Mein Senf - Kommentare

Alle Kommentare von Mein Senf

  • Die Razzie folgen der Tradition der Oscar und bieten jährlich null Überraschungen oder Mut zum miesen Indipentend-Streifen. Mainstream, Konsens und Erwartbarkeit dominieren - Für einen Satirepreis absolut tödlich.

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    • "swissroland" ist hier der Stellvertreter für all diejenige, die dem Natascha-Kampusch-Hass verfallen sind. Dazu gehört übrigens auch, dass er kritische Kommentare zu seiner Sicht der Dinger löscht, er aber gleichwohl Meinungsfreiheit einfordert.

      Die Hintergründe eines dezidierten Natascha-Kampusch-Hass sind mittlerweile ein ziemlich gut erforschtes soziologisches Phänomen: Neben Sozialneid in Bezug auf ihre Medienpräsenz und auch das Geld, das sie damit verdient, speisen sich die irrationalen Anfeindungen ("Der Kampusch trau ich ned.") vor allem aus einem Ungerechtigkeitsempfinden gegenüber anderen Opfern, die im Stillen leiden, während Natascha Kampusch so dezidiert öffentlich auftritt. Hinzu kommt die wahnwitzige Vorstellung, dass ein traumatisierter Mensch, der an die Öffentlichkeit tritt, auch die Pflicht hat, sämtliche Details seines Traumas auszubreiten.

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      • Das ärgerlichste an diesem Artikel ist nicht einmal die Tatsache, dass sich der Autor auch nur ansatzweise bemüht, seine wilden Spekulationen und Anschuldigungen in irgendeiner Weise mit Fakten zu unterlegen. Hier wird eigentlich die ganze Zeit über im Konjunktiv geredet und mit Vokabeln wie "aller Wahrscheinlichkeit nach", "höchstwahrscheinlich", "vermutlich" um sich geworfen.

        Weitaus ärgerlicher, bzw. das vollkommen Absurde an diesem Artikel ist die Tatsache, dass hier gegen die angebliche Unfähigkeit und Blindheit der Academy gewettert wird, obwohl diese Institution dem Film durch die bloße Nominierung bereits Respekt gezollt hat.

        Sorry, aber ich finde diesen Artikel sehr misslungen.

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        • Beide Enden sind ziemlich vergeigt. Sowohl das angeflanschte, nachgedrehte Helikopter gegen Pistolen-Schande an der kanadischen Grenze, noch diese Alternative, die fast wie ein Epilog wirkt und von der Tonalität einigermaßen befremdlich wirkt.

          By the way: Der Vergleich mit Sly und dem Gourvernator ist gleich in doppelter Hinsicht falsch. Bei "Baden gegangen" muss man immer zwischen "künstlerisch" und "kommerziell" unterscheiden. Stallone und Schwarzenegger haben zwar qualitativ solide Filme abgeliefert (Metascore Imdb "Last Stand": 54/100, "Shootout": 48/100), sind damit aber trotzdem an den Kassen untergegangen. Ganz im Gegensatz zu Bruce Willis, dessen "Die Hard 5" die Kritiker fast einhellig enttäuschte (Metascore Imdb: 29/100), aber sogar leicht besser startete als der äußerst erfolgreiche Teil 4 (gemessen am Verhältnis zwischen Budget und Einspielergebnissen).

          • "Stirb Langsam" meets "Last Boy Scout" - wieso eigentlich nicht? In diesem Fall scheint die Kopie dem Original-Franchise (jedenfalls was den aktuellen Teil 5 angeht) deutlich überlegen zu sein.

            • "Es wäre viel interessanter gewesen, wie der Mann der Working Class zum digitalen Zeitalter steht. Wie hätte der Bastler die Omnipräsenz von Überwachen und Strafen umgehen können?"

              Da du offenkundig den vierten Teil nicht kennst, würde ich dir den ans Herz legen.

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              • 5 .5

                Nach über sechs Jahren meldet sich John McClane mit dem fünften Teil der Stirb-Langsam-Franchise zurück. Sein Ausflug nach Russland schafft es allerdings nicht im Geringsten, die große Erwartungshaltung, die insbesondere der gelungene vierte Teil weckte, zu erfüllen. So ist es zwar noch zu verschmerzen, dass die Story lediglich Versatzstücke der vorigen Teile channelt, viel schwerer wiegt aber die reichlich uninspirierte (aber wenigstens handgemachte) Action und vor allem die Tatsache, dass Regisseur John Moore seinen Titelhelden hier zum Sidekick seines eigene Films degradiert.

                Als sein Sohn Jack (Jai Courtney) in Moskau verhaftet wird, reist John McClane (Bruce Willis) zu der Gerichtverhandlung nach Russland. Dort wird er Zeuge des gewaltsamen Kidnappingversuchs des russischen Oligarchen Komarov (Sebastian Koch), der gegen seinen ehemaligen Weggefährten auspacken will. Jack entpuppt sich als CIA-Agent, der Komarov unversehrt außer Landes schaffen soll. Doch die Verfolger um den skrupellosen Söldner Alik (Radivoje Bukvic) sind ihnen dicht auf den Fersen und abermals ist John McClane zur "richtigen" Zeit am falschen Ort.

                1988 revolutionierte John McTierman das amerikanische Actionkino, indem er einen neuen Helden-Typus etablierte. Den grotesk aufgepumpten Fetischkörpern eines Arnold Schwarzeneggers, Sylvester Stallones, oder Jean Claude van Damme, die sich durch ebenso grotesk überzeichnete Actionszenarien schlugen, setzte er einen verletzlichen Normalo entgegen, der einfach zur falschen Zeit am falschen Ort ist. John McClane schwitzt und/oder blutet sein Unterhemd durch, statt es mit seinen Brustmuskeln zu sprengen, er hat Eheprobleme, statt Bettgespielinnen und wendet lieber hinterhältige Tricks an, statt sich heroisch ins Feindfeuer zu stellen. Dies gepaart mit dem lässigen Sarkasmus von Hauptdarsteller Bruce Willis, einem fintenreichen Drehbuch, das im Gegensatz zu vielen Konkurrenzprodukten nicht die Intelligenz des Zuschauers beleidigt sowie zahlreichen galligen One-Linern führte zu einer langlebigen Franchise, die es bis heute –fast 25 Jahre später- auf mittlerweile fünf Teile gebracht hat. Bislang konnte keine Fortsetzung in Punkto Originalität und Qualität an das Original anknüpfen, auch, weil John McClane nach der Höher-Schneller-Weiter-Logik des amerikanischen Fortsetzungenkinos allmählich zu jener unsterblichen Kampfmaschine mutierte, von denen er sich einst aktiv abgrenzte. Vor dieser Entwicklung zwar auch der bislang letzte Teil aus dem Jahre 2007 nicht gefeit, aber er variierte die Stärken der Franchise perfekt und überführte die Reihe zeitgemäß ins neue Jahrtausend, indem er dem reichlich altmodischen Haudegen McClane ein dezidiert digitales Post-9-11-Szenario entgegenwarf.

