Weltenkind - Kommentare

Alle Kommentare von Weltenkind

  • 9

    [...] Die Liebe zweier Individuen ist der Mittelpunkt aller Konspiration. Ennis Del Mar begegnet der Liebe mit Abneigung. In ihrer ersten Nacht reagierte er aggressiv und später abweisend. Er ist sich der gesellschaftlichen Ausgrenzung Seinerselbst bewusst, während Jack Twist, der naive und lebenslustige Jüngling, in seinen Gefühlen lebt. Beide Gegenpole zementieren ihre Liebe ganz individuell, aber verlieren sie niemals. Während Ennis nach ihrer Trennung heiratet, ein geordnetes Leben zu führen versucht, gleitet Jack verloren durch die Welt. Der Versuch, ein Jahr später auf den Brokeback zurückzukehren, endet mit der Einsicht, dass ihr Geheimnis nicht so geheim war, wie erhofft.
    Dennoch bleibt die Liebe der beiden zueinander, trotz verschiedener Lebensstile, allgegenwärtig. Die Suche der Gefahr, das fehlende Gefühl des Zusammenseins, verstärkt sich im Laufe der Jahre, verliert sich in vorgeheucheltem Interesse an Frauen und dem Aufbau anderer Existenzen. Dann der Versuch der Wiedervereinigung: Im Schatten der eigenen Ehen zelebrieren sie eine Affäre. Zurück auf dem Brokeback besprechen sie ihre Zukunft. Aussichtlos, verloren, unmöglich – da ist nichts, was sie zusammenhält. Ihre Liebe besteht nicht die Prüfung der Gesellschaft. „Wie lange denn?“, fragt Jack und Ennis resümiert nur vage: „So lange, wie wir können.“ [...]

    17
    • 9

      [...] Distanziert von jeglicher Beliebigkeit wird die Homosexualität von Rimbaud und Verlaine kein Akt sexueller und persönlicher Auseinandersetzung, sondern ein universelles Kausalprodukt der Persönlichkeiten. Holland interpretiert ihre Liebe nicht als Homosexualität, sondern als Liebe zweier intellektueller Geister. Ein Zugehörigkeitsgefühl, welches sich als Problem der Gesellschaft manifestiert. Verlaine, bis zu dem Treffen mit Rimbaud ein klar heterosexueller Mann mit einer Familie, ein Freiheitskämpfer während der Revolution, auf einmal vernarrt in Rimbaud. Die Homosexualität beider ist fern von physiologischer und anatomischer Abhängigkeit. Ihre Sexualität lebt sich in einer Liebe der Deckungsgleichheit aus. Sie lieben sich dann, wenn sie es brauchen, nicht, wenn sie es wollen.
      Als der endgültige Bruch zwischen Verlaine und Rimbaud geschieht, ist es einer Gewalt geschuldet, der Verlaine sich seinem ganzen Leben nur schwerlich entziehen konnte. Während seiner Ehe mit seiner Frau zündet er ihr die Haare im Alkoholrausch an und schleudert das eigene Kind durch das Zimmer. Es scheint, als wäre die Liebe der beiden in einer Katharsis der Gewalt, der Selbstfindung und Zerstörung gefangen. Der Ausweg aus diesem Kreis ist unmöglich. Rimbaud versucht den Bruch, scheitert an der Hilflosigkeit des Anderen. [...]

      8
      • 8

        [...] Durch Bilder, die ihre poetische Kraft entfalten und die Übergänge zwischen Realität und spiritueller Eingebung verwischen, bleibt das Gefühl dieser transzendenten Schönheit. Der Realitätsanspruch, den Thailänder und Weerasethakul im Besonderen haben, unterscheidet sich massiv von westlichen Auffassungen. Die Koexistenz zwischen jener spirituellen Religiosität und der tatsächlichen physischen Existenz ist ein Kontinuum, welches ohne das andere nicht funktioniert. So ist gerade „Cemetery of Splendour“ für Weerasethakul, wie jeder seiner Filme, ein persönlicher und nahegehender Film. Obgleich er in seinem Plot sehr dünn agiert, schöpft er seine Kraft aus der Relation von Verständnis und Empfindung. Die biografischen Parallelen lassen die emotionale Härte, mit der Weerasethakul hier voranschreitet, und ihren Mystizismus nicht so distanziert erscheinen, wie sie unter anderen Umständen sein könnten. Die menschliche individuelle Verknüpfung von Charakteren und Schicksalen ist eine für das Kino von Weerasethakul typische Stilübung. Denn trotz seiner oft fernen inhaltlichen Auseinandersetzung mit Thematiken wie Seelenwanderung und Realität bleibt deren Verkettung für ihn von zentraler Bedeutung. [...]

