Top 7 der fesselndsten Kammerspiel-Filme

05.11.2010 - 08:49 Uhr
Die zwölf Geschworenen
MGM Home Entertainment
Die zwölf Geschworenen
35
30
Aufgepasst, jetzt wird es theatralisch. Zumindest im räumlichen Sinne. Wir präsentieren euch die Top 7 der fesselndsten Kammerspiel-Filme.

Filmische Kammerspiele verzichten in der Regel auf unnötigen oberflächlichen Ballast (Dekoration, Effekte oder aktionsgesteuerte Handlungselemente) und konzentrieren sich ganz auf die Psyche ihrer Charaktere. Die Schauspieler, ihr persönlicher Konflikt, die Dialoge und die daraus resultierende Suspense stehen im Mittelpunkt. Und wie der Name es bereits andeutet, sind diese Filme räumlich stark begrenzt, um den Charakteren zusätzliche Antrieb zu verleihen. Mit Buried – Lebend begraben kommt diese Woche ein neuer und extremer Vertreter dieses stilistischen Genres in unsere Kinos, was uns Anlass bietet eine neue Top 7 zu starten.

Ausgeklammert wurden von vorneherein Filme, die auf eine klaustrophobische Wirkung hinarbeiten. Solche wurden von uns bereits mit einer eigenen Top7-Reihe bedacht.

7. Mein Essen mit André
Der Schauspieler und Theaterautor Wally trifft sich zu einem Abendessen mit seinem Freund André in einem französischen Restaurant in New York. Die beiden haben sich seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen. Der Film folgt ihren Unterhaltungen über experimentelles Theater und ihre verschiedenen Lebensphilosophien.
Zwei Männer sitzen in einem New Yorker Café und reden fast zwei Stunden lang. Besser gesagt einer der beiden, der andere übernimmt die passive Rolle des Zuhörers. Mein Essen mit André erzählt keine Handlung, er erzählt. Das Besondere dabei ist, dass die beiden Charaktere mit jedem Wort plastischer und glaubwürdiger werden. Und ehe wir uns versehen, ohne Vorwarnung, hängen wir an Wallys Lippen als würde das eigene Leben davon abhängen: der Inbegriff eines exzellenten Dialog getriebenen Films.

6. Nicht auflegen!
Stu wird das Opfer eines Erpressers, der ihn in einer Telefonzelle gefangen hält und in einem beklemmenden verbalen Katz- und Mausspiel herausfordert.
Nicht auflegen! dauert nur 80 Minuten und hält sich nicht mit langen Vorreden auf. Mehr Zeit würde auf Kosten der immensen Spannungskurve gehen, weniger hätte einen faden Nachgeschmack zur Folge. Joel Schumacher ist mit Nicht auflegen! ein Film gelungen, dessen Suspensegehalt körperlich spürbar wird.

5. Das Rettungsboot
Nachdem ein amerikanisches Passagierschiff im zweiten Weltkrieg von einem deutschen U-Boot versenkt wurde, treiben neun Überlebende in einem Rettungsboot im Atlantik. Als sie einen überlebenden deutschen Matrosen aus dem Meer fischen, der behauptet von dem ebenfalls gesunkenen U-Boot zu stammen, ist die aufkeimende Feindseligkeit unübersehbar.
Das Rettungsboot ist ein früher Klassiker von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1944, der aus der Idee entsprang, einen ganzen Film in einer Telefonzelle zu drehen (die Idee wurde erst knapp 60 Jahre später von dem oben erwähnten Nicht auflegen! in die Tat umgesetzt). Zehn Schiffbrüchige, die hilflos der Naturgewalten, dem Krieg und ihrer eigener Unvollkommenheit ausgesetzt sind. Von außen zerrt der unbarmherzige Atlantik, von innen befällt sie Misstrauen, Uneinigkeit und ständige Streitereien. Hitchcock, wie wir ihn kennen und lieben.

