Punsha - Kommentare

Alle Kommentare von Punsha

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    über Babel

    „Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte. Als sie von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Land Schinar und siedelten sich dort an. Sie sagten zueinander: Auf, formen wir Lehmziegel und brennen wir sie zu Backsteinen. So dienten ihnen gebrannte Ziegel als Steine und Erdpech als Mörtel. Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel und machen wir uns damit einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen. Da stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten. Er sprach: Seht nur, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen. Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht. Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen. Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt, und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut.“ [1. Buch Mose, Kapitel 11]

    Viele bewegende Schicksale auf drei verschiedenen Kontinenten. Nach den Erfolgen von AMORES PERROS und 21 GRAMM dreht Alejandro González Iñárritu mit BABEL seinen dritten Episodenfilm. Doch diesmal überschreitet er die Grenzen der Länder und erzählt eine Geschichte, die sich ebenso geographisch wie thematisch über die ganze Welt erstreckt. Es ist die Rede von vielen bewegenden Schicksalen auf drei verschiedenen Kontinenten mit einem Unfall im Mittelpunkt, der alle verbindet. Aber schnell wird einem klar, dass es hier so viel mehr gibt, was die Menschen verschiedenster Kulturen gemeinsam haben, denn obwohl keiner den anderen versteht, sind es doch die Gefühle, die ein und die selbe Sprache sprechen. BABEL zeigt den Kampf eines jeden Menschen um Verständnis und Toleranz, und wie Sprachvielfalt und Bürokratie versucht, diesem ersehnten Wunsch einen Riegel vorzuschieben. Iñárritu tut dabei das, was er am besten kann: Er versucht seine Zuschauer am Herzen zu packen und überträgt seine Kritik am Menschen in Emotionen, denen sich niemand entziehen kann. Warum wird ein lebensrettender Krankenwagen von der amerikanischen Botschaft gestoppt? Warum hat die Festnahme einer völlig harmlosen Frau mehr Priorität als zwei Menschenleben zu retten? BABEL zeigt uns, wie unbegreiflich das Verhalten vieler Menschen ist, wenn sie auf Unbekanntes stoßen, eröffnet uns aber auch wenige Lichtblicke, die begriffen haben, was es heißt tolerant zu sein und Sprachbarrieren mittels Nächstenliebe zu überwinden. Und spätestens nach einem der ergreifendsten Filmenden versteht man, dass der Gewehrschuss als auslösendes Moment hier lediglich als Aufhänger für eine wesentlich bedeutsamere Verbindung steht: Der Traum von einer Welt, die sich und alle Menschen als ein Ganzes sieht. Ländergrenzen sind nur politische Hürden, keine menschlichen. Kritisch, eindringlich, packend und sehr emotional. Ein Meisterwerk.

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    • 7

      Berlin 1945 - Die Stadt liegt in Trümmern, die Niederlage sitzt tief. Noch keine Spur von Aufbruchsstimmung und neuer Ordnung, kein Mensch sehnt sich nach Weltverbesserern. Resignation macht sich auf den Gesichtern breit und die Frustration, sich voll und ganz für eine Lüge, noch schlimmer - für ein Verbrechen, aufgeopfert zu haben. Besonders der nun heruntergekommene Arzt Mertens (Ernst Wilhelm Borchert), dessen Bestimmung Menschenleben zu retten in einer Zeit des Mordens keinerlei Bedeutung mehr zu haben scheint, fristet nunmehr ein sinnentleertes Dasein und steht stellvertretend für eine ganze Generation ohne Pläne, ohne Ziel, ohne Träume, Wünsche und Hoffnungen. Wohin mit der Enttäuschung, wohin mit der Schuld, wohin mit dem Hass, wenn selbst das Schachbrett einem Schlachtfeld gleicht und das zerbombte Berlin die Erinnerung nicht schwinden lässt? Wie soll man unter all dem Staub und Schutt in ein geordnetes Leben zurückfinden? Zwar hat Deutschland bereits kapituliert, der Krieg aber ist noch längst nicht vorbei. Denn die Mörder sind immer noch unter uns. Wahrhaftig bedrückend.

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      • 7

        Eine in ästhetischem Einfallsreichtum und kraftvolle Bilder getauchte Chronik von der Suche nach Heimat, der Suche nach Glück - ein nostalgisches Treiben durch eine längst vergangene Zeit, das den Zuschauer weniger mit essentiellen Weisheiten erdrückt, als vielmehr bescheiden den Schwermut und die einfachen Sehnsüchte der Hunsrücker Bürger einatmet sowie durch seine starke Figurenzeichnung nah ans Herz geht und eigene Sehnsüchte hervorruft. Die nahezu vier Stunden vergehen wie im Flug.

