Mehr Sex im Kino, fordert der Spiegel - wir stimmen zu, bedingt

17.06.2009 - 11:15 Uhr
Little Children
Warner Bros.
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Immer weniger Sex und Sinnlichkeit gibt es auf der Leinwand zu sehen, behauptet Daniel Sander im Spiegel. Er ist geradezu entsetzt darüber, wie wenig Nacktes es im Kino derzeit gibt. Ist das aber wirklich so?

Der Filmkritiker Daniel Sander im Spiegel ist entsetzt und aufgebracht über die Prüderie und Spießigkeit Hollywoods. Nirgendwo gibt es mehr richtigen Sex auf der Leinwand zu sehen; es wird auch immer weniger darüber geredet. “Das Problem ist, dass der Zuschauer es gar nicht mehr anders gewöhnt ist. In jedem Freibad sieht man heute mehr nackte Oberkörper als auf der Leinwand, man hat es irgendwann so hingenommen. Jede menschliche Aktivität versucht Hollywood möglichst realistisch darzustellen: In den Filmen wird geredet, gekämpft, gegessen, geschlafen und gestorben. Doch Sex? Sex hat schon lange niemand mehr. Eine Flutkatastrophe, die binnen Minuten Millionen Menschen auslöscht wie in The Day After Tomorrow? Kein Problem – Altersfreigabe ab 12. Ein Penis? Wenigstens eine nackte Brust? Niemals! … So prüde und übervorsichtig wie heute ging es auf der Leinwand zuletzt wohl nur in den fünfziger und frühen sechziger Jahren zu, als Doris Day und Rock Hudson mit Komödien wie Bettgeflüster oder Ein Pyjama für Zwei Maßstäbe der Spießigkeit setzten.”

Ja … natürlich, der Mann hat irgendwie Recht. Wer in seinem Gedächtnis kramt, muss lange suchen, in einem Hollywood-Film Szenen zu sehen, in denen es so richtig zur Sache geht. In Teenie-Komödie a la Judd Apatow (Nie wieder Sex mit der Ex, Beim ersten Mal, Superbad) spielt die wichtigste Sache der Welt zwar immer eine Rolle, aber sie wird endlos totgeredet, aufs Lächerliche reduziert und zu sehen gibt es sowieso nichts. Sex and the City ist ein anderes großes Beispiel: Hier wird dem Zuschauer Wein vorgegaukelt, aber eigentlich bekommt er nur Wasser. Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen mag exemplarisch für all jene Filme stehen, in denen der Sex ständig präsent ist, aber nie in irgendeiner Weise praktiziert wird. Das alles hat natürlich seine Gründe, die Wächter der Prüderie sind in den USA am Zuge; um Kasse zu machen, braucht es die PG13-Altersfreigabe.

Wer Sex auf der Leinwand will, sollte sich vielleicht einfach von Hollywood abwenden oder wenigstens in die hinteren DVD-Regale schauen. Bei längerem Überlegen, gibt es dann doch einige erwähnenswerte Sex-Szenen, etwa in Gefahr und Begierde von Ang Lee oder in Little Children, dem kleinen, aber feinen Film über die Affäre zweier Vorort-Eltern mit Kate Winslet und Patrick Wilson. Überhaupt Kate Winslet: Die Britin hat keine Scheu, sich vor der Kamera im Eva-Kostüm zu zeigen, sei es in Titanic oder in Der Vorleser. Hier versteigt sich dann Daniel Sander zu der Behauptung: “Wenn schon nackt, dann nur als Nazi.”

Davon nimmt der deutsche Film gottlob Abstand. Jedenfalls hat Wolke 9 von Andreas Dresen im letzten Jahr gezeigt, dass Sex auch im Alter auf der Leinwand ganz groß sein kann. Der Regisseur ist auch in Sommer vorm Balkon nicht gerade prüde. Nina Hoss und Benno Fürmann zeigen zwar nicht die Küchenszene aus Wenn der Postmann zweimal klingelt von Jack Nicholson und Jessica Lange, aber Sex haben sie in Jerichow ebenso. Ein Blick nach Frankreich lohnt auch immer wieder in Sachen Sex und Sinnlichkeit. Außerdem: In diesem Jahr sprühte es beim Filmfestival in Cannes nur so vor Sexualität, gepaart allerdings mit Gewalt und Absurdität. Da erwartet uns mit Antichrist des Lars von Trier noch einiges.

Also: Hollywood ist nicht das Maß aller Dinge. Oder etwa doch?

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