        15
        • 8

          [...] Es ist scheinbar Liebe auf den ersten Blick. Eine Liebe, die nicht gleich entfacht, aber tief in ihnen jederzeit präsent ist. Wider dem besseren Gewissen kommen sich Laura und Alec jedes Mal näher, wenn sie sich treffen. Für Laura ist Alec der liebende Freund und das komplette Gegenteil zu Fred, ihrem Ehemann. Er ist distanziert und kalt. Und dennoch liebt er seine Frau. Es ist das vollendende Vertrauen, welches dies symbolisiert und die Taten Lauras dadurch umso mehr in ein kritisches Verständnis rückt. Fred ist kein Tyrann, niemand, der seine Frau mit Ablehnung straft. Und doch fühlt sich Laura unverstanden, distanziert sich innerlich von ihm.
          Bei einem Kreuzworträtsel fragt Fred seine Frau nach einer Lösung – „Romantik, denke ich. Ich bin mir fast sicher, das ist es.“ –, doch dabei denkt sie nicht an ihren Ehemann. Es ist Alec, der in ihren Gedanken lebt. Doch genauso signifikant, wie er sich in ihren Gedanken ausbreitet, so groß sind die Zweifel an ihren Gefühlen und Taten. Sie ist gefangen in den Konventionen, in denen Ehebruch noch deutlich tabuisierter ist als in der heutigen Gesellschaft. Es sind Sünden, die einen aus der Gesellschaft abgrenzen. Laura aber fürchtet sich nicht davor. Es ist vielmehr die nicht ausgesprochene Angst vor sich selbst. Die Angst davor, sich selbst zu verlieren und in das eigene Unglück zu laufen, während ihre Kinder und ihr Ehemann zu Hause sind; ungeahnt dessen, was die Frau tut. [...] Vielleicht der beste Liebesfilm, den es gibt.

          15
          • 8

            [...] Das serielle Konzept liegt einer Miniserie zugrunde. Dem HBO-Erzeugnis „True Detective“ ähnlich sind die Staffeln für sich alleinstehend und individuell, bleiben aber unter dem Titel der Serie als Gesamtwerk bestehen. In zehn Folgen erzählt Serienschöpfer Noah Hawley in Kapitel ähnlichen Unterteilungen die (wahren) Geschehnisse der Stadt Bemidji aus dem Jahr 2006, den Aufstieg und Fall von Menschen, heraufbeschworen durch einen Mann, den man zu gerne als das sieht, was er wohl selbst gerne wäre: das Böse. Seine Geheimidentität ist die eines Priesters, das Kalkül, welches Malvo in seinen Taten jederzeit einbezieht, lässt ihn als unmenschlich, stets seinen Gegnern überlegen wirken. Billy Bob Thornton schwebt über allem mit teuflischer Präsenz, einem verschmitzten, abschätzenden Grinsen. In einer direkten Konfrontation mit einem Polizisten wird allein durch Worte die Gefahr durch diesen Mann klar: Aus Angst vor ihm lässt der Polizist ihn gehen. Und man selbst sitzt da und fragt sich: Wie würde ich handeln? Thornton lässt die Selbstsicherheit des Zuschauers vergessen und ihn an der eigenen Standhaftigkeit zweifeln. Doch gerade solche Interaktionen beherbergen das humoristische Potenzial. Wenn Malvo sein Netz der Manipulation über seine Schäfchen spannt und selbst ab und an in das Geschehen eingreift, ist die Jagd und das Hinterherstolpern nach dieser rätselhaften Gestalt der Humor, den die Serie wunderbar aufgreift. Die Charaktere irren in ihrem eigenen Morast hin und her. „I quit. I’m done!“, sagt Polizeichef Bill Olsen (Bob Odenkirk) irgendwann und lässt damit alles fallen. Einfach, weil er überfordert ist. [...]

            11
            • 7

              [...] Harvey Keitel ist jener „Bad Lieutenant“, dessen Name niemand kennt. Und eigentlich will ihn auch niemand wissen. Von diesem Bastard eines Menschen, der sich selbst verloren hat und in seiner eigenen Verzweiflung versunken ist, möchte man nichts wissen. Er hat Familie, ist sogar relativ angesehen in seinem Beruf. Immerhin ist er Lieutenant. Doch gleichermaßen zieht alles an ihm vorbei, was menschlichen Wert haben könnte. Seine Kinder will er loswerden, um sich die nächste Dröhnung noch im Auto vor der Schule geben zu können – und seinen Job nutzt er, um an den Stoff ranzukommen. Die Präsenz des Bad Lieutenant resultiert allein aus Keitels enorm physischer Darstellung. Sein stämmiger Körper, wenn er Jesuspose, mit geschlossenen Augen und vollkommen vollgedröhnt dasteht, wird zur metaphysischen Differenz zu seinem psychischem Auftritt als existenz- und rastloser Polizist. Er wankt, stöhnt, verzieht sein Gesicht leidend, ist aber doch so starr wie eine Statue. Regisseur Abel Ferrera wollte diese Szene aus dem Film nehmen, da ihm die Referenz zum Jesusbild zu auffällig erscheint. Doch genau hier erreicht Keitels Darstellung seinen Höhepunkt aus panischer Einsamkeit, die er sich nicht entziehen kann. [...]

