Dergestalt - Kommentare

Alle Kommentare von Dergestalt

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      Dergestalt 06.01.2015, 23:07 Geändert 14.04.2020, 10:55

      "Possession" ist definitiv ein Werk des Wahnsinns. Was als pessimistisches Beziehungsdrama beginnt, wird bald zum Psychohorror, bald zum metaphysisch aufgeladenen Rausch voller undurchdringlicher Bilder und Dialoge à la Tarkowski. Dabei wird schließlich sogar der Trashfilm gestreift, wenngleich auch der zu etwas transformiert wird, was sich letztlich gar nicht mehr fassen lässt. Oder eben doch, wobei das keine Erleichterung sein dürfte. Im Gegenteil, der Film macht Angst.
      Transformation ist übrigens ein gutes Stichwort. Man kommt letztlich nicht umhin anzuerkennen, dass die ganze Destruktion der Wirklichkeit hier zu einer Art postmoderner Genesis führt. Oder um es mit den Worten des Films zu sagen: Aus der Zerfleischung wird Fleischwerdung. Dies geschieht in aller Konsequenz und vor allem vor der Kulisse der Berliner Mauer. Ein politischer Querverweis, der alleine soviel Hirnfickpotential enthält, dass es eine echte Freude ist.
      Obgleich der Film letztlich unmöglich fassbar ist und mit Querverweisen in alle möglichen Richtungen schießt (die Gewaltmetapher bietet sich an, da der Film eine äußert brutale Ausdrucksweise besitzt), bleibt er innerlich konsistent und strebt auf ein plausibles Endszenario zu. Dieses greift alle zuvor gegebenen Motive auf, wenngleich es sie schließlich auch überkommt und den Zuschauer am Ende einen ordentlichen Mindfuck bereitet. Spannung ist bis dahin jedenfalls garantiert, was vor allem den tollen Darstellern Adjani, Neill und Bennent in ihren explosiv verdichteten Konfrontationen zu verdanken ist. Wobei Adjani noch einmal herausragt, die ihre Person nicht bloß gebrochen, sondern als sich förmlich zerschmetternd präsentiert.
      Selbst wenn man also nichts versteht, was nicht unwahrscheinlich ist, wird man entweder gefesselt, oder schaltet ab, weil es zu viel wird. Keinesfalls dürfte man angesichts dieser vereinten Unmöglichkeiten unberührt bleiben. Ein Film wie purer Wahn, bei dem die Realität zum Stichwortgeber verkümmert.

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      • Ich finde ihn merkwürdig - im positiven Sinne! Man sehe sich dazu einfach die Filme "Possession" oder "Event Horizon" an - der Mann kann Freaks spielen...uiuiui.

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        • "Dir gefällt das".

          Finde ich schön, dass du hier Gedanken ansprichst, die mich auch oft beschäftigen. Sobald man sich mehr mit Kino, Literatur, Kunst überhaupt beschäftigt, rutscht man gerne in gewisse Kontrollzwänge rein, muss, soll, darf. Dann ist es manchmal auch gut, von fern eine beruhigende Geste zu bekommen. ;D

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            Dergestalt 04.01.2015, 03:14 Geändert 16.10.2019, 22:34
            über Alice