                Das weckte immense Erwartungshaltungen an Teil 5, die allerdings bei der Verpflichtung von Skip Woods als Drehbuchautoren („Passwort Swordfish“, „Hitman“, „X-Men Origins: Wolverine“, „Das A-Team“) und John Moore als Regisseur („Der Flug des Phoenix“, „Das Omen“, „Max Payne“) bereits erste Kratzer bekam. Auf beide Konten gehen bislang einige veritable Enttäuschungen, großes Kino sind Sie bislang erst Recht schuldig geblieben - und nicht weniger erwartet das Publikum schließlich von einem neuen Stirb-Langsam-Teil. Tatsächlich ist „Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ jene Enttäuschung geworden, die man im Vorfeld befürchtet wurde.

                Das beginnt mit einem recht durchschnittlichen Drehbuch, das sich als eher ungelenker Versuch entpuppt, ein über- und durchschaubares Terrorkomplott in Russland mit Versatzstücke der Stirb Langsam-Reihe zu kombinieren. Dabei geht dem Skript jene Finesse, Gespür für originelle Nebencharaktere und Witz, die alle Vorgänger boten, weitgehend abhanden. Statt mit einem Schleudersitz oder einem improvisierten Feuerlöscher-Geschoss muss hier das gute alte Messer im Stiefelschacht dafür herhalten, um den Helden aus einer ausweglosen Situation zu befreien. Originell sieht anders aus. Die Mängel erscheinen insbesondere vor dem Hintergrund ironisch, da hier zum allerersten Mal überhaupt ein Skript speziell für einen Part der Stirb-Langsam-Reihe verfasst wurde.

                Das Vater-Sohn-Gespann kontrastiert Autor Skip Woods zwar passenderweise mit einer Vater-Tochter-Konstellation (Komarov und Irina) - viele inspirierte Moment entstehen dadurch gleichwohl nicht. Zeitweise nervt McClane richtiggehend mit seiner ausgestellten Hättest-du-doch-einfach-mal-auf-deinen Vater-gehört-Besserwisserei. Des Weiteren agiert der zentrale Antagonist lange Zeit im Hintergrund und tritt erst zum Finale wirklich in Erscheinung. Zu spät, um wirklich Profil zu gewinnen, geschweige denn so etwa wie Charisma zu entwickeln. Dieses Vakuum können auch die serientypischen Helfershelfer nicht wirklich abfedern. Waren sie in den Vorgängern stets ikonenhafte und hochprofessionelle Berufsverbrecher, erscheinen sie hier wie klischeehafte Aushilfsgangster und damit kaum gefährlich. Das zentrale Problem des Drehbuchs besteht jedoch darin, dass McClane durch seinen dominanten Sohn zur Nebenfigur seiner eigenen Franchise degradiert wird. Sidekicks waren seit Beginn Teil des Franchises, aber stehts funktionierten sie als reine Stichwortgeber und Comic Relief für John McClane. Die Funktion übernimmt nun John McClane selbst über weite Strecken der Handlung, indem er seinen Sohn hinterherhechelt und bei Bedarf auch mal unterstützend eingreift. Diese Konstellation verschiebt sich gegen Ende zwar, aber bis zum Ende agieren Vater und Sohn quasi auf Augenhöhe, was soweit führt, dass
                --SPOILER--
                der Junior den zentralen Bösewicht in einer Stirb-Langsam-1-Gedächnis-Sequenz eigenhändig ausschalten darf.
                --SPOILER--

                Insgesamt weiß das Drehbuch nicht allzu viel mit seinem nominellen Hauptdarsteller anfangen zu können und stellt John McClane auf eine Art Autopilot. Das beginnt damit, dass McClane keine direkten körperlichen Auseinandersetzungen gegönnt werden. Dazu liegt die Trefferquote seiner Oneliner auf einem historischen Tiefststand und auch wenn der Held bewusst altmodisch angelegt ist - In welchem modernen Actionfilm darf jemand während einer Verfolgungsjagd heutzutage noch Sachen wie „Tut mir wirklich leid!“ kalauern, wenn er Verkehrsteilnehmer unsanft aus dem Weg rammt?

                Die Action uns insbesondere die erwähnte Autoverfolgung in den Straßen Moskau früh im Film zählt dabei noch zu den Highlights und wird von John Moore kompetent und wuchtig inszeniert. Der Verschleiß an Autos ist immens und stellt in dieser Beziehung die legendäre Verfolgung in „The Blues Brothers“ (1980) locker in den Schatten. Dagegen stinkt der Showdown jedoch schon wieder gewaltig ab, auch weil er ein zentrales Element, dessen sich der Film schon vorab ausgiebig bedient hat, einfach dreist recycelt. Insgesamt bietet „Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben“ (2013) drei große Action-Setpieces wovon zwei recht ähnlich ausfallen. Alteingesessene Fans der Reihe können sich darüber freuen, dass John McClane wieder deutlich brutaler zu Werke gehen darf. Wurde der Vorgänger von Teilen der Anhängerschaft noch für seinen PG-13-Ansatz inklusive digital entschärfter Gewaltszenen kritisiert, liefern sich die McClanes hier wieder weitaus blutigere Auseinandersetzungen. Die Qualität der Produktion hebt dieser Umstand freilich nicht an.

                In Summe resultiert daraus der inhaltlich überschaubarste und deshalb folgerichtig mit Abstand kürzeste Teil der Reihe (97 Minuten). Wenn nicht seit Teil 4 geschlagene sechs Jahre ins Land gewandert wären, könnte man den Eindruck gewinnen, dass dem Publikum hier eine fix und billig im Ostblock runtergekurbelte Fortsetzung untergejubelt wurde. Dagegen spricht die aufwändige, aber auch mitunter recht uninspirierte Action. Am schwersten wiegt aber der Umstand, dass der Film die Figur des John McClane geradezu stiefmütterlich behandelt. Soll damit schon ein Nachfolger in Position gebracht werden. Die ungewöhnliche Dominanz seines Sohnes als Sidekick legt diesen Umstand. Andererseits hat Bruce Willis unlängst verlauten lassen, dass er die zweite Trilogie eigenhändig zu Ende bringen wird. Hoffentlich mit einem besseren Film.

                Daran werde ich mich erinnern:
                Die Autoverfolgung in den Straßen Moskaus.