              3
              • 7

                Es ist die Geschichte eines Lebens. Das Leben eines Menschen, so weit entfernt, dass es für unsereins gar nicht existiert. Und doch sind die Bilder der Geschichte so ergreifend nahe, dass sie, wenn sie sich entfalten, das Leben als ein kategorisches Licht erhellen: Die Probleme des Landes sind existentiell. Und doch geht es, trotz der Aussage, der Film sei ein "politischer Film", nicht um die Politik des Landes, sondern viel mehr um den Jungen, der aus der Ich-Perspektive sein Leben resümiert. Mithilfe von Tonfiguren eröffnet Rithy Panh dem Zuschauer das Leiden seines Lebens, als Opfer des Genozids seines Landes, als Teil der unterdrückten Gesellschaft und doch ist es immer der Ich-Erzähler, der den Mittelpunkt markiert. Unfassbar zerstörend erfolgt daraus der Blick auf ein fremdes Leben, welches scheinbar so fremd zu uns erscheint, dass wir es gar nicht glauben. Es ist keine Ignoranz der Menschen dies nicht glauben zu wollen, es ist einfach die unglaubliche Geschichte die hinter diesem Ganzen steckt. Als Kind in ein Arbeitslager verschleppt, unter dem Deckmantel lebend, der Kommunismus würde ihnen den erhofften Wohlstand bringen, gleitet Panh selbst immer weiter ab in die Abgründe des Menschen. So teilt man nicht das Essen, es wird nur der Hunger geteilt. Und doch bleibt man irgendwie immer allein. Einzig die Tonfiguren stehen da, so blass und leer, wie die Augen des jungen kambodschanischen Mädchen, welches kurz erwähnt und dann schon wieder abwesend ist.

                10
                • 7

                  [...] Der Titel des Films hat eine metaphorisch-analoge Bedeutung für die Essenz des Werkes: Frears verwendet verschiedene Genre-Bestandteile und versetzt sie in Einklang und Gegensatz zu einander. Wie in einer Wäschetrommel werden diese Teile vermischt und ergeben ein klares und bestenfalls vollkommen sauber zu verstehendes Gesamtbild.
                  „Mein wunderbarer Waschsalon“ ist Drama, Komödie, Milieustudie, Kritik und Liebesfilm. Thematisiert werden wirtschaftliche Begebenheiten und sexuelle Orientierungen. Die kulturellen Eigenheiten der Charaktere werden in Bezug zu ihrer politischen Problematik gesetzt, dessen Pranger ganz oben steht: Alles geht auf die Kritik an den Thatcherismus zurück, den Frears auch nicht zu schamvoll ist in jeder Faser seines Filmes zu kokettieren. So aufdringlich der Film mit dieser Thematik spielt, so präsent ist sie zu jeder Zeit. Die Charaktere werfen mit sarkastischen Äußerungen um sich, stellen sich selbst als Opfer in die Riege der Schandtaten Thatchers hin und positionieren sich in ironischer Montur als Verlierer, um nur am Ende nicht zwischen gescheiterten Existenzen, den Verlierern, aber auch den klaren Gewinnern zu unterscheiden. Es wird ein Gemisch aus Buntwäsche, die gefährlich heiß gewaschen wird, aber es dennoch schafft, die weiße Wäsche am Ende nicht zu beschädigen und einen akkuraten Abstand zwischen dem Zuschauer, als womöglicher Zeitzeuge des Thatcherismus, und dem unabhängigen Publikum zu halten. [...]

                  7
                  • 7

                    [...] Konfrontiert mit dem Erfolg anderer, wird Allen zynisch. Er erkennt sein Versagen, bleibt aber grotesk. Groteske Sinnbilder des Scheiterns werden zur Diffamierung seines Fühlens. Alvy Singer ist ein Mann, der eigentlich weder der Adonis ist, der er gerne wäre, noch so intelligent, wie er wirken möchte und doch kreiert er ein Überlegenheitsgefühl. Er selektiert und distanziert sich selbst von Typisierungen, will dabei anders sein, bleibt aber doch ein wandelndes Klischee. Jener neurotische Außenseiter, der Jude, der sofort Antisemitismus erkennt, wenn Juden zum Thema werden. Ein empfindlicher Kauz, doch in seinem Stereotyp liebevoll und einzigartig. Der Zwang, andere fernzuhalten und dabei zu vergessen, wer er eigentlich ist, macht aus ihm – und auch Annie – ein sich selbst nicht verstehendes Wesen. Die Menschen sollen auf Abstand bleiben, aber doch wollen sie körperliche und auch emotionale Nähe. Das aber ist unmöglich, der Konflikt breitet sich aus. Im Inneren, wo es keiner sieht, kämpfen Alvy und Annie darum, miteinander und sich selbst klar zu kommen. Da sie aber stets in Verteidigungs- und Abwehrhaltung verharren, bleiben sie Außenseiter, unverstandene, eben neurotische Müßiggänger. [...]