            "Alice" ist ohne Zweifel ein ganz bescheidenes Ideenfeuerwerk. Bescheiden, weil der Film vor allem in kleinen Kämmerleinchen spielt, kleine Szenerien und Kuriositätchen darstellt. Ideenfeuerwerk, weil er geradezu überreich an fantastischen bis vollkommen abgedrehten Ideen ist. Die Kombination macht schließlich den Zauber: Dadurch, dass der Film seine fantastischen Ideen vor allem aus dem begrenzten, realen Raum des Kinderzimmers nimmt, erhält er eine wunderbare Surrealität. Ganz im Wortsinne: Eine Realität, die zwar besteht, aber gleichermaßen überstiegen wird. Ein merkwürdiger Zwischenzustand, der Unaufgelöstes/Unbewusstes darstellt und einen immer wieder damit konfrontiert. Das alles gerahmt von der typisch surrealistischen Düsterkeit, die vor allem durch die eher schummrigen Sets und die unbarmherzigen Handlungen der Figuren erreicht wird. Alices zynischer Schluss am Ende ist daher nur die konsequente Gegenreaktion in einer Welt, die weniger märchenhaft als albtraumhaft gestaltet ist.
            "Alice" ist erstaunlich nah der Buchvorlage, da hier nicht wie bei Burton versucht wird eine Handlung zu etablieren. Vielmehr führt hier alles sein absolutes Eigenleben und letztlich auch nirgendwo so recht hin. Immer öffnet sich ein neuer Raum und immer wieder trifft man auf Bekanntes und gleichermaßen Fremdes. Auch wieder das surrealistische Element des Zwischenzustands.
            Störend war für mich die Synchronisation durch Alice, die zuerst verfremdend wirkte, dann aber der ganzen Welt einen geordneten Rahmen gegeben hat und damit den unbewussten Traumzustand quasi sabotiert hat. Viel lieber hätte ich stumme Kreaturen gehabt, die ohne Rahmung sicher viel befremdlicher aufgetreten wären (vergleiche etwa "Blood Tea and Red String"). Sicher ein naheliegender Schluss, sodass es mich wundert, warum Švankmajer angesichts seiner offensichtlich surrealistischen Ambitionen die Alice-Narration gewählt hat. Zum anderen war der Film in seiner kargen und ruhigen Darstellung teils auch etwas langatmig und hat mehr in seinen Einzeldarstellungen gepackt denn als ganzer Film. Möglicherweise liegt das an Švankmajers Schwerpunkt auf Kurzfilmen. Trotzdem ein sehr feines Stück Arbeit, das mit seinen wunderbaren Details zum mehrmaligen Ansehen verleitet.

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            • Fantastisch! Dank deiner Liste kann ich mir "Alice" endlich ansehen! "Amer" ist leider nicht mehr verfügbar, wär auch zu schön gewesen. :O

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              • Dem Kommentar zu "Oldboy" kann ich vollends zustimmen. Ansonsten interessante Liste, auch wenn ich mich von Potter und Co. gern unterhalten lasse. :D

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                • Ganz ganz schade, dass er keine Filme mehr drehen kann. Für mich einer der intensivsten Darsteller überhaupt. Er hat die Rollen geatmet und den Zuschauer den ganzen Schweiß, die ganze Angst, die ganze Fantastik der Wirklichkeit spüren lassen.

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                  • Dergestalt 02.01.2015, 19:22 Geändert 12.09.2015, 00:43

                    Ein wirklich guter Schauspieler, lustigerweise besonders dann, wenn er verkappt narzisstische Charaktere ("Wolf of Wallstreet", "Revolutionary Road", "Django...") spielt. Vielleicht gewinnt er den Oscar ja gerade deshalb nicht - er lässt einfach zu sehr hinter die glatte Fassade eines schönen Aussehens und die ganzen Konzepte des strahlenden Mannes blicken. In seiner klugen Selbstdemontage grandios.

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                      Dergestalt 31.12.2014, 04:37 Geändert 16.10.2019, 22:22