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                • Bei "The Last Stand" kann ich es ja noch verstehen, aber kann man bei "Shootout – Keine Gnade" tatsächlich von einem "Comeback" reden? Ist ja nicht so, dass Stallone in den letzten Jahre untätig gewesen wäre, bzw. keine Filme erfolgreich alleine getragen hätte.

                  • Ich habe diesen Eintrag ins Berlinale-Tagebuch förmlich herbeigesehnt. Schließlich ist "Before..." eine der großartigsten Filmtrilogien aller Zeiten. Viel besser als "Herr der Ringe", oder "Der Pate" und fast so gut wie "Krieg der Sterne"... und selbstverständlich mit allen nicht im Geringsten zu vergleichen :-)

                    Nur schade, dass es für Jesse und Celine damit nun wohl zuende ist und, dass Nicht-Berlinaler noch fast ein halbes Jahr bis zum Kinostart warten müssen.

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                      Nicht Norwegen, Schweden oder Spanien, sondern Österreich und die Schweiz werfen in Ko-Produktion den nächsten Euro-Slasher auf den Markt. Inhaltlich und optisch steht „One Way Trip" (2011) dabei allerdings amerikanischen Genreproduktionen sehr viel näher, was zur Folge hat, dass der ungewöhnliche Handlungsort weitestgehend generisch und austauschbar bleibt. Qualitativ bekommen Genrefans trotzdem grundsolide Hausmannskost, die allerdings etwas zu sehr nach amerikanischem Fastfood schmeckt.

                      Valerie (Sabrina Reiter) wird von ihren Freunden unter falschem Vorwand auf einen Ausflug ins Schweizer Jura gelockt, um dort gemeinsam halluzinogene Spitzkegelige-Kahlkopf-Pilze zu sammeln. Als einer der Jugendlichen während der ersten drogendurchzechten Nacht blutüberströmt und bewusstlos im Lager zusammenbricht, suchen die Jugendlichen Hilfe in einem verlassenen Gutshof. Doch die einheimischen Besitzer sind der Gruppe alles andere als freundlich gesonnen.

                      Seit „Anatomie" (1998) den amerikanischen Slasher im europäischen Genrekino etablierte, werden in schöner Regelmäßigkeit ähnlich gelagerte Produktionen aus verschiedensten Ländern der alten Welt auf den Markt geworfen. Selbst Island legte 2009 mit „Reykjavik Whale Watching Massacre" (2009) den ersten einheimischen Genrevertreter vor. Die besten Euro-Slashers schaffen dabei den schwierigen Spagat, die aus Hollywood vorgebenden Handlungsmuster in ein dezidiert europäisches Setting einzubinden. Ein guter Euro-Slasher kann also immer auch auf einen gewissen Exoten-Bonus setzen, bei dem gerne auch mal in Mundart geredet werden darf und die Protagonisten keine chirurgisch optimierten Berufsschönheiten sein müssen. Setzte beispielsweise der recht vergleichbare „In 3 Tagen bist du tot" (2006) noch offensiv und erfolgreich auf Dialekt sprechende Protagonisten und österreichische Bergdorf-Spießigkeit, so wirkt das Setting und die Geschichte von „One Way Trip" (2011) wesentlich glattgebügelter, ja bisweilen sogar komplett austauschbar. Inhaltlich gilt hingegen auch für den Euro-Slasher die eiserne Regel, sich penibel an alle Konventionen zu halten, die seit „Halloween" (1978) praktisch in Stein gemeißelt sind. Auch „One Way Trip" unterwirft sich diesem erzählerischen Diktat weitgehend. Das Zeltlager-Szenario geht bis auf „Freitag der 13." (1980) zurück, Fehlverhalten wie Drogenkonsum und Promiskuität werden blutig bestraft und die Figur der warnenden Einheimischen findet sich hier genauso, wie die des besonnen agierenden Final-Girls. Inhaltlich drängen sich große Parallelen zum „Shrooms" auf, der das Szenario um halluzinogene Pilze im Rahmen eines Teenie-Slasher bereits 2007 verhandelt hat.

                      Im Gegensatz zu der recht experimentellen irischen Produktion, beschränken sich das Element des halluzinogenen Rauschmittels hier auf ein absolutes Minimum und wirkt lange Zeit eher wie eine Ausrede, einen Haufen Kids in den Wald zu schicken und sich dort besonders dumm anstellen zu lassen. So treffen die Protagonisten sinnfreie Entscheidungen am Fließband, die Gruppe teilt sich im Augenblick der Gefahr auf (weil: effektiver und so) und jedem verdächtigen Geräusch wird neugierig nachgestellt, vorzugsweise begleitet von Sätzchen wie: „Komm schon, das ist jetzt aber nicht mehr lustig." Kurz: „One Way Trip" erzählt seine überschaubare Geschichte zwar hübsch gradlinig und bedient sich dabei ausgiebig den etablierten Konventionen des Genres, übernimmt aber auch jedes noch so dümmliche Klischee, die der Slasher in über 30 Jahren in Verruf gebracht hat.

                      Darstellerisch geht das alles soweit in Ordnung: Die österreichische Scream-Queen Sabrina Reiter („In 3 Tagen bist du tot", In 3 Tagen bist du tot 2") gibt das bodenständige Final-Girl gewohnt authentisch. Dazu gesellen sich weitgehend unbekannte Nachwuchsdarsteller aus dem Theaterbereich. Die ehemalige Miss Schweiz, Melanie Winiger („Achtung, fertig, Charlie", „Resturlaub"), darf als gruselige Förstertochter in erster Linie finster aus der verdreckten Unterwäsche schauen, und erweist sich dabei als recht brauchbare, aber auch ziemlich eindimensionale Bedrohung. Inszeniert wurde „One Way Trip" (2011) ganz modern in stereoskopischen 3D, inklusive der genretypischen Pop-In-Your Eye-Effekte (was hier sogar ganz wörtlich zu verstehen ist), die in der 2D-Version teilweise etwas irritierend wirken. Optisch kann sich der Streifen durchaus mit deutlich höher budgetierten amerikanischen Genre-Produktionen messen. Auch die Qualität und Härte der Splatter-Effekte fällt ebenfalls überzeugend aus.

                      Leider scheint Regisseur Markus Welter gar nicht daran interessiert zu sein, seinem Pilztrip so etwas wie Originalität bzw. Alleinstellungsmerkmale abringen zu wollen. Alles verläuft exakt so, wie man es erwartet, inklusive einer absurden aber nichstdesto erwartbaren Schlusspointe. Der durchaus stimmige Schauplatz der Schweizer Jura wirkt sehr generisch, würden die Straßenschilder nicht darauf hinweisen und einige Passanten französisch sprechen, würde man sich nicht unbedingt in der Schweiz wähnen. Das ist zwar alles handwerklich recht solide, aber eben auch recht austauschbar und spannungsarm ausgefallen. So kommt „One Way Trip" (2011) zu keinem Zeitpunkt über den Genredurchschnitt und bleibt lediglich als erster 3D-Film aus Österreich und aus der Schweiz in Erinnerung.

