Dergestalt - Kommentare

Alle Kommentare von Dergestalt

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    Dergestalt 06.12.2014, 02:40 Geändert 16.10.2019, 22:27

    Ein ästhetisch sehr konsequenter Film, der gekonnt eine abgeschlossene Welt entwirft. Mehr bleibt zunächst eigentlich nicht zu sagen. Vielleicht noch "Feste, feste!" als Ausdruck, der neben dem Dauergelächter im Gedächtnis haften bleibt. Respekt für Herzog, dass er sich dem Realismus und vielen möglichen Bezügen entzieht und sich bewusst mit jeder Interpretationsmöglichkeit in ein Spannungsverhältnis setzt. Ob man daraufhin alles als eine Allegorie gefasst deuten muss, bleibt fraglich, wobei einzelne Aspekte, die gerade auch die Autorität betreffen, durchaus Anschluss für eine Diskussion bieten. Sonst muss man auch bestimmte formale Eigenheiten berücksichtigen, die der Film zweifellos besitzt. Ansonsten hält man es vielleicht am Besten mit Luis Buñuel und seiner Meinung zum surrealistischen Film:
    "Doch was vermag ich gegen diejenigen, die geil sind auf alles Neue [...] gegen dieses stumpfsinnige Pack, das ‚schön‘ oder ‚poetisch‘ gefunden hat, was im Grunde nur ein verzweifelter, ein leidenschaftlicher Aufruf zum Mord ist."
    (Quelle: Wikipedia, nach Luis Buñuel: La Révolution surréaliste)

    [Unabhängig von einer Filmbewertung will ich jedoch noch auf den Faktor der Tierquälerei im Film eingehen. Für mich ist Kunst ein Gegenstand, der per se keine Grenzen kennt und auch nicht kennen sollte. Andererseits steige ich ab dem Punkt aus, wo sie in Widerspruch mit der Wertschätzung des Lebens tritt. Diese Grenze ist eine, die ich als letzte radikal ziehe und damit alle Filme als abstoßend beurteile, die sich nicht die Mühe machen, entsprechend kontroverse Szenen zu simulieren, sondern durch quälende Torturen faktisch zu erzwingen. Wer einen Affen quält, um ein schönes Bild zu machen, ist mir suspekt, so schön ich die Kunst am Ende auch finde. Respekt für Herzog für die künstlerische Konsequenz seiner Fiktion, aber Abscheu für die Umsetzung dieser.]

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    • 7 .5
      Dergestalt 06.12.2014, 02:23 Geändert 16.05.2016, 21:16

      Einer meiner liebsten Horrorstreifen, quasi ein Klassiker meiner DVD-Sammlung. Die Kontroverse um Langeweile oder Spannung, die polarisierenden Meinungen, kennt man mittlerweile, sodass ich darauf gesondert nicht mehr eingehen möchte. Zusammengefasst lässt sich vielleicht sagen, dass man entweder auf Horrorfilme steht, die eher andeuten als ausführen, oder nicht. Ich finde beide Arten gut, sofern es ihnen eben gelingt ihre Prämissen stimmig umzusetzen.

      [LEICHTER SPOILER]

      Ungeachtet des historischen Werts für alles, was später unter dem Label "found footage" läuft, muss man doch konstatieren, dass der Film sehr gelungen auf das Konzept der Authentizität setzt. Wie so oft, wenn es gegen die etablierten Grenzen der Genres geht, provoziert das viele und schnell hat dann einer das Urteil "Langeweilig!" bei der Hand. Und natürlich kann man mit bloßer Authentizität nicht immer fesseln.
      "Blair Witch Project" findet aber die richtige Mischung aus gut kalkuliertem Horror und freiem Spiel der Schauspieler. So bleibt zum einen genug Raum für persönliche Reflexionen der Charaktere und damit für eine stimmungsvolle Charakterdarstellung und zum anderen ist auch Platz für merkwürdige Ereignisse, die sehr gekonnt mit der Angst vor dem Verlorensein und dem Unheimlichen spielen. Schließlich kulminiert der Grusel in einem hochkonzentrierten Finale, welches auch das Element des Terrors an richtiger Stelle integriert, mit der richtigen Intensität, um zu schockieren, aber nicht zu entzaubern. Am Ende bleibt der Eindruck von Auswegslosigkeit und der fehlenden Möglichkeit noch irgendwelche Antworten zu erhalten. Und sind Filme nicht vor allem dann gut, wenn sie nachwirken? "Blair Witch Project" fordert mich jedenfalls immer wieder heraus.