4. The Man From Earth
Was würdet ihr eine Person fragen, die behauptet, nicht zu altern und seit 14000 Jahren auf der Erde lebt? Die seit Jahrtausenden immer weiter zieht, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Was muss eine solche Person alles wissen? Welche Dinge und Katastrophen hat sie miterlebt? Gibt es mehrere von ihnen?
The Man from Earth ist ein Film, der sich einem einzigen Thema verschreibt. Was wäre wenn? Die Glaubwürdigkeit wird zu jedem Zeitpunkt in Frage gestellt. Das Thema und die Dialoge erzeugen einen einzigartiger Sog, dem sich das Publikum nicht entziehen kann. Selten wurde der Zuschauer von so wenig, so sehr gefesselt. Assoziationen an K-Pax – Alles ist möglich werden geweckt, nur hält sich The Man from Earth mit keiner eigentlichen Handlung auf, sondern konzentriert sich ganz auf seine Frage.

3. Dogville
Grace ist auf der Flucht vor ihrem Vater, der gleichzeitig auch Oberhaupt eines Mafiasyndikats ist. In Dogville, einem abgelegenen, ärmlichen Dorf, findet sie Unterschlupf. Aus Dankbarkeit beteiligt sie sich an der täglichen Dorfarbeit. Grace Beliebtheit steigt, bis zu dem Tag, an dem die Polizei im Dorf erscheint.
Dogville fällt etwas aus dem Rahmen, weil sich er sich rein inhaltlich nicht auf einen Schauplatz beschränkt. Jedoch bezieht der Film von Lars von Trier aus seinem theatralischen Minimalismus. Es gibt keine Kulissen, kaum Requisiten. Nur Linien auf Bühnenbrettern und ein endloser, schwarzer Bühnenhorizont offenbaren sich dem Zuschauer. Und dennoch schafft der Film eine einzigartige und beklemmende Grundstimmung. Die Reduzierung auf das Nötigste unterstreicht den dramatischen Aspekt und lässt den Zuschauer noch stärker an Graces Schicksal Anteil nehmen.

2. Reservoir Dogs
Sechs Kriminelle, die sich nur unter ihren Decknamen kennen, planen einen Juwelierraub. Doch der Coup endet in einem Desaster. Mr. Brown wird getötet, Mr. White und der verwundete Mr. Orange schaffen es mit Müh und Not an den vereinbarten Treffpunkt und warten auf den Rest. Bald ver­däch­tigt jeder jeden.
Ähnlich wie Dogville ist auch Reservoir Dogs schwer zu klassifizieren, aber ist auch zu gut, um übergangen oder ausgeklammert zu werden. Quentin Tarantino verstand es mit seinem Regiedebüt nicht nur, die gesamte Spannung allein aus den Charakteren zu beziehen, sondern auch die Kammerspiel-Limitierung (die eigentlich aus einem Geldmangel heraus entstand) mit geschickt eingesetzten Flashbacks zu durchbrechen.

1. Die zwölf Geschworenen
Eigentlich scheint der Angeklagte seinen Vater wirklich umgebracht zu haben, nur einer der 12 Geschworenen ist sich der Sache nicht so ganz sicher. Da das Urteil einstimmig gefällt werden muss, kann er sich nicht dazu entschließen, den Angeklagten schuldig zu sprechen, denn sein “ja” würde ihn auf den elektrischen Stuhl bringen.
Der beispiellose Klassiker, mit dem Regisseur Sidney Lumet sein Kinodebüt ablieferte. Die zwölf Geschworenen gilt bis heute als Musterbeispiel für psychologische Rollenverhalten und Gruppendynamikprozesse und wurde von Lumet gezielt so inszeniert, damit die Enge des Geschworenenraums auch für den Zuschauer spürbar wird. Der Film besteht aus einem einzigen verbalen Schlagabtausch, der Stück für Stück die Gruppendynamik verändert und gleichzeitig einen spannenden Kriminalplot aufeckt. Auch nach über 50 Jahren hat der Film nichts von seiner Eindringlichkeit verloren.


Unter “ferner liefen” dürfen Filme wie Hitchcocks Cocktail für eine Leiche, Pontypool – Radio Zombie oder Arsen und Spitzenhäubchen nicht fehlen. Aber waren das schon alle? Was fällt euch noch zum Thema ein?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News