                      Daran werde ich mich erinnern: Einer der Teenie-Opfer riskiert eine Auge.

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                      • Endlich eine neue Regiearbeit von Eli Roth, dem neben Rob Zombie, Ti West und Alexandre Aja wichtigsten Horrofilmregisseur der Gegenwart.

                        Ich freue mich, ich freue mich genaugenommen das allererste Mal auf einen Kannibalenfilm.

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                        • 7 .5

                          „Unknown Identity“ (2011) entpuppt sich als äußerst positive Kino-Überraschung. Wähnt man sich als Zuschauer anfangs noch in sehr konventionellen Verschwörungsthriller-Gefilden, gerät vor allem die Auflösung des raffiniert gestrickten Plots rund um die verlorene Identität von Liam Neeson überraschend originell und tatsächlich vollkommen schlüssig. Die konzentrierte Regie lässt zudem genug Raum für einige markante Nebenfiguren, von denen vor allem Bruno Ganz in Erinnerung bleibt.
                          Der renommierte US-Wissenschaftler Martin Harris (Liam Neeson) reist mit seiner Frau Elizabeth (January Jones) nach Berlin, um den Nobelpreisträger Professor Bressler (Sebastian Koch) im Rahmen einer Biotechnologie-Konferenz zu treffen. Als er nach einem plötzlichen Unfall aus einem mehrtägigen Koma erwacht, erinnert sich weder seine Frau, noch sein direktes Umfeld an ihn. Harris wittert eine Verschwörung und ist entschlossen, seine Identität zurückzuerlangen. Unterstützung erhält er von der bosnischen Taxifahrerin Gina (Diane Krüger) sowie dem Ex-Stasioffizier Ernst Jürgen (Bruno Ganz).

                          Ein normaler Bürger wird abseits vertrauter Strukturen Opfer einer Intrige. Da ihm selbst offizielle Behörden keinen Glauben schenken, obliegt es schließlich ihm allein, sich seinen Widersachern zu stellen und die Verschwörung aufzudecken. Seitdem Alfred Hitchcock diese Eckpfeiler ab den 1950er-Jahren mit Filme wie „Der Mann, der zu viel wusste“ (1956), „Der falsche Mann“ (1956) und „Der unsichtbare Dritte“ (1959) eingeschlagen hatte, gelten sie für den Verschwörungsfilm. In der Tradition dieses Thriller-Subgenres steht auch „Unknown Identity“ (2011) dessen junger Regisseur Jaume Collet-Serra, eher Horrorfans („House of Wax“, „The Orphan“) ein Begriff sein dürfte. Stärker als Hitchcock lehnt Collet-Serra seinen Thriller inhaltlich aber an Roman Polanskis „Frantic“ (1987) an. Das europäische Setting, der Hotelschauplatz, die mysteriöse fremde Frau, der wissenschaftliche Background des Protagonisten und sogar das auslösende Element des fehlenden Koffers sind direkte Verweise auf Polanskis Film, der sich seinerseits als Hitchcock-Hommage versteht.

                          Sklavisch, beinahe zu sklavisch hakt Collett-Serra zu Beginn auch brav hinlänglich bekannte Plotpoints ab, die das Genre im letzten halben Jahrhundert hervorgebracht hat. Selbst die Tatsache, dass seine eigene Frau ihn nicht mehr zu erkennen scheint, schockiert den genreerfahrenen Zuschauer in diesem Zusammenhang eher mittelmäßig. Dann schon eher die zaghaft eingestreuten Versuche Collet-Serras, mit der Erwartungshaltung des Publikums und den Konventionen des Genres zu spielen. Ob bewusst oder nicht, die hinlänglich bekannte Grundsituation lädt den Zuschauer von Beginn an ein, seine Genreschablone auf den Plot zu legen und mitzurätseln, was es mit der Intrige um Martin Harris auf sich hat. Auf diesem Level fesselt die straff geschrieben und inszenierte Geschichte von Anfang an. Zum Vorteil gereicht diesem Aspekt auch das moderate Erzähltempo. Nicht nur lässt es dem Zuschauer jederzeit genug Raum für eigene Überlegungen, es verhindert auch, dass die Geschichte nicht atemlos von Plot-Höhepunkt zu Plot-Höhepunkt hetzt, sondern seine Pointen sorgsam vorbereiten und effektiv ausspielen kann. Innerhalb der ersten beiden Akte ist „Unknown Identity“ vor allem perfekt erzähltes Spannungskino mit sparsam eingestreuten Actioneinlagen. Der zweite Akt gipfelt in einer Auflösung der Intrige, die zwar im Prinzip nur die bekannte Super-Ultra-Geheimorganisation-Deus-Ex-Machina aus dem Hut zaubert, aber dabei gleichzeitig die Regeln des Genres komplett auf den Kopf stellt und damit recht einzigartig sein dürfte. Tatsächlich ist der Held in diesem Moment den identitätskrisen-geplagten Protagonisten des legendären Sci-Fi-Autoren Phillip K. Dicks (Vorlagen zu „Blade Runner“, „Total Recall“, „The Impostor“, „Minority Report“) näher als Alfred Hitchcock. Umso erstaunlicher ist, dass „Unknown Identitiy“ (2011) die Handlungsfäden dabei vollkommen logisch und glaubhaft zusammenführen und auflösen kann. Als Nachschlag werden Liam Neeson im finalen Akt noch einige Actionmomente gegönnt werden, mit denen er seinen aktuellen Status als Rentner-Rambo pflegen darf.
                          Auch ansonsten verkörpert Neeson den gehetzten Normalo sehr routiniert. January Jones als Ehefrau ist eher hübsches Beiwerk und darf finale im Mad-Men-Gedächtnis-Outfit vor allem Schönheit versprühen. Daneben kommen eine ganze Reihe deutscher Schauspielgrößen zum Einsatz (u.a. Sebastian Koch, Stipe Erceg, Karl Markovics), die ihre mehr oder weniger großen Parts souverän absolvieren. Die größte Screentime erhält dabei Hollywood-Export Diane Krüger, die sich als illegale Immigrantin aus Bosnien recht brauchbar schlägt, ohne nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu können. Das trifft schon eher auf Bruno Ganz zu, der als pensionierter Stasi-Offizier nicht nur den interessantesten Nebencharakter spielt, sondern dessen Aufeinandertreffen mit Frank Langella (Kurzauftritt) zu den Highlights des Films zählt.