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      • 8
        Dergestalt 06.12.2014, 02:07 Geändert 14.04.2020, 11:22

        Womöglich der bisher beste Horrorfilm, den ich gesehen habe. Und das vielleicht, weil "Suspiria" gar kein echter Horrorfilm ist. Man könnte ihn auch als fantastisch koloriertes Psychogramm lesen, das eben nur insofern Horror ist, weil das Unbewusste immer auch das Unheimliche beinhaltet. Die Schönheit setzt in diesem Film beinahe zwingend auch die Angst voraus.
        Im Einzelnen: Die Darstellung der Räumlichkeiten ist fantastisch und dies auf allen Ebenen. Man könnte die Architektur als psychedelisch bezeichnen, was an sich schon schwer vorstellbar ist, dem Film aber gelingt. Die Musik fängt mit ihrer hypnotisch-repetitiven Struktur diesen Eindruck noch auf, hier wird musikalisch weniger ein Kommentar zur Filmhandlung geleistet, als ein psychisch stimulierender Teppich gelegt, der vielleicht mehr Textur als Musik ist. Purer Krautrock, der in seinem Anspruch auf Atmosphäre kongenial die Bildästhetik des Films aufgreift. Vielleicht greift aber auch der Film die psychedelische Musik auf? Trennbar ist diese Mischung jedenfalls nur schwer und dies spricht sehr für ihn.
        Die Kritik an der Logik dieses Films ist sicher berechtigt, scheint mir mit ihrem Bezug auf Handlungsstrukturen jedoch dessen Charakter zu verfehlen. Zwar gibt es eine klischeebehaftete Haupthandlung, jedoch wird diese durch die Bildgewaltigkeit beinahe bis zur Unkenntlichkeit überspielt. Wer am Ende also böse ist und ob es der Protagonistin gelingt, gegen dieses Böse anzukommen, ist unbedeutend. Der Weg ist hier das Ziel und egal, wie schal diese Philosophie klingt, dem Film gelingt es sie nachvollziehbar umzusetzen.

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        • 8
          Dergestalt 06.12.2014, 01:51 Geändert 14.04.2020, 11:22

          "A Tale of Two Sisters" ist ein Film, der bei mir verschiedene Emotionen hervorruft. Teilweise ist er frustrierend vertrackt, teilweise bezaubernd poetisch, gerade für einen Horrorfilm, und teilweise beinahe unerträglich unheimlich in seinen Darstellungen. Alles kommt hier zusammen und bildet besonders auf formaler Ebene ein rundes Ganzes. Der Film ist wirklich bemerkenswert schön gestaltet und fügt jedes inhaltliche Element stimmig und plausibel in seine Atmosphäre.
          Schwieriger wird es hingegen, wenn man versucht, die inhaltliche Stimmigkeit zu erfassen, denn der Film ist trotz einer allgemein verständlichen Haupthandlung ziemlich lose angelegt und lässt einige Leerstellen. So bleibt es abschließend sehr schwierig ein Urteil zu diesem Film zu fällen, da ein Gefühl für das Ganze nicht aufkommen mag. Losgelöst vom Intellektuellen ist der Film aber ein sinnliches Wunderwerk und als solches überfällig für das aktuelle Horrorkino. Endlich finden auch Zärtlichkeit und Poesie in einen starken Spannungsfilm und das ohne Widerstände. Am Ende ist dann auch das Morbide schön und ich kann die Umsetzung dieses Märchens nur immer und immer wieder bestaunen.

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          • 7
            Dergestalt 06.12.2014, 01:30 Geändert 11.09.2015, 21:59

            Ähnlich wie die "Insidious"-Reihe ist auch "Conjuring" keineswegs originell. Vielmehr scheint der Film teilweise eine regelrechte Nummernrevue gegenüber dem klassischen Haunted-House-Horror zu sein. Die Umsetzung gelingt dem Film aber sehr gut, was vor allem an der herrlich klassischen Gruselatmosphäre liegt. Hier quietschen die Türen und manchmal knarzt es auch satt, die durchaus modern-plötzlichen Schockszenen sind außerdem elegant eingeführt, plattes Konfrontationskino sieht anders aus. Zudem spielt der Film an mancher Stelle sehr elegant mit den Erwartungen des Zuschauers und zeigt damit auch einen sehr reflektierten Umgang mit seinem Erbe. Insgesamt also ein prima Unterhaltungsfilm, der einen angenehmen Grusel garantiert.

            • 8
              Dergestalt 06.12.2014, 00:55 Geändert 14.04.2020, 11:13

              Tatsächlich schockierend in seiner Brutalität und das meine ich durchweg positiv. Meist bedeutet Brutalität den Verlust von Horror, da so eine Erlösung vom Ungreifbaren, Bedrohlichen eintritt. Oft ist gerade die unaufgelöste Spannung das Schlimme an einem Horrorfilm, die Leerstelle, die in der Imagination zum konkreten Schrecken führt. In "Evil Dead" ist das Schreckliche zwar direkt visualisiert, das aber in einer so kunstvoll stimmigen Drastik, dass es gar keine Leerstellen braucht, um den Schock herbeizuführen.
              Hier ist alles unvermindert heftig, hier wird jedes, durchaus vorhandene, Horrorfilmklischee so sehr im Lärm ertränkt, dass es keine Rolle mehr spielt. Hier geht das Konzept in seiner Kompromisslosigkeit auf: Maximale Anspannung durch maximale Drastik. Zugleich entlädt sich mit dem direkten Schrecken auch eine Freude am Horror, die aber nie zur gemütlichen Reflexionshaltung wird, immer bleibt ein Nerv gespannt und wenn er durchtrennt ist, hackt der Film schon an anderer Stelle zu. Ein wortwörtlich pervers guter Film, der dem Zuschauer nichts schenkt, ihn nervlich vielmehr vollkommen kontrollieren möchte. Und übergriffiger Horror ist guter Horror.