                    11
                    • 7

                      [...] Jane Campion macht aus ihren konformen Figuren geächtete, filmisch sezierte Ausreißer. Sie sind keine Rebellen, sie werden von Suchenden zu Leidenschaftlichen zu Liebenden. Aida sucht ihr Piano, findet die Musik und verliebt sich in Baines. Und Baines sucht Zuneigung, findet körperliche Befriedigung und verliebt sich schließlich in Aida. Sie gehen leise, nur den Klängen des Pianos folgend, den Weg, der sie zusammenfinden lässt. Obwohl Baines ein Sympathieträger gegenüber Stewart ist, versteht es Campion, von einer Romantisierung des Mannes Abstand zu nehmen. Aida ist für ihn erst eine Hure, ein Objekt, wie es auch das Piano ist. Er nimmt den Profit, den er haben kann. Für ihn zählt Körperliches, Emotionalem ist er eher fern. Erst mit der Zeit wird aus dem Materiellen etwas Emotionales. „Das Piano“ würde auch als Stummfilm funktionieren, doch würde dies dem Film seine Dynamik und Gegensätze nehmen. Aida würde zum uneingeschränkten Mittelpunkt des Filmes. Baines und seine Hintergründe verkämen zur bildhaften Assistenz der Protagonistin. Nicht selten lebt der Film allein durch die Koexistenz der beiden Hauptcharaktere, ihren Gefühlen und ihren selten gezeigten, aber umso präsenter wirkenden Emotionen zueinander. [...]

                      11
                      • 7

                        Es wird einem schnell bewusst, mit was man es hier zu tun hat: Da sind ein paar ältere Jungs, die jüngeren einen Blick durch ein Teleskop gegen Bezahlung erlauben. Der Blick in die Ferne, das Ungewisse und das Unbekannte reizt die jungen Gemüter der dargestellten britischen Arbeiterklasse. Die Sehnsucht, aus dem auszubrechen, was sie nicht selbst als ihr Zuhause erklärt haben, aber dennoch gezwungen sind, zu leben. Doch sie sehen nur Sterne, statt dem großen Planeten „mit den Ringen“, der, wie die Älteren wissen, der Saturn ist. „Still Stars“ sind es für die Jüngeren, die vielleicht noch nicht begriffen haben, in welchen sozialen Missständen sie leben.
                        Für Liam allerdings, dem Protagonisten, ist vollkommen klar, was vor sich geht. Denn er stellt die Frage, wie lang ein Tag auf dem Saturn dauert. Zehn Stunden und vierzehn Minuten, seine Antwort und das bedauernswerte Resümee seines Freundes Pinball: „There’s not much time, young man.“ Und auch das Leben von Liam hat nicht mehr viel Zeit – denn er will etwas ändern. [...]
                        Ken Loach demonstriert in seinem Film „Sweet Sixteen“ das Leben der Jugend in einer Sozialsiedlung, ausgesucht an Extremen. Liam ist ein durchschnittlich intelligenter, aber ehrlicher Mensch, der durch das System ausgebeutet und vernachlässigt wurde. Seit neun Monaten sah er keine Schule mehr von innen, sein Vater ist sonst wo, seine Mutter im Gefängnis und die ältere Schwester mit siebzehn Jahren bereits alleinerziehende Mutter. Dieses allegorische Extrem erscheint in seiner simplen Aufzählung ein übertriebenes Konstrukt zur Erhellung jener Missstände, die nach dem Thatcherismus so kompetitiv im „New British Cinema“ Gegenstand waren. [...]

                        6
                        • 7

                          [...] Manchmal hält Guzmán die Kamera einfach auf seine Interviewpartner und fragt sie im Hintergrund aus, dann schlägt er die Brücke zur Rekonstruktion und erzählt nicht nur, was geschehen its, sondern zeigt es auch. Um den Schrecken durch die Pinochetdiktatur transparenter zu machen, offenbart er die Unmenschlichkeit jener Politik. Man könne Respektlosigkeit und Ignoranz hinter der Sensationsgier jener Rekonstruktion von Mord und Entsorgung sehen, doch versteht es Guzmán die meiste Zeit, einen respektvollen Abstand zu halten. In der Sterilität eines leeren Raumes, nur bestückt mit einem Tisch, filmt Guzmán zwei Männer dabei, wie sie eine Puppe einpacken. Erst in Plastikfolie, dann in einen Kartoffelsack. Jeweils über die Beine und über den Oberkörper. Beschwert wird das Ganze mit einem Schienenstück, verschnürt am Körper der Puppe. Die Puppe steht für einen Menschen. Politische Gegner, einfache Menschen, redundante Individuen, die zu Desaparecidos wurden. Feinde des Diktators Augusto Pinochet, der in seiner Amtszeit als Diktator mehrere Zehntausend Menschen tötete. Guzmán verdeutlicht diese Gräuel durch Sterilität und Distanz. Die Puppe wird von einem Helikopter abgeworfen und im Ozean versenkt. Das Heiligtum der Menschen wird zum Massengrab. Jener Ort, der für die Indianer Nahrungsquelle war. Ganz im Sinne der spirituellen Bedeutung nimmt das Wasser jene auf, die es geschaffen hat. Es besitzt die Stimmen der Vergangenheit. [...]