                          Achja, „Unknown Identity“ (2011) spielt in Berlin, was einheimische Kritiker dazu veranlasste, dem Schauplatz ein besonderes, beinahe übersteigertes Augenmerk zu schenken. Letztendlich beschränkten sich die Kommentare der Kollegen aber auf eine Art indigenen Erbsenzählerei, indem sich über das recht wahllose Schauplatz-Hopping und die zahlreichen Oz-Graffitis halb belustigt echauffiert wird. Dieser krampfig-deutsche Reflex, seine Anflüge von Nationalstolz bzw. Lokalpatriotismus politisch korrekt mit Sarkasmus und Ironie zu überspielen, hat mit einer ernsthaften Auseinandersetzung selbstredend eher weniger zu tun. Tatsächlich ist der Schauplatz für einen Film allerdings extrem wichtig und Berlin und speziell dessen Inszenierung erweist sich als Glücksfall. Die schneematschige Version der Hauptstadt unterstreicht nicht nur die feindlich und kühle Grundstimmung des Verschwörungsplots, sondern vor allem auch das Schmudellimage Berlin. Soll doch das ZDF zwei Stunden das Adlon-Kempinski in Szene setzen. Jaume Collet-Serra traut sich dankbarerweise auch in die weniger schönen Ecken und zeigt angeranzte Currywurstbuden, heruntergekommene Werkstätten, slumartige Wohnblöcken und graffitibeschmierte U-Bahnhöfe.

                          Wähnt man sich zu Beginn noch in einem Best-Of-hinlänglich bekannter Verschwörungsthriller, so entwickelt „Unknown Identiy“ (2011) schon nach kurzer Zeit eine recht eigenständige Handschrift und mündet in einer Pointe, die selbst das finale Actionfinale in den Schatten stellen kann. Damit gelingt Collet-Serra nicht mehr und nicht weniger als der beste Thriller des Kinojahres 2011.

                          Daran werde ich mich erinnern: Die gelungene Auflösung der Verschwörung.

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                          • Mir reicht es eigentlich schon, wenn Bruce zur RICHTIGEN Zeit am falschen Ort ist ^^

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                            • Ich kaufe es Til Schweiger vorbehaltlos ab, dass er seine Vorveröffentlichungspolitik nach Gutsherrenart nicht aus rein wirtschaftlichem Kalkül betreibt. Tatsächlich entbehrt dieses Argument schon deshalb jeder Grundlage, weil sich der Personenkreis, den Schweiger mit seinen Filmen erreicht, sich nicht mit der Zielgruppe der Kritiker überschneidet, die sein Filmschaffen mit seltsamem Gusto regelmäßig in Grund und Boden schreiben. Dafür (und nur dafür) sprechen die Einspielergebnisse seiner Filme.
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                              Als Beispiel sei hier der jüngste Film seines nominellen Thronfolgers Matthias Schweighöfers genannt, der die gleiche Zielgruppe von Kinogängern bedient. Sowohl „What a Man“ (Kritikerschnitt: 5,4 auf Moviepilot) als auch „Schlussmacher (Kritikerschnitt 4,5) wurden von der deutschen Kritik verschmäht (kleine Randnotiz: In den USA wurde „What a Man“ wesentlich wohlwollender aufgenommen, die renommierte New York Times verglich Schweighöfer sogar mit Woody Allen) und waren an der Kinokasse unglaublich erfolgreich. Resultat: Dem Zuschauer dieser Filme sind die Auslassungen von Kinokritikern vollständig wumpe, die gesamtgesellschaftliche Relevanz von Kinokritikern tendiert gegen null und daher entsteht Til Schweiger durch schlechte Presse auch kein wirtschaftlicher Schaden.
                              Aus dieser Erkenntnis resultieren zwei Fragen:
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                              1. Frage:
                              Welche Schlussfolgerungen zieht der gemeine Journalist/Kinokritiker über den Stellenwert seines Berufs? Er hat sein natürliches Mitteilungs- und Wahrnehmungsbedürfnis ja auch wegen des Versprechens zum Beruf gemacht, dass seine Arbeit etwas bewirken könne. Aber trotz nahezu geschlossener Kritikerschelte werden diese minderwertigen Filmchen dann trotzdem zu Kassenschlagern. Und wenn dann auch dieser mäßig talentierte Prolet anfängt, nicht nur gegen den eigenen Berufsstand zu wettern, sondern aktiv versucht, ihn in ihrer Arbeit zu behindern bzw. für seine Zwecke zu instrumentalisieren, dann ist der Reflex zur billigen Polemik und Verteidigungshaltung zwangsläufig größer, als der Drang nach einer reflektierten und auch selbstkritischen Auseinandersetzung zum Thema.
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                              2. Frage:
                              Was bewegt Til Schweiger, wenn schon nicht aus Profitgier (die man im Zusammenhang mit seiner Person quasi vorauszusetzen scheint) dazu, einen Großteil der professionellen Kinokritiker von Pressevorführungen auszuschließen? Die einfache Antwort gibt er kaum verhohlen selbst: Er fühlt sich beleidigt und gekränkt und nutzt seine kommerzielle Vormachtstellung in Deutschland mit einer Art kindlichem Trotz dazu, die Kritiker ihre eigene Unbedeutendheit spüren zu lassen. Er signalisiert den so genannten kritischen Journalisten damit: „Ihr nehmt euch wichtig, aber ihr seid unwichtig. Ich bin nicht auf euch angewiesen. Ich brauche euch nicht und wenn ich euch brauche sollte, dann melde ich mich…aber bitte nicht umgekehrt.“
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                              Fazit:
                              Auf beiden Seiten geht es um verletzte Egos und gekränkten Stolz. Wenn aber weder die eine, noch die andere Seite damit beginnt kritisch ihre eigene Rolle zu hinterfragen, dann wird sich diese Posse bis zum Kinostart von „14OhrFohlen“ immer und immer wiederholen. Resultat: Beide Seiten schießen sich mehr und mehr ins Abseits, indem die sich in ihrer Trutzburg aus billiger Polemik verkriechen, mit dem Finger auf den anderen zeigen und damit die Ghettoisierung zwischen Kunst- und Kommerzpublikum weiter vor.

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                              • Und ich hatte schon gestutzt, als ich die ausnahmslos positiven und auffällig ähnlichen klingenden Vorabkritiken zu Kokowäh gelesen hatte. Danke für den Artikel Rajko – Obwohl diese Veröffentlichungspolitik ja hinlänglich bekannt ist, hatte ich das schon wieder aus meinem Gedächnis gestrichen. Es ist gut, immer wieder aufs Neue darauf aufmerksam zu machen.