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          Dolans bester Film.

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            Tom (Alain Delon) ist jung, gut aussehend, gewitzt und clever, aber Tom hat kein Geld. Wie das fünfte Rad am Wagen wirkt er neben seinen Freund, dem Millionärssohn Philippe (Maurice Ronet), der ihn nicht als Freund, sondern wie einen Hund behandelt. Reichtum heißt Macht, Reichtum ist der Schlüssel zu Respekt und Anerkennung, zum Glück und zu den Frauen, merkt Tom in jeder Sekunde, in der die beiden zusammenhängen und formt sich eine innige Gier, zu deren Erfüllung er sogar über Leichen gehen würde. Die anfängliche Bewunderung zu seinen Freund geht in Neid über und aus Neid gebärt ein kühler Hass. Tom schmiedet sich einen düsteren Plan, der die Beseitigung Philippes und die Aneignung seiner Identität vorsieht. Das Konzept geht auf. Was folgt ist ein höchst spannendes Katz- und Mausspiel, eine physisch und psychisch strapaziöse Flucht vor der Polizei und seinem eigenen Ich. Regisseur René Clément interessiert sich nicht für den neu erworbenen Reichtum seines Protagonisten, sondern fixiert sich auf die Angst, die ihn umgibt vor der Gefahr erwischt zu werden und zeigt auf wie gefühlskalt und leer sein Leben trotz des Geldes geblieben ist. Vor dem Mord an seinen Freund war sein Dasein einzig und allein an einen Traum geheftet und nach ihm ist es vom ständigen Davonlaufen bestimmt und zum Scheitern verurteilt. Fehler macht schließlich jeder mal. Als symptomatisch für die von vorn herein abzusehende Niederlage Toms zeigt sich jene Szene, in der er versucht die Leiche im Wasser zu versenken. Unter schwerer Anstrengung kämpft er gegen den Toten und fällt trotzdem mit ihm gemeinsam ins Wasser. Der ehrlose Kampf um Ruhm und Macht kennt keinen Sieger.

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            • 7
              über Bronson

              Bühne frei für Charlie Bronson, dem bis heute berühmtesten aller Strafgefangenen Großbritanniens, einem völlig schrägen Vogel, der sein einziges Talent und seine Chance große Berühmtheit zu erlangen darin sieht, die stählerne Faust gegen das Gesetz zu richten. Und wann könnte man mit kriminellen Taten, ständigen Ausbruchsversuchen und Faustkämpfen mit Wärtern nicht mehr Aufsehen erregen als in der heutigen Zeit, in der das Fernsehen auf Leute wie Bronson bewundernd die Kameras richtet und das Publikum sich zumindest gut unterhalten fühlt? Ein Schlag ins Gesicht, dann die Verbeugung - der Zuschauer lacht. Regisseur Nicolas Winding Refn hält uns ein ums andere Mal den Spiegel vors Gesicht, bis man sich früher oder später eingestehen muss: 'Dieser gewalttätige Kerl macht unheimlich Spaß', und führt uns so unsere eigene schaulustige Gier vor Augen, die keine Grenzen kennt. Ja, "Bronson" hat einige satirische Züge und outet sich letztlich auch als eine treffende Satire, wenn er seinen Antihelden in der letzten Einstellung erstmals ungeschönt der Öffentlichkeit ausliefert, wenn er ihn seiner lächerlichen Maskerade beraubt und ihn als das bloßstellt, was sein Leben aus ihm gemacht hat: Einen Haufen bemitleidenswerter Scheiße. Hardy und Refn waren nie so gut.

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              • 7

                THE BLAIR WITCH PROJECT ist nicht nur die Geburt des Found-Footage-Horrorfilms im Mainstream-Kino; der Film ist auch eine Bekräftigung des Genres an sich: Der Horror hat seinen Ursprung in Mythen und Schauergeschichten, in Dingen, die sich die Leute vor dem Kamin oder am Lagerfeuer erzählen, die jedoch niemand wirklich zu Gesicht bekommt. Mit der Erfindung der Kamera aber wurden die Dinge sichtbar: Manchmal abscheulich, blutig, Ekel erregend, manchmal harmlos oder gar nicht existent. Der Schrecken verlor seine Maske. Diese drei Jugendlichen aber ziehen in den Wald, um den Schrecken zu dokumentieren, den niemand sieht. Und tatsächlich sieht ihn niemand, und trotzdem ist es Furcht erregend. Und wie! THE BLAIR WITCH PROJECT zeigt wieder, dass man, trotz all des Fortschritts, nicht viel mehr braucht, als eine spannend erzählte Schauergeschichte, um Gänsehaut zu verbreiten.