                          12
                          • 7

                            [...] Man findet sich in Trostlosigkeit und Einsamkeit wieder. Ob der Eisplanet Hoth, das sumpfige Dagobah-System oder die undefinierbare Wolkenstadt – nirgendwo ist ein Zuhause für die treibenden Charaktere, ruhelos und ungestüm, genauso wie es ihre Situation verlangt. Denn für eine Rast ist keine Zeit, in Anblick mit dem Bösen, das es zu bekämpfen gilt. Stattdessen stehen diese Orte für Entwicklung und Fortschritt. Konfrontation und Einsicht erfolgen stets an Orten, die eine Selbstdekonstruktion voraussetzt und dem Neuanfang frönt. In Dagobah trifft Luke auf Yoda und muss sich von Anfang neu definieren, um sich zu entwickeln. Jedi zu sein bedeutete schon immer mehr als ein bloßer Krieger. Auch wenn es keinen Jedi-Orden gibt, so wie wir ihn aus den Prequel-Filmen kennen, evoziert sich dennoch eine konstitutive Gemeinschaft, ein Zugehörigkeitsgefühl, dessen soziale Komponente ein relevanter Bestandteil der Philosophie der Jedis ist. Alte Lasten zu vergessen und Neues anzunehmen, ist Voraussetzung zur Macht. [...]

                            6
                            • 6

                              [...] „Das Fest“ ist der wohl radikalste Dogma-Film, Thomas Vinterberg macht aus der Liebe Hass, aus der Idylle einen Kriegsschauplatz. Bei Vinterberg werden Menschen zu Monstern. Nicht, weil er Menschen hasst, sondern weil Menschen sich selbst hassen. Sie sind Furien, sie müssen sich gegenseitig verletzen, bis sie merken, dass sie sich selbst zerstören. Die Wahrheit ist das Motiv des Films; sie zu ertragen, die Aufgabe. Es ist nicht einfach, die Naivität der Menschen zu ertragen, ihre fehlgeleiteten Auffassungen über Recht, Liebe und Moral zu akzeptieren. Doch man erkennt, es sind Menschen. Ihre Fehler: schwerwiegend, unentschuldbar, indiskutabel, doch menschlich. Die Akzentuierung von Menschlichkeit zur Barbarei ist ein Fest. Ein Fest voller Abscheu und Hass, aber auch ein Treffen der Freude und des Wiedersehens. Aber letztendlich sind sie alle haltlose Heuchler, so, wie Menschen eben sind. Gleichgültig sind sie alle, vergessen wird aber keiner. Auch, wenn sie es wollen, werden sie nicht vergessen, wie Christian sich erhob, seinem Vater ins Gesicht blickte und die Wahrheit erzählte. Die Wahrheit, die eine bereits kaputte Familie endgültig zerstörte. Für Christian aber war es die Absolution. [...]

                              12
                              • 6

                                [...] Noch immer sind Lucas die Charaktere weitestgehend egal, betrachtet sie nur aus der Ferne und lässt sie Dialogzeilen von erbrechend ekelhafter Einseitigkeit referieren. Doch manchmal blitzt alte Intimität auf. Jene Intimität, die damals offenbarte, dass Leia und Luke Geschwister sind, oder der filmgeschichtliche Paukenschlag „Ich bin dein Vater“ – ganz selten verweist Lucas auf seine Nähe zur Thematik. Darauf, dass das Produkt „Star Wars“ nicht nur sein filmgeschichtliches Privatunternehmen ist, sondern auch, wie verwurzelt er in den Weiten des Alls mit alldem ist. Endlich heizt Lucas seine Saga nach zwei erfolglosen Versuchen wieder ein, drängt sie zurück zu Melodrama und Kitsch. Dass, was „Star Wars“ unter anderem auch ausmachte und dass, was sich von vorangegangener Sterilität und Desinteresse abhebt. Die altmodische Präferenz im Green Screen, die jeder sehen wollte. Für Lucas ist dies die letzte imperiale Schlacht, die es zu schlagen gilt, bevor er sich von seinem Monumentalwerk verabschiedet. Und es gelingt ihm, Fanherzen wieder schlagen zu lassen. [...]

                                3
                                • 6

                                  [...] Unfähig, ihre Zuneigung füreinander auszuleben und gefangen in den gesellschaftlichen Konventionen, die sie in persönlicher als auch allgemeiner Ebene einschränken, ist die Liebe zu Beginn zum Scheitern verurteilt. Ihre Zugehörigkeit wird durch die individuelle Eigenständigkeit und die Loyalität zueinander auf die Probe gestellt. Ist die Existenz wichtiger als die Erfüllung emotionaler Bedürfnisse? Diese Frage stellt sich Ilona mehrmals unbewusst. Einmal flieht sie mit Nikander über das Wochenende, dann versetzt sie ihn. Sie ist überfordert mit sich selbst, ihren Absichten und Möglichkeiten. Doch letztendlich findet sie ihre Erfüllung in dem, was sie schon lange hatte. Ihre Liebe ist nicht auf dem Fundament der sozialen beziehungsweise gesellschaftlichen Existenz gebaut, sondern definiert sich durch das Verständnis der beidseitigen Situation. Beide sind mittellos und einsam. Sie sind unwichtige Fußabtreter der restlichen Gesellschaft. Und doch sind es diese Leute, die in der Lage sind, vom Leben zu erzählen. Die Geschichten von Liebe und Hass, Verlieren und Gewinnen, sind Geschichten, die der kleine Mann aus der Einzimmerwohnung erlebt hat. Für sie scheint am nächsten Tag die Sonne, weil sie wissen, der nächste Tag wird so sein wie der vorherige. Doch es gibt etwas zu gewinnen, dessen Ausmaße für sie nicht zu ergründen sind, weil sie bereits verloren haben. Diese Marionetten des Lebens spielen auf der Bühne nur eine kleine Rolle, doch machen sie das Stück erst interessant. [...]