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                                • Bedeutet die Überschrift, dass er jetzt Schmuggler wird?

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                                  • Hey Christ. Viel Spaß beim Praktikum. Wenn du Lust auf ein paar SC2-Partien unter Filmnerds hast (und du im Bereich der Goldliga spielst), melde dich.

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                                    • "Schließlich schrieb er [Shane Black] die ersten und letzten beiden Teile der Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis -Reihe und inszenierte sogar den letzten Eintrag der Franchise."

                                      Da kann ich jetzt mal schön den Klugscheißer geben: Tatsächlich schrieb Shane Black lediglich das Drehbuch zu Teil 1 und 3 der Lethal-Weapon-Reihe. Für Teil 2 lieferte er nur das Grundgerüst. Den "letzten Eintrag der Franchise", also Teil 4, hat er weder geschrieben noch inszeniert.

                                      • Kleiner Tipp: Etwas ausführlicher und im schick-schnoddrigen Sam L. Jackson-Sprech bekommt man diese und weitere Anekdoten auf der aktuellen "Pulp Fiction-BD-Version zu hören.

                                        • Der Artikel wildert ja schon beinahe in Sophies Welt :-)

                                          Jedenfalls habe ich nun keinen Grund mehr, mich der Serie zu entziehen (nachdem mein Kumpel mir schon seit Wochen in den Ohren hängt, die endlich mal zu starten). Wird definitiv angesehen.

                                          • Es ist schon eine ziemlich Ironie, dass ein Film, der so dezidiert unpolitisch daherkommt, die Zuschauer dermaßen extrem politisieren kann.
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                                            Vielleicht ist das das beste Zeichen dafür, dass Kathryn Bigelow exakt das erreicht hat, was die Inszenierung beabsichtigt. Nämlich eine reine Projektionsfläche für den Zuschauer zu schaffen. Ein durchaus spannendes (wenngleich auch reichlich bequemes) künstlerisches Experiment, denn nun kämpfen die politischen Lager um die Deutungshoheit des Streifens.
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                                            Diese Deutungshoheit betrifft im Übrigen auch die Frage, ob der Film Folter tatsächlich als Instrument darstellt, um an die entscheidenden Informationen zu kommen. Diese Frage ist nicht so eindeutig zu beantworten, wie es Sven Pfizenmaier in dem Artikel suggeriert (Zitat: "Grund für diesen Vorwurf sind vor allem die ersten 40 Minuten, in denen Gefangene gefoltert werden, bis sie tatsächlich die Informationen herausrücken, die für die Auffindung bin Ladens unabdingbar sind.")
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                                            Wie einige Kritiker nämlich treffend angemerkt haben besteht die bewusst gesetzte Pointe innerhalb dieser ersten Drehbuchsequenz nämlich darin, dass das Folteropfer die entscheidenden Informationen nicht unter Zwang sondern unter Anwedung einer List bei einem gesitteten Frühstück preisgibt.

                                            • Schön, wie hier schon die ersten Verschwörungstheorien sprießen (siehe DrGonzo)

                                              Menschen und speziell filmaffine Menschen neigen dazu, hinter allem und jedem größere und bösartigere Zusammenhängen zu konstruieren, als tatsächlich existieren. Warum? Weil Filmhandlungen uns seit über 100 Jahren eine übersteigerte Kausalität von Ursache und Wirkung suggerieren. Und das ist auch gut, denn Filme haben eben auch eine sinnstiftende Ordungsfunktion.

                                              Gleichzeitig sind es aber eben auch nur konstruierte idealitypische Geschichten. Und genau deswegen -so clever und überraschend es klingen mag- wurde das World Trade Center nicht von der CIA gesprengt, genau deswegen hat Balsen das Krümelmonster auch nicht engagiert, um ihr Wahrzeichen stehlen zu lassen und genauso deswegen ist die Nominierung von "Ich bin ein Star..." eben auch kein PR Stunt (als hätte das der Grimmepreis in irgendeiner Weise nötig).

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                                              • Die Nominierung für "Ich bin ein Star..." ist hochverdient.
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                                                Natürlich sind sie mit der Nominierung glatte zwei Jahre zu spät dran (trotz des sehr gelungenen Finaltwists der aktuellen Staffel). Aber das verhält sich wohl so wie "Return of the King", der dann 2003 stellvertretend alle wichtigen Oscars abgeräumt hat, obwohl er der schwächste Teil der LotR-Trilogie gewesen ist.

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                                                  „Zero Dark Thirty“ ist ein schwieriges Filmmonster, gleichzeitig bequem und unbequem, überlang und atemlos, hochspannend und zäh, berührend und abstoßend. Komplexe Charakterisierungen und Wertungen werden sorgsam vermieden und gerade dadurch entwirft die Erfolgsregisseurin Kathryn Bigelow ein beängstigendes Bild eines Geheimdienstapparates, der nur losgelöst von gesellschaftlichen und moralischen Werten funktionieren kann. Als Kinofilm funktioniert das leider nicht über gesamte Dauer, trotzdem bleibt der Film ein ambitionierter Thriller, dessen bewusst offene Grundhaltung förmlich dazu einlädt, sich seine eigene Meinung zu bilden.

                                                  Nach den Anschlägen des 11. Septembers verschreibt sich die spröde junge CIA-Agentin Maya (Jessica Chastain) vollkommen der Jagd nach deren Drahtzieher: Osama Bin Laden. In ihrem Kollegen Dan (Jason Clarke) findet sie einen Mentor, der ihr die nötige Härte bei den brutalen Verhören von Verdächtigen beibringt. Dass sie und ihre Kollegen im Zuge ihrer Arbeit mehr und mehr ins Visier der Terroristen kommen, bestärkt sie zusätzlich in ihrer Mission. Nach jahrlanger Ermittlungsarbeit auch gegen interne Widerstände ihrer Vorgesetzten Joseph (Kyle Chandler) und Thomas (Jeremy Strong) findet sie endlich eine heiße Spur.

