zimtsternchen - Kommentare

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    zimtsternchen 19.11.2014, 01:56 Geändert 20.11.2014, 14:09

    Definitiv ein Film, nach dem ich den Kinosaal recht zwiegespalten verlassen habe. Mit Sicherheit ist der fast drei Stunden umfassende SciFi-Streifen, der nichts Geringeres thematisiert als den drohenden Untergang und die Rettung der Erde, nicht Christopher Nolans Meisterwerk - dafür sind die Dialoge allzu konstruiert und wenig subtil und die Atmosphäre bis auf wenige Stellen zu spannungsarm. Er macht darauf aufmerksam, dass bei allen wissenschaftlichen Kenntnissen und mathematischen Berechnungen der von Emotionen beeinflusste Mensch immer noch eine potenzielle Fehler- und Gefahrenquelle ist, andererseits aber auch ungeahnte positive Kräfte entfalten kann. Der Grundgedanke von Liebe als alles überwindende Kraft ist zwar ganz nett, erscheint allerdings im Kontext von Physik und Luft- und Raumforschung zu weit hergeholt und vermag daher nicht wirklich zu überzeugen. [Achtung, SPOILER] Schade auch, dass das Happy End den Film klischeehaft und bemüht abrundet. Mit der Wahl von Hollywood-Liebling Hans Zimmer für die Musikkomposition geht man kein Risiko ein; der "Interstellar"-Soundtrack zählt aber auch nicht zu dessen Glanzleistungen. Stellenweise werden Musik und Geräusche sehr laut und übertönen die Stimmen der Schauspieler, was von Nolan aus experimentellen Gründen so gewollt ist und in Anbetracht der Qualität der Dialoge auch keinen Nachteil darstellt. Kameraführung und Mise en Scène kommen leider ohne bemerkenswerte Besonderheiten aus; visuell-ästhetisch lässt der Film deutlich Spielraum nach oben.
    Trotz all seiner Mängel bietet "Interstellar" aufgrund seiner beeindruckenden und in Erinnerung bleibenden Bilder vom All ein lohnenswertes Kinoerlebnis und schickt den Zuschauer zeitweise in die unendlichen Weiten des Weltraums, deren Aufnahmen eine kühle, teils bedrohliche, aber auch ehrfürchtige Stimmung aufkommen lassen und die den oft genannten Vergleich mit Kubricks "2001" in diesem Punkt durchaus rechtfertigen. Wer zu viel Substanz und Tiefsinn oder noch schlimmer: den perfekten Film erwartet, wird vermutlich enttäuscht, durch die großartigen Effekte aber hoffentlich zumindest ein Stück weit entschädigt.

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      Als Fan von "39,90", dessen Autor Beigbeder ist, hatte ich definitiv zu hohe Erwartungen an sein Regiedebut. Ich hatte einen spritzigen, charmanten, detailverliebten französischen Mix aus Drama und Kömodie erwartet und bekam stattdessen einen platten, einfallslosen Streifen serviert, dessen Handlung absolut vorhersehbar und dessen Protagonist ein nervtötendes, jammerndes, sexistisches, selbstverliebtes Weichei ist, dem ich absolut nichts abgewinnen kann. Sehr schade!

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      • 8

        Endlich mal kein typischer Gangsterfilm!
        Mit "Brügge sehen... und sterben?" ist Martin McDonagh ein Film gelungen, dessen Fokus auf den Figuren und ihren inneren Konflikten liegt statt auf den Actionszenen. Diese sind zwar auch enthalten, aber immer steht die Handlung im Vordergrund. Sie dreht sich nicht darum, wen man als nächstes aus welchem Grund umzubringen plant, sondern um die moralischen Fragen, die ein Job als Auftragskiller mit sich bringt. Der schwarze Humor verhindert dabei gekonnt eine allzu ernste und düstere Atmosphäre.
        Sowohl Brendan Gleeson als auch Colin Farrell überzeugen durch ihre schauspielerische Leistung und lassen auf die inneren Konflikte ihrer Figuren blicken. Clémence Poésy ist wie immer bezaubernd. Unterstützt werden sie dabei von einer ruhigen Kameraführung und dem gezielten Einsatz von meist ebenfalls ruhiger, aber ergreifender Musik. Schuberts "Leiermann" etwa wird an einer meiner Meinung nach passenden Stelle eingesetzt und ist mir positiv aufgefallen.
        Ebenfalls hervorheben kann man die schönen Aufnahmen der Stadt - meist bei Nacht-, für die sich der Regisseur glücklicherweise Zeit genommen hat.
        Alles in allem ein empfehlenswerter Film, der sich nicht in die unzähligen Gaunerkomödien einreiht, sondern einen erfrischend anderen, tragikomischen Blick auf seine Figuren wirft.