                                  8
                                  • 6

                                    [...] Als zweiter Teil der „proletarischen Trilogie“ geht Kaurismäki in „Ariel“ einen Schritt weiter und lässt seinen Protagonisten noch tiefer fallen, aber gleichsam auch noch höher aufsteigen. Wieder ist es ein Schiff, welches vor einem schlimmen Schicksal rettet. Wieder finden zwei Menschen zueinander. Kaurismäkis Geschichten des einfachen finnischen Mannes sind gleich und doch beinhalten sie eine Individualität, die sich, wie jedes einzelne Individuum auf diesem Planeten, durch offensichtliche Gemeinsamkeiten zusammenfügen, aber auch durch ihre natürliche Einzigartigkeit soweit unterscheiden lassen, dass es niemals dieselbe Geschichte sein wird. Anders als im ersten Teil der Trilogie „Schatten im Paradies“ ist es nicht die Geschichte einer Liebe, sondern das Erzählen und Erleben eines einzelnen Mannes, der ein neues Leben beginnt. Dabei beobachtet man den Fall, das Aufstehen als auch das Stagnieren des Protagonisten Taisto. Dieser lebensbejahende, kämpfende Mann, der aus dem Morast seines Lebens aufsteht und mit offenem Verdeck all jenem den Rücken zukehrt, was ihn einst herunterzog. Ein niemals aufgebender, für sein Glück ein stehender Mann, ist bei Kaurismäki aber auch nur ein Fußabtreter, der erst alles verlieren muss, bevor er irgendetwas gewinnt. Verlust ist für Kaurismäki Voraussetzung des Glücks. [...]

                                    6
                                    • 6

                                      Ein kleines Pummelchen, so wenig attraktiv wie auffallend. Doch wie viele große Persönlichkeiten definiert sich auch Roger Ebert nicht über seine optische Präsenz, sondern über sein Schaffen. Seiner Frau Chaz sagte er einmal, als er sie kennenlernte, vor Jahren und lange vor seiner Erkrankung, er wisse er sei fett und es störe ihn nicht. Das hat seine spätere Frau so beeindruckt, dass eine Beziehung entstand, die in ihrer Stärke und Emotionalität so anders und gleichzeitig ungleich erscheint, wie das gesamte Leben Roger Eberts.
                                      Über einen Mann zu schreiben, dessen Leben aus dem Schreiben bestand und der besser und effizienter schrieb als man es selbst überhaupt jemals könnte, erscheint blasphemisch, vielleicht auch beleidigend, aber dann ist vielleicht doch die größte Würdigung für einen Mann der das Schreiben mehr liebte als alles andere, das Geschriebene selbst.

                                      Seine Loyalität zum Wort machte ihn zur Koryphäe seines Metiers. Heute ist der Filmjournalismus (explizit: die Filmkritik) zum Blogger-Sport geworden, doch zu einer Zeit in der das Kino seine erste Renaissance erlebte, war Roger Ebert derjenige, der die Filmkritik belebte und zu einer eigenständigen Ausdrucksform der Kunst machte. Das alles zeigt „Life itself“ nicht wirklich, denn wer die geschichtliche Person Ebert ist, weiß jeder, der im Internet nach Filmkritik sucht. Steve James hingegen möchte nach mehr sehen, wollte Ebert über ein Jahr lang begleiten, in sein Privatleben eindringen und es verstehen. Ebert verstarb früher und seine letzten im Film gezeigten Worte an Regisseur James waren „i can’t“. Unfähig die letzten essentiellen Interviewfragen zu beantworten, die sich um das drehen würden, was wir alle in Roger Ebert sehen - einen Mann, der Kino mehr liebte als sein Leben und nichts lieber und besser tat als zu schreiben – setzt sich der Fokus des Dokumentarfilms auf die Privatperson.

                                      Die Bilder, wenn sich die Kamera an Eberts durch den Krebs gezeichnetes Gesicht festsetzt sind hart. Dort wo ein Unterkiefer sein sollte, hängt nur ein Hautlappen und man kann durch die Mundhöhle auf den Hals sehen. Was abstoßend zum Zusehen ist, zeigt allerdings in einfachster Form, wie Roger Ebert als Mensch war: Schonungslos offen, zu dem Stehend, was er tat und war. Egal ob in jüngeren Jahren fett, in späteren Jahren durch den Krebs gezeichnet; als Mensch war er immer genauso ehrlich zu sich selbst, wie zu den Filmen die er verriss oder liebte. Was er von anderen forderte, lebte er ebenso.