                      Anarchie ganz amtlich, Anarchie als Vorsatz, Collage als Technik und alles durch den Farbfilter, frei nach Warhol. "Tausendschönchen" verweigert sich ganz prinzipiell jeglicher konkreten Erwartungshaltung. Damit ist der Film durchaus mit den frühen surrealistischen Filmen vergleichbar, die jegliches Inhaltskino zugunsten einzelner Montagen verworfen haben. Nur hier mit längeren Handlungseinschüben, die immer wieder auf die erzählerische Klammer "Die Welt ist verdorben - Wir sind verdorben" verweisen und damit etwas Kontinuität stiften. Ansonsten geht es quer durch Raum, Zeit, Milieu und die Gedanken. Manchmal flott, dann ist der Film mit seinen grellen Farben und Collagen kühn und kraftvoll, manchmal etwas langsamer, dann langweilt er bisweilen mit seiner stagnierenden Szenenbeschau. Auch ein einheitliches Tempo verweigert der Film.
                      Thematisch ist "Tausendschönchen" recht leicht zu verorten. Es geht gegen die erstarrte Gesellschaft, vornehmlich das Patriarchat. Gegen vorgegebene Geschlechterrollen, den Vorstellungen von Liebe und Bindung. Hier wird symptomatisch mit der Schere geschnitten, auseinandergenommen, hinterfragt, unterwandert. Opfer der Streiche sind ausschließlich Männer, die Teil der Welt sein wollen, die von den beiden Mädchen zwar konstituiert, aber zugleich wieder verworfen wird. Erst in dieser Collage, diesem Unsteten formt sich das Freie, die Freiheit als das Gestaltende. Die Kunst als Ausweg aus dem Bonierten und damit dem Tod durch Kategorien, Hierarchie und schließlich Krieg.
                      Letztlich stimmt der Film vor allem nachdenklich. Gelacht wird nicht mehr, wenn die Bomben fallen, ob als Kronleuchter oder Sprengstoff, oder vielleicht doch, vielleicht deswegen? Ein spannender Film, formal kühn und gedanklich durchaus mehr als ein bisschen Pop auf Celluloid.

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                        Dergestalt 31.12.2014, 02:46 Geändert 11.01.2019, 01:24

                        Ein sehr beunruhigender Film. Entgegen vieler Kommentatoren halte ich den Film durchweg für fesselnd. Gerade die Gegenüberstellung von netten Datingversuchen und psychopathisch-fantastischer Gegenwelt baut von Beginn an eine Spannung auf, die für lange Zeit gehalten wird. Hier wird eben weniger auf eine klare Auflösung hingearbeitet, als auf ein wirres Mosaik, das den Zuschauer eher fordert als ihm entgegenzukommen. Und auch als der Film gegen Ende ins Konfrontative kippt, bleibt ein surrealer Unterton, der die Handlung in einer Schwebe zwischen Realität und Traum hält. Der Film überzeugt hier mit einer Undurchsichtigkeit, die durch einzelne Motive aber strukturiert wird und damit keinesfalls willkürlich oder beliebig wirkt. "Audition" ist ein Film wie ein böser Traumrausch: Düster, subversiv und sehr beunruhigend.

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                        • Ein spannender Blick auf die Filmgeschichte, interessante Traditionslinien, die du ziehst.

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                          • Dergestalt 23.12.2014, 12:35 Geändert 23.12.2014, 12:39

                            Whoa! Tolle Idee. Danke. :)
                            (Und danke zusätzlich für den Netzkino-Verweis. Kannte ich tatsächlich noch nicht - unwissendes Ich.)

                            Mein geliebtes "Gepenst der Freiheit" ist leider schon wieder rausgenommen, ist aber nun hier zu finden:
                            https://www.youtube.com/watch?v=UbF3FuDGA-Q

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                            • Für mich gehören da noch "Holy Motors" (habe ich auch ein Poster von :D) & "Blood Tea and Red String" dazu.

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                              • Sehr spannende Auflistung, toll umgesetzt. Me gusta!

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                                • Schöne Idee! Vor allem im Rückblick toll, wenn man genau sehen kann, wann man welchen Film wie wahrgenommen hat.

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                                    Dergestalt 22.12.2014, 01:36 Geändert 16.10.2019, 22:44
                                    über Rapture

                                    "Arrebato" könnte den Untertitel "Leben im Stillstand" tragen. So zumindest habe ich dieses furios wirre Stück Film gedeutet. Zunächst erzählt der Film lediglich die Geschichte des verrückten Regisseurs José und dessen erlebnisorientierter Filmgestaltung, dann nimmt dessen Perspektive auf die Dinge aber zunehmend Einfluss auf die Handlung selbst und am Ende fällt alles schrecklich pervers und verabsolutiert zusammen.
                                    "Arrebato" ist ein ungemein rätselhafter und dadurch auch faszinierender Film, der den Horror im Film zum Horror im Leben werden lässt, überhaupt die Elemente Film und Leben souverän zusammenbringt. Daraus entsteht ein luzider Taumel, der manchmal zäh, manchmal irritierend, aber immer eindringlich ist.