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        • 7 .5

          "Dicke Mädchen" fängt gelungen die (nie beschämende!) Intimität und den natürlichen Humor des Berliner Gespanns aus Sven, seiner Großmutter und seinem Freund Daniel ein, wobei insbesondere der Verzicht auf gewollte oder erzwungene Dramatik sehr positiv auffällt. Die oftmals skurrilen Situationen im Alltag der Protagonisten sorgen dafür, dass der Zuschauer den Film stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgt, und schaffen es immer, zu berühren, ohne dies jemals offensichtlich zu wollen. Nämlich durch pure Menschlichkeit.

          Axel Ranisch zeigt mit seinem Film "Dicke Mädchen", dass die Produktion eines wunderbar anrührenden Films durchaus ohne großes Budget auskommt!

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            Amerika, das strahlende Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo Träume noch wahr werden und Wünsche in Erfüllung gehen – dieses Bild wird gerne und oft vermittelt. Independent-Regisseurin Debra Granik räumt in ihrem zweiten abendfüllenden Film, einer Adaption des Romans „Winter's Bone“ von Daniel Goodrell, unbarmherzig mit diesem Klischee auf und präsentiert stattdessen kahle Landschaften und verarmte Menschen in Holzhütten, die harte Wirklichkeit im amerikanischen Ozark - der amerikanische Alptraum.

            Die 17-jährige Ree (Jennifer Lawrence) ersetzt für ihre beiden jüngeren Geschwister Sonny (Isaiah Stone) und Ashlee (Ashlee Thompson) sowohl die psychisch kranke und apathische Mutter, als auch den seit Wochen verschwundenen, auf Bewährung freigelassenen Vater Jessup. Als aber der ohnehin nur geringe Grundbesitz gefährdet ist, falls der mit Chrystal Meth dealende Familienvater nicht bei einem angesetzten Gerichtstermin erscheint, beginnt die älteste Tochter ihre Suche nach ihm. Unterstützung findet sie dabei zunächst kaum bei der gefühlskalten, wortkargen und feindseligen Bevölkerung, bis ihr schließlich ihr Onkel Teardrop (John Hawkes) zu Hilfe kommt.

            „Winter's Bone“ ist allerdings nicht nur ein Sozialdrama, sondern auch eine Milieustudie über die weiße Unterschicht der USA, den „White Trash“. Die Unwirtlichkeit der Gegend an sich wird zusätzlich durch die Anwohner von der geographischen auf die gesellschaftliche Ebene übertragen; der Film vermittelt konsequent eine kühle, bedrückende Atmosphäre der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit. Drogenherstellung und -handel sind verbreitet, Betäubungsmittel bieten den Menschen die einzige Chance der Flucht aus dem grauen Alltag der Gebirgslandschaft. Dort, wo jeder jeden kennt und es viele Verwandtschaftsverhältnisse gibt, existieren auch inoffizielle Regeln, gegen die Jessup offensichtlich verstoßen hat. Um jedoch die Wahrheit über sein Verbleiben ans Licht zu bringen, muss Ree erst die Mauer aus Lügen, Schweigen und Gewalt überwinden, hinter der sich die misstrauischen Nachbarn verstecken.