                                                  Am Anfang ist tiefes Schwarz unterlegt mit den Stimmen verzweifelter Anrufer, die in Todesangst in den Twin Towers des World Trade Centers um ihr Leben winseln. Diesem quasi-dokumentarischen Einstieg lässt Kathryn Bigelow einen beklemmenden Foltermarathon folgen, in dem die Täter- und Opferrolle komplett umgekehrt werden. Nun winselt plötzlich der Terrorist, während ihm die amerikanischen Behörden im Auftrag ihrer Regierung grausamer Folter aussetzen. Die Regierungsvertreter werden von Beginn in ihrer pragmatischen Art („Wollen sie ihre Kapuze nicht aufsetzen?“ „Wieso, wird er dieses Gefängnis jemals wieder verlassen?“ „Auch wieder wahr.“) von Anfang an auf maximale Distanz zum Publikum gedrängt. Somit perfektioniert Kathryn Bigelow jenen Inszenierungsstil, der schon im Vorgänger „The Hurt Locker – Tödliches Kommando“ (2009) aufblitzte. Sie übt sich in vollkommener Neutralität, indem sie politische Statements und moralische Deutungen konsequent vermeidet. Am deutlichsten wird das anhand der Protagonistin des Films, die bis zum Ende kaum als Identifikationsfigur taugt. Gefühle zeigen, geschweige denn ein Privatleben werden ihr nicht gegönnt („Ich bin nicht hier um rumzuvögeln.“). Kathryn Bigelow inszeniert sie als Prototypen eines streng fokussierten CIA-Streberroboters, frei von störender Ideologie oder Selbstzweifeln. Der Tod von Kollegen wirft sie nur kurz aus der Bahn und dient ihr eher als zusätzlicher Ansporn für ihre Arbeit. Ob Informationen nun über Bestechung, Folter, mit einer List oder aus freien Stücken zu ihr gelangen ist ihr dabei vollkommen gleich. Fragen über Ethik und Moral in Bezug auf Gefangenverhöre werden in dieser Welt der Politik überlassen und bilden nur das Hintergrundrauschen, das den Handlungsspielraum der Ermittler wahlweise erweitert bzw. einschränkt.

                                                  Nicht die Wahl der Mittel, sondern das Resultat zählt. Die so genannten schönen Dinge des Lebens werden als überflüssiger Ballast verstanden. Bemerkenswert etwa, wie unbeholfen der CIA-Agent einem Informanten ohne tieferes Verständnis für dessen Faszination einen Lamborghini als Bestechungsgeschenk schmackhaft machen will. Emotionen sind innerhalb diesem Szenario nur komplett hinderlich, etwa wenn der Mentor der Heldin plötzlich an seiner Rolle als CIA-Folterknecht zu hadern beginnt, oder eine andere Agentin, die aus Neugier unvorsichtig wird und ihr altgediente Chef sich von der neuen Generation von CIA-Agenten förmlich überrollt fühlt. In dieser Welt, die dem Spitzensport nicht unähnlich scheint, schafft es nur derjenige ans Ziel, der seinen Weg ohne moralische Zweifel unerbittlich bis zum Ende verfolgt. Und an diesem Ende, wenn Osama bin Laden erschossen vor ihr liegt und ihre Mission abgeschlossen ist, werden ihr das erst Mal echte Gefühl vergönnt. Angesichts ihrer vorigen Charakterzeichnung muss sich der Zuschauer allerdings fragen: „Fällt hier seelischer Ballast ab, oder fühlt sich da ein Mensch einfach um den Sinn seines Lebens beraubt, weil die Jagd nun zu Ende ist?

                                                  War es tatsächlich die Intention von Kathryn Bigelow, die unmenschliche Kälte des Geheimdienstes zu zeigen? Sicherlich nicht, aber das interessante an „Zero Dark Thirty“ (2013) ist, dass jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen kann und soll. Der im Vorfeld geäußerte Vorwurf von Parteilichkeit und Patriotismus entbehrt deshalb schlicht jeglicher Grundlage. Ob dieses reine Abbilden vermeintlicher von Tatsachen von einem breiten Publikum goutiert werden kann, bleibt indes mehr als fraglich, denn als reinrassiger Kino- bzw. Genrefilm funktioniert der Streifen trotz seiner Rasanz nur sehr bedingt. Dieses filmische Äquivalent zur Schweiz in ihrer vollkommen sterilen und neutralen Herangehensweise ans Sujet mag auf intellektueller Ebene spannend sein – schließlich darf sich jeder seine Gedanken über die Ereignisse machen. Letztendlich vermisst man, was eine gut erzählte Geschichte seit mehr als 4.000 Jahren ausmacht: Dramatisierung, ein künstlerisches Statement über menschliche Wahrheiten und nicht zuletzt ein emotionaler Zugang zur Geschichte, der einen wirklich mitreißt.

                                                  Es sei angefügt, dass handwerklich alles weitestgehend auf höchstem Niveau bleibt. Noch sehr viel mehr als in „Tödliches Kommando“ (2009) vermeidet Bigelow unnötige Effekthascherei, übertriebene Dramatisierungen und unterstreicht durch die distanzierte Inszenierung die neutrale Grundhaltung des Films. Lediglich das Drehbuch verzettelt sich mit zunehmender Laufzeit in ermüdenden Wiederholungen von Ermittlungsarbeit, plötzlichen Terroranschlägen und zunehmenden Anstrengungen. Gleichwohl schafft es Drehbuchautor Mark Boal, der sich auf militärische Stoffe spezialisiert hat und auch die Vorlage für „Tödliches Kommando“ (2009) lieferte, trotz der knapp sieben Jahre umspannenden Handlung durchgängig ein Gefühl der Stringenz zu vermitteln. Lediglich der knapp 30 minütige Angriff auf das Anwesen von Bin Laden in pakistanischen Abbottabad mag sich trotz seiner Rasanz nicht recht in den Gesamtbild einordnen, mag er in seiner trockene, unprätentiöse Inszenierung auch im Stil des restlichen Films gehalten sein.

                                                  Mir rang dieser weitestgehend geglückte Versuch vollkommen neutralen Politthriller zu inszenieren gleichsam Respekt und Schaudern ab. So liegt eine seltsame Ironie des Films darin, dass er einerseits vollkommen unparteiisch daherkommt und gerade deshalb das Publikum spalten wird.

                                                  Daran werde ich mich erinnern: Die absolute Gefühlskälte der Protagonistin und ihrer Kollegen.

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                                                    Das Prädikat Charakterstudie entbindet einen Filmemacher nicht von der Pflicht, eine gute Geschichte zu erzählen. Genau diesen Punkt vernachlässigt Oren Moverman in seinem minimalistisch konzipierten Plot sträflich, indem er Charaktere nicht erklärt, auf Höhepunkte gänzlich verzichtet und sich stattdessen weitesgehend darauf beschränkt, hinlänglich bekannte Cop-Klischees ein weiteres Mal durchzukaufen. Zudem werfen einen die prätentiösen Kameramätzchen ein ums andere Mal aus der eigentlichen Handlung. Dagegen kommt auch das intensive Spiel von Woody Harrelson nicht wirklich an.

