Der Mensch: Das Monster im Animationsfilm

06.10.2010 - 08:50 Uhr
Der Mensch: Das Monster im Animationsfilm
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Zum Kinostart von Konferenz der Tiere ist es an der Zeit zurück zu blicken und sich einzugestehen, wer denn eigentlich Nemo entführt hatte, wen Prinzessin Mononoke bekämpfte und wen Happy Feet mit seinen Tanzkünsten überzeugen wollte.

Mit Konferenz der Tiere startet in dieser Woche ein neuer Animationsfilm aus deutschen Landen in den Kinos. Wie es der Titel bereits verrät, basiert der Film auf dem berühmten Kinderbuch von Erich Kästner, das 1969 zum ersten Mal als Zeichentrickversion verfilmt wurde. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch schnell ersichtlich, dass sich die Macher, im Gegensatz zur ersten Verfilmung, nur vage an der originalen Geschichte orientiert haben. Stattdessen versuchten die Regisseure, die sich mit Urmel aus dem Eis einen Namen machten, eine mehr oder weniger eigenständige Geschichte zu erzählen, über einen bunten Haufen von exotischen Tieren aus allen Herren Länder, die weniger eine globale als lokale Bedrohung der Menschen zu bekämpfen versuchen. Die namensgebende Konferenz und die eigentliche Intention des Kinderbuches rücken dadurch vermehrt in den Hintergrund.

Ein gern verwendeter Bösewicht
Konferenz der Tiere ist der neueste Vertreter einer Animationsfilmgattung, die einen besonderen Schwerpunkt auf ökologische Themen setzt. Nicht erst seit der Ölpest im Golf von Mexiko haben Filmemacher das dramaturgische Potential der Umweltverschmutzung für sich entdeckt. Das Genre des Animationsfilms bedient sich oft und gerne beim Bild der skrupellosen Menschheit, die aus Gier und Rücksichtslosigkeit die Natur ausbeutet und zerstört. Bereits 1992 fand mit FernGully – Christa und Zaks Abenteuer im Regenwald ein Film seinen Weg in die Kinos, der auf kindgerechte Weise die Abholzung der Regenwälder und die Vertreibung der Eingeborenen thematisierte. Die Zuschauer erfuhren die Welt des Films durch die Augen des jungen und draufgängerischen Zac Young, der mit Hilfe eines Zaubers die Welt der eingeborenen Elfen betreten konnte und langsam ihr Vertrauen erlangte. Es ist selbsterklärend, dass der junge Held am Ende tatkräftig im Kampf gegen die Ausbeutung mithilft.

Wer plötzlich ein leichtes Déjà-vu verspürt, der täuscht sich nicht. Avatar – Aufbruch nach Pandora von James Cameron bedient sich bei einer ähnlichen Storystruktur und Archetypus, nur handelt es sich bei Cameron um keine Elfen und keinen magischen Zauber, sondern um blaue Außerirdische und hoch technologische Avatare. Es lässt sich ohnehin darüber streiten, in welche Schublade Avatar zu stecken ist. Denn trotz seines fotorealistischen Charakters und der (relativ überschaubaren) Menge an Liveaction-Aufnahmen, hat er faktisch mehr mit einem Animationsfilm als einem herkömmlichen Film gemein.

Umweltschutz auf japanisch
Einen ähnlichen Weg geht auch Hayao Miyazaki, der ebenfalls häufig die Ausbeutung der Natur zum Thema seiner Filme macht. Seine hierzulande bekannteste und vielleicht auch beliebteste Öko-Fabel ist Prinzessin Mononoke, eine Dschungelbuch-artige Geschichte über ein Mädchen, das von Wölfen großgezogen wurde und mit ihnen gemeinsam gegen die Abholzung ihres Lebensraumes kämpft. Mit seinem letzten Film Ponyo – Das große Abenteuer am Meer, der Mitte September in die deutschen Kinos kam, schuf Regisseur Miyazaki einen kindlich-naiven Kontrast zu seinen vorherigen Filmen, welche sich aufgrund ihrer düsteren Veranlagung mehr an ein erwachsenes Publikum richteten. In Ponyo wird der schlechte Einfluss des Menschen auf die Natur auf eine sehr leichte und humorvolle Weise eingebettet. Einen moralischen Zeigefinger sucht der Zuschauer vergebens, stattdessen wird das Thema mehr beiläufig in die Geschichte eingeflechtet, um den kindgerechten Ton des Films nicht zu gefährden.

Vermenschlichte Tierhelden
Filme wie Happy Feet oder Findet Nemo gehen einen anderen Weg. Dort wendet sich kein Mensch gegen sein eigenes Volk, sondern die Tiere wurden bis zu einem gewissen Grad vermenschlicht, damit der Zuschauer auch ohne direkte Bezugsperson eine emotionales Bindung aufbauen kann. Sowohl Happy Feet als auch Nemo fungieren in ihren jeweiligen Filmen als Identifikationsfigur und Held. Bei Sammys Abenteuer – Die Suche nach der geheimen Passage, ein deutscher Animationsfilm, der in Nemos Rückenströmung schwimmt und Ende Oktober in die Kinos kommt, sieht es ähnlich aus. Nur wurde hier versucht, per Holzhammermethode auf möglichst viele Gräueltaten, zu denen der Mensch im Zusammenhang mit den Weltmeeren im Stande ist, aufmerksam zu machen. In Wall-E – Der Letzte räumt die Erde auf setzt die Odyssee des einsamen Roboters im Gegensatz dazu nach dem apokalyptischen Ökokollaps an. Der kleine Müllbeseitiger kämpft anfangs gegen keine personifizierten Bösewichte, sondern gegen die von der Menschheit zurückgelassenen Verschmutzungen, was der Geschichte einen beeindruckenden Einstieg verschafft.

Ein Thema, mehrere Herangehensweisen
Eine andere Gattung von Animationsfilm schildert die Auflehnung von Tieren gegen die Herrschaft des Menschen. Als Klassiker dieser Thematik gilt Animal Farm – Aufstand der Tiere aus dem Jahr 1954, der sich, wie die zu Grunde liegende Vorlage von George Orwell, die Revolte eines Bauernhofs darstellt, die dazu noch einen ernüchternden Ausgang bereit hält. Nicht ganz so ernst sehen es die Filme Ab durch die Hecke oder Jagdfieber, die auf kindgerechte Art und Weise den Konflikt zwischen Mensch und Tier darstellen. Zwar gipfeln diese Auseinandersetzungen in beiden Fällen auch in Gewalttätigkeiten, aber es wurde stets auf einen leicht verdaulichen, comicartigen Stil geachtet. Egal ob der Kampf in der Vorstadt oder in der amerikanischen Wäldern stattfindet, die abschließende Botschaft ist ähnlich versöhnlich wie bei den meisten hier genannten Filmen.

Zu guter Letzt muss noch ein Animationsfilm genannt werden, der sich in keine der genannten Gruppen richtig einfügen will. Unten am Fluß ist ein Film, der den Mensch auf gewohnt rücksichtslose Art darstellt, aber während des Verlaufs vom Film zusehends an Bedeutung verliert. Stattdessen verwandelt sich der Film in eine doppelbödige Parabel im Hasenkostüm. Es wird aufgezeigt, dass der Mensch, bei aller Grausamkeit, zu den er gegenüber Tieren im Stande ist, seinen wahren Schrecken dann entfaltet, wenn er sich gegen seine eigene Art wendet.

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