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                                      Dergestalt 21.12.2014, 22:29 Geändert 16.10.2019, 22:14

                                      Ein sehr theaterhafter, künstlicher Film, was sowohl gute als auch schlechte Seiten hat. Gut daran ist, dass fantastische, eigensinnige Bilder entstehen, die mit den merkwürdigen Klangkulissen teils eine eigenartige Sogwirkung erzeugen. Hier ist der Film etwa mit den Werken Jodorowskys zu vergleichen, so kühn spielt er mit den Möglichkeiten des Visuellen. Die Möglichkeiten des Kinos nutzt er allerdings nur bedingt, denn er vernachlässigt die Möglichkeiten der filmischen Suggestion.
                                      Negativ am Künstlichen hier ist nämlich, dass die so entstehende Verfremdung bald eine deutliche Trennung zwischen Zuschauer und Film provoziert. Man steht dem Film eher gegenüber als in ihn einzutauchen. Das liegt vor allem auch daran, dass dem Film die visuelle Dynamik fehlt, ein Zugang zu den Bildern selten gestaltet wird. Kurz: Es ist ein schöner, aber steriler Film. Er nimmt den Zuschauer nicht mit, sondern präsentiert ihm bloß erstaunliche Bilder.
                                      Und auch inhaltlich bleibt es dabei: Weder Figuren noch Handlung sind konsistent gestaltet, sondern entwickeln sich in ganz ungewisse Richtungen, was ich eigentlich liebe, angesichts der Starrheit hier aber als überwiegend anstrengend empfand.
                                      Ein interessanter und damit sicherlich auch sehenswerter Film, aber letztlich keiner, von dem man sich entführen lässt. Und bei allem Experimentieren sollte dieser Faktor des Kinos nicht einfach vergessen werden.

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                                      • Dachte immer, das sei ein surrealer Psychohorror und bin jetzt etwas enttäuscht.

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                                        • Dergestalt 21.12.2014, 02:39 Geändert 21.12.2014, 02:40

                                          Höchste Punktezahl für eine Vorhersage bisher. How come?

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                                            Kenne den Film selbst nicht, kann aber den zugehörigen Kurzfilm "Meatball Machine: Reject Of Death" (gibts auf Youtube) empfehlen. Vollkommen trashig, abgedreht und schlicht genial.

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                                              Prima Artikel, tolle Einführung. Wobei ich noch anmerken würde, dass Sonos Werk vor allem über die Bilder interpretiert werden sollte, rein inhaltlich geht es oft nah ans Effekthaschende. Sonos Bildkompositionen und Montagen hingegen gehen weit darüber hinaus und haben schon eigenen Kunstcharakter.

                                              • Schön, dass neben dem ganzen fancy-psychedelic-hype mal wer gegen die Tierquälerei bei Jodorowfsky geht. Bei allem Respekt für die Fähigkeiten des Mannes, das ist sowas von unnötig und abartig.

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                                                  Dergestalt 18.12.2014, 21:38 Geändert 16.10.2019, 22:11

                                                  Ein Film wie Ursuppe, ein Film als Erlebnis. Zuckende Gestalten, vermummte Gestalten, nackte Körper, Herzklopfen, Blut, Spucke, Dreck, Verfall. "Begotten" ist unmöglich zu konsumieren und in seiner radikalen Form äußerst konsequent: Es handelt sich um die Darstellung urförmiger Zustände und Geschehnisse und damit auf keinen Fall um einen strukturierten Film. So bleibt der Zuschauer Betrachter fremder Riten und kann lediglich versuchen, darin einen Sinn zu erkennen.
                                                  Nur in der Darstellung physischer Gewalt scheint eine (emotionale) Annäherung möglich. Dann schockiert der Film durch seine Drastik und Unmittelbarkeit, ehe er das Physische und sich selbst wieder zu etwas Fremden formt, das sich dem Zuschauer zähflüssig entzieht.

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                                                  • Schöne Idee und in Teilen stimme ich dir auch zu (v.a. was "Django" betrifft), andererseits dann gar nicht ("Garden State", "Fear and Loathing"), aber so eine Liste muss ja irgendwo anecken. :)