            Die Protagonistin sticht bereits von Anfang an als starke und entschlossene Frauenfigur heraus, welche die Aufgaben zweier Elternteile ohne Beschwerde übernimmt und keine Anzeichen von Angst im Umgang mit den rauen Dorfbewohnern nach außen dringen lässt, während sie hartnäckig jede Spur verfolgt, die zu ihrem Vater führen könnte. Der Zuschauer folgt ihr dabei durch die bemerkenswert objektive, wertneutrale und dadurch fast schon dokumentarische Perspektive der Kamera; Granik zeigt Umstände und Begebenheiten, ohne ein Urteil abzugeben, und erreicht dadurch eine enorme Authentizität. Trotz der unspektakulären, nicht sonderlich komplexen Handlung gelingt es dem Film, zu schockieren, und zwar durch die schonungslose Realitätsnähe bei der Darstellung des erbärmlichen Lebens am Rande der Zivilisation.

            Hier, in den Wäldern Missouris, findet man das Gegenteil des amerikanischen Traums. Und genau das bringt Debra Granik dem Publikum erschreckend, aber überzeugend, distanziert und ohne Scheu vor dem Hässlichen nahe und eröffnet damit neue Sichtweisen auf das Land, das viele bereits zu kennen meinten. Gerade die Entfernung von Hollywood und die überraschend anderen, düsteren Aufnahmen von Amerika machen die Besonderheit von „Winter's Bone“ aus und sorgen dafür, dass diese Inszenierung im Gedächtnis bleibt.

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            • 8

              Perfektion – überall wird sie heutzutage scheinbar präsentiert, ob auf der Bühne oder in den Medien. Die Abwesenheit jeglichen Makels dient als Vorbild; dass dies jedoch von der Realität abweicht, wird oft vergessen oder verdrängt. Welch erschreckende Folgen das Streben nach Perfektion im Extremfall haben kann, führt Darren Aronofsky dem Publikum in seinem Thriller „Black Swan“ anhand der Schattenseiten des Ballett auf eine Art und Weise vor, die das Blut in den Adern gefrieren lässt.

              „Ich will eben perfekt sein“, erklärt auch Protagonistin Nina Sayers (Natalie Portman), eine junge amerikanische Ballerina mit dem Traum von der großen Karriere. Die Hauptrolle in Tschaikowskys „Schwanensee“, die zugleich eine Doppelrolle ist, soll ihr zum Durchbruch verhelfen, der jedes Opfer wert ist, auch das der Gesundheit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie ist die ideale Verkörperung des weißen Schwans, immer hell gekleidet, das Zimmer zuhause ein rosa Mädchentraum mit Schmetterlingstapete. Allerdings soll sie ebenso in der Lage sein, den schwarzen Schwan überzeugend darzustellen, ist dafür jedoch laut Trainer Thomas (Vincent Cassel) zu „frigide“; er fordert das Erlernen der Kunst des Verführens, also echte Leidenschaft, von ihr.

              Dass die Mutter (Barbara Hershey) mit der Feststellung, diese Rolle mache das Mädchen kaputt, Recht behält, wird von Anfang an klargestellt. Zusammen mit kalten, grellen Farben auf der Leinwand sorgt die Musik – ein Neuarrangement der Kompositionen Tschaikowskys von Clint Mansell – stellenweise zu gewollt für die Entstehung einer düsteren und ständig bedrohlichen Stimmung. Hinzu kommt Ninas körperliche Veränderung, die sich parallel zur psychischen entwickelt: Paranoia und Wahnvorstellungen wachsen mit steigendem Erfolgsdruck ebenso an wie die blutigen Kratzspuren an ihrem rechten Schulterblatt, die sie sich selbst zufügt. Das anfangs noch sehr enge Verhältnis zur dominanten, alleinerziehenden Mutter zerbricht immer mehr auf dem Weg zur Selbständigkeit und größeren sexuellen Offenheit, mit ihr wird das „liebe Mädchen“ in Verbindung gebracht, von dem sich die junge Tänzerin lösen will und muss. Die Beziehung zu ihren Kolleginnen ist von Neid und Missgunst geprägt; ihr eigener Aufstieg bedeutet das Ende der Karriere ihres Vorbilds Beth (Winona Ryder), und Lily (Mila Kunis), die Neue im Ballettensemble, wird nach einem anfänglichen Freundschaftsversuch zu ihrer stärksten Konkurrentin. Hier wird der starke Charakterunterschied auf die optische Ebene erweitert und überdeutlich gemacht, dass der Kampf des weißen Schwans gegen den schwarzen nicht nur auf der Bühne stattfindet; dieser Schwarz-Weiß-Kontrast zieht sich durch die gesamte Inszenierung von „Black Swan“.