              • 7 .5
                Dergestalt 06.12.2014, 00:37 Geändert 14.04.2020, 11:12

                Hat man die richtigen Erwartungen, so gibt "Blood Diner" das her, was man verlangt. Möchte man also Blut, Sex und Groteske haben, dann gibt einem der Film alles davon und teils sogar noch mehr. Beispielhaft ist hierfür die finale Beschwörungsszene im Tanzlokal, die in ihrem grotesken Nebeneinander von Hitler, Kannibalismus und Sex so grotesk-genial ist, dass der Film dabei gar an das perverse "Deutsche Kettensägenmassaker" heranreicht, ohne allerdings dessen unverdaulichen Konfrontationscharakter zu bedienen. Damit lässt der Film kurz seine ganzen Horrorfilmplattitüden hinter sich und transformiert das Splattergenre zu einer ganz eigenen, unterhaltsamen Idee.
                Das bleibt aber auch eher die Ausnahme, denn es gibt ein Problem: Das Grundgerüst. Zwar nimmt sich der Film in keiner Sekunde richtig ernst, klammert sich schlussendlich aber zu sehr an seinem Versuch, das Splattergenre lediglich zu persiflieren, statt es gänzlich hinter sich zu lassen. In einzelnen Szenen wird der Film zwar angenehm überbordernd und findet diesen ganz eigenen, abartigen Stil, bleibt aber schlussendlich doch bei den typischen Genrestrukturen. So gibt es trotz dem Overkill gegen Ende einen gemäßigten Schluss, welcher das Orgiastische des Films gesellschaftlich wieder eindämmt und den Film lediglich als kleine Kuriosität des Genres belässt. Dennoch eine hohe Bewertung für ein mutiges Stück Perversität in einem zu etablierten Genre.

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                • 7 .5
                  Dergestalt 06.12.2014, 00:17 Geändert 14.04.2020, 11:11

                  Hier stimmt alles (nicht): Die absurd unmotivierten Handlungen der Figuren, der anmaßend omnipräsente Erzählerkommentar, die spannungsvermeidende Montage und schließlich die nicht vorhandene Bedrohung durch das "Beast" (das konsequent vom Erzähler als "Nothing" bezeichnet wird). Der Film lässt sich daher als einzige Abrechung mit allen Erwartungen an einen Horrorfilm sehen.
                  Da ich so begeistert von diesem anmaßenden Film bin, möchte ich hier noch kurz auf ein paar lobenswerte Besonderheiten eingehen:

                  1) Der Erzähler. Zunächst eine fantastische Idee, einen Erzähler zu integrieren, der die Figurenrede nahezu abschafft und jegliche Interpretation des Zuschauers durch willkürliche Kommentare zu beeinflussen versucht. Dass diese Kommentare inhaltlich höchst merkwürdig sind ("Touch a button. Things happen" / "Flag on the moon. How did it get there?" - man beachte den dramatisch verkürzten Stil!), treibt diesen Anspruch ins Groteske.
                  2) Das Monster. Der Film vermeidet bereits mit seiner Grundkonstellation jegliche Schockeffekte, indem er ein langsames, strunzdummes Monster durch eine erzählerisch kaum definierte Wüste stolpern lässt. Es sind keinerlei Überraschungsmomente gegeben und wenn das Monster einmal angreift, so ist dies dermaßen nüchtern abgefilmt, dass der Erzählerkommentar, man hätte es mit einem bloßen Tier, also einer rein animalischen Sache zu tun, aufs äußerste eingehalten ist. Man könnte den Stil beinahe realistisch nennen, so sehr dokumentiert er in seiner spannungsarmen Gestaltung das Leben eines Tieres.
                  3) Die Charaktere. Da der einzige Protagonist des Films der Erzähler ist, haben die Charaktere keinerlei Möglichkeit, als solche aufzutreten. Vielmehr sind diese lediglich platte Stereotypen, die vollkommen sinn- und motivationsentleert durch die Wüste stolpern und ihre vordefinitierten Rollen durch kurze Kommentare bestätigen.
                  Man mag nun argumentieren, dass der Film doch gerade die Essenz des typischen dummen Horrorfilms widerspiegle und daher doch ganz in dessen Erwartungshorizont liege. Man würde damit Recht haben. Ich sehe den Fokus aber vielmehr auf einer radikalen Ausformulierung einer Horrorfilmkonzeption der Art "Angst durch den Effekt des Fremden". Hier wird alles ausbuchstabiert, was man sonst vielleicht nur mitdenkt, wenn man so einen Film sieht. Und das verspricht grandiose Unterhaltung, die beinahe schon an die Kunst des Existenzialismus gemahnt, wenn nicht gar an das absurde Theater nach Samuel Beckett. Ein großartiges Stück Filmversuch, das sicher über das hinauswächst, als was es zunächst vielleicht konzipiert war.

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