                                                    Als der sadistische und kriminelle Cop Dave Brown (Woody Harrelson) gefilmt wird, während er einen Verdächtigen zusammenschlägt, wollen ihn sein Vorgesetzten endgültig loswerden. Doch Brown sieht sich als Bauernopfer für die krisengeschüttelte Rampart-Abteilung der Los Angeles Polizei und lässt es auf einen Gerichtsprozess ankommen. Doch seine zahllosen Aktivitäten Am Rande und jenseits der Legalität lassen die Luft um ihn zusehends dünner werden.

                                                    Die Figur des Polizisten hat Hollywood nicht erst seit „Dirty Harry“ (1971) seine Unschuld verloren. Schon die Vertreter der Film-Noir-Welle Mitte der 1930er-Jahre inszenierten die Gesetzeshüter ähnlich skrupellos und mitunter nicht weniger kriminell als die Verbrecher, die sie jagten. Man kann also nicht unbedingt behaupten, dass Oren Moverman mit seinem Bad-Cop-Drama „Rampart“ unbestelltes Land bewirtschaftet. Hochkarätige Unterstützung erhielt er von einem Spezialisten des modernen Copfilms: James Ellroy, der auch am Drehbuch mitwerkelte, schuf unter anderem die literarischen Vorlagen zu den thematisch ähnlich gelagerten „Der Cop“ (1988), „Dark Blue“ (2002), „Black Dhalia“ (2006), „Street Kings“ (2008), und nicht zuletzt dem preisgekrönten „L.A. Confidental“ (1997). Im Gegensatz zu diesen Filmen ist „Rampart“ (2011) aber weniger ein Thriller, sondern ein Charakterdrama. Folglich steht auch weniger die Aufklärung eines bestimmten Verbrechens, sondern in erster Linie die Figur des korrupten und amoralischen Gesetzeshüters im Vordergrund. Wer an dieser Stelle an „Bad Lieutenant“, sei es im Original von Abel Ferrera oder der Neuinterpretation von Werner Herzog denkt, liegt gar nicht mal so falsch.

                                                    Leider fallen Oven Moverman, der nach seinem preisgekrönten Debüt „The Messenger“ (2009) erneut mit Woody Harrelson und Ben Foster zusammenarbeitete, und Ellroy nicht viel mehr ein, als hinlänglich bekannte Cop-Klischees aufzufahren. Selbstverständlich ist Dave Brown ein bindungsunfähiger Supermacho. Neben unzähligen Affären pflegt er eine seltsame On-Off-Beziehung zu seinen Exfrauen, die hier gleich als Geschwisterpaar daherkommen. Wie es sich für einen ambivalenten Cop gehört, versagt er Erziehungsfragen, so dass die Beziehung zu seinen Kindern schwierig ist. Er säuft, konsumiert Drogen und lebt seine sadistische Ader vorzugsweise im Job aus. Darüber hinaus überschreitet er mit einer gewissen Routine die Grenze zur Illegalität, um seinen ausufernden Lebensstil zu finanzieren. Einschüchterung, Körperverletzung und Erpressung, Raub und Mord sind innerhalb seines moralischen Wertesystems vertretbar, solange es die Richtigen trifft. Diese reaktionäre Grundhaltung, die vielen von Ellroys Cop-Figuren grundsätzlich gemein ist, wird hier ins Groteske gesteigert und erstarren somit er Recht zum Klischee. Dass die Hauptfigur trotzdem ansatzweise glaubwürdig bleibt, ist dem ambivalenten Darstellung von Woody Harrelson zu verdanken, der es schafft, seinem Dave Brown bei aller selbstgerechten Sturheit auch immer wieder leichte Anflüge von Selbstzweifel einzustreuen.

                                                    Ein klarer Schwachpunkt ist die verspielte Inszenierung, die niemals eine klare Linie erkennen lässt. Die Kameraarbeit schwankt größtenteils unmotiviert zwischen einem dokuartigen Realismus und selbstgenügsamen Art-Fartie-Mätzchen, der besonders aufdringlichen Art. Auch erzählerisch findet der Film nie ein ausgewogenes Mittel, den alles überstrahlenden Protagonisten zu portraitieren und den Nebenfigur gleichzeitig genügend Platz einzuräumen. Ein minimalistisches Plotdesign mag bewusst so angelegt sein, wichtige Plotpoints nur anzureißen, statt bis zum letzten I-Tüpfelchen durchzudeklinieren, wenn man als Zuschauer aber zusehends Schwierigkeiten bekommen, die Funktion einzelner Figuren zu durchschauen, ist es eindeutig zu viel des Guten. Das fällt insbesondere auf, da die Nebendarsteller fast durch Bank prominent besetzt sind, ihre Rollen aber teilweise weitestgehend unklar bleiben (Ned Beatty, Ben Foster), oder über eine winzige Szene (Steve Buscemi) nicht hinauskommen. Auf der anderen Seite werden die Charakterzüge des Protagonisten in an langweiliger Redundanz grenzenden Szenen wieder und wieder inszeniert.

                                                    Einzelne Häppchen, vor allem gegen Ende stechen allerdings positiv heraus, etwa wenn Harrelson bei strömendem Regen im Pool plantscht und endgültig mit einer seiner Geliebten bricht, ist das ein großer Moment. Auch die schwierige Beziehung zu seinen Töchtern, die ihn einerseits verabscheuen, aber ihn gleichzeitig immer wieder offen begegnen, wird intensiv gespielt und inszeniert. Doch solche Momente sind viel zu rar gesät, bzw. verpuffen größtenteils in ihrer Wirkung komplett. Fast scheint es, Oven Moverman hätte sich bewusst dagegen entschieden, seinem deprimierenden Plot irgendwelche Akthöhepunkte zu spendieren. Ähnlich rigoros springt er mit seinem Protagonisten um, dem die Erlösung am Ende vermehrt bleibt. Seine Einsicht kommt zu spät, längst fordern seine Verbrechen einen höheren Preis, als er zahlen kann. Das Finale sticht in seiner Konsequenz qualitativ klar heraus, bis dahin muss man aber eine ganze Menge erzählerischen Leerlauf und inszenatorische Selbstverliebtheit über sich ergehen lassen.

                                                    Wer sich an Copklischees nicht sattsehen kann und die selbstgefällige Inszenierung für Kunst hält, der könnte „Rampart“ (2011) als mutiges und unkonventionelles Kino misinterpretieren und seinen Spaß haben. Das konsequente Ende und die durchweg soliden Schauspielleistungen, bei denen Woody Harrelson als äußerst dominanter Protagonist naturgegeben heraussticht, retten den Film vor dem Totalausfall.

                                                    Daran werde ich mich erinnern: die seltsame Patchworkfamilie.

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