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                • 7

                  James Bond meldet sich zum Dienst. Sam Mendes auch. Der American Beauty-Regisseur muss in einem Bondfilm wohl eine neue Herausforderung gesehen haben, hat er doch nie einen Film in dieser oder ähnlicher Art inszeniert, aber wer hat das schon? Bond ist immer anders. Doch schon die allererste Actioneinlage, gefolgt vom fabelhaften Vorspann lassen die letzten Zweifel verschwinden. Mendes und Bond? Das passt. Aber abgesehen von einigen gekonnt mit Licht und Schatten, mit Feuer und Wasser spielenden kämpferischen Einlagen, bleibt die Action weitestgehend reduziert und rückt stattdessen das in den Vordergrund, wofür Mendes bekanntermaßen ein hervorragendes Händchen hat: Menschen und deren Interaktion. Aus den weitestgehend schablonenartigen M und 007 werden echte Charaktere, deren Beziehung zueinander ein tieferes Level erreicht, der Bösewicht ringt nach Menschlichkeit, ja sogar Bonds Hintergrundgeschichte wird, wenn auch nicht gänzlich, erschlossen. Dem alteingesessenen Fan könnte das sicher sauer aufstoßen, nicht aber, wenn jene Innovation mit Tradition clever verknüpft wird. Bond schlürft schließlich immer noch seinen Martini und sogar der geliebte Aston Martin darf wieder auf die Straße gekarrt werden. Wer nun immer noch skeptisch ist, darf sich wenigstens am exzellenten Schauspiel aller Beteiligten erfreuen. Daniel Craig gibt gewohnt solide, jedoch weitaus selbstironischer den James Bond, Judi Dench ist mehr denn je im Fokus und meistert ihre moralisch zwielichtige Rolle mehr als bravourös und sogar das leider wenig präsente Bond-Girl Bérénice Marlohe deutet in wenigen Szenen große schauspielerische Klasse an. Doch sie alle müssen sich dem großartigen Bösewicht Javier Bardem beugen, dem die unterhaltsamsten wie dramatischsten Szenen gehören. Nach dem schwer enttäuschenden "Ein Quantum Trost" darf man sich also wieder ganzen Mutes ins Kino trauen, denn dort wartet, und das ist gewiss, ein starker Film und ein noch stärkerer Bond.

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                  • 7

                    Als ob De Palma selbst sein CASUALTIES OF WAR-Missverständnis rückblickend mit Reue betrachtet, erzählt er in REDACTED eine sehr ähnliche Geschichte, kehrt sie aber auf formeller Ebene, und das ist eine willkommene Überraschung, ins Gegenteil um. Statt Spannung und Thrill zu inszenieren oder sklavisch einer Dramaturgie zu folgen, hangelt De Palma sich oberflächlich an realen Geschehnissen entlang, filmt dokumentarisch mit Handkamera und fügt der Handlung tatsächliche wie fiktive Reportagen und Videos bei. Sean Penn und Michael J. Fox machen Platz für Patrick Carroll und Rob Devaney (Ja, genau... wer?). Das Ziel einer für sensible Thematiken unerlässlichen Annäherung einer (nie wirklich gegebenen) Objektivität, erreicht dieser Film exzellent. Und das ist in Anbetracht des beteiligten Regisseurs wirklich erstaunlich.

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                    • 7

                      Vieles überlässt Cronenberg in COSMOPOLIS Don DeLillos gleichnamiger Romanvorlage, deren reichhaltige Dialoge, wovon es hier mehr als genug gibt, oftmals ohne Einschränkung übernommen wurden. Sehr wenig weiß er hingegen der Vorlage mit seiner ungewohnt zurückhaltenden Inszenierung für die Leinwand hinzuzufügen, doch das muss er auch nicht. Jede Zeile steht für sich. Pattinson fährt mit seiner Limo, so eiskalt wie ein Gefrierschrank, während die Welt um ihn einzustürzen droht. Menschen steigen ein und wieder aus. Die Dialoge mechanisch, emotionslos und für den Großteil sicherlich sperrig, doch sollte man die Ohren stets geöffnet halten, denn sie führen unseren großartig aufspielenden Protagonisten durch einen, nicht nur für ihn, schicksalhaften Tag. Weg vom Reichtum, weg von dem, was wir als Gegenwart empfinden, hin zum Nullpunkt, zum Ursprung. COSMOPOLIS wirkt wie ein einziger Sog, der dir mit zunehmender Spieldauer immer mehr den Atem raubt und offenbart durch manche auf den Punkt inszenierte Szenen Schockmomente mit der Intensität eines Kopfschusses. Ob gut oder schlecht, verständlich oder unverständlich, greifbar oder distanziert - COSMOPOLIS hinterlässt einen bleibenden Eindruck, ein schwarzes Loch.

