Verhandlung zu lösen, zunehmend in Frage gestellt. In Der Mann, der Liberty Valance erschoß taucht plötzlich ein zweiter Typ Mann auf, der Teil der Gesellschaft ist und den intellektuellen Gegenpol zu dem aus der Mode gekommenen Westernhelden bildet. Und dann haben wir natürlich in der folgenden Entwicklung den einsamen und stillen Reiter, gerne verkörpert von Clint Eastwood. Der wendet zwar wieder Gewalt an, doch wie beispielsweise in Erbarmungslos wirkt diese nie heroisch. Die Zeiten, in denen Gewalt als positive männliche Eigenschaft dargestellt wurde, sind vorbei.
Nun ist der Western natürlich kein Genre, was heutzutage noch sonderlich populär wäre. Es gibt zwar regelmäßig Wiederbelebungsversuche (Open Range – Weites Land, True Grit, Cowboys & Aliens), doch so richtig zünden tut das selten. Wo schaut Mann also jetzt hin, wenn er nach kulturellen Repräsentationen seiner Geschlechtsidentität sucht? Genau, in den Action Film. Hier sind nun die Männer zu suchen, die tun, was ein Mann eben tun muss. Explosionen, Blutfontänen, Kerle, die sich im bewaffneten Alleingang unverletzt gegen fünfzig anonyme Indianer… äh, Gehilfen des Bösewichts zur Wehr zu setzen. Der Kampf an sich, die Zuschaustellung der Unbesiegbarkeit des Helden, ist stets deutlich wichtiger als Handlung oder Realitätsnähe. Hauptsache es knallt. Während die gewalttätige Haltung des Westernhelden immer kritischer beäugt wurde, etablierte sich so in den 80er Jahren mit Filmen wie Rambo, Stirb langsam und Terminator ein Actiongenre, das brachiale Muskelkraft wieder zum Qualitätsmerkmal erhob.
Wo sind all die Helden hin, wo sind sie geblieben?
Der Held von heute sieht anders aus. Ein Blick auf den aktuellen Blick in die Zukunft des Kinos von the gaffer zeigt, dass die sich heutigen Leading Men actionlastiger Kinounterhaltung stark von ihren Vorgängern des letzten Jahrtausends unterscheiden. So ist ein Jason Bourne, egal ob er von Matt Damon oder Jeremy Renner gespielt wird, ein völlig anderer Typ Mann als ein John McClane. Sein Franchise verleiht ihm eine Geschichte und einen komplexen Charakter, der ihn – gemessen an der Definition zu Beginn meines Artikels – geradezu entmännlicht. Und ganz ehrlich: Kann ein Shia LaBeouf auch nur halb so viel Manneskraft ausstrahlen wie einst Sylvester Stallone? Die Filmmänner von heute sind sanfter und vor allem „schöner“ geworden. Ihre Anziehungskraft entsteht nicht mehr nur durch den Umfang ihres Bizeps, sondern durch ihren vollendeten Augenaufschlag und attraktive Gesichtszüge. Und sind sie doch sprechende Muskelpakete, dann berauben sie sich wie Vin Diesel in Der Babynator ihrer Glaubwürdigkeit.
Mitten hinein in diesen Kult des schönen Mannes mit Charakter, verbalem Verhandlungstalent und Impulskontrolle, bricht The Expendables 2 und scheint allen Flachzangen der Kinowelt mit einem Schlagring die Fresse zu polieren. So muss das sein. Endlich laufen wieder Männer mit einfachen Pistolen unverletzt durch Maschinengewehrsalven. Endlich darf es wieder mehr Explosionen als Dialoge geben. Endlich dürfen wieder mürrisch Zigarren geraucht und sämtliche Accessoires mit Totenköpfen dekoriert werden. Ist das der Anfang einer neuen Ära? Geht es zurück zum einsamen Westernhelden, der mit all seiner testosterongeschwängerten Manneskraft eine Gesellschaft rettet, zu der er tragischer Weise niemals gehören wird? Nein!
The Expendables 2 ist keine Rückkehr in ein verloren geglaubtes Genre und nicht mal echte Nostalgie. Die Ironie und Übertreibung, mit der die „Action-Opas“ hier in Szene gesetzt werden, zeigt, dass diese Art von Männlichkeitsdarstellung in unserer Gesellschaft eben keinen Platz mehr hat. Die Sehnsucht ist scheinbar vorhanden, sonst würden die schießwütigen Übermänner nicht die Kinocharts anführen und auch ein dritter Teil wäre dann wohl kaum in Planung. Wir scheinen hin- und hergerissen zu sein zwischen dem Bestreben, Geschlechterrollen aufzubrechen und zu feiern. Das wird auch in The Expendables 2 deutlich. Liam Hemsworth ist hier eindeutig der Vertreter der „neuen Helden“. Er ist in erster Linie schön anzusehen und seine Figur zeichnet sich weniger durch primitive Muskelkraft, als durch erlernte Fähigkeiten aus. Auch wenn The Expendables 2 auf der einen Seite nicht darauf verzichten kann, Frauen als Lebewesen darzustellen, deren Überlebensfähigkeit von ihrer männlichen Begleitperson abhängt, darf auf der anderen Seite Nan Yu als Maggie überzeugend „ihren Mann“ stehen. Eine Rückkehr zu den stereotypen Männlichkeitsidealen der 80er Jahre sieht wahrlich anders aus. In dieser Hinsicht ist die Weiterführung des “Testosteron-Franchises”, The Expendables 3, besonders interessant. Werden diesmal wirklich weibliche Actionheldinnen ihren männlichen Kollegen die Show stehlen? Und wenn ja, was sagt das über unser Männerbild aus? Ich kann es kaum erwarten, das herauszufinden!
Was ist eurer Meinung nach “männliches Kino”? Und gibt es so etwas überhaupt?
Quellen:
The Men of Westerns: Masculine Values Through Films
Masculinity in the Movies
Masculinity Movies
5 Movies that embody true Masculinity
The Expendables and the Evolution of Masculinity in Action Films
The Expendables 2: Masculinity Porn