              Aronofsky sorgt mit der Visualisierung von Ninas Angstphantasien – wenn auch gelegentlich etwas zu dick aufgetragen – dafür, dass der Zuschauer im Lauf der Films mehr und mehr am Gesehenen zweifelt, Realität und Wahnvorstellung verschwimmen immer stärker während der Metamorphose der Protagonistin selbst zum schwarzen Schwan. Mit der Premiere von „Schwanensee“ auf der Bühne endet auch „Black Swan“, und auch wenn die Abschlussworte „Es war perfekt“ nicht unbedingt für den ganzen Film zutreffend sind, ist er doch mit Sicherheit die richtige Wahl als Eröffnungsfilm für die 67. Filmfestspiele in Venedig.

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                Viel Straße, viel Wüste, viel Staub und der „letzte amerikanische Held“ auf dem Weg in das Hippie-Mekka der 70er Jahre – Richard C. Sarafian katapultiert in seinem Roadmovie-Klassiker „Vanishing Point“ aus dem Jahr 1970 den Zuschauer mitten in eine Verfolgungsjagd auf den amerikanischen Highways.
                Sarafian macht in seinem Roadmovie deutlich: es geht hier nicht nur um einen Mann in seinem Dodge, sondern dieser verkörpert das Streben jedes Einzelnen nach Freiheit, Selbstbestimmung und den Kampf gegen die Repression. Der Geist der unruhigen 60er und 70er Jahre wird durch diesen turbulenten Trip auf die Leinwand geworfen. Der Name ist Programm: mit dem Challenger fordert Kowalski die Staatsmacht zu einem Rennen auf Amerikas Straßen heraus und die Ziellinie befindet sich mitten im Zentrum der rebellierenden Jugendkultur. Und: „Die Frage ist nicht, wann er zum Anhalten kommt, sondern wer ihn zum Anhalten bringt.“

                Dabei fühlt sich der Zuschauer fast wie in einem modernen, motorisierten Western mit Cowboyhüten, Sonnenbrillen, einsamen Kämpfern, zahllosen Stunts und der Untermalung der gezeigten Bilder durch die mal ruhige, mal schwungvolle und mitreißende Country-Musik von Jimmy Bowen. Stellenweise vergehen auch die Minuten ohne Text, in denen sich alles auf das Straßengeschehen konzentriert. Überflüssige Worte werden eingespart, mit visuellen Reizen geizt der Regisseur jedoch nicht, vor allem bei den aufwendigen Actionsequenzen.
                Dadurch, dass das anfängliche Bild von der Errichtung einer Straßensperre am Schluss wiederholt wird, als der Challenger direkt mit seinem Gegner zusammenprallt, wird in „Vanishing Point“ eine gewisse innere Geschlossenheit und Abrundung erzeugt. Dem Publikum wird das Wissen um die Antwort auf die Frage vermittelt, das Wissen um das Ende von Kowalskis Roadtrip.

                „Die Nöte des Menschen sind ohne Zahl. Und doch kann ihm nichts Schlimmeres zustoßen als der Verlust der Freiheit.“ Ho Chi Minh hat passend in Worte gefasst, was Richard C. Sarafian durch seinen Film vermitteln will: die Freiheit als das oberste Gut, für dessen Erhaltung sich jede Herausforderung lohnt.

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