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                      • 7

                        "If you've ever wondered where your dreams come from, you look around... this is where they're made."
                        [...] Da sich Scorsese dafür entschied, seinem Kinder- bzw. Familienfilm eine ausgiebige, liebevolle Hommage an die Anfänge des Mediums Film beizufügen, lag nun die besondere Schwierigkeit darin, den richtigen Mix aus beiden zu finden, um den Geschmack aller Zielgruppen zu treffen, und das gelingt ... beinahe!
                        Während das ältere Publikum dem oft infantilen Humor etwas kritisch gegenüberstehen dürfte, langweilt sich das jüngere Publikum, wenn Scorsese von den Brüdern Lumière über Georges Méliès bis hin zu Charlie Chaplin manchmal etwas zu nachdrücklich den Schullehrer gibt. Da ich das Vergnügen hatte, erst vor ein paar Monaten selbst ein Referat über die Filmgeschichte zu halten, bereiteten mir allerdings einige Déjà-vus Freude, aber ganz unabhängig davon hat HUGO CABRET seine Momente (und davon nicht zu wenig), in denen der Mix gelingt und sich die Magie, sowie die ganze Euphorie früherer Filmschaffender auf den Zuschauer überträgt. Magie ist auch das Stichwort, welches die Atmosphäre wohl am besten beschreiben dürfte. Bild, Musik und sogar die 3D-Effekte sind großartig und schaffen eine Atmosphäre, die den Kinobesuch an sich schon lohnenswert macht.
                        Für Scorsese war HUGO CABRET sicher eine der größten Herausforderungen seiner Karriere, und er hat sie zwar nicht perfekt, aber immerhin sehr gut gemeistert. Ohne Berücksichtigung von THE ARTIST (den ich als Einziges noch nicht gesehen habe) mein persönlicher Oscar-Favorit. Hut ab!

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                        • 7

                          Bühne frei für die feinen Damen und Herren Russlands, für prunkvolle Gewänder und Paläste, für prächtige Festmäler auf reich gedeckten Tischen und für berauschende Tanzbälle unter den Sternen bei Nacht: Der Schein überragt das Sein in völliger Gänze und unter jenem Deckmantel verbirgt sich ein schwaches und unterentwickeltes Russland von rabenschwarz-verkohlten Arbeitern, armen Bauern und gestrigen Moralvorstellungen, während sich zwei Liebende im tragischen Kampf gegen die feudale Gesellschaft befinden. Genügend Gründe Rotz und Wasser zu heulen gibt Tolstois Romanvorlange zweifelsohne her, doch konzentriert sich Joe Wright weniger auf große Melodramatik (die Taschentücher können zu Hause bleiben), als vielmehr auf inszenatorische Eleganz und Präzision, mit der er auch das gesellschaftskritische Potential der Geschichte vollkommen ausschöpft. Das gelingt nicht zuletzt auch Dank des genialen Einfalls, den Großteil der Story ins Theater zu versetzen, das durch seine opernhafte, unwirkliche Ausstrahlung die herrliche, unbeschwerte Welt des russischen Hochadels als lächerliche Maskerade entlarvt. Im Mittelpunkt aber steht lediglich eine Frau, die sich, auch der Suche nach wahrer Liebe, von den Fesseln der Ehe zu befreien versucht, gefangen in einer festgefahrenen Ordnung, die alle ihre Bürger gleichsam mit sich zieht. So löst Anna Karenina (keine Frau passt so gut in diese Zeit wie Keira Knightley) eine Kettenreaktion aus, als sie sich trotz Ehegelübde dem jungen Graf Wronskij hingibt und somit gleich mehrere Personen, allen voran Jude Law als ihren leidvoll disziplinierten Ehemann, mit in den Schmutz zieht (Lieblingsszene: Eklat beim Pferderennen). Die adelige Familie rast dem Niedergang entgegen, eine bittere Tragödie scheint vorprogrammiert. Man könnte Joe Wright vorwerfen, dass er mit großen Gefühlsausbrüchen und spürbaren Mitleid mit seinen tragischen Figuren sehr sparsam umgeht, dass er Ästhetisierung wahren Gefühlen vorzieht und dass der Zuschauer, abgesehen von der romantischen Beziehung zwischen Landarbeiter und Adliger, die offenbart, das wahre Liebe funktionieren kann, keinen echten Bezug zu ihnen herstellen kann, doch zielt Wright, so konsequent und stilsicher wie nie, genau darauf ab, die leere Hülle einer Gesellschaftsschicht sowie ihre Unfähigkeit der Realität ins Auge zu blicken, ohne ein Urteil nüchtern zu präsentieren, bis es schließlich zur Katastrophe kommt und eine herrliche Schlusseinstellung suggeriert, dass das Leben eben doch keine Bühne ist. Erst mit dem Abspann kommen die Emotionen.