                                      Man lernt nicht viel aus „Life itself“ – am Ende wohl noch am Ehesten, dass Roger Ebert ein Mann war, der liebte. Im Besonderen seine Frau Chaz, die bis zum Schluss an seiner stand. Das ist von allem noch der ergreifendste Aspekt des Films, der zu oft versucht zwischen der intensiven Auseinandersetzung der Privatperson und dem Journalisten Ebert zu wechseln und an besonders holprigen Stellen zu verbinden. Denn um beide Seiten zu zeigen, reicht selbst ein zweistündiger Dokumentarfilm nicht aus. Die Beziehung zu Gene Siskel nimmt einen Stellenwert in der Geschichte ein, die in ihrer Verhältnismäßigkeit überbordend erscheint. Wenn Männer wie Martin Scorsese und Werner Herzog zu Wort kommen, die Film so lieben wie Ebert es tat und filmgeschichtliche Anekdoten preisgegeben werden, hat „Life itself“ den lebenswichtigen Spagat zwischen Privatperson und Filmkritiker am besten vollzogen.

                                      Bekannt für seine Präzision und Effizienz im Schreiben seiner Texte, schrieb Ebert an einer vollausformulierten Kritik eine halbe Stunde. Diesen Text zu schreiben dauerte eine Stunde (inklusive Facebook-Surfing), Roger Ebert hätte ihn in der Hälfte der Zeit geschrieben. Aber das unterscheidet uns, die über Film schreiben, von einem wie Roger Ebert, der das Schreiben und Filme sehen gelebt hat.

                                      4
                                      • 6

                                        [...] Die Kälte der Bilder, die dann besonders hervorkommt, wenn das Rot des Bluts und die wärmenden Strahlen der Kerzen versuchen, so etwas wie Innigkeit zu suggerieren und die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins projiziert, wird diese Kälte zum wiederkehrenden Symbol der Einsamkeit der gesamten Familie. Mit ausgebreiteten Armen, Vollbart und langen, wilden Haaren wirkt Vater William beim Gebet im Schein der Kerzen wie der Sohn Gottes, gesandt zur Erde, um die Familie vor dem Unheil zu bewahren, dass der Teufel in sie gebracht hat. Hier wird der Glaube der Familie zum Aberglauben, zum Gespött dessen, was Glaube eigentlich bewirken soll: Nächstenliebe, Zusammenhalt. Dem Bösen soll widerstanden werden – doch Eggers nutzt dieses uramerikanische Sittenbild einer Familie, gefangen in ihrem eigenen Glauben, als Auslöser allen Übels. [...]

                                        6
                                        • 6

                                          [...] Wenn sich Priester masturbierend die Dildos in vollkommener Synchronisation reiben, sind die Absurditäten keinerlei verformter Darstellung geschuldet, sondern ganz allein der sich immer weiter aufbauenden Katharsis der Protagonistin. Das im Hintergrund mehrmals zu sehende Mondgesicht aus Georges Méliès „Reise zum Mond“ steigert die kontextualen Absurditäten ins Unerreichte und suggeriert dennoch eine unheilvolle Planlosigkeit, die sich durch die visuelle Aussagekräftigkeit auslebt.
                                          Denn trotz der scheinbaren Vernarrtheit Rob Zombies in das Hinterteil seiner Frau Sheri Moon Zombie gelingt es Kameramann Brandon Trost durch groß angelegte Zooms und Fischaugenobjektive eine Distanz als angespannter Zuschauer zu schlagen, die dem Film jederzeit zugutekommt. Natürlich vernarrt sich Zombie hier wieder bewusst der visuellen Schlagfertigkeit des traditionellen Horrorkinos, denn seine eigene Distanz hat er im Laufe immer mehr verloren. Seine eigene Inszenierung, so unausgeglichen wie auch teilweise planlos, ist nun einer eigenen subversiven Kraft gewichen, die in „The Lords of Salem“ stärker als jemals zuvor hervortritt. [...]

                                          8
                                          • 5

                                            [...] Obwohl der Film sich weder an räumliche Grenzen hält, noch seine Charaktere einengt, suggeriert „A Field in England“ ein kammerspielartiges Novum. Die Weite des im Titel angedeuteten Feldes ist groß, doch gleichzeitig begrenzen sich Aktionen und Interaktionen nur auf dieses Feld, welches letztendlich dafür sorgt, dass die Entwicklung des Filmes stagniert. Ben Wheatley hat mit der scheinbaren Absicht gedreht, Geschichte Geschichte sein zu lassen – denn trotz der neuartigen Herangehensweise ist „A Field in England“ zwar durch seine Ambitionen interessant, aber als Produkt einseitig. Während Kameramann Laurie Rose mit imposanten Bildern die psychedelischen und expressionistischen Ideen umsetzt, ist die im Hintergrund agierende Grundessenz eine reine Arthouse-Farce. Übertrieben künstlerischer Anspruch trifft auf die notgedrungene Dünne des Inhalts, die sich dem Low-Budget anpassen muss, um so vermehrt durch optische Schauwerte zu überzeugen. [...]

