Vorletztes Jahr hat Michael Fassbender sich als Inglourious Basterds -Alliierter und Ufa-Experte Lt. Archie Hicox akzentreich in die Herzen des Kinopublikums gedeutschelt. 2008 nahm die Karriere des Deutsch-Iren mit Hunger von Steve McQueen an Fahrt auf, um 2009 in den Händen von Quentin Tarantino zu explodieren. Letztes Jahr ging er mit den kaum erfolgreichen Filmen Jonah Hex und Centurion – Fight or Die wieder ein wenig unter. Das hat ihm nicht geschadet. Denn dieses Jahr spielte Michael Fassbender in fünf Filmen mit, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wegen seiner Wandlungsfähigkeit und Grundierung in niveauvollem Independent-Kino ist Michael Fassbender mein Star des Jahres.
Hicox and Hex Revisited
Ich muss zugeben, dass ich Michael Fassbender erst mit X-Men: Erste Entscheidung so wirklich auf dem Schirm hatte. Zwar fiel er mir schon in Inglourious Basterds auf, aber im Gedächtnis blieb er mir deswegen nicht. Trotzdem war diese Rolle wahrscheinlich ein großer Faktor für die Entscheidung zum Fassbender-Mutantenführer. Schließlich spricht Magneto a.k.a. Erik Lehnsherr in einigen Szenen seine Landessprache, wenn auch mit einem gewissen Ekel. Erfahrung mit Comicverfilmungen brachte Michael Fassbender aus Jonah Hex mit, aber auf diesen Film wird er wahrscheinlich nicht so gern angesprochen. Michael Fassbender gab als sichtbar gezeichnete Mutantenseele der ohnehin schon gespannten Luft des Kalten Krieges das gewisse Extra an Eskalationspotential. Zusammen mit James McAvoy, Jennifer Lawrence, Kevin Bacon und anderen holte er das X-Men-Franchise aus der Over-the-Top-Obskurität zurück. Hoffen wir nur, dass der Bogen zu den Bryan Singer -Sequels nicht wirklich geschlagen wird.
Kostümiert und Vergeistigt
In diesem Jahr bewegte sich Michael Fassbender auch auf historischen und literarischen Pfaden und schlüpfte für Jane Eyre in das Kostüm des gestürtzten Edelmannes Edward Rochester, der mit dem Gebähren der für ihre Zeit ungewöhnlich selbstständigen Jane Eyre (Mia Wasikowska) zu kämpfen hat. Die tragische Liebesgeschichte kam in den Vereinigten Staaten schon im April in die Kinos, wir mussten uns bis Dezember gedulden. Was soll ich sagen? Ich stehe nicht wirklich auf Kostümfilme, aber ich bin sicher, dass er ganz großartig war. Vielmehr interessiert mich Eine dunkle Begierde. Als Carl Gustav Jung taucht er in die triebgesteurten Traumtiefen ab, die sein Kollege Sigmund Freud (Viggo Mortensen) als Vaterfigur auseinandernehmen will. Michael Fassbenders Darbietung können wir ansehen, dass seine Figur Freud nicht loslassen will. Die Veränderung, die durch das Verhältnis zu seiner Patientin Sabina Spielrein (Keira Knightley) gebracht wird, ist sichtbar. Carl Gustav Jung ist ganz praktisch in die Tiefen des Geistes hinabgestiegen und Michael Fassbender bringt das durch subtiles Mienenspiel glaubwürdig auf die Leinwand.
Überhaupt nicht schämenswürdig
Vom selbstanalysierenden Psychologen wird er in Shame zum reinen Untersuchungsobjekt – für den Zuschauer. Die Geschichte des Yuppies Brandon, der außer Erektionen keine anderen gefühlsähnlichen Zustände zustande bekommt, wird von Steve McQueen (Hunger) authentisch und ohne viel Beiwerk erzählt. Die Figur liegt auf dem Seziertisch. Schon die kurze, stille Sequenz wie auch der erste, zweite und dritte Trailer verraten, dass Michael Fassbender das gruseligste Lächeln der Welt auflegen kann. Brandon ist erfolgreich, besonders bei den Frauen, aber zwischendurch lässt Fassbender immer wieder diese Unsicherheit durchblicken. Er macht Brandon zum verletzten Tier, das nach jedem lindernden Liebesstrohhalm greifen muss. Selten haben mich Trailer so umgehauen. Bis zum März 2012 kann ich kaum noch warten.
Wegen dieser Bandbreite, mit der er sowohl im Mainstream-, dem Independentkino und allem dazwischen überzeugen kann, können die zahlreichen Nominierungen und Preise nicht mehr verwundern. Mit zahllosen Schauspieler des Jahres-Awards, zum Beispiel bei den British Independent Film Awards oder dem National Board of Review, wird Michael Fassbender ein heißer Kandidat für den Besten Schauspieler bei den Oscars sein. Im kommenden Jahr können wir dann auf seine roboterhafte Rolle in Prometheus – Dunkle Zeichen von Ridley Scott gespannt sein. Und im Action-Rachethriller Haywire hat er als einer der zahlreichen Gegenspieler viel von seiner Kollegin Gina Carano einzustecken. Ich freue mich schon.
Hier alle Texte zu Tops & Flops sowie Stars des Jahres im Überblick:
Flops 2011
Mattes’ Flop-Film des Jahres – Kill The Boss
Ines’ Flop-Film des Jahres – Sucker Punch
Sophies Flop des Jahres – Pirates of the Caribbean
Tops 2011
Mattes’ Top-Film des Jahres – Winters’ Bone
Ines’ Top-Film des Jahres – Melancholia
Sophies Top Film des Jahres – Planet der Affen
Top-Schauspieler des Jahres 2011
Jennys Star des Jahres – Kristen Wiig
Jennys Star des Jahres – Andy Serkis
Mattes’ Star des Jahres – Mia Wasikowska
Mattes’ Star des Jahres – Ryan Gosling
Sophies Star des Jahres – Michelle Williams
Sophies Star des Jahres – Robert Pattinson
Maltes Star des Jahres – Jennifer Lawrence
Maltes Star des Jahres – Michael Fassbender
Ines’ Stars des Jahres – Alexander Skarsgard
Ines’ Star des Jahres – Saoirse Ronan
Interessante Regisseure des Jahres 2011
Tomas Alfredson – Nordmann mit Ambitionen
Nicolas Winding Refn – Meister der Präzision
Andrea Arnold – Von Top of the Pops nach Venedig
Cary Fukunaga – Bildgewaltige Filme mit viel Kraft