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                          • 7

                            In meinem ersten Wes Anderson schickt der Regisseur drei Brüder auf eine skurrile, spirituelle Reise quer durch Indien auf der Suche nach ihrer Mutter, nach einem Heilmittel gegen ihren Seelenschmerz und irgendwie auch auf der Suche nach sich selbst. DARJEELING LIMITED beginnt amüsant und endet ebenso fantastisch mit dem Unterschied, genau wie die handelnden Protagonisten, um einige Erfahrungen reicher zu sein. Dabei ist der Film nicht einmal sehr tiefsinnig oder besonders durchdacht. Er wirkt auf so ungezwungene Weise wie das Produkt einer Fantasie oder eines leichten Gefühls, das nicht hinterfragt werden muss und so jeden ein wenig glücklicher macht. Plötzlich wirkt alles so einfach, wenn man die Last der Vergangenheit wie ein paar alte Koffer loswird, während man zwischenmenschliche Differenzen überwindet und ein Stückchen enger zusammen rückt. So herzlich und beschwingt können Filme sein.
                            Und schon darf ich freudig meinen nächsten Anderson erwarten...

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                              „Guten Tag, mein Name ist Philipp Gerber. Ich habe gestern Nachmittag auf der L322 zwischen Wolfsburg und Nordsteimke ein Kind überfahren. Ich habe Fahrerflucht begangen. Ich hätte anhalten müssen, nach dem Jungen sehen, einen Krankenwagen rufen oder ihn vielleicht sogar direkt ins Krankenhaus fahren müssen. Das hab ich aber nicht getan. Ich weiß nicht warum. Ich weiß nicht warum ... vielleicht habe ich gerade in dem Moment an meine Freundin gedacht, die gerade in dem Moment zu Hause ihre Sachen packt, um mich zu verlassen ... ich weiß es so richtig gar nicht. Ich hoffe, dass es dem Jungen okay geht. Ich hoffe, dass es dem Jungen gut geht. Ich hoffe, dass der Junge wieder gesund wird. Guten Tag mein Name ist Philipp Gerber...“

                              Täglich begegnen sie einem, täglich stimmen sie einen für wenige Sekunden traurig - Ein Symbol der Trauer und auch ein Appell an die Verkehrssünder, an die Vernunft: Mit Blumenkränzen liebevoll eingedeckte Kreuze am Straßenrand. Christian Petzold erzählt in seinem höchst eindringlichen Film „Wolfsburg“ die Geschichte dahinter und fixiert sich ausschließlich auf die zwei tragischsten, beide von Trauer und Schuld zerfressenen Überlebenden. Während Nina Hoss als trauernde Mutter, trotz dass sie anscheinend auch keine Bilderbuchmutti war, die bemitleidenswerte Opferrolle zukommt, interessiert hier vielmehr die anregende Darstellung des von Benno Fürmann verkörperten Täters. Auch wenn Philipp ein Kind überführ und es dann auch noch liegen ließ, ist er ein Mensch und jeder Mensch macht Fehler. Sein von allerlei Gefühlen beeinflusstes Verhalten ist nicht immer rational erklärbar und die Person als Gut oder Böse abzustempeln, wäre beileibe zu einfach. Anfangs völlig verwirrt und später geplagt von Schuld sucht er die Nähe zur leidtragenden Mutter, versucht, so viel er nur kann, wiedergutzumachen, doch nichts, nicht einmal Liebe, kann ihn von dieser Last befreien. Indem Petzold den derzeitigen Lebenszustand beider Menschen tiefgehend beobachtet und besonders mithilfe seiner detaillierten Ausleuchtung ihrer Innenleben durch feine Gesten und Blicke letztlich auch den Täter Philipp überzeugend zu einer tragischen Figur formt, ihn zu einem ebenso großen Opfer des Schicksals bzw. des unglücklichen Zufalls macht, gelingt ihm ein humanes Meisterstück, das die Ausweglosigkeit eines unerklärlichen Vorfalls sowie das Fressen-und-gefressen-werden in einer seltsam harten Welt anregend schildert - unbedingt sehenswert.