                                            4
                                            • 5

                                              [...]
                                              Erinnert man sich an die bedrückende und einnehmende Atmosphäre in Hillcoats Endzeit-Drama „The Road“ enttäuscht „Lawless“ in seiner Inszenierung deutlich. Der Grundtenor wird bestimmt durch karge Landschaften und fieberhafte Einstellungen, die eine triste und raue Atmosphäre suggerieren und die harten Begebenheiten jener Zeit unterstreichen sollen. Doch überzeugend wirkt das zu keiner Zeit. Die Absicht ist klar – die Umsetzung enttäuschend. Folglich resultiert ein zwar stellenweise einnehmendes Gefühl, das den Zuschauer in die Zeit der Prohibition (bzw. der in diesem Film dargestellten Situation) hineinführt, aber ebenso schnell wieder hinausbefördert, wenn dieser dabei ist, seine Geschichte weiter zu erzählen. Denn nicht nur das Tempo nimmt im Laufe der Handlung zu, auch die Gewaltdarstellung. Es werden Kehlen aufgeschnitten und Genicke gebrochen; Sinn ergibt das nur wenig, denn dadurch soll mehr die Sensationsgier des Zuschauers, als das filmische Interesse stimuliert werden. [...]

                                              6
                                              • 5

                                                [...] Sie beginnen ein Leben, fern ihrer in Perspektivlosigkeit vagabundierenden Existenz. Eine Zeit lang scheinen sie in Glückseligkeit zu schwelgen, doch ihre Euphorie verkommt bald. Vergessen war das aussichtslose System, in dem sie festhingen. Und nun bricht es voll auf sie ein: Die Notwenigkeit, ein weiteres Lebewesen zu ernähren, lässt die finanziellen Mittel der Großmutter an ihre liquiden Grenzen stoßen. Konsequent agiert Rosales nur auf seine Charaktere bezogen. Denn auch wenn er verloren ihre Gedanken zu erforschen versucht, ihre Gefühle hat er verstanden. Sie sind absolute gesellschaftliche Verlierer und werden auch niemals gewinnen können. Die Schlussszene schließt den Kreis: Natalia ist wieder da, wo sie gemeinsam mit Carlos begonnen hat: auf der Couch. Bereit, sich wieder einmal zu verkaufen. Doch diesmal ohne Carlos. „Schöne Jugend“ lässt Gerechtigkeit missen. Denn jeder Schritt Richtung Besserung macht am Ende nur noch alles schlimmer. Umso sarkastischer und grausamer kann der Titel des Films ausgelegt werden. „Schön“ ist wenig, was ihr Leben betrifft. Doch die schönen Momente im Leben sind die, an die sie sich erinnern werden. [...]

                                                8
                                                • 5

                                                  [...] „Star Trek Into Darkness“ behandelt explizit den allgegenwärtigen Terrorismus und verknüpft Realität mit Fiktion deutlich einprägsamer als es der Vorgänger tat. Dies verschachtelt den Film aber nicht positiv, sondern verzwickt das Ganze zu einem politischen Abziehbild ohne jegliche Brisanz. Denn der Antagonist erscheint durchwegs als romantisierte Version eines bösen und verkitschten Außenseiters, dem der nötige Effet fehlt, um den politischen Kontext zu stützen. Denn trotz der Gefahr, die die Crew älter und erwachsener werden lässt und sie vor wichtige Entscheidungen zwischen Leben und Tod stellt, sind die Charaktere noch immer langweilige und vor allem verspielte Helden, die die Nerds des Fandoms ansprechen sollen, aber eine filmische Überzeugung weit entfernt hinter sich lässt.
                                                  Selbst der berechnende Spock lässt sich letztendlich von seinen Gefühlen so weit leiten, dass er der Held des Films wird und die kühle Fassade als Problem darstellt – nicht als Hilfe. Abrams kratzt erfolglos an der Oberfläche, hat zudem deutlich Angst das politisch-brisante Terrain zu betreten und macht aus der Idee ein glorifiziertes Non-Stop-Action-Abenteuer. [...]

                                                  4
                                                  • 5

                                                    [...] Legitimiert aus Leben und Tod, falscher Liebe und eskapistischer Lethargie verrennt sich Scherfig in ihren Ambitionen, ein mondänes Liebesspiel im Mantel der Einfachheit des Dogma-95. Gelangweilt, könnte man die uninspirierte Herangehensweise an das Medium Film beschreiben, wenn die Regisseurin versucht ihre Kompetenz blind zu überschreiten und die Peripherie des Lebens als keine Singularität, sondern übertriebener Destruktivität zu verstehen. Da schreiten nur Abziehbilder von Stereotypen durchs Bild, verlieren sich, zerstören sich, aber erreichen nichts. Als Dogma-Film zu einfach und doch zu überladen.

                                                    5