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                                Ein biblischer Mythos, eine antike Sage, eine Gewaltstudie und ein Abgesang auf (große) Schwänze verirrt sich im Bangkok der Gegenwart, in dunklen Räumen, in engen Gasen, in psychedelischen Clubs, in der Hölle (?). Unglaublich schwülstig, unglaublich kräftezehrend, unglaublich fesselnd. Sicherlich bietet Refns neuster Streich in seiner expliziten Gewaltdarstellung, seinen sperrigen Figuren und dem hemmungslosen Nacheifern seiner Vorbilder enorme Angriffsflächen, seine kluge, fundierte Regie jedoch ist über jeden Zweifel erhaben und evoziert letztlich, sich allen entnervten Skeptikern zum Trotz im Strudel des Bösen zu verlieren.

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                                  Was mich VIDEODROME noch etwas hinter David Cronenbergs besten Werken einordnen lässt, ist zum einen seine thematische Überdeutlichkeit und zum anderen der Mangel an Empathie für seine(n) Helden. Das hat sicher auch viel mit der sehr kurzen Laufzeit des Films zu tun, die den Charakteren wenig Raum gibt und den Realitätsverlust (oder besser: Realitätenbildung) seines Protagonisten sehr energisch, doch beinahe hektisch abhandelt. Auch wenn das Spiel mit den Wirklichkeiten viel Interpretationsraum lässt und der Film danach schreit, endlos philosophisch seziert zu werden, ist VIDEODROME für mich nicht mehr als ein vergnüglicher Trash-Film mit beeindruckender Handschrift.

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                                    Ein recht sprunghaft erzählter Film, der die narrativen Schwerpunkte Hochzeit, Hirschjagd, Vietnam, Heimkehr und Rettung nur sehr unausgegoren unter einen Hut zu bringen vermag. Da ist am Schneidetisch sicher nicht alles nach Plan gelaufen. Ansonsten ist das vor allem sehr intensives Schauspielkino mit Russisch Roulette als klugen Aufhänger, das den ausschließlich masochistischen Akt des Krieges, dessen Individuen einem rein zufälligen Schicksal ausgeliefert sind, stichhaltig auf den Punkt bringt. Das Ende aber geht ganz unabhängig seiner Intention in die völlig falsche Richtung, stellt es doch wieder dieses unsäglich öde Nationendenken plakativ und plump in den Vordergrund, anstatt im Moment der Trauer einfach anzuerkennen, dass es wichtigere Dinge gibt, als Amerika und seine Politik.

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                                      SIE, die Bäuerliche, die Geerdete, die polnische Erde und Heimat. ER, der Künstler, der Kultivierte, der polnische Geist, den es in die Fremde treibt. In erneut bildschönen schwarz-weiß-Bildern im 4:3 Format erzählt Pawel Pawlikowski eine unglückliche Liebesgeschichte, die in der Gegenwart des Kalten Krieges keine Heimat findet, und von einem Polen, das unter einem kommunistischem Regime einerseits keine Freiheit besitzt und in der freien Künstlergesellschaft im Paris der 50er und 60er Jahre keinerlei Autonomie zukommt. Es ist in jedem Fall erleichternd, dass Pawlikowski dem Zuschauer keine solcher oder ähnlicher Allegorien und Metaphern aufdrängt und auch wenn das, was übrig bleibt, nämlich ein Liebesdrama vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, verbraucht und abgenutzt scheint, findet man in COLD WAR genug Raum und Zeit, sich der wunderbaren Poesie fantastischer Bilder hinzugeben.

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                                        Nach zwei Großstadt-Settings und einem geheimnisvollen Einblick auf das Land entfernt sich Shyamalan noch ein Stück weiter von der Zivilisation und entführt seine Zuschauer in ein mittelalterliches Dorf, natürlich, vergnügt und rein gewaschen von jeglichen Sünden unserer modernen Gesellschaft. Nur wird die ländliche Idylle umkreist von großer Furcht, von Ungeheuern, den "Unaussprechlichen", die sich im Wald hinter der Grenze verbergen. Wer sind diese Geschöpfe und wieso beginnen sie plötzlich, die dörfliche Bevölkerung zu bedrohen? Hat jemand unerlaubt die Grenze überschritten und die Wesen mit seiner Aufmerksamkeit gestört? Was anfangs wie eine bloße Gruselgeschichte aussieht, entpuppt sich THE VILLAGE im weiteren Verlauf doch als eine recht interessante soziologische Studie, aus der Shyamalan bedauerlicherweise zu wenig herausholt und der Film so letztlich eher als einfacher Mystery-Thriller fungiert. Doch ganz abgesehen von jenem verschenkten Potential funktioniert der Film mit der üblichen Fixierung auf Spannung und herkömmlichen Drama sehr gut. Die seltsamen Geschöpfe mit rotem Umhang jagten mir zumindest einen Schauer über den Rücken und der Wald übt mit einfachen Mitteln wie das Knacken und Knistern im Unterholz oder raschelnde Gebüsche eine beängstigende Wirkung aus, welche nach der Zweitsichtung aufgrund der alles erklärenden Schlusswendung leider ausbleibt. THE VILLAGE ist in meinen Augen nicht so schlecht wie sein Ruf, dafür aber auch nur ein recht nervenaufreibendes, wie manchmal überstrapaziertes Filmerlebnis, das zum mehrmaligen Sehen absolut ungeeignet ist.

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                                          Zehn Jahre lang lebt ein junges Mädchen auf einem Boot, ohne jemals in die Zivilisation zu gelangen, ohne jemals Erde unter ihren Füßen gespürt zu haben. Umsorgt und erzogen wird sie von einem alten Mann, der sie innig liebt. Die Zweisamkeit scheint harmonisch, die Gesellschaft kann beiden gestohlen bleiben - bis ein junger Fischer auf das Boot kommt, das Mädchen sich verliebt und die Insel der Geborgenheit zum Gefängnis wird. Ausgesprochen wortkarg präsentiert sich Kim Ki-duks soziologisches Gedankenexperiment "Hwal" beinahe schon meditativ, in malerisch schönen Bildern und gespickt mit einer Vielzahl an herrlichen Metaphern über die Gegensätzlichkeit der Dinge. Während der titelgebende Bogen gleichzeitig als heiteres Musikinstrument wie als gefährliche Waffe dient, ist auch die Gesamtsituation ein romantisch-gefühlvoller wie grauenhaft-tragischer Blick zugleich. Der alte Mann ist liebevoller Vater und selbstsüchtiger Tyrann und seine Wahrsagungen stehen auf Messers Schneide zwischen blinden Verständnis und großer Gefahr. Diese ständigen Widersprüche spiegeln auch das disharmonische Innenleben der Protagonistin wieder, die sich von ihrer Kindheit verabschiedet, rebelliert und schließlich innig zerrissen ihre eigenen Entscheidungen treffen muss, genau wie der alte Herr gezwungen ist, das Seil zu durchtrennen und loszulassen. Wenngleich durch seinen Schauplatz merklich limitiert, eine wunderbar stimmige Parabel aufs Erwachsenwerden.

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                                            Es ist zum Verrücktwerden: Wunderbare Kompositionen, eine bewegende Story unter opulenter Kulisse und starke Gesangseinlagen aller (!) Beteiligten. Perfekte Voraussetzungen, endlich wieder ein herrlich pathetisches Musical zum Dahinschmelzen vor großer Leinwand zu erleben. Und tatsächlich bietet Tom Hoopers Les Misérables die ganz großen Kinomomente, in denen man bis auf die so greifbaren Stimmen der Darsteller alles um sich herum vergisst. In seiner Gesamtheit funktioniert der Film jedoch leider nur mittelprächtig, da es ihm an jeglicher Dynamik fehlt - jene Dynamik, die auf der Bühne mit fließenden Ortswechseln (Austausch von Kulissen), rasantem Tempo und schwungvollen Tänzen gestaltet wird. Hooper aber springt immer wieder lustlos von Szene zu Szene, von Song zu Song, ohne Übergang oder einer originellen Einleitung (was die zweieinhalb Stunden besonders im Mittelteil zu einer zähen Angelegenheit macht) und hat Glück, dass seine Darsteller wesentlich mehr Feuer an den Tag legen und ihr Allerbestes geben, aus der Eintönigkeit auszubrechen. Ständig penetranten Close-Ups ausgesetzt, werden sie zu regelrechten Höchstleistungen gedrängt, indem jeder Hautfetzen und jede Gesichtsveränderung genauestens protokolliert wird, mal in Unsterblichkeit (Hathaway), mal in leichter Überforderung (Jackman) mündend. Die Oscar-Nominierung hat Wolverine nichtsdestotrotz mehr als verdient, denn schließlich ist er durch Scheiße geschwommen, um Hoopers Bockmist auszubaden. Die Soundtrack-CD ist aber bereits vorbestellt.

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                                              Das Scheitern einer verschworenen Gemeinschaft anhand von gesellschaftlichen sowie menschlichen und familiären Differenzen, über allem Geldgier und -not stehend, aufzuzeigen, ist so interessant wie löblich. Nur sind der Zufall und die zuweilen übermäßig blöd agierenden Protagonisten ein ebenso großer Einflussfaktor in diesem potentiell attraktiven Drehbuch voller anregender Dialoge, was die Story leider etwas konstruiert wirken lässt. Das seltsam bösartig-geldgeile Frauenbild wirkt ebenso unglücklich. Doch immerhin ist der großartig aufspielende Billy Bob Thornton ein echter Gewinn für den Film und das gleichermaßen furchtbar tragische wie zynische Ende ist Raimi wiedermal einwandfrei gelungen.

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                                                "Martha Marcy May Marlene" ist ein thematisch recht interessanter Film über eine Frau, die nach ihrem unheilvollen Dasein in einer ländlichen Kommune große Schwierigkeiten hat, sich wieder in die normale Gesellschaft einzugliedern. Abgesehen von einigen hervorragend inszenierten Szenen belässt es Regie-Debütant Durkin bei einer ruhigen und verhaltenen Erzählweise, ist dabei aber anscheinend vielmehr daran interessiert, jegliche Klischees zu umgehen, als die Charakterstudie seiner Hauptfigur treibend voranzubringen. Immer wieder klebt der Film an seiner Ästhetik, an seiner aufgesetzt anspruchsvollen Haltung und bleibt bis auf wenige geistreiche Ansätze überraschend gehaltlos und ideenarm. Überraschend ist aber auch die durchaus sehenswerte Präsenz von Elizabeth Olsen, die sich zusammen mit einem ebenso stark aufspielenden John Hawkes redlich Mühe gibt, einen Film zu retten, der einiges an Potential verschenkt.

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                                                  Punsha 29.12.2014, 17:08 Geändert 29.12.2014, 17:10

                                                  Man braucht nicht lang drum herum reden: Wäre LOVE STEAKS nicht zum größten Teil improvisiert, wäre er nicht mal halb so gut, denn die Liebesgeschichte zweier gegensätzlicher Menschen, des Schläfrigen, Schüchternen und der Forschen, Aufgeweckten, die sich gegenseitig aus ihrem Lebensschlamassel ziehen, ist im Grunde so verbraucht wie aufgesetzt. Doch, so abgedroschen es auch wieder klingen mag, tragen tatsächlich beide wunderbar harmonierenden Hauptdarsteller diesen Film, die ihre Figuren mit maximaler Authentizität ausleben und das Geschehen in unsere Wirklichkeit vor den Bildschirmen transportieren. So etwas sieht man in Filmen tatsächlich seltener, als viele Rezipienten einem weismachen wollen. Schade nur, dass ausgerechnet das künstliche Finale aus der Reihe tanzt, unsanft aus dem Leben aufrüttelt, hinein in einen Traum, den man viel lieber gelebt hätte.

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                                                    Sind wir allein? Oder gibt es noch anderes, uns bislang unbekanntes Leben im Universum? Gäääähn. Shyamalan rollt der wohl nervigsten aller Verschwörungstheorien den roten Teppich aus und überhäuft uns in SIGNS erneut mit einer Ansammlung von mysteriösen Zeichen, Wundern und Zufällen, die keine sind in solch aufdringlichem Ausmaß, dass selbst Mystery-Fans wie mir das Unerklärliche zu den Ohren herausquillt. Gott lies Grahams (Mel Gibson) Frau sterben, dessen kleine Tochter nie ihr Gläschen Wasser austrinken und einiges mehr, nur um die Familie gegen eine Alien-Invasion hinreichend zu wappnen. Richtig? Ähh, ja. Zufälle gibt es keine. Alles ist vorherbestimmt, selbst die kleinsten Dinge lassen sich durch etwas Überirdisches erklären. Wer mit dieser mehr als zweifelhaften Aussage zurechtkommt, der wird auch diesem Film etwas abgewinnen können, und ganz abgesehen davon punktet Signs dennoch in vielerlei Hinsicht. Mel Gibson und Joaquin Phoenix spielen, ebenso wie die jungen Darsteller Rory Culkin und Abigail Breslin, hervorragend und machen zusammen mit stets interessanten Dialogen und einer wieder einmal spannenden Atmosphäre so gut es geht wett, was Shyamalan durch sein bek(n)acktes Ende einreißt. Nichtsdestotrotz eine Akte X-Folge in Spielfilmlänge, die überwiegend zu